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Energie & Management, Ausgabe 20, 2015

15. Oktober 2015 D ezentrale Energieversorgung, maßgeschneidert, galt ein- mal als wichtiger Baustein der Energiewende. Bürger, Kommunen, Mittelstand und Industrie haben im Wettbewerb zum Wohle des Umwelt- und Klimaschutzes und der Arbeitsplätze investiert und auf den Staat vertraut. Und nun? Zunächst wurde die Eigen- versorgung durch das EEG 2014 mit dem Versprechen, einen Ausgleich durch die KWKG-Novelle zu schaffen, mit Zu- satzkosten belastet. Der jetzt vorliegen- de Novellierungsentwurf zum KWKG streicht allerdings die Förderung der Eigenversorgung und führt zu weiteren Zusatzkosten. Die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern für BHKW wurden im Juli von zehn auf 15  Jahre verlän- gert. Die Stromsteuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1  Nr. 3 StromStG soll für dezen- trale (EEG)-Anlagen gestrichen werden. Ein Schelm, der dabei Böses denkt. Dramatisch sieht es hinsichtlich des Investitionsschutzes, der Planungs- sicherheit und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes für die EEG-um- lagefreie Eigenversorgung aus. Wer ist Eigenversorger? Wer kann Bestands- schutz beanspruchen? Welche Eigenver- sorgungskonzepte sind EEG-umlagefrei? Sind Rückwirkungen in die Vergangen- heit zu befürchten, wenn der Bestands- schutz nicht greift? Fragen über Fragen mit einer wirtschaftlichen Bedeutung im zweistelligen Milliardenbereich. Nun soll es die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit einem Leitfaden richten. Hat die BNetzA aber die rechtliche Be- fugnis für belastbare Aussagen? Können Investitions- und Umstrukturierungsent- scheidungen als wesentliche Weichen- stellungen belastbar auf Basis eines unverbindlichen Leitfadens getroffen werden? Stehlen sich hier nicht Bundes- regierung und Gesetzgeber aus der Ver- antwortung und überlassen es, da auch die BNetzA letztlich keine Festlegungs- kompetenz hat, den Gerichten, wieder einmal gesetzgeberische Versäumnis- se im Energiebereich auszugleichen? Sind aber die Gerichte mit ihren immer knapperen personellen Ressourcen für die Entscheidung so komplexer energie- technischer, energiewirtschaftlicher und energierechtlicher Fragestellungen aus- reichend gerüstet? Arme Richter, arme Gerichte, armer Rechtsstaat. Wenn ein Häuslebauer mit Solaran- lage als Eigenversorger in hohem Alter verstirbt und seine Gattin noch einige Jahre fortlebt, muss sie den in der So- laranlage erzeugten und verbrauchten Strom ab dem Versterben ihres Mannes anmelden und EEG-Umlage abführen, weil die Betreibereigenschaft auf eine andere Person übergeht und deshalb der Bestandsschutz entfällt? Da der Ge- setzgeber bis heute keine belastbaren Abgrenzungsmerkmale zwischen einer EEG-umlagefreien Eigenversorgung und einer EEG-umlagepflichtigen Stromlie- ferung für Bestandsschutzfälle, die vor dem 1. August 2014 umgesetzt wurden, geschaffen hat, soll es nun der Leitfaden der BNetzA richten. Im Gesetzgebungsverfahrens zum EEG 2012 gab es erste Diskussionen, ob und wie das Eigenerzeugerprivileg mit dem Ziel der Abfederung eines zu starken Anstiegs der EEG-Umlage eingeschränkt werden könne. Die Bundesländer warn- ten vor einer solchen Einschränkung. Der EEG-Entwurf 2012 passierte unter ande- rem deshalb Bundesrat und Bundestag, weil der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, die dezentrale Eigenver- sorgung nicht einzuschränken. Es be- stand Konsens, dass unabhängig vom Pacht-, Betreibergemeinschafts- oder sonstigen Modellen als Eigenversorger eingestuft werden kann, wer jeweils die wesentlichen energiewirtschaftlichen Risiken für die Stromerzeugung trägt. Mit dem EEG 2014 wurde die Eigenver- sorgung für Neuanlagen