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Energie & Management > Wasserstoff - Hinab vom Elfenbeinturm in die Umsetzung
Blickten auf 1.000 Tage Nationale Wasserstoffstrategie zurück (von links): Charlie Grüneberg, Werner Diwald und Timm Kehler. Quelle: Zukunft Gas
Wasserstoff

Hinab vom Elfenbeinturm in die Umsetzung

"International beispielgebend" war die Nationale Wasserstoffstrategie, die der Bund vor 1.000 Tagen vorgelegt hat − für den Verband Zukunft Gas ein Anlass, Bilanz zu ziehen. 
Nicht nur negativ fiel der Rückblick auf 1.000 Tage Nationale Wasserstoffstrategie (NWS), die die Bundesregierung am 10. Juni 2020 vorgelegt hatte, aus. Die Worte von Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas, ließen zunächst Positives vermuten: "Wir sind auf dem richtigen Weg, erneuerbare Energien und dekarbonisierte Gase sind fest in der deutschen Energiewende verankert", sagte Kehler auf einer digital übertragenen Pressekonferenz des Branchenverbandes am 6. März. Die NWS habe international eine breite Sichtbarkeit erzeugt. "Der Funke ist übergesprungen", so Kehler. Nicht nur Deutschland habe sich einer Strategie in Sachen Wasserstoff verschrieben, auch einzelne Bundesländer, auch die Europäische Union und auch das außereuropäische Ausland. Vor diesem Hintergrund könne man die NWS als internationalen Meilenstein in der Entwicklung eines zukünftig klimaneutralen Energiesystems sehen, gab sich Kehler selbstbewusst. 

Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (DWV), war ebenfalls zu dem Rückblick von Zukunft Gas geladen. Er führte an, dass vor der Veröffentlichung der Strategie vor drei Jahren das Thema Wasserstoff eher ein Nischenthema gewesen war. "Das Papier ließ bei uns die Hoffnung aufkeimen", so Diwald. Endlich sei verstanden worden, dass die Energiewende nur funktionieren werde, wenn das energetische Zieldreieck aufrechterhalten bleibt − sprich Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit / Umweltschutz sowie Bezahlbarkeit. "Und in einer volatilen Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien funktioniert das nur in Kombination mit grünem Wasserstoff."

Jedoch, so wurde es spätestens nach 15 Minuten der Veranstaltung deutlich, seien die Anfangsambitionen bislang nicht erreicht worden. "Große Worte wurden zu Beginn gesprochen", erinnerte sich Diwald. Man wollte grünen Wasserstoff wettbewerbsfähig machen, einen Heimatmarkt für Wasserstofftechnologien in Deutschland entwickeln, dem Import den Weg bereiten, den Wasserstoff als alternativen Energieträger einsetzen. Außer Ankündigungen sei davon nicht viel gekommen, so Diwalds ernüchternde Bilanz zu 1.000 Tagen NWS.

Dem DWV-Vorstandsvorsitzenden geht die Umsetzung der Strategie nicht stringent genug. Er gewinne zunehmend den Eindruck, die Erkenntnisse des Beginns würden über die Zeit wieder entschleunigt. "Die Verzahnung von Strom-, Wärme-, und Gasinfrastruktur sollte vorangetrieben werden. Jedoch passiert das Gegenteil", so Diwald etwa mit Blick auf die Diskussion der vertikalen Entkopplung der Gasnetze, die es dem Gasnetzbetreiber verbieten soll, das Wasserstoffnetz zu betreiben. "Das ist sehr irritierend und schafft natürlich nicht das Vertrauen, das man für Investitionen ins Gasnetz braucht", so Diwald. 

Mehr Pragmatismus nötig

Deutschland habe sich mit dem politischen Konzept der Wasserstoffstrategie einen intellektuellen Vorsprung im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften erarbeitet, ergänzte Kehler. Jedoch, so merkte der Vorstand von Zukunft Gas an, dürfe Deutschland "jetzt nicht versäumen, aus dem Elfenbeinturm hinabzusteigen und die Ärmel hochzukrempeln". Die Projekte müssten jetzt mit viel Pragmatismus angegangen werden. 

Eine effiziente Verzahnung der Förderinstrumente über die gesamte Lieferkette hinweg können eine wirksame europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA geben: "Gerade mit Blick auf den IRA und unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt dürfen wir jetzt nicht bei reinen Absichtserklärungen stehen bleiben. Wir benötigen deutlich mehr Pragmatismus, um Wasserstoff statt Richtlinien zu produzieren", betonte Kehler. Für einen international funktionsfähigen Wasserstoffmarkt bedürfe es nun schnell klarer Herkunftsnachweise. Auch die Elektrolysekapazität − 10.000 MW bis 2030 − sei definitiv eine Großbaustelle. Derzeit sei Deutschland bei einer installierten Kapazität von 80 MW, wie Kehler anführte.

Keine Zustimmung für staatliche Netzgesellschaft

Keine gute Idee sei es, so die Verbände einvernehmlich, eine neue staatliche Wasserstoff-Netzgesellschaft aufzubauen. Etablierte privatwirtschaftliche Akteure seien deutlich schlagkräftiger aufgestellt und könnten schneller agieren. Das Gasverteilnetz, das aktuell 20 Millionen Haushalte und auch 1,8 Millionen Gewerbe- und Industriekunden versorgt, müsse in ein künftiges System eingebunden werden und dieses sollte mit den Stromnetzen zu einem integrierten Energiesystem zusammenwachsen. Hierfür seien viel Engagement, Pioniergeist und Mut nötig − "Eigenschaften, die die Gaswirtschaft mitbringt", betonten die beiden Vorsitzende. 

