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Energie & Management > Vertrieb - Eon will rechtlich gegen Stadtwerke Castrop-Rauxel vorgehen
Quelle: Fotolia / ty
Vertrieb

Eon will rechtlich gegen Stadtwerke Castrop-Rauxel vorgehen

Der Energiekonzern Eon wirft den Stadtwerken Castrop-Rauxel vor, „Kunden in der Krise als reine Verschiebemasse“ zu sehen. Und will sich als Grundversorger gegen diese Praxis wehren.
Nachdem die Stadtwerke Castrop-Rauxel kürzlich tausenden Kunden den Strom- oder Gasvertrag gekündigt haben, um ihnen dadurch, wie sie selber sagen, eine günstigere Versorgung zu ermöglichen, hat das kommunale Unternehmen jetzt Post von dem Versorger erhalten, der so günstig liefern soll. „Mit Verwunderung und Befremden“ habe man die Ankündigung vernommen, schreibt Filip Thon, Vorsitzender der Geschäftsführung der Eon Energie Deutschland GmbH, seinem Kollegen bei den Stadtwerken. Rund 4.700 Kundinnen und Kunden wollen die Stadtwerke Castrop-Rauxel zum 1. Januar an den Energieriesen als Grundversorger abgeben – nach ihren Vorstellungen aber nur vorübergehend (wir berichteten).

Bei Eon reibt man sich vor allem der Vollmacht wegen die Augen, um die die Stadtwerke ihre Kunden im Zuge der Kündigungen bitten. Wer unterschreibt, den hole man von Eon zurück, sobald die eigenen Preise wieder unter denen des Grundversorger liegen, verspricht der kommunale Dienstleister. „Sie müssen sich um nichts kümmern.“

Filip Thon spricht von „gesellschaftlich höchst fragwürdigen Geschäftspraktiken“. Solange die Krise an den Beschaffungsmärkten nicht vorüber ist, sollen die Lasten Grundversorger wie Eon tragen, ärgert er sich über das Vorgehen des Kommunalversorgers. Mit ihrem Verhalten entzögen sich die Stadtwerke nicht nur der Verantwortung für die Gesellschaft, sondern brächten auch ein „Kundenverständnis zum Ausdruck, welches Kunden in der Krise als reine Verschiebemasse betrachtet“, so Thon.

Der Energieriese will das Gebaren des Kommunalversorger nicht hinnehmen: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt prüfen wir den Sachverhalt und damit verbundene rechtliche Schritte“, teilt der Konzern mit.

Stadtwerke wollen bei ihrer Linie bleiben

Aufgelöst haben die Stadtwerke alle Kundenverträge mit Preisgarantie. Die anderen, dem Vernehmen nach rund 800, laufen weiter, zum ersten Januar aber steigen die Preise. Die Kilowattstunde Strom kostet dann 69,99 Cent, für die Kilowattstunde Gas werden 20,99 Cent fällig. Allen Kunden, denen die Kündigung ins Haus geflattert ist, haben die Stadtwerke als Alternative einen Liefervertrag zu den neuen Konditionen offeriert. Weit darunter liegen die Tarife in der Grundversorgung von Eon. Der Stromtarif beträgt aktuell 30,85 Cent/kWh, der Gastarif 12,1 Cent/kWh.

Dass Eon momentan bei diesen Preisen bleibe, bezeichnete Stadtwerke-Chef Jens Langensiepen in den Ruhr Nachrichten als „überraschend“. Die Vorwürfe des Konzerns ändern offenbar nichts am Kurs in Castrop-Rauxel. „Wir bleiben bei unserer Linie“, erklärt Langensiepen gegenüber unserer Redaktion. In die Entscheidung seien "selbstverständlich alle zuständigen Gremien eingebunden" gewesen. Der Aufsichtsrat − Anteileigner ist neben der Stadt die Gelsenwasser AG − habe den Beschluss "einstimmig" gefasst.

Langensiepen kann den Unmut von Eon „durchaus nachvollziehen“. Doch „oberste Priorität haben für uns unsere Kundinnen und Kunden“, sagt er. Von den Betroffenen habe bereits ein „größerer Teil“ von dem Vollmacht-Angebot Gebrauch gemacht.