dann erheblich eingeschränkt; zugleich wurde aber eine Bestandsschutzregelung geschaffen. Für Bestandsanlagen wurde auf einen um- fassenden Bestandsschutz hingewiesen, der dazu führte, dass auch die Regelun- gen des EEG 2014 das weitere Gesetz- gebungsverfahren passierten. Wenn dem Willen des Gesetzgebers seitens der BNetzA entsprochen wird, kommt diese nicht umhin, in ihrem Leit- faden als EEG-umlagefreie Eigenver- sorgung zumindest die Fallkonstellation anzuerkennen, die das im Jahr 2012 für das EEG federführend zuständige Bundesumweltministerium damals als zulässig eingestuft hat. Hierzu gibt es Gutachten und Veröffentlichungen, nach denen sich beispielsweise mehrere Letztverbraucher Erzeugungsanlagen für ihren individuellen Bedarf in virtuel- le Kraftwerksscheiben aufteilen dürfen und nach denen auch Pacht-, Nutzungs- und Lohnumwandlungsmodelle möglich sind. Es bleibt spannend, abzuwarten, in welchem Umfang der Leitfaden der BNetzA den Vertrauensschutz berück- sichtigt.   * Dr. Martin Riedel, Rechtsanwalt, Becker Büttner Held, Berlin Ist dem Rechtsstaat noch zu trauen? Martin Riedel* nimmt den Vertrauensschu󿿸 in der Diskussion um die Eigenerzeugung unter die Lupe. D er BDEW verspricht sich von den Ausschreibungen für erneuerbare Energien, die grundsätzlich schon im EEG 2014 angelegt sind, eine wettbe- werbliche Ermittlung der Vergütung und dadurch mehr Kosteneffizienz. „Die Förderhöhe wird künftig nicht mehr Spielball politisch-wirtschaft- licher Interessen sein, sondern sich zunehmend im Markt bilden. Gleich- zeitig erhöhen Auktionen durch die mit ihnen verbundene Mengen- steuerung die Planbarkeit des Erneu- erbare-Energien-Zubaus“, betont Hildegard Müller, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Doch auch die Akteursvielfalt muss aus Sicht desVerbandes erhalten blei- ben, denn ohne diese gäbe es keinen Wettbewerb. Zudem sichere die Ak- teursvielfalt die Innovationskraft und stärke die Akzeptanz. Dennoch spricht sich der BDEW grundsätzlich gegen Sonderregelun- gen für einzelne Akteursgruppen aus, die im Bundeswirtschaftsministe- rium (BMWi) durchaus erwogen wer- den. Auch Freigrenzen, die das BMWi in seinen Eckpunkten zum Aus- schreibungsdesign für die Teilnahme an den Auktionen vorgeschlagen hat – jeweils 1 MW für Wind onshore und Photovoltaik (PV) –, lehnt der BDEW ab. Bei der PV würden dann große Dachanlagen außen vor bleiben, hieß es dazu; auch bei einer Grenze von 10 kW, wie sie in der Unionsfraktion favorisiert wird, blieben noch immer 50 Prozent der Installationen außer- halb der Ausschreibungen. Eher sollten Vergütungssätze für kleine Anlagen in Anlehnung an die Auk- tionsergebnisse festgelegt werden, so der BDEW. Einheitspreisverfahren und Versicherungsmodell für kleine Akteure Der Verband schlägt zudem vor, dass kleine Akteure über ein Versi- cherungsmodell ihr Risiko, keinen Zuschlag zu erhalten, absichern sollten. Der Versicherer könnte das Zuschlagsrisiko kleiner Akteure bün- deln, um so eine Risikostreuung zu erreichen. Denkbar sei, dass für den Anfang die KfW ein solches Produkt auflege, hieß es dazu bei der Erläute- rung der BDEW-Vorschläge in Berlin. Die Eintrittshürden für kleinere Ak- teure sollten durch den Verzicht auf formale Präqualifikationen wie auch durch die Einbeziehung einer gleiten- den Marktprämie in die Ausschreibung gesenkt werden. Wichtig aber ist vor allem: Der Ver- band plädiert, anders als das BMWi, für ein Einheitspreisverfahren (uniform pricing) statt einem Gebotspreisver- fahren (pay as bid). Bei letzterem er- hält jeder, der unter dem festgesetzten Höchstpreis bleibt, die von ihm an- gesetzte Vergütung. Dies sei nicht nur weniger effizient und führe zu vielen unterschiedlichen Fördersätzen, son- dern hierbei seien unerfahrene