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Energie & Management > Klimaschutz - Biogas-Branche muss bei Marktdesign-Plattform draußen bleiben
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz

Biogas-Branche muss bei Marktdesign-Plattform draußen bleiben

Bei einem Parlamentarischen Abend hat die Biogas-Lobby nochmals betont, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten könnte − man lasse sie aber nicht. 
Die Biogasbranche könnte 10.000 MW mehr flexible Leistung an Strom und 20 Milliarden kWh mehr Wärme liefern, wenn man sie lässt. Branchenvertreter kritisierten auf einem Parlamentarischen Abend, dass das Biogas-Potenzial nicht genügend einbezogen werde, obwohl Kapazitäten in naher Zukunft benötigt werden.
Die Bundesregierung hatte bekundet, dass bis 2030 mindestens 25.000 MW gesicherte Leistung installiert werden müssen, die möglichst früh klimaneutral betrieben werden sollen. Hierbei werden vor allem neue Gaskraftwerke geplant. Sie sollen zunächst mit Erdgas, später mit erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden.

Die Biogasbranche argumentiert, dass zum einen stromnetzdienliche neue Gaskraftwerke nicht effizient seien, wenn ihre Wärme ungenutzt bleibe. Zum anderen würden sie über Jahre mit fossilem Erdgas betrieben und emittierten Treibhausgas. Stattdessen solle das volle Potenzial von flexiblen Biogas-Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen ausgeschöpft werden, forderte Uwe Welteke-Fabricius, Geschäftsführer des Netzwerks Flexperten, auf einem Parlamentarischen Abend am 11. Mai in Berlin.

Biogasbranche findet zu wenig Gehör

Welteke-Fabricius kritisierte, dass die Biogasbranche nicht einmal einen Vertreter in die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) entsenden durfte. In dieser diskutiert das Bundeswirtschaftsministerium derzeit mit der Energiebranche, wie ein Strommarkt aussehen soll, der flexible Erzeugung und Verbrauch anreizt, sodass erneuerbare Energien eine sichere und bezahlbare Versorgung leisten können.

Das Wirtschaftsministerium arbeitet aktuell an der Wärmewende (Bundesförderung effiziente Wärmenetze, BEW) und der Nationalen Biomassestrategie (NABIS), das Landwirtschaftsministerium (BMEL) am Klimaschutz in der Landwirtschaft. BMEL-Abteilungsleiter Bernt Farcke bekräftigte, der seit 2009 geltende Kurs weg von Anbau-Biomasse hin zu Reststoffen, vor allem Gülle, werde beibehalten: „Das Ziel ist, bis zu zwei Drittel der Gülle zu vergären, bevor die Gärreste zur Düngung eingesetzt werden.“ Dies mindere sowohl die Methanemissionen als auch die Nitratbelastung der Böden.

Auch Pflanzen aus der Landschaftspflege, von Blühstreifen und Stilllegungsflächen sollten in die Biomasse einbezogen werden, riet Maendy Fritz, Abteilungsleiterin für Rohstoffpflanzen am TFZ (Technologie- und Förderzentrum) Bayern.

Flexible Biogas-KWK statt Erdgas-Kraftwerke

Flexible Biogas-KWK-Anlagen könnten Erzeugung von Strom, Wärme und nachhaltiger Landwirtschaft ideal koppeln, warb Welteke-Fabricius. Indem die schon bestehenden Biogasanlagen mit ihren jährlich mehr als 30 Milliarden kWh steuerbarer Stromerzeugung zu regenerativen Speicherkraftwerken ausgebaut werden, entstünden dezentral und netzverträglich etwa 10.000 MW zusätzliche gesicherte Leistung zur Stromerzeugung. Ihre Brennstoffe könnten zudem gelagert werden. Darum seien sie „Speicherkraftwerke“, zumal sie auch einen angeschlossenen Gasspeicher besitzen.

