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Energie & Management, Ausgabe 20, 2015

15. Oktober 20152 SZENE/POLITIK Mittwoch, 23. September „Alleingänge sind nicht gut“, sagt Herbert Reul (EVP), Mitglied im Wirtschafts- und Energieausschuss des EU-Parlamentes, auf der Energiekonferenz von Becker Bütt- ner Held. Er meint – natürlich – Deutsch- lands Energiewende und kritisiert die „Belastungen“ insbesondere für die Indus- trie. „Ich kämpfe dafür, dass die Ausnah- men bleiben“, betont Reul. Angesprochen darauf, ob sich denn die Milliarden-Sub- ventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point mit dem EU-Recht ver- trügen, sagt er: „Mein Eindruck ist, dass es realisiert wird.“ Es sei eine britische Entscheidung, das KKW zu bauen. Johan- nes van Bergen, ehemaliger Sprecher der Geschäftsleitung der Stadtwerke Schwä- bisch Hall, wirft Reul daraufhin eine „se- lektive Auffassung von Energiepolitik“ vor. „70 Milliarden Subventionen für Hinkley Point zu akzeptieren, ist ein Skandal für die EU, das sind gigantische Staatssubventio- nen“, wettert er. Wofür man da eigentlich noch das europäische Kartellrecht brauche? „Es gibt weltweit kein Kernkraftwerk, das von einer Bank finanziert oder dessen Ri- siko von einer Versicherung abgesichert würde“, so van Bergen. Dienstag, 29. September Geballter Zorn richtet sich bei einer Ver- anstaltung von Eurosolar zur „Praxis der Energiewende“ auf Wirtschaftsstaats- sekretär Rainer Baake. „Was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, geht auf keine Kuhhaut“, schimpft ein Teilnehmer. Er verweist auf die EEG-Reformen und insbesondere auf den geplanten Übergang zu Ausschreibungen. Bereits durch die massiven Kürzungen bei der Photovoltaik seien 70 000  Arbeitsplätze in Deutsch- land verlorengegangen, verdeutlicht ein anderer. „Ich hatte früher 100 Mitarbeiter, jetzt sind es nur noch zehn“, klagt ein Solarunternehmer. „Die Ausschreibungen sind überflüssig wie ein Kropf“, schallt es Baake entgegen. Das sei wie „ein Lotte- riespiel“. Und dass der Eigenverbrauch belastet werde, „eine Frechheit ohneglei- chen“. Baake bleibt gelassen. „Wir brauchen einen anderen Fördermechanismus“, sagt er. „Es soll nicht mehr der Bundestag die Förderhöhe bestimmen. Wir brauchen ein wettbewerbliches, diskrimi- nierungsfreies Verfahren.“ Man habe einen Ausbau- korridor für den geförderten Erneuerbaren-Zubau, aber niemand werde daran ge- hindert, darüber hinaus Anlagen zu bauen. „Es gibt kein Ausbau- verbot“, betont Baake. Und was die Ab- lehnung von HGÜ-Leitungen angeht, stellt er klar: „Wenn wir auf HGÜ verzichten, müssen wir viermal soviel Wechselstrom ausbauen.“ Donnerstag, 1. Oktober Auch wenn die Widerstände gegen weite- re substanzielle Emissionsminderungen in der konventionellen Energiewirtschaft teil- weise groß sind: Der Energiesektor selbst braucht den Klimaschutz. Denn der weltweit größte Verursacher von Treibhaus- gasemissionen ist selbst vom Klimawandel betroffen. Das zeigt eindringlich ein auf dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) fußender Report, den der Weltenergierat Deutschland und das Wissenschaftsportal klimafakten.de veröffentlicht haben. Temperaturanstieg, immer häufigere und heftigere Extrem- wetter-Ereignisse wie längere Hitze- und Trockenperioden oder Starkregen mit Überflutungen wirken sich unmittelbar auf die Energieerzeugung und auch auf die Stromübertragung aus. So müssen etwa Kohle- oder Atom- kraftwerke bei Niedrigwasser ihren Betrieb ebenso wie Wasserkraftwerke einschränken. Sogar Stilllegungen wären möglich. Der Wirkungsgrad thermischer Kraftwerke sinkt durch hohe Kühltempe- raturen. Auch der Nachschub an fossilen Brennstoffen kann leiden. Öl- und Gas- pipelines in Küstennähe sind vom stei- genden Meeresspiegel bedroht, in kalten Gebieten dagegen von auftauenden und damit instabil werdenden Permafrostbö- den. Stromleitungen können durch Stürme beschädigt werden, ebenso wie Wind- kraft- und Solaranlagen. Fazit: Um den Klimawandel einzu- dämmen, muss die Dekarbonisierung vorangetrieben werden, etwa durch die Umstellung auf CO2-arme Brennstoffe, die Nutzung erneuerbarer Energien oder die Verbrauchsminderung. Dies sollte durch eine CO2-Bepreisung angereizt werden. Zugleich müssen die Energieinfrastruk- turen an den Klimawandel angepasst werden. „Unser Report zeigt, dass die mit der Energiewende angestrebte Dekarbo- nisierung der Energiewirtschaft kein deut- scher Sonderweg ist“, sagt Carel Mohn, Projektleiter von klimafakten.de. „Diese Strategie entspricht vielmehr dem Stand der Wissenschaft weltweit.