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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - RechtEck: Erster Entwurf der EU-Lieferketten-Richtlinie ist da
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Aus Der Aktuellen Zeitung

RechtEck: Erster Entwurf der EU-Lieferketten-Richtlinie ist da

Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für eine europäische Lieferkettenrichtlinie vorgestellt. Tobias Sengenberger und Christoph Lamy* erklären, welche Unternehmen wie betroffen sind.
Den Entwurf für eine europäische „Lieferkettenrichtlinie“ hat die Europäische Kommission am 23. Februar vorgestellt. Aber was bedeutet das für deutsche Unternehmen, insbesondere in Hinblick auf das am 1. Januar in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)?

Mit dem Entwurf sind die Eckpfeiler der EU-Lieferkettenrichtlinie nun aufgestellt worden. Demnach gelten künftig die Sorgfaltspflichten in der gesamten EU. Im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie sind aber voneinander abweichende nationale Regelungen möglich.

Während unter den Anwendungsbereich des LkSG im Grundsatz nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten (ab 1.1.2024: mindestens 1.000) fallen, erfasst die Lieferkettenrichtlinie Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet wurden, mehr als 500 Mitarbeitende beschäftigen und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften.

Es sei denn, mindestens 50 Prozent des Umsatzes sind in mindestens einem „Risikosektor“ (etwa Textilherstellung einschließlich Großhandel; Land-, Forst-, und Lebensmittelwirtschaft; Gewinnung und Handel mit mineralischen Ressourcen einschließlich der Herstellung von Erzeugnissen aus diesen) erwirtschaftet worden. Dann betrifft die Richtlinie auch Unternehmen, die mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaften.

Zudem erfasst der Richtlinienentwurf Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittlandes gegründet wurden und einen Nettoumsatz in der europäischen Union von mehr als 150 Millionen Euro erzielen − oder einen Nettoumsatz in der Europäischen Union von mehr als 40 Millionen Euro, aber nicht mehr als 150 Millionen Euro erzielen, sofern mindestens 50 Prozent des Umsatzes in mindestens einem „Risikosektor“ erwirtschaftet wurden. Anders als nach dem LkSG gilt dies unabhängig davon, ob die außereuropäischen Unternehmen über einen Standort in der EU verfügen.

Auf der anderen Seite erfasst die Lieferkettenrichtlinie nur solche Unternehmen, die Kapitalgesellschaften sind oder von einer solchen gehalten werden.

Was ändert sich für deutsche Unternehmen?

Deutsche Unternehmen werden den Sorgfaltspflichtenkatalog des Entwurfs der Lieferkettenrichtlinie mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, da dieser mit dem des LkSG im Kern übereinstimmt. Zu den Sorgfaltspflichten gehören zum Beispiel die Ermittlung, Vermeidung und Behebung „negativer Auswirkungen“ durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen in den Bereichen der Menschenrechte und Umwelt. Auch ist nach der Richtlinie ein Beschwerdeverfahren, ähnlich dem nach § 8 LkSG, einzurichten.

Die Reichweite der Prüfungspflichten der Unternehmen innerhalb der Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungskette fasst der Entwurf jedoch deutlich weiter als das deutsche Gesetz. Nach Art. 1 des Entwurfs sind nicht nur die eigenen Tätigkeiten, sondern auch die der Tochterunternehmen und solcher, mit denen das Unternehmen in einer „etablierten Geschäftsbeziehung“ steht, von den Sorgfaltspflichten erfasst.

Das LkSG verneint ausdrücklich eine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens für Pflichtverletzungen. Lediglich eine Haftung der Unternehmen gegenüber Betroffenen nach dem allgemeinen Zivilrecht käme in Betracht. In Abgrenzung dazu ist im Richtlinienentwurf eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen gegenüber Betroffenen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten der Richtlinie ausdrücklich angelegt.

Bemerkenswert ist, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung sicherzustellen haben, dass die Haftung der Unternehmen zwingend Anwendung findet und zudem Vorrang in den Fällen hat, in denen das auf entsprechende Ansprüche anzuwendende Recht nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist. Davon unabhängig haben sich behördliche Sanktionen am Umsatz des Unternehmens zu orientieren. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die entsprechenden behördlichen Entscheidungen öffentlich einsehbar sind.

Neu ist zudem der Bezug auf das Pariser Klimaschutzabkommen sowie die konkrete Verpflichtung der Unternehmensleitung zur Berücksichtigung von Menschenrechts-, Klimawandel- und Umweltaspekten. Damit steht die Lieferkettengesetzgebung auch im Zusammenhang mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die im Januar 2023 durch die EU verabschiedet wurde und derzeit in nationales Recht umgesetzt wird. Sie verpflichtet große Kapitalgesellschaften ab 2025, ihren Lagebericht um einen Nachhaltigkeitsbericht zu erweitern.

Wie geht es weiter?

Bleibt die Frage, wann mit den neuen Regeln zu rechnen ist. Bis zur innerstaatlichen Geltung wird es noch einige Zeit dauern. Zunächst muss der Entwurf das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen; anschließend muss der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen. Die Frist hierzu beträgt voraussichtlich zwei Jahre. Insbesondere aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs und der möglichen Haftung sollten sich die potenziellen Adressatinnen und Adressaten frühzeitig mit den menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten auseinandersetzen, die auf sie zukommen.

Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich der CSRD fallen, müssen sich unabhängig von der Lieferkettengesetzgebung auf die Implementierung eines Nachhaltigkeitskonzepts vorbereiten und Umwelt- und soziale Aspekte offenlegen.