Die KWK-Anlagen könnten außerdem weitere 20 Milliarden kWh klimaneutrale Wärme pro Jahr für lokale Wärmenetze bereitstellen. Die Flexperten beziffern das Potenzial von Biogas in Deutschland auf das Doppelte der heute erschlossenen Mengen. Die Kraftwerke seien zudem ohnehin wasserstofffähig.
 
Bei der Diskussion (von links): Uwe Welteke-Fabricius (Netzwerk Flexperten), Markus Hümpfer (MdB SPD), Ralph Lenkert (MdB Die Linke), Bernt Farcke (BMEL), Horst Seide (Biogasverband) und Bernhard Herrmann (MdB Grüne)
Quelle: E&M / Harmsen

„Dazu bedarf es einer konsequenten Politik, die diese Entwicklung mit überschaubaren und kostengünstigen Maßnahmen ermöglicht und fördert“, forderte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Er befürchtet, dass sonst Biogasanlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, ihr Gas einfach ins Netz einspeisen und die Strom- und Wärmeerzeugung nicht nutzen. Zudem seien die aktuellen Ausschreibungen für neue Anlagen kaum ausgenutzt, weil die angebotenen Entgelte die aktuellen Kosten nicht deckten.

Grünen-Bundestagsabgeordneter Bernhard Herrmann plädierte dafür, alle schon vorhandenen Biogasanlagen auf flexible Fahrweise umzurüsten und in die regionale Energieversorgung einzubinden. Sein SPD-Kollege Markus Hümpfer sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Biogas einen wichtigen Beitrag in der Zukunft leisten kann.“ Dabei unterstrich er die heimische Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Linken-Abgeordneter Ralph Lenkert will die Debatte „Tank oder Teller“ über gute landwirtschaftliche Praxis klären. „Die Technik ist viel weiter als die Regulierung. Wenn wir die Bioenergie nicht entfesseln, wird die Energiewende scheitern oder verdammt teuer“, sagte er unter dem Beifall der Branchenvertreter.

Freitag, 12.05.2023, 13:49 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Klimaschutz - Biogas-Branche muss bei Marktdesign-Plattform draußen bleiben
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
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Biogas-Branche muss bei Marktdesign-Plattform draußen bleiben
Bei einem Parlamentarischen Abend hat die Biogas-Lobby nochmals betont, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten könnte − man lasse sie aber nicht. 
Die Biogasbranche könnte 10.000 MW mehr flexible Leistung an Strom und 20 Milliarden kWh mehr Wärme liefern, wenn man sie lässt. Branchenvertreter kritisierten auf einem Parlamentarischen Abend, dass das Biogas-Potenzial nicht genügend einbezogen werde, obwohl Kapazitäten in naher Zukunft benötigt werden.
Die Bundesregierung hatte bekundet, dass bis 2030 mindestens 25.000 MW gesicherte Leistung installiert werden müssen, die möglichst früh klimaneutral betrieben werden sollen. Hierbei werden vor allem neue Gaskraftwerke geplant. Sie sollen zunächst mit Erdgas, später mit erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff betrieben werden.

Die Biogasbranche argumentiert, dass zum einen stromnetzdienliche neue Gaskraftwerke nicht effizient seien, wenn ihre Wärme ungenutzt bleibe. Zum anderen würden sie über Jahre mit fossilem Erdgas betrieben und emittierten Treibhausgas. Stattdessen solle das volle Potenzial von flexiblen Biogas-Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen ausgeschöpft werden, forderte Uwe Welteke-Fabricius, Geschäftsführer des Netzwerks Flexperten, auf einem Parlamentarischen Abend am 11. Mai in Berlin.

Biogasbranche findet zu wenig Gehör

Welteke-Fabricius kritisierte, dass die Biogasbranche nicht einmal einen Vertreter in die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) entsenden durfte. In dieser diskutiert das Bundeswirtschaftsministerium derzeit mit der Energiebranche, wie ein Strommarkt aussehen soll, der flexible Erzeugung und Verbrauch anreizt, sodass erneuerbare Energien eine sichere und bezahlbare Versorgung leisten können.

