E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - RechtEck: Netzorientierte Steuerung von Verbrauchseinrichtungen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

RechtEck: Netzorientierte Steuerung von Verbrauchseinrichtungen

Wie die Bundesnetzagentur mit "Dimmen" das Dilemma zwischen unzureichend zügigem Netzausbau und Hochlauf von Wärmepumpen und Ladepunkten lösen will, berichtet Jan-Hendrik vom Wege*.
Ein wesentlicher Pfeiler der Klimawende ist die Dekarbonisierung des Wärme- und Verkehrssektors, unter anderem durch Elektrifizierung. Die Ziele für einen Hochlauf von Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge sind ambitioniert. Diese Verbrauchseinrichtungen charakterisieren jedoch eine hohe Bezugsleistung bei deutlich höherer Gleichzeitigkeit. Dadurch müssen vielerorts die Netze − teils massiv − ausgebaut werden. Netzausbau ist jedoch kosten- und zeitintensiv. Zudem fehlen hierfür geeignete Fachkräfte.

Die Lösung, gegebenenfalls übergangsweise, soll das Dimmen, also das Steuern bestimmter Verbrauchseinrichtungen durch den Verteilnetzbetreiber sein. Hierzu gestaltet die Bundesnetzagentur mit ihren Festlegungsvorschlägen (Az.: BK6-22-300 und BK8-22/010-A) die Rahmenbedingungen derzeit aus. Die gesetzliche Vorlage findet sich in § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Die Festlegungsverfahren sollen in diesem Jahr abgeschlossen werden, sodass die Vorgaben zum 1. Januar 2024 in Kraft treten können.

Sicherstellung des Netzanschlusses

Ein Netzbetreiber darf zukünftig den Anschluss einer steuVE (Wärmepumpen, nicht-öffentlich zugängliche Ladepunkte für E-Fahrzeuge, Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen) nicht mit Verweis auf eine mögliche Überlastung seines Netzes verzögern oder ablehnen. Im Gegenzug ist er berechtigt, in Ausnahmesituationen den Leistungsbezug einer solchen zu dimmen. Die damit gegebenenfalls einhergehende Komforteinbuße muss der Letztverbraucher hinnehmen. Gewährleistet werden muss stets eine Mindestleistung von 4,2 kW, sodass Wärmepumpen betrieben und E-Autos weiter geladen werden können.

Sichergestellt wird das netzorientierte Steuern über eine Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und Letztverbraucher oder Anschlussnehmer (§ 14a-Vereinbarung). Beide Parteien unterliegen einem Kontrahierungszwang. Ohne eine § 14a-Vereinbarung darf nach dem 31. Dezember 2023 keine steuVE angeschlossen und betrieben werden. Teilnahmeverpflichtet sind grundsätzlich alle Netzbetreiber bezüglich der von ihnen betriebenen Niederspannungsnetze und alle Betreiber einer steuVE mit einem maximalen Leistungsbezug von mehr als 4,2 kW; ein Opt-out ist nicht möglich. 

Der Steuerungseingriff

Basierend auf Echtzeit-Messungen leitet sich der Auslastungszustand eines Netzbereichs ab. Besteht eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Netzes in diesem Bereich, soll es dem Netzbetreiber als ultima ratio möglich sein, binnen drei Minuten den Befehl zu einer Reduzierung des Strombezugs bis maximal zum garantierten Sockel von 4,2 kW zu übermitteln. Die effektive Umsetzung obliegt dem Betreiber. Er hat die Wahlmöglichkeit zwischen einer unmittelbaren Weitergabe der Reduzierung an die steuVE oder dem Einsatz eines Energiemanagementsystems (EMS). Hier erfolgt eine kundenanlageninterne Verrechnung, sodass zum Beispiel eine Wallbox im Falle einer Netzbetreibersteuerung mehr Strom beziehen kann, wenn dieser aus der eigenen Solaranlage bezogen wird.

Auch dann, wenn hinter einem Netzanschluss mehrere steuVE vorhanden sind, zum Beispiel mehrere Wallboxen in einer Tiefgarage, bietet sich eine Verteilung des zulässigen Bezugs durch ein EMS an. Sichergestellt werden muss, dass der zulässige Leistungsbezug aus dem Verteilernetz nicht überschritten wird.