Erstaunt über das Verhalten der Stadtwerke zeigt sich auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Kunden rauszuwerfen und dann nicht ganz gehen lassen zu wollen, das ist schon eigenartig“, sagt Energierechtsexperte Holger Schneidewindt. In dem Vollmacht-Konstrukt sieht er ein „In-sich-Geschäft“, das juristisch schon heikel ist. Eine solche Vollmacht bietet „keinen Mehrwert“ für Kunden.

Finanzstarker Anteilseigner

Jens Langensiepen dagegen betonte gegenüber den Ruhr Nachrichten, dass der „Vollmacht-Gedanke“ nicht grundsätzlich neu sei. Ihm sei aber nicht bekannt, dass ein anderer Versorger darauf zurückgreife. Verbraucherschützern waren auf Vollmachten dieser Art Ende vergangenen Jahres in Kündigungsschreiben des Energiediscounters Voxenergie gestoßen.

Mit Blick auf die betroffenen Kunden teilt die Verbraucherzentrale in einem Punkt die Sichtweise der Stadtwerke. „Solche Tarife sind für Verbraucher jetzt Gold wert“, sagt Holger Schneidewindt über die Preise in der Grundversorgung von Eon.

Der Schritt der Stadtwerke Castrop-Rauxel geschieht nicht aus der Not heraus. Für 2022 hat der Kommunalversorger ein positives Ergebnis angekündigt. Die Kündigungen würden das Unternehmen nicht gefährden, der Energievertrieb mache nur ein Drittel der Einnahmen aus, sagte Stadtwerke-Chef der Lokalpresse.

Auch haben die Stadtwerke in der Gelsenwasser AG einen finanzkräftigen Anteilseigner. Der Konzern, hinter dem wiederum die Stadtwerke Bochum und Dortmund stehen, hält 49,9 Prozent der Anteile. Im vergangenen Jahr erzielte er laut Geschäftsbericht Umsatzerlöse in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro und einen Jahresüberschuss über 114 Millionen Euro.

Mittwoch, 23.11.2022, 16:46 Uhr
Manfred Fischer
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Eon will rechtlich gegen Stadtwerke Castrop-Rauxel vorgehen
Der Energiekonzern Eon wirft den Stadtwerken Castrop-Rauxel vor, „Kunden in der Krise als reine Verschiebemasse“ zu sehen. Und will sich als Grundversorger gegen diese Praxis wehren.
Nachdem die Stadtwerke Castrop-Rauxel kürzlich tausenden Kunden den Strom- oder Gasvertrag gekündigt haben, um ihnen dadurch, wie sie selber sagen, eine günstigere Versorgung zu ermöglichen, hat das kommunale Unternehmen jetzt Post von dem Versorger erhalten, der so günstig liefern soll. „Mit Verwunderung und Befremden“ habe man die Ankündigung vernommen, schreibt Filip Thon, Vorsitzender der Geschäftsführung der Eon Energie Deutschland GmbH, seinem Kollegen bei den Stadtwerken. Rund 4.700 Kundinnen und Kunden wollen die Stadtwerke Castrop-Rauxel zum 1. Januar an den Energieriesen als Grundversorger abgeben – nach ihren Vorstellungen aber nur vorübergehend (wir berichteten).

Bei Eon reibt man sich vor allem der Vollmacht wegen die Augen, um die die Stadtwerke ihre Kunden im Zuge der Kündigungen bitten. Wer unterschreibt, den hole man von Eon zurück, sobald die eigenen Preise wieder unter denen des Grundversorger liegen, verspricht der kommunale Dienstleister. „Sie müssen sich um nichts kümmern.“

Filip Thon spricht von „gesellschaftlich höchst fragwürdigen Geschäftspraktiken“. Solange die Krise an den Beschaffungsmärkten nicht vorüber ist, sollen die Lasten Grundversorger wie Eon tragen, ärgert er sich über das Vorgehen des Kommunalversorgers. Mit ihrem Verhalten entzögen sich die Stadtwerke nicht nur der Verantwortung für die Gesellschaft, sondern brächten auch ein „Kundenverständnis zum Ausdruck, welches Kunden in der Krise als reine Verschiebemasse betrachtet“, so Thon.