“   Alleingänger oderTrendsetter? Das Tagebuch von Angelika Nikionok-Ehrlich, Berliner E&M-Korrespondentin, hält die Energie-Ereignisse oder -Inszenierungen der Hauptstadtpolitik fest. BERLINERTAGEBUCH -Korrespon­ dentin Angelika Nikionok-Ehrlich heißt und ihr sie in eurem Heimatland un- verändert heiß und innig liebt, sie euch in Deutschland aber genommen wurde und ihr dafür von der deutschen Bundesregierung eine Entschädigung von 4,7 Milliarden Euro wollt. Viel mehr also als für eure Braunkohle- kraftwerke, die ihr ganz offiziell zum Verkauf ausgeschrieben habt, und eure Braunkohle- gruben ebenfalls, und auch eure sauberen Wasserkraftwerke, wofür in der Summe angeblich nur zwei oder drei Milliarden Euro Verkaufspreis zu erzielen sind, vielleicht gar nur eine Milliarde. Ich würde das ja gerne im Paket kaufen, am Geld würde es wahrscheinlich nicht scheitern, aber, um ehrlich zu sein, die An- gebotsfrist 6. Oktober dieses Jahres ist mir einfach zu knapp, denn es sind doch noch ei- nige Gespräche zu führen. Vielleicht geht das anderen Bietern ähnlich und ich kann hoffen, dass die Frist verlängert wird. Ich werde also mit dem Wirtschaftsmi- nister des Freistaates Sachsen, mit Martin Dulig sprechen, der dpa gegenüber geäußert hat, dass er sich einen verantwortungsvol- len Investor aus der Energiewirtschaft und „nicht irgendeine Heuschrecke oder einen Hedgefonds“ wünscht. Da ich seit 1976 in der Energiewirtschaft unterwegs bin und natür- lich nur mein Erspartes da reinstecken würde, müsste ich eigentlich gute Karten haben. Mit den Grünen im sächsischen Landtag und dem Umweltverband Grüne Liga werde ich mich auch austauschen. Der Liga-Braunkohle- experte René Schuster rechnet nämlich mit Verzögerungen beim Verkauf, hat er der dpa erzählt. Ein Käufer könne nicht kalkulieren, bevor das für Frühjahr 2016 angekündigte Strommarktgesetz den Bundestag verlassen habe, so schreibt der Nachrichtendienst, und zitiert Schuster mit den Worten, dass unter jetzigen Umständen die Vattenfall-Sparte „nur zu Ramschpreisen zu verkaufen“ sei. Was mir natürlich sehr entgegenkäme, denn ich muss doch jeden Cent umdrehen. Sprechen möchte ich noch mit Jürgen Free- se, Walter Hirche, Matthias Platzeck und Jür- gen Stotz. Mit denen gab es im Herbst 1993 eine Diskussion „Vor Ort“, so hieß die Fern- sehsendung des MDR, und vor Ort war das Kraftwerk Schwarze Pumpe. Es ging aktuell darum, dass sich der Stadtrat von Potsdam dafür entschieden hatte, ein erdgasbe- triebenes GuD-Kraftwerk zu bauen – also keine Braunkohle für die Energieerzeugung einzusetzen. Vor Ort waren auch sehr viele wütende Bergleute, die Angst hatten, ihre Arbeitsplätze in einem nicht wirtschaftlich betriebenen Braunkohlebergbau zu ver- lieren. Die Stimmung war sehr aufgeheizt, befeuert vor allem durch Ulrich Freese, damals Bezirksvorsitzender Lausitz der IG BCE, heute unter anderem Mitglied des Bundestages für die SPD und Aufsichtsrat bei Vattenfall-Unternehmen (er gilt als aus- geprägter Kohle-Lobbyist). Matthias Platz- eck, damals parteiloser Umweltminister des Landes Brandenburg und Befürworter des GuD-Kraftwerkes, wies in der Diskussion immer wieder darauf hin, dass Freese „sehr polemisch ist“. Walter Hirche, FDP, war da als Wirtschaftsminister von Brandenburg und Jürgen Stotz als Vorstandsvorsitzender der zu diesem Zeitpunkt noch nicht privatisierten VEAG. Eingeladen war auch eine Dezernen- tin der Stadt Potsdam, die die Teilnahme ab- sagte, weil sie um