Als Gegenleistung zur Vereinbarung einer Steuerung und um wirtschaftliche Anreize zu setzen, haben die Verteilnetzbetreiber reduzierte Netzentgelte zu bilden. Betreiber von steuVE müssen zwischen einer pauschalen Netzentgeltreduzierung oder einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises wählen können. Jenen, die für die pauschale Reduzierung optieren, muss zudem ein zeitvariables Netzentgelt angeboten werden.

Die Festlegung sieht Übergangsregelungen vor, die längstens bis zum 31. Dezember 2028 laufen. Dies gilt zum einen für Bestandsanlagen, für die eine alte § 14a-Vereinbarung besteht. Bestandsanlagen ohne Vereinbarung bleiben dauerhaft ausgenommen. Zum anderen können Netzbetreiber, die eine netzorientierte Steuerung noch nicht umsetzen können, das Dimmen durch eine präventive Reduzierung für maximal zwei Stunden pro Tag durchführen.

Fazit: Aus der Festlegung resultiert für Netzbetreiber ein umfassendes Arbeitsprogramm, damit die heute im Wesentlichen nicht datengestützt steuerbaren Niederspannungsnetze zu Smart Grids werden. Dabei geht es nicht nur um die technische und IT-seitige Umsetzung, sondern auch um die strategische Überlegung, in welchen Netzbereichen die Notwendigkeit einer präventiven Steuerung gegeben sein könnte.

Denn dort tickt sodann die Zeit: Binnen 24 Monaten muss er entweder Maßnahmen ergreifen, die die Überlastung des Netzbereichs beseitigen, oder er schafft die Voraussetzung für eine netzorientiere Steuerung. Auch die praktische Umsetzung des verpflichtenden Vertragsschlusses dürfte die Netzbetreiber insbesondere bei bereits bestehenden Anschlussverhältnissen vor eine Herausforderung stellen.

*Jan-Hendrik vom Wege, Rechtsanwalt, Becker Büttner Held (BBH), Hamburg

Mittwoch, 16.08.2023, 09:01 Uhr
Redaktion
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - RechtEck: Netzorientierte Steuerung von Verbrauchseinrichtungen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
RechtEck: Netzorientierte Steuerung von Verbrauchseinrichtungen
Wie die Bundesnetzagentur mit "Dimmen" das Dilemma zwischen unzureichend zügigem Netzausbau und Hochlauf von Wärmepumpen und Ladepunkten lösen will, berichtet Jan-Hendrik vom Wege*.
Ein wesentlicher Pfeiler der Klimawende ist die Dekarbonisierung des Wärme- und Verkehrssektors, unter anderem durch Elektrifizierung. Die Ziele für einen Hochlauf von Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge sind ambitioniert. Diese Verbrauchseinrichtungen charakterisieren jedoch eine hohe Bezugsleistung bei deutlich höherer Gleichzeitigkeit. Dadurch müssen vielerorts die Netze − teils massiv − ausgebaut werden. Netzausbau ist jedoch kosten- und zeitintensiv. Zudem fehlen hierfür geeignete Fachkräfte.

Die Lösung, gegebenenfalls übergangsweise, soll das Dimmen, also das Steuern bestimmter Verbrauchseinrichtungen durch den Verteilnetzbetreiber sein. Hierzu gestaltet die Bundesnetzagentur mit ihren Festlegungsvorschlägen (Az.: BK6-22-300 und BK8-22/010-A) die Rahmenbedingungen derzeit aus. Die gesetzliche Vorlage findet sich in § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Die Festlegungsverfahren sollen in diesem Jahr abgeschlossen werden, sodass die Vorgaben zum 1. Januar 2024 in Kraft treten können.

Sicherstellung des Netzanschlusses

Ein Netzbetreiber darf zukünftig den Anschluss einer steuVE (Wärmepumpen, nicht-öffentlich zugängliche Ladepunkte für E-Fahrzeuge, Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen) nicht mit Verweis auf eine mögliche Überlastung seines Netzes verzögern oder ablehnen. Im Gegenzug ist er berechtigt, in Ausnahmesituationen den Leistungsbezug einer solchen zu dimmen. Die damit gegebenenfalls einhergehende Komforteinbuße muss der Letztverbraucher hinnehmen. Gewährleistet werden muss stets eine Mindestleistung von 4,2 kW, sodass Wärmepumpen betrieben und E-Autos weiter geladen werden können.

