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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - RechtEck: Die Krux mit der Preisanpassung
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

RechtEck: Die Krux mit der Preisanpassung

Wie es sich mit einer Anpassung von Strom- und Gaspreisen in der Ukraine-Krise nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verhält, erläutert Stefan Wollschläger*.
Nachdem die Preise für die Strom- und Gasbeschaffung im vergangenen Jahr aufgrund des Angriffskriegs in der Ukraine deutlich in die Höhe geschossen sind, haben sich viele Versorger gefragt, wie diese gestiegenen Bezugskosten an die Verbraucher weitergegeben werden können. Als probates Mittel wurden hierbei die Möglichkeiten des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB diskutiert und teilweise angewandt.

Bevor dieses Rechtsinstitut allerdings zur Anwendung kam, war der Blick in die Verträge mit den Verbrauchern das Mittel der Wahl. Ergab sich hieraus ein Preisanpassungsrecht, so mussten dessen Voraussetzungen nur eingehalten werden, dann war eine Preisweitergabe an die Verbraucher, natürlich mit der Einräumung eines Sonderkündigungsrechts, möglich.

Bei zahlreichen Versorgern war eine solche Möglichkeit im Vertrag nicht vorgesehen. Dort musste man sich dann auf die Suche nach einer gesetzlichen Möglichkeit machen. Das Problem erkennend, wollte der Gesetzgeber hier dem Versorger zur Seite springen. So wurde in aller Schnelle das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz − EnSiG) erlassen. In dessen § 24 war ein Preisanpassungsrecht für Gasversorger dann vorgesehen, wenn die Bundesnetzagentur die Alarm- oder die Notfallstufe ausrufen sollte. Hierzu ist es bisher nicht gekommen, sodass § 24 EnSiG ohne Anwendung blieb.

Damit schied auch diese Anspruchsgrundlage aus. Es verblieb nur noch das allgemeine Zivilrecht. Gerade im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen liegt es nahe, an den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken. Dieses seit einiger Zeit in § 313 BGB normierte Rechtsinstitut ist speziell für Fälle geschaffen worden, in denen sich ein Risiko in der Vertragsdurchführung verwirklicht hatte, an welches die Parteien des Vertrags bei dessen Abschluss nicht gedacht haben.

Voraussetzung ist, dass nach Vertragsschluss Änderungen von vertragswesentlichen objektiven Umständen eingetreten sind, die keine Partei bei Vertragsschluss vorhergesehen hat und die zu einer Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem unveränderten Vertrag führt. Rechtsfolge bei Vorliegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist, dass eine Vertragsanpassung verlangt werden kann. Kommt es zu einer solchen nicht, kann von dem Vertrag zurückgetreten werden beziehungsweise dieser gekündigt werden.

Zunächst ist also zu prüfen, ob es diese geänderten Umstände gegeben hat. Ein Krieg, so die allgemeine Lehre, kann jedenfalls zu einem Ereignis zählen, was den Wegfall der Geschäftsgrundlage auslöst.

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.3.2023, Az. I-20 U 318/22) hat in einem Verfahren, das eine Verbraucherzentrale gegen einen Versorger wegen dessen auf § 313 BGB gestützten Preisanpassung geführt hat, eine ganz individuelle Vorgehensweise gewählt. In dem Verfahren verneinte das OLG die Anwendbarkeit des § 313 BGB, da der Gesetzgeber mit dem § 24 EnSiG eine Regelung geschaffen habe, die für einen angemessenen Interessenausgleich sorgen würde. Diese Regelung sei abschließend, da sich der Gesetzgeber final Gedanken gemacht habe, wie mit der „Gaskrise“ im Verhältnis Kunde:Versorger umgegangen werden kann.