Leib und Leben fürchtete. Eine Diskussion, die sich heute nach 22  Jahren ähnlich abspielen könnte. Die Gewerkschafter (Freese) kämpfen mit den Kohle-Kumpel um Arbeitsplätze, der Wirt- schaftsminister (Hirche) faselt von Struktur- reformen, der Umweltminister (Platzeck) denkt an Wirkungsgrade und die Luftver- schmutzung, der Wirtschaftsboss (Stotz) an seine Bilanz. Ausgepfiffen wurden Platzeck – und ich. Man hatte mich zu der Diskussion eingeladen als unabhängigen Journalisten, und ich war der Meinung, dass Potsdam richtig entschieden hatte, dass (in der dama- ligen Situation) subventionierte Braunkohle nicht sorglos in Kesseln verbrannt werden sollte, dass die Braunkohle neue Techno- logien braucht, dass sich die Kumpel nicht auf politische Versprechungen einlassen sollten. Ich hatte mir einiges im Kopf notiert für diese Auseinandersetzung, auf die Zunge kam wenig, denn ich wurde niedergebrüllt, „dieser Reporter aus Bayern hat doch keine Ahnung“. Es ging mir wie der Dezernentin aus Potsdam: Ich hatte Angst, verprügelt zu werden. Was ist heute im Vergleich zu damals an- ders? 1993 wäre die Braunkohleverfeuerung für die Potsdamer teurer gewesen als der Einsatz von Erdgas für das KWK-Kraftwerk, umweltschädlicher sowieso. Heute ist der Strom aus Braunkohle billiger (und umwelt- schädlicher) als der aus Erdgas beziehungs- weise gleich unwirtschaftlich, wenn die Kraft- werke nicht ausreichend viele Betriebsstun- den haben – und die haben sie nicht wegen des Stroms aus erneuerbaren Energien. Liebe Vattenfaller, ich weiß, dass ich gegen tschechische Investoren antrete, die trotz meiner energiewirtschaftlichen Expertise von Braunkohleverstromung mehr Ahnung haben als ich. Aber hat die Verstromung dieses ver- gleichsweise billigen Brennstoffes noch eine Zukunft? Wollt ihr Schweden, die ihr doch auf erneuerbare Energien setzt, überhaupt, dass noch Braunkohle in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt abgebaut und vielleicht für das Ausland verstromt wird, so wie Minister Dulig es im Gespräch mit der dpa befürchtet? Ihr Schweden, lasst euch doch etwas Zeit bei der Suche nach eurem Nachfolger in Deutsch- land, vielleicht findet sich jemand, der für eure Liegenschaften bessere Ideen hat als ihr selbst und die bekannten potenziellen Investoren. Und wenn ihr erkennt, dass Ver- schenken billiger ist als Weiterbetreiben, dann meldet euch bei mir, vielleicht haben wir gemeinsam Ideen für die Zukunft. Und um jetzt ganz ehrlich zu sein: Mein Erspartes reicht nicht, um als Bieter dabei zu sein. Nicht zum 6. Oktober, und auch nicht danach. Mit herzlichen Grüßen vom bayerischen Ammersee nach Stockholm Helmut Sendner P.S.: Am 6. Oktober, dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe, wurde bekannt, dass Greenpeace in Schweden in den Bieterkreis getreten ist, und zwar ernsthaft. Liebe Vattenfaller, -Chefredakteur Helmut Sendner Dezember 2015Dezember 2015 Jahresmagazin 2015 Diedeutsche Energiewirtschaft Diedeutsche Jetztneu! Energiewirtschaft KONTAKT MEDIA Annette Tisken Tel +49 8152 9311-55, Mail: a.tisken@emvg.de KONTAKT REDAKTION Fritz Wilhelm Tel +49 6007 9396075, Mail: f.wilhelm@emvg.de TERMINE Erscheint am: 01.12.2015, Anzeigenschluss: 03.11.2015 THEMENVORSCHAU DEZEMBER 2015 DAS E&M JAHRESMAGAZIN Die deutschen Energieversorger sind im permanenten Wandel und stehen vor großen Herausforderungen. Das E&M-Jahres- magazin zeigt an Beispielen, wie notwendige Veränderungen in der Energiewirtschaft zur gelebten Praxis wurden. EM_17_2015_Eigenanzeige1.indd 1 17.08.15 11:49 eigentlich müsste ich zu euch deutschen Schweden liebe Brunkoler sagen, denn mit Wasserfällen habt ihr in Deutschland ja gar nichts zu tun, sondern vor allem mit Braunkohle. Und liebe Atomkraftler passt in Deutschland auch nicht mehr so richtig, auch wenn Atomkraft schwedisch auch Atomkraft Tel +4981529311-55, Mail: a.tisken@emvg.de Tel +4960079396075, Mail: f.wilhelm@emvg.de EM_17_2015_Eigenanzeige1.indd 117.08.1511:49

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