Sichergestellt wird das netzorientierte Steuern über eine Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und Letztverbraucher oder Anschlussnehmer (§ 14a-Vereinbarung). Beide Parteien unterliegen einem Kontrahierungszwang. Ohne eine § 14a-Vereinbarung darf nach dem 31. Dezember 2023 keine steuVE angeschlossen und betrieben werden. Teilnahmeverpflichtet sind grundsätzlich alle Netzbetreiber bezüglich der von ihnen betriebenen Niederspannungsnetze und alle Betreiber einer steuVE mit einem maximalen Leistungsbezug von mehr als 4,2 kW; ein Opt-out ist nicht möglich. 

Der Steuerungseingriff

Basierend auf Echtzeit-Messungen leitet sich der Auslastungszustand eines Netzbereichs ab. Besteht eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Netzes in diesem Bereich, soll es dem Netzbetreiber als ultima ratio möglich sein, binnen drei Minuten den Befehl zu einer Reduzierung des Strombezugs bis maximal zum garantierten Sockel von 4,2 kW zu übermitteln. Die effektive Umsetzung obliegt dem Betreiber. Er hat die Wahlmöglichkeit zwischen einer unmittelbaren Weitergabe der Reduzierung an die steuVE oder dem Einsatz eines Energiemanagementsystems (EMS). Hier erfolgt eine kundenanlageninterne Verrechnung, sodass zum Beispiel eine Wallbox im Falle einer Netzbetreibersteuerung mehr Strom beziehen kann, wenn dieser aus der eigenen Solaranlage bezogen wird.

Auch dann, wenn hinter einem Netzanschluss mehrere steuVE vorhanden sind, zum Beispiel mehrere Wallboxen in einer Tiefgarage, bietet sich eine Verteilung des zulässigen Bezugs durch ein EMS an. Sichergestellt werden muss, dass der zulässige Leistungsbezug aus dem Verteilernetz nicht überschritten wird.

Als Gegenleistung zur Vereinbarung einer Steuerung und um wirtschaftliche Anreize zu setzen, haben die Verteilnetzbetreiber reduzierte Netzentgelte zu bilden. Betreiber von steuVE müssen zwischen einer pauschalen Netzentgeltreduzierung oder einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises wählen können. Jenen, die für die pauschale Reduzierung optieren, muss zudem ein zeitvariables Netzentgelt angeboten werden.

Die Festlegung sieht Übergangsregelungen vor, die längstens bis zum 31. Dezember 2028 laufen. Dies gilt zum einen für Bestandsanlagen, für die eine alte § 14a-Vereinbarung besteht. Bestandsanlagen ohne Vereinbarung bleiben dauerhaft ausgenommen. Zum anderen können Netzbetreiber, die eine netzorientierte Steuerung noch nicht umsetzen können, das Dimmen durch eine präventive Reduzierung für maximal zwei Stunden pro Tag durchführen.

Fazit: Aus der Festlegung resultiert für Netzbetreiber ein umfassendes Arbeitsprogramm, damit die heute im Wesentlichen nicht datengestützt steuerbaren Niederspannungsnetze zu Smart Grids werden. Dabei geht es nicht nur um die technische und IT-seitige Umsetzung, sondern auch um die strategische Überlegung, in welchen Netzbereichen die Notwendigkeit einer präventiven Steuerung gegeben sein könnte.

Denn dort tickt sodann die Zeit: Binnen 24 Monaten muss er entweder Maßnahmen ergreifen, die die Überlastung des Netzbereichs beseitigen, oder er schafft die Voraussetzung für eine netzorientiere Steuerung. Auch die praktische Umsetzung des verpflichtenden Vertragsschlusses dürfte die Netzbetreiber insbesondere bei bereits bestehenden Anschlussverhältnissen vor eine Herausforderung stellen.

*Jan-Hendrik vom Wege, Rechtsanwalt, Becker Büttner Held (BBH), Hamburg

Mittwoch, 16.08.2023, 09:01 Uhr
Redaktion

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.