Diese rechtlichen Überlegungen, die im einstweiligen Verfügungsverfahren einer rechtlichen Überprüfung durch den Bundesgerichtshof entzogen waren, werfen gleich mehrere Fragen auf. Zum einen: Ist der vom OLG unterstellte Wille des Gesetzgebers, die Frage der Preisanpassung in der Krise umfassend zu regeln, tatsächlich gegeben? Wenn man sich einmal mit den Gesetzgebungsmaterialien beschäftigt, ist hieraus jedenfalls nichts derartiges ersichtlich. Aber auch wenn man die Schlagzahl des Gesetzgebers zur damaligen Zeit berücksichtigt, wird man schlechterdings nicht davon ausgehen können, dass er überhaupt die Zeit dafür hatte, um eine allumfassende abschließende Regelung zu treffen. Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber vielmehr den Versorgern, um zu deren Beruhigung in den aufregenden Zeiten beizutragen, eine mögliche Lösungsoption aufzeigen wollte.

Zum anderen spricht aber der Regelungsinhalt des § 24 EnSiG gegen die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf. Die Preisanpassungsmöglichkeit des § 24 EnSiG ist nur dann gegeben, wenn die Bundesnetzagentur einen akuten (physischen) Mangel an Gas feststellt. Für den Fall, dass das Gas durch die Auswirkungen des Krieges einfach „nur“ extrem teuer wurde, wurde gerade keine Regelung getroffen. Es erscheint schwierig, eine Norm, deren Anwendungsbereich gar nicht eröffnet ist, die Normen aus dem allgemeinen Schuldrecht verdrängen zu lassen. Auf der Hand liegt dies aber für den Strombereich. Für Preisanpassungen in der Stromversorgung hat der Gesetzgeber gerade keine Regelung getroffen. Insofern scheint ein allgemeines Verdrängen des § 313 BGB durch Regelungen für Gasversorger ausgeschlossen.

Das Thema ist damit allerdings längst nicht geklärt. Final ist die einstweilige Verfügung der Verbraucherzentrale allerdings aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gescheitert und der Versorger kann seine (erhöhten) Entgelte weiterhin zur Abrechnung bringen. Insoweit bleibt die Frage offen, ob eine Preisanpassung nach § 313 BGB aufgrund des Krieges in der Ukraine möglich ist. Bis zu einer Entscheidung durch den BGH, der diese Rechtsfrage am Ende klären muss, vergeht dann sicher noch einige Zeit.

* Stefan Wollschläger, Partner und Rechtsanwalt, Becker Büttner Held, Berlin

Freitag, 26.05.2023, 09:31 Uhr
Redaktion
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Wie es sich mit einer Anpassung von Strom- und Gaspreisen in der Ukraine-Krise nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verhält, erläutert Stefan Wollschläger*.
Nachdem die Preise für die Strom- und Gasbeschaffung im vergangenen Jahr aufgrund des Angriffskriegs in der Ukraine deutlich in die Höhe geschossen sind, haben sich viele Versorger gefragt, wie diese gestiegenen Bezugskosten an die Verbraucher weitergegeben werden können. Als probates Mittel wurden hierbei die Möglichkeiten des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB diskutiert und teilweise angewandt.

Bevor dieses Rechtsinstitut allerdings zur Anwendung kam, war der Blick in die Verträge mit den Verbrauchern das Mittel der Wahl. Ergab sich hieraus ein Preisanpassungsrecht, so mussten dessen Voraussetzungen nur eingehalten werden, dann war eine Preisweitergabe an die Verbraucher, natürlich mit der Einräumung eines Sonderkündigungsrechts, möglich.

Bei zahlreichen Versorgern war eine solche Möglichkeit im Vertrag nicht vorgesehen. Dort musste man sich dann auf die Suche nach einer gesetzlichen Möglichkeit machen. Das Problem erkennend, wollte der Gesetzgeber hier dem Versorger zur Seite springen. So wurde in aller Schnelle das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz − EnSiG) erlassen. In dessen § 24 war ein Preisanpassungsrecht für Gasversorger dann vorgesehen, wenn die Bundesnetzagentur die Alarm- oder die Notfallstufe ausrufen sollte. Hierzu ist es bisher nicht gekommen, sodass § 24 EnSiG ohne Anwendung blieb.

Damit schied auch diese Anspruchsgrundlage aus. Es verblieb nur noch das allgemeine Zivilrecht. Gerade im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen liegt es nahe, an den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken. Dieses seit einiger Zeit in § 313 BGB normierte Rechtsinstitut ist speziell für Fälle geschaffen worden, in denen sich ein Risiko in der Vertragsdurchführung verwirklicht hatte, an welches die Parteien des Vertrags bei dessen Abschluss nicht gedacht haben.

