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Energie & Management, Ausgabe 20, 2015

15. Oktober 2015 11SMART METER B isher hat der Kunde seinen Zähler überhaupt nicht wahr- genommen. Plötzlich sollen ihm aber aus der neuen Tech- nologie Vorteile erwachsen. Wie das genau gehen soll, darüber müssen sich die Marktakteure intensiv Gedanken machen. Ideen gibt es, aber noch keine Patentlösung. Und es besteht augen- scheinlich noch erhebliche Unsicher- heit, wie man als Energieversorger dem Endverbraucher den verpflichtenden Einbau von intelligenten Zählern er- klären soll. Der Haushaltskunde rückt erst 2020 in den Fokus Deutlich wurde dies beispielsweise bei den diesjährigen Metering Days des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Fulda. Dort sprach Ulrich Wernekinck, Tech- nischer Geschäftsführer von RWE Me- tering, von einer „schwierigen“ und „spannenden“ Aufgabe für die nächs- ten eineinhalb Jahre. Denn 2017 soll der Rollout intelligenter Messsysteme in Deutschland beginnen. Dies sieht jedenfalls der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende vor, der am 21. Septem- ber dieses Jahres offiziell veröffentlicht wurde. „Bisher hat der Kunde den Zähler gar nicht wahrgenommen und hat deshalb das gesamte System auch nicht hinterfragt“, sagte Wernekinck. Warum auch – wenn alles funktioniert. „Deshalb müssen wir sorgfältig darauf achten, dass wir Zähler einbauen, die einwandfrei funktionieren, und dass der Kunde auch einen entsprechen- den Mehrwert findet“, mahnte der RWE-Manager. Es war ihm anzumer- ken, dass ihm so viel Aufhebens um die Messgeräte nicht recht ist. Die Antwort auf die Frage nach dem Mehrwert hatte Tim Karnhof, Leiter Smart Metering bei Trianel, sofort parat: „Der Mehrwert liegt in den Daten.“ Bisher würden diese al- lerdings meist gesammelt und erst hinterher werde deren Wert unter- sucht. Er halte es jedoch für sinnvoll, Geschäftsmodelle zu entwickeln und dafür gezielt bestimmte Daten zu sammeln und aufzubereiten. „Mit Blick auf 2017 sollte der Vertrieb aber jetzt anfangen, etwas aus den Daten zu machen“, riet er. Der vorliegende Gesetzesentwurf gebe auf jeden Fall ausreichend Planungssicherheit für diesen Schritt. Der Rollout von intelligenten Zäh- lern beziehungsweise Messsystemen, wie ihn sich die Bundesregierung vorstellt, soll ab 2017 bei allen Ver- brauchern mit mehr als 10 000 kWh pro Jahr anlaufen. Ab 2020 kann dann der Messstellenbetreiber,„wenn er nutzen- orientierte Kostendeckel einhält“, auch Kunden mit geringeremVerbrauch ein- beziehen. Auf den ersten Blick scheint es mit dem Mehrwert für den Haushaltskun- den also noch gar nicht so eilig zu sein. Dieser Meinung ist auch Peter Heuell, Geschäftsführer von Landis+Gyr in Deutschland. Erst ab 2020 rücke der Haushaltskunde in den Fokus. Bis dahin erwartet Heuell „Innovationen von oben nach unten“. Aus den Ansät- zen für die Großverbraucher ließen sich sicherlich Produkte für die Gruppen mit niedrigerem Verbrauch ableiten, mut- maßt der Chef des Mess- dienstleisters mit Sitz in Nürnberg. Bevor sich dieVertriebs- strategen daran machen, etwas abzuleiten, ist es jedoch sinnvoll, sich den vergleichsweise leicht zu hebenden Potenzialen zuzuwenden. Was schon heute möglich ist, zeigt ein Blick nach Dresden. Neben den Gewerbe- treibenden habe die Wohnungswirtschaft ein großes Interesse an Daten signalisiert, die zu ande- ren Zeiten als dem jährlich einmaligen Ablesedatum erhoben und bereitge- stellt werden. Allerdings weist Ralf Schaff darauf hin, dass man nicht beim Strom aufhören dürfe. „Wir erfassen das gleiche Datenvolumen bei der Fernwärme. Auch dort nehmen wir monatliche Zähler- stände auf“, erklärt der Gruppen- leiter Zählstellen der Drewag Netz. „Der Mehrmedienansatz, wie er jetzt im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende vorgesehen ist, entspricht genau unserer Strategie.“ Gerade Daten für die Bewirtschaftung von Liegenschaften seien gefragt.„Wir erschließen bei Bedarf alle Medien kommunikativ und stellen die Daten über eine Kundenschnittstelle zum Beispiel für die Gebäudeleittechnik zurVerfügung“, erläutert Schaff. Filialisten als mögliche Kundengruppe Trianel-Manager Karnhof sieht auch Fi- lialisten als eine Kundengruppe, die für Messstellenbetreiber künftig sehr inte- ressant sein dürfte. Er denkt an die eine oder andere Schuhladenkette, nachdem er erfahren hat, dass ein Unternehmen der Branche mit rund 100 Filialen bisher mit nur einem Messwert pro Jahr zu- frieden war. Der freiwillige Einbau von Smart Metern soll nun eine Vergleichbarkeit der Filialen ermöglichen. In die Kategorie mit 40 000 bis 90 000 kWh sortiert Karn- hof auch Autohäuser ein, die von ihrem Konzern Vorgaben für die Beleuchtung bekommen haben. An der Zusammen- arbeit mit den Kunden zeige sich deut- lich, dass die Energiewende nur im Dialog mit den verschiedensten Playern wirklich zum Erfolg führen könne. Ob die Stadtwerke weitere Kunden- gruppen jedoch schnell erschließen, ist die Frage. Synergien heben, Erfah- rungen austauschen, eine gemeinsame IT-Infrastruktur aufbauen und nutzen – alles Argumente, die kommunale Unternehmen überzeugen sol- len, in Netzwerken mitzuarbei- ten. Die Trianel sieht sich mit ihrer Smart-Metering-Plattform jedenfalls gut aufgestellt. Zu den First Movern zu gehören, sei demnach kaum mit Risiken ver- bunden. Karnhof ist überzeugt, dass es einen Wettbewerb um die Messstellenkunden geben wird: „Schneller als man denkt.