Montag, 6.03.2023, 15:55 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Hinab vom Elfenbeinturm in die Umsetzung
Blickten auf 1.000 Tage Nationale Wasserstoffstrategie zurück (von links): Charlie Grüneberg, Werner Diwald und Timm Kehler. Quelle: Zukunft Gas
Wasserstoff
Hinab vom Elfenbeinturm in die Umsetzung
"International beispielgebend" war die Nationale Wasserstoffstrategie, die der Bund vor 1.000 Tagen vorgelegt hat − für den Verband Zukunft Gas ein Anlass, Bilanz zu ziehen. 
Nicht nur negativ fiel der Rückblick auf 1.000 Tage Nationale Wasserstoffstrategie (NWS), die die Bundesregierung am 10. Juni 2020 vorgelegt hatte, aus. Die Worte von Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas, ließen zunächst Positives vermuten: "Wir sind auf dem richtigen Weg, erneuerbare Energien und dekarbonisierte Gase sind fest in der deutschen Energiewende verankert", sagte Kehler auf einer digital übertragenen Pressekonferenz des Branchenverbandes am 6. März. Die NWS habe international eine breite Sichtbarkeit erzeugt. "Der Funke ist übergesprungen", so Kehler. Nicht nur Deutschland habe sich einer Strategie in Sachen Wasserstoff verschrieben, auch einzelne Bundesländer, auch die Europäische Union und auch das außereuropäische Ausland. Vor diesem Hintergrund könne man die NWS als internationalen Meilenstein in der Entwicklung eines zukünftig klimaneutralen Energiesystems sehen, gab sich Kehler selbstbewusst. 

Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (DWV), war ebenfalls zu dem Rückblick von Zukunft Gas geladen. Er führte an, dass vor der Veröffentlichung der Strategie vor drei Jahren das Thema Wasserstoff eher ein Nischenthema gewesen war. "Das Papier ließ bei uns die Hoffnung aufkeimen", so Diwald. Endlich sei verstanden worden, dass die Energiewende nur funktionieren werde, wenn das energetische Zieldreieck aufrechterhalten bleibt − sprich Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit / Umweltschutz sowie Bezahlbarkeit. "Und in einer volatilen Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien funktioniert das nur in Kombination mit grünem Wasserstoff."

Jedoch, so wurde es spätestens nach 15 Minuten der Veranstaltung deutlich, seien die Anfangsambitionen bislang nicht erreicht worden. "Große Worte wurden zu Beginn gesprochen", erinnerte sich Diwald. Man wollte grünen Wasserstoff wettbewerbsfähig machen, einen Heimatmarkt für Wasserstofftechnologien in Deutschland entwickeln, dem Import den Weg bereiten, den Wasserstoff als alternativen Energieträger einsetzen. Außer Ankündigungen sei davon nicht viel gekommen, so Diwalds ernüchternde Bilanz zu 1.000 Tagen NWS.

Dem DWV-Vorstandsvorsitzenden geht die Umsetzung der Strategie nicht stringent genug. Er gewinne zunehmend den Eindruck, die Erkenntnisse des Beginns würden über die Zeit wieder entschleunigt. "Die Verzahnung von Strom-, Wärme-, und Gasinfrastruktur sollte vorangetrieben werden. Jedoch passiert das Gegenteil", so Diwald etwa mit Blick auf die Diskussion der vertikalen Entkopplung der Gasnetze, die es dem Gasnetzbetreiber verbieten soll, das Wasserstoffnetz zu betreiben. "Das ist sehr irritierend und schafft natürlich nicht das Vertrauen, das man für Investitionen ins Gasnetz braucht", so Diwald. 

Mehr Pragmatismus nötig

Deutschland habe sich mit dem politischen Konzept der Wasserstoffstrategie einen intellektuellen Vorsprung im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften erarbeitet, ergänzte Kehler. Jedoch, so merkte der Vorstand von Zukunft Gas an, dürfe Deutschland "jetzt nicht versäumen, aus dem Elfenbeinturm hinabzusteigen und die Ärmel hochzukrempeln". Die Projekte müssten jetzt mit viel Pragmatismus angegangen werden. 

Eine effiziente Verzahnung der Förderinstrumente über die gesamte Lieferkette hinweg können eine wirksame europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA geben: "Gerade mit Blick auf den IRA und unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt dürfen wir jetzt nicht bei reinen Absichtserklärungen stehen bleiben. Wir benötigen deutlich mehr Pragmatismus, um Wasserstoff statt Richtlinien zu produzieren", betonte Kehler. Für einen international funktionsfähigen Wasserstoffmarkt bedürfe es nun schnell klarer Herkunftsnachweise. Auch die Elektrolysekapazität − 10.000 MW bis 2030 − sei definitiv eine Großbaustelle. Derzeit sei Deutschland bei einer installierten Kapazität von 80 MW, wie Kehler anführte.

Keine Zustimmung für staatliche Netzgesellschaft

Keine gute Idee sei es, so die Verbände einvernehmlich, eine neue staatliche Wasserstoff-Netzgesellschaft aufzubauen. Etablierte privatwirtschaftliche Akteure seien deutlich schlagkräftiger aufgestellt und könnten schneller agieren. Das Gasverteilnetz, das aktuell 20 Millionen Haushalte und auch 1,8 Millionen Gewerbe- und Industriekunden versorgt, müsse in ein künftiges System eingebunden werden und dieses sollte mit den Stromnetzen zu einem integrierten Energiesystem zusammenwachsen. Hierfür seien viel Engagement, Pioniergeist und Mut nötig − "Eigenschaften, die die Gaswirtschaft mitbringt", betonten die beiden Vorsitzende. 

Montag, 6.03.2023, 15:55 Uhr
Davina Spohn

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