Voraussetzung ist, dass nach Vertragsschluss Änderungen von vertragswesentlichen objektiven Umständen eingetreten sind, die keine Partei bei Vertragsschluss vorhergesehen hat und die zu einer Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem unveränderten Vertrag führt. Rechtsfolge bei Vorliegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist, dass eine Vertragsanpassung verlangt werden kann. Kommt es zu einer solchen nicht, kann von dem Vertrag zurückgetreten werden beziehungsweise dieser gekündigt werden.

Zunächst ist also zu prüfen, ob es diese geänderten Umstände gegeben hat. Ein Krieg, so die allgemeine Lehre, kann jedenfalls zu einem Ereignis zählen, was den Wegfall der Geschäftsgrundlage auslöst.

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.3.2023, Az. I-20 U 318/22) hat in einem Verfahren, das eine Verbraucherzentrale gegen einen Versorger wegen dessen auf § 313 BGB gestützten Preisanpassung geführt hat, eine ganz individuelle Vorgehensweise gewählt. In dem Verfahren verneinte das OLG die Anwendbarkeit des § 313 BGB, da der Gesetzgeber mit dem § 24 EnSiG eine Regelung geschaffen habe, die für einen angemessenen Interessenausgleich sorgen würde. Diese Regelung sei abschließend, da sich der Gesetzgeber final Gedanken gemacht habe, wie mit der „Gaskrise“ im Verhältnis Kunde:Versorger umgegangen werden kann.

Diese rechtlichen Überlegungen, die im einstweiligen Verfügungsverfahren einer rechtlichen Überprüfung durch den Bundesgerichtshof entzogen waren, werfen gleich mehrere Fragen auf. Zum einen: Ist der vom OLG unterstellte Wille des Gesetzgebers, die Frage der Preisanpassung in der Krise umfassend zu regeln, tatsächlich gegeben? Wenn man sich einmal mit den Gesetzgebungsmaterialien beschäftigt, ist hieraus jedenfalls nichts derartiges ersichtlich. Aber auch wenn man die Schlagzahl des Gesetzgebers zur damaligen Zeit berücksichtigt, wird man schlechterdings nicht davon ausgehen können, dass er überhaupt die Zeit dafür hatte, um eine allumfassende abschließende Regelung zu treffen. Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber vielmehr den Versorgern, um zu deren Beruhigung in den aufregenden Zeiten beizutragen, eine mögliche Lösungsoption aufzeigen wollte.

Zum anderen spricht aber der Regelungsinhalt des § 24 EnSiG gegen die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf. Die Preisanpassungsmöglichkeit des § 24 EnSiG ist nur dann gegeben, wenn die Bundesnetzagentur einen akuten (physischen) Mangel an Gas feststellt. Für den Fall, dass das Gas durch die Auswirkungen des Krieges einfach „nur“ extrem teuer wurde, wurde gerade keine Regelung getroffen. Es erscheint schwierig, eine Norm, deren Anwendungsbereich gar nicht eröffnet ist, die Normen aus dem allgemeinen Schuldrecht verdrängen zu lassen. Auf der Hand liegt dies aber für den Strombereich. Für Preisanpassungen in der Stromversorgung hat der Gesetzgeber gerade keine Regelung getroffen. Insofern scheint ein allgemeines Verdrängen des § 313 BGB durch Regelungen für Gasversorger ausgeschlossen.

Das Thema ist damit allerdings längst nicht geklärt. Final ist die einstweilige Verfügung der Verbraucherzentrale allerdings aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gescheitert und der Versorger kann seine (erhöhten) Entgelte weiterhin zur Abrechnung bringen. Insoweit bleibt die Frage offen, ob eine Preisanpassung nach § 313 BGB aufgrund des Krieges in der Ukraine möglich ist. Bis zu einer Entscheidung durch den BGH, der diese Rechtsfrage am Ende klären muss, vergeht dann sicher noch einige Zeit.

* Stefan Wollschläger, Partner und Rechtsanwalt, Becker Büttner Held, Berlin

Freitag, 26.05.2023, 09:31 Uhr
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