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Energie & Management > Mecklenburg-Vorpommern - Windkraft: 18 Untätigkeitsklagen gegen Landesämter
Quelle: Fotolia / Rene Grycner
Mecklenburg-Vorpommern

Windkraft: 18 Untätigkeitsklagen gegen Landesämter

Die Genehmigungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern bekommen es immer öfter schriftlich, dass sie in Windkraftfragen zu lahm arbeiten. Über 18 Untätigkeitsklagen hat das OVG zu befinden.
Eine Windkraftanlage im beschaulichen Mühlen Eichsen wird, so sie denn in Kürze in den westmecklenburgischen Himmel ragt, ein besonderes Etikett tragen dürfen. Denn die Vestas V162 hat eine besonders schwierige Hürde genommen: Die 5,6-MW-Anlage hat die Genehmigung einer Behörde erhalten, die öffentlich und formal-juristisch als untätig gebrandmarkt ist.

Gut fünf Jahre sind ins Land gezogen, seit der Projektierer UKA die Antragsunterlagen beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz Westmecklenburg (StALU WM) einreichte. Dem Unternehmen reichte es irgendwann. Nach geklärten Fragen zum Naturschutz war der Antrag seit April 2020 eigentlich genehmigungsreif. Dann erhob das Denkmalschutzamt Einspruch, und das StALU rührte keinen Finger mehr.

Rechtlich gesehen sind Anträge nach sieben oder – in einfachen Verfahren – nach drei Monaten zu genehmigen oder abzulehnen. Folglich verklagte UKA das StALU vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald auf Untätigkeit. Und erhielt erstens im Februar 2023 Recht und zweitens am 26. April schließlich die erhoffte Genehmigung für die Anlage.

Auch der Denkmalschutz darf laut OVG kein Hindernis mehr sein

Das OVG hatte im Untätigkeitsurteil nicht nur die unzulässig verstrichene Frist für den Bescheid festgestellt. Es hatte auch in Nebensätzen durchblicken lassen, dass die angeführten Denkmäler im Erscheinungsbild nicht erheblich beeinträchtigt seien. Selbst wenn, sei das überragende öffentliche Interesse an der Windenergie höher anzusetzen als der Denkmalschutz. Hier kommt die von der Bundesregierung zum Gesetz gemachte Bedeutung der erneuerbaren Energien (Paragraph 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz) auch in einem OVG-Urteil zur Anwendung.

Die Turbine in Mühlen Eichsen, nordwestlich der Landeshauptstadt Schwerin gelegen, ist alles andere als ein Unikat: Aktuell, bestätigte der Sprecher des OVG auf Anfrage unserer Redaktion, liegen dem Gericht 18 weitere Untätigkeitsklagen gegen die Genehmigungsbehörden Mecklenburg-Vorpommerns vor. Die jüngsten beiden Klagen stammen aus dem Juli. Wie viele Anlagen die 18 Klagen einschließen, konnte der Sprecher nicht beziffern. Seit Februar ist noch kein weiteres Urteil gefallen.

Die Statistiken sprechen seit Jahren eine deutliche Sprache. Die in Mecklenburg-Vorpommern zuständigen vier StÄLU benötigen nach einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) aktuell nahezu drei Jahre für eine Entscheidung. Exakt 32,9 Monate vergehen, ehe ein Bescheid in einem Genehmigungsverfahren ergeht, nachdem alle Antragsunterlagen eingegangen waren. Die FA Wind hat dafür 39 Verfahren seit 2018 ausgewertet. Nur in Hessen dauert es – bei 29 Verfahren – mit durchschnittlich 38,5 Monaten noch länger.

Die schnellsten Bundesländer sind nach dieser Auswertung Bayern (14,1 Monate) und Sachsen (12,1 Monate). Das Bild trügt allerdings, denn die dortigen Behörden hatten mit vier bzw. zehn Genehmigungsanträgen auch so gut wie nichts zu tun. Hintergrund dafür dürften auch die regulatorischen Daumenschrauben für die Windkraft sein, die in diesen Bundesländern nahezu zu einem Stillstand des Ausbaus geführt haben.

Lahmer Nordosten: 32,9 Monate für eine Entscheidung

Der in der Kritik von Windkraftprojektierern stehende Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till Backhaus (SPD), will bei den Behörden allerdings keine Untätigkeit erkennen können. Er verwies in einer Stellungnahme jüngst auf „komplizierte Genehmigungsverfahren“.

Backhaus hatte mit dem im Februar vorgestellten „Planungserlass Wind-an-Land“ die Zuständigkeit für Windkraft-Genehmigungen in Naturschutzfragen von den Landkreisen auf die StÄLU übertragen und personelle Verstärkung angekündigt. Damit hatte er auf die langen Verfahrensdauern reagiert, die er auf die Beteiligung von zu vielen Behörden zurückführt. Das StALU Westmecklenburg sah sich auf Anfrage übrigens außerstande, kurzfristig Informationen zu anhängigen Untätigkeitsklagen zu geben. Urteile wie im Falle Mühlen Eichsens setzen die Ämter nicht nur unter Handlungsdruck. Sie geben Klagenden im Erfolgsfalle auch ein Mittel an die Hand, Schadenersatz von den Behörden zu verlangen, sofern es zu Einnahmeausfällen oder Kostensteigerungen kommt.

Ob es der Druck durch die Untätigkeitsklagen oder die strukturellen Änderungen sind: In Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls kommt etwas Bewegung in die Windkraft. Im ersten Halbjahr 2023 sprachen die Landesämter bereits Genehmigungen für 26 Windkraftanlagen mit insgesamt 126,3 MW aus. Im Vergleichszeitraum 2022 waren es nur 16 Turbinen mit 88,7 MW. Die FA Wind errechnete aus den Zahlen des Marktstammdatenregisters somit eine Steigerung von 63 Prozent bei den Anlagen und 42 Prozent bei der Leistung.

Beim Netto-Zubau des ersten Halbjahrs sieht es im Nordosten Deutschlands schon wieder ganz anders aus: Bei zwölf Inbetriebnahmen und elf Stilllegungen drehte sich im Bundesland netto nur eine Anlage mehr, wegen der Leistungsstärke der neuen Anlagen ist das allerdings ein Leistungsplus von immerhin 31,5 MW.

Mittwoch, 2.08.2023, 09:00 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Mecklenburg-Vorpommern - Windkraft: 18 Untätigkeitsklagen gegen Landesämter
Quelle: Fotolia / Rene Grycner
Mecklenburg-Vorpommern
Windkraft: 18 Untätigkeitsklagen gegen Landesämter
Die Genehmigungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern bekommen es immer öfter schriftlich, dass sie in