“ Daher rät er den Stadtwerken, sich jetzt mit entsprechenden Geschäftsmodellen zu beschäf- tigen. Nach Schaffs Erfahrungen ist der Bedarf an detaillierteren Daten als einem Monatswert für Haushaltskunden allerdings un- interessant und nicht notwen- dig. Ein genereller Smart Meter Rollout sei aus dieser Perspekti- ve nicht gerechtfertigt. Schon die Verbrauchsvisualisierung, wie sie auch im Gesetz gefordert sei, ist seiner Meinung nach über- bewertet. Der durchschnittliche Jahres- stromverbrauch einer vierköpfi- gen Familie in Dresden liegt bei 2 500 kWh. E i n s p a r - p o t e n z i a l e sind also kein großes Thema für die Kunden. Den- noch hat die Drewag auch in diesem Segment den Generationswechsel eingeleitet. Seit 2010 bis heute hat die Netzgesell- schaft des kommunalen Energiever- sorgers mehr als 120 000 moderne Zähler in Dresden installiert. Dabei handelt es sich ausschließlich um Abnahmestellen im Bereich der Stan- dardlastprofile mit einem Verbrauch unter 30000 kWh pro Jahr. Schaff ist sich allerdings bewusst, dass der Ein- bau nur Sinn macht, wenn er für die Prozessabläufe des Verteilnetzes und den Verbrauchernutzen einen Mehr- wert bringt. Zusätzliche Kosten dürften für den Haushalt ohne eine Wertstei- gerung nicht anfallen. Die „Zwangs- beglückung“ mit erhöhten Kosten für alle Kunden, wie sie die im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende vor- gesehenen Preisobergrenzen darstel- len, seien „eher abzulehnen“. Die für den Verbraucher anfallenden Kosten müssten sich eher an den genutzten Funktionalitäten orientieren. „Waschen in der Nacht“ oder sonstige Herausforderungen an das Gewohn- heitstier in uns hält auch Karnhof für „Tinnef“. Er rechnet nicht damit, dass sich Haushaltskunden in signifikantem Umfang aus ihrer Komfortzone bewe- gen werden. Bei Gewerbekunden sieht er allerdings sehr wohl eine Bereit- schaft zur Flexibilität. Beispielsweise in der Holztrocknung von Sägebetrieben lägen Verschiebepotenziale mit hohen Volumina. Diese seien auch prozess- technisch relativ leicht zu realisieren. „Um das zu erkennen, muss ich aber erst einmal in der Lage sein, typische Verbrauchsstrukturen einzelner Bran- chen oder Gewerbebetriebe zu ana- lysieren. Mit 96 Viertelstundenwerten proTag kann ich eineVerbrauchsstruk- tur abbilden und abschätzen, ob es überhaupt eine Möglichkeit zur Last- verschiebung gibt“, so Karnhof.  Und immer an die Kunden denken Wie die Letztverbraucher vom Smart Metering in Zukunft profitieren werden, ist noch nicht klar. Doch eine Erkenntnis gibt es schon: Der Mehrwert liegt in den Kundendaten. VON FRITZ WILHELM Ni t ohne Not Was Energieversorger generell ihren Endkunden als Mehrwert des Smart Meterings bieten, ist eine Sa e. Eine andere ist die Kundenrolle der Stadtwerke selbst, denn RWE & Co. stehen bereit, die Kleinen beim Rollout zu begleiten. So können diese beispielsweise den Zertifizierungsaufwand reduzieren. „Arbeits- teilung“ nennen es die Energiekonzerne, die derzeit an vers iedenen Dienstleistungspaketen arbeiten und damit re nen, dass vor allem kleinere Kommunale si s wer tun werden, das Know-how und die Ressourcen aufzubauen, um als Messstellenbetreiber zertifiziert zu werden und au reten zu können. Das Outsourcing könnte einzelne Aktivitäten umfassen, unter Umständen kann das Stadt- oder Gemeinde- werk aber au seine gesamte Grundzuständigkeit für intelligente Messsysteme im Zuge einer Auss reibung auf ein anderes Unternehmen übertragen. Dieses Aus- stiegsszenario dür e aber eher unwahrs einli sein. Denn in Zeiten, in denen Kundendaten als das „neue Öl“ gehypt werden, ist der Zugang zum Treibstoff der digitalisierten Energiewirts a Gold wert. S ließli ging au keine Hand in die Höhe, als Tim Karnhof von Trianel bei den Metering Days des ZVEI in Fulda das Auditorium fragte, ob jemand von vornherein das Ges ä smodell einem Dri en überlassen würde. Bild:Shutterstock.com,panumasnikhomkhai brauchern mit mehr als 10000 kWh pro mit 40000 bis 90000 kWh sortiert Karn- 2500 kWh. sorgers mehr als 120000 moderne

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