Das Wirtschaftsministerium arbeitet aktuell an der Wärmewende (Bundesförderung effiziente Wärmenetze, BEW) und der Nationalen Biomassestrategie (NABIS), das Landwirtschaftsministerium (BMEL) am Klimaschutz in der Landwirtschaft. BMEL-Abteilungsleiter Bernt Farcke bekräftigte, der seit 2009 geltende Kurs weg von Anbau-Biomasse hin zu Reststoffen, vor allem Gülle, werde beibehalten: „Das Ziel ist, bis zu zwei Drittel der Gülle zu vergären, bevor die Gärreste zur Düngung eingesetzt werden.“ Dies mindere sowohl die Methanemissionen als auch die Nitratbelastung der Böden.

Auch Pflanzen aus der Landschaftspflege, von Blühstreifen und Stilllegungsflächen sollten in die Biomasse einbezogen werden, riet Maendy Fritz, Abteilungsleiterin für Rohstoffpflanzen am TFZ (Technologie- und Förderzentrum) Bayern.

Flexible Biogas-KWK statt Erdgas-Kraftwerke

Flexible Biogas-KWK-Anlagen könnten Erzeugung von Strom, Wärme und nachhaltiger Landwirtschaft ideal koppeln, warb Welteke-Fabricius. Indem die schon bestehenden Biogasanlagen mit ihren jährlich mehr als 30 Milliarden kWh steuerbarer Stromerzeugung zu regenerativen Speicherkraftwerken ausgebaut werden, entstünden dezentral und netzverträglich etwa 10.000 MW zusätzliche gesicherte Leistung zur Stromerzeugung. Ihre Brennstoffe könnten zudem gelagert werden. Darum seien sie „Speicherkraftwerke“, zumal sie auch einen angeschlossenen Gasspeicher besitzen.

Die KWK-Anlagen könnten außerdem weitere 20 Milliarden kWh klimaneutrale Wärme pro Jahr für lokale Wärmenetze bereitstellen. Die Flexperten beziffern das Potenzial von Biogas in Deutschland auf das Doppelte der heute erschlossenen Mengen. Die Kraftwerke seien zudem ohnehin wasserstofffähig.
 
Bei der Diskussion (von links): Uwe Welteke-Fabricius (Netzwerk Flexperten), Markus Hümpfer (MdB SPD), Ralph Lenkert (MdB Die Linke), Bernt Farcke (BMEL), Horst Seide (Biogasverband) und Bernhard Herrmann (MdB Grüne)
Quelle: E&M / Harmsen

„Dazu bedarf es einer konsequenten Politik, die diese Entwicklung mit überschaubaren und kostengünstigen Maßnahmen ermöglicht und fördert“, forderte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Er befürchtet, dass sonst Biogasanlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, ihr Gas einfach ins Netz einspeisen und die Strom- und Wärmeerzeugung nicht nutzen. Zudem seien die aktuellen Ausschreibungen für neue Anlagen kaum ausgenutzt, weil die angebotenen Entgelte die aktuellen Kosten nicht deckten.

Grünen-Bundestagsabgeordneter Bernhard Herrmann plädierte dafür, alle schon vorhandenen Biogasanlagen auf flexible Fahrweise umzurüsten und in die regionale Energieversorgung einzubinden. Sein SPD-Kollege Markus Hümpfer sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Biogas einen wichtigen Beitrag in der Zukunft leisten kann.“ Dabei unterstrich er die heimische Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Linken-Abgeordneter Ralph Lenkert will die Debatte „Tank oder Teller“ über gute landwirtschaftliche Praxis klären. „Die Technik ist viel weiter als die Regulierung. Wenn wir die Bioenergie nicht entfesseln, wird die Energiewende scheitern oder verdammt teuer“, sagte er unter dem Beifall der Branchenvertreter.

Freitag, 12.05.2023, 13:49 Uhr
Susanne Harmsen

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