Der Energieriese will das Gebaren des Kommunalversorger nicht hinnehmen: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt prüfen wir den Sachverhalt und damit verbundene rechtliche Schritte“, teilt der Konzern mit.

Stadtwerke wollen bei ihrer Linie bleiben

Aufgelöst haben die Stadtwerke alle Kundenverträge mit Preisgarantie. Die anderen, dem Vernehmen nach rund 800, laufen weiter, zum ersten Januar aber steigen die Preise. Die Kilowattstunde Strom kostet dann 69,99 Cent, für die Kilowattstunde Gas werden 20,99 Cent fällig. Allen Kunden, denen die Kündigung ins Haus geflattert ist, haben die Stadtwerke als Alternative einen Liefervertrag zu den neuen Konditionen offeriert. Weit darunter liegen die Tarife in der Grundversorgung von Eon. Der Stromtarif beträgt aktuell 30,85 Cent/kWh, der Gastarif 12,1 Cent/kWh.

Dass Eon momentan bei diesen Preisen bleibe, bezeichnete Stadtwerke-Chef Jens Langensiepen in den Ruhr Nachrichten als „überraschend“. Die Vorwürfe des Konzerns ändern offenbar nichts am Kurs in Castrop-Rauxel. „Wir bleiben bei unserer Linie“, erklärt Langensiepen gegenüber unserer Redaktion. In die Entscheidung seien "selbstverständlich alle zuständigen Gremien eingebunden" gewesen. Der Aufsichtsrat − Anteileigner ist neben der Stadt die Gelsenwasser AG − habe den Beschluss "einstimmig" gefasst.

Langensiepen kann den Unmut von Eon „durchaus nachvollziehen“. Doch „oberste Priorität haben für uns unsere Kundinnen und Kunden“, sagt er. Von den Betroffenen habe bereits ein „größerer Teil“ von dem Vollmacht-Angebot Gebrauch gemacht.

Erstaunt über das Verhalten der Stadtwerke zeigt sich auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Kunden rauszuwerfen und dann nicht ganz gehen lassen zu wollen, das ist schon eigenartig“, sagt Energierechtsexperte Holger Schneidewindt. In dem Vollmacht-Konstrukt sieht er ein „In-sich-Geschäft“, das juristisch schon heikel ist. Eine solche Vollmacht bietet „keinen Mehrwert“ für Kunden.

Finanzstarker Anteilseigner

Jens Langensiepen dagegen betonte gegenüber den Ruhr Nachrichten, dass der „Vollmacht-Gedanke“ nicht grundsätzlich neu sei. Ihm sei aber nicht bekannt, dass ein anderer Versorger darauf zurückgreife. Verbraucherschützern waren auf Vollmachten dieser Art Ende vergangenen Jahres in Kündigungsschreiben des Energiediscounters Voxenergie gestoßen.

Mit Blick auf die betroffenen Kunden teilt die Verbraucherzentrale in einem Punkt die Sichtweise der Stadtwerke. „Solche Tarife sind für Verbraucher jetzt Gold wert“, sagt Holger Schneidewindt über die Preise in der Grundversorgung von Eon.

Der Schritt der Stadtwerke Castrop-Rauxel geschieht nicht aus der Not heraus. Für 2022 hat der Kommunalversorger ein positives Ergebnis angekündigt. Die Kündigungen würden das Unternehmen nicht gefährden, der Energievertrieb mache nur ein Drittel der Einnahmen aus, sagte Stadtwerke-Chef der Lokalpresse.

Auch haben die Stadtwerke in der Gelsenwasser AG einen finanzkräftigen Anteilseigner. Der Konzern, hinter dem wiederum die Stadtwerke Bochum und Dortmund stehen, hält 49,9 Prozent der Anteile. Im vergangenen Jahr erzielte er laut Geschäftsbericht Umsatzerlöse in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro und einen Jahresüberschuss über 114 Millionen Euro.

Mittwoch, 23.11.2022, 16:46 Uhr
Manfred Fischer

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