Ak- teure im Nachteil, weil die Bieter beim Gebotspreisverfahren praktisch auf einen Höchstpreis „wetten“. Beim Einheitspreisverfahren hingegen wird nach Grenzkosten geboten. Am Ende erhalten alle Bieter die selbe Vergütung, die sich in der Regel aus dem letzten noch akzeptierten Gebot ergibt. Für die Ausschreibungen für Wind- kraft an Land geht der BDEW – bis auf die abgelehnte Freigrenze – weit- gehend mit den BMWi-Vorschlägen konform. das sind vor allem Bundes- Immissionsschutz-Genehmigungen alsTeilnahmevoraussetzung und eine Realisierungsfrist von 36 Monaten. Was die regionale Verteilung betrifft, so ist der Verband gegen eine Quote, wie die Südländer sie vorgeschlagen haben. Das Referenzertragsmodell sollte jedoch moderat angepasst werden. Der BDEW plädiert für eine Absenkung der Grundvergütung auf 3,5 Ct/kWh und betont, es müsse ein kontinuierliches Monitoring geben, um gegebenenfalls nachzujustieren. Vom Verband wird begrüßt, dass das BMWi die Photovoltaikfreiflä- chen-Ausschreibungen auf bauliche Anlagen (zum Beispiel Deponien) ausweiten will, weil dies durch Ein- beziehung weiterer Flächen dem Wettbewerb diene. Statt der 1-MW- Freigrenze bei Dachanlagen emp- fiehlt der BDEW ein vereinfachtes Online-Auktionsverfahren für Klein- anlagen, hilfsweise die administrative Festlegung der Förderung entspre- chend dem Auktionsergebnis. Der vom Solarverband kritisierte Aus- schluss des Selbstverbrauchs stößt auf Zustimmung, ebenso wie die wei- terenVorschläge des Ministeriums. Bei den Offshore-Ausschreibun- gen sieht man hingegen „noch viele Fragestellungen“. Beispielsweise, ob angesichts bereits erfolgter Genehmi- gungen überhaupt noch Wettbewerb stattfinden könne. Die vom BMWi angedachten Punkte wie das zentrale Modell, zwei Offshore-Parks pro Jahr, zusätzliche Netzanbindungen sowie eine Einmalauktion als Übergangs- lösung für die Jahre 2021 bis 2023 findet man beim BDEW in Ordnung. Wichtig sei jedoch, dass es in der Ein- malauktion keine Abschmelzung des Volumens gebe, wenn das Ausbauziel für 2020 überschritten wird. Auch Ausschreibungen für Bioenergie und Wasserkraft Der BDEW betont die Bedeutung der Biomasse für das zukünftige Strom- system und spricht sich auch hier, anders als das BMWi, für Auktionen aus. „Anders würde das Zubauziel von 100 MW pro Jahr nicht erreicht“, heißt es dazu. Die Vergütung im EEG 2014 reiche nicht aus, insbesondere ange- sichts der Flexibilisierungsanforde- rungen. Während das BMWi von Ausschrei- bungen von Wasserkraftprojekten absehen will, sieht derVerband hier ge- nügend Wettbewerbspotenzial, denn er schätzt den möglichen Zubau in den kommenden Jahren auf rund 1GW. Alle zwei Jahre könnten jeweils 200MW ausgeschrieben werden, so der BDEW. Bei der EEG-Novelle sollten aus Sicht des Branchenverbandes zudem Mengenkontingente für die Förderung der erneuerbaren Energien eingeführt werden. Dabei würden die Anlagenbe- treiber statt einer zeitlich befristeten Vergütung Förderung für eine defi- nierte Strommenge erhalten. Der Vor- teil: Der Anreiz, den Strom möglichst bedarfsgerecht zu erzeugen, steige. Eine Einspeisung bei negativen Markt- preisen würde vermieden. Positive Effekte seien auch im Hinblick auf die Anlagenauslegung zu erwarten. Im Er- gebnis steige die Kosteneffizienz und die von den Letztverbrauchern zu tragenden Förderkosten sänken, hofft der BDEW.  Der Bundesverband Ener- gie-undWasserwirtschaft (BDEW) hat am 30. Septem- ber Empfehlungen für die EEG-Novelle 2016 veröf- fentlicht. Dabei geht es vor allem umVorschläge zur konkreten Ausgestaltung der Ausschreibungen. VON ANGELIKA NIKIONOK-EHRLICH BDEW-Vorschläge zum Ausschrei- bungsdesign 3POLITIK/RECHTECK Bild:Fotolia.com,K-U_Haessler

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