* Tobias Sengenberger und Christoph Lamy, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin

Dienstag, 18.07.2023, 08:38 Uhr
Redaktion
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Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für eine europäische Lieferkettenrichtlinie vorgestellt. Tobias Sengenberger und Christoph Lamy* erklären, welche Unternehmen wie betroffen sind.
Den Entwurf für eine europäische „Lieferkettenrichtlinie“ hat die Europäische Kommission am 23. Februar vorgestellt. Aber was bedeutet das für deutsche Unternehmen, insbesondere in Hinblick auf das am 1. Januar in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)?

Mit dem Entwurf sind die Eckpfeiler der EU-Lieferkettenrichtlinie nun aufgestellt worden. Demnach gelten künftig die Sorgfaltspflichten in der gesamten EU. Im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie sind aber voneinander abweichende nationale Regelungen möglich.

Während unter den Anwendungsbereich des LkSG im Grundsatz nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten (ab 1.1.2024: mindestens 1.000) fallen, erfasst die Lieferkettenrichtlinie Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet wurden, mehr als 500 Mitarbeitende beschäftigen und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften.

Es sei denn, mindestens 50 Prozent des Umsatzes sind in mindestens einem „Risikosektor“ (etwa Textilherstellung einschließlich Großhandel; Land-, Forst-, und Lebensmittelwirtschaft; Gewinnung und Handel mit mineralischen Ressourcen einschließlich der Herstellung von Erzeugnissen aus diesen) erwirtschaftet worden. Dann betrifft die Richtlinie auch Unternehmen, die mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaften.

Zudem erfasst der Richtlinienentwurf Unternehmen, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittlandes gegründet wurden und einen Nettoumsatz in der europäischen Union von mehr als 150 Millionen Euro erzielen − oder einen Nettoumsatz in der Europäischen Union von mehr als 40 Millionen Euro, aber nicht mehr als 150 Millionen Euro erzielen, sofern mindestens 50 Prozent des Umsatzes in mindestens einem „Risikosektor“ erwirtschaftet wurden. Anders als nach dem LkSG gilt dies unabhängig davon, ob die außereuropäischen Unternehmen über einen Standort in der EU verfügen.

Auf der anderen Seite erfasst die Lieferkettenrichtlinie nur solche Unternehmen, die Kapitalgesellschaften sind oder von einer solchen gehalten werden.

Was ändert sich für deutsche Unternehmen?

Deutsche Unternehmen werden den Sorgfaltspflichtenkatalog des Entwurfs der Lieferkettenrichtlinie mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, da dieser mit dem des LkSG im Kern übereinstimmt. Zu den Sorgfaltspflichten gehören zum Beispiel die Ermittlung, Vermeidung und Behebung „negativer Auswirkungen“ durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen in den Bereichen der Menschenrechte und Umwelt. Auch ist nach der Richtlinie ein Beschwerdeverfahren, ähnlich dem nach § 8 LkSG, einzurichten.

Die Reichweite der Prüfungspflichten der Unternehmen innerhalb der Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungskette fasst der Entwurf jedoch deutlich weiter als das deutsche Gesetz. Nach Art. 1 des Entwurfs sind nicht nur die eigenen Tätigkeiten, sondern auch die der Tochterunternehmen und solcher, mit denen das Unternehmen in einer „etablierten Geschäftsbeziehung“ steht, von den Sorgfaltspflichten erfasst.

Das LkSG verneint ausdrücklich eine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens für Pflichtverletzungen. Lediglich eine Haftung der Unternehmen gegenüber Betroffenen nach dem allgemeinen Zivilrecht käme in Betracht. In Abgrenzung dazu ist im Richtlinienentwurf eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen gegenüber Betroffenen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten der Richtlinie ausdrücklich angelegt.

Bemerkenswert ist, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung sicherzustellen haben, dass die Haftung der Unternehmen zwingend Anwendung findet und zudem Vorrang in den Fällen hat, in denen das auf entsprechende Ansprüche anzuwendende Recht nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist. Davon unabhängig haben sich behördliche Sanktionen am Umsatz des Unternehmens zu orientieren. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die entsprechenden behördlichen Entscheidungen öffentlich einsehbar sind.

Neu ist zudem der Bezug auf das Pariser Klimaschutzabkommen sowie die konkrete Verpflichtung der Unternehmensleitung zur Berücksichtigung von Menschenrechts-, Klimawandel- und Umweltaspekten. Damit steht die Lieferkettengesetzgebung auch im Zusammenhang mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die im Januar 2023 durch die EU verabschiedet wurde und derzeit in nationales Recht umgesetzt wird. Sie verpflichtet große Kapitalgesellschaften ab 2025, ihren Lagebericht um einen Nachhaltigkeitsbericht zu erweitern.

Wie geht es weiter?

Bleibt die Frage, wann mit den neuen Regeln zu rechnen ist. Bis zur innerstaatlichen Geltung wird es noch einige Zeit dauern. Zunächst muss der Entwurf das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen; anschließend muss der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen. Die Frist hierzu beträgt voraussichtlich zwei Jahre. Insbesondere aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs und der möglichen Haftung sollten sich die potenziellen Adressatinnen und Adressaten frühzeitig mit den menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten auseinandersetzen, die auf sie zukommen.

Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich der CSRD fallen, müssen sich unabhängig von der Lieferkettengesetzgebung auf die Implementierung eines Nachhaltigkeitskonzepts vorbereiten und Umwelt- und soziale Aspekte offenlegen.

* Tobias Sengenberger und Christoph Lamy, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin

Dienstag, 18.07.2023, 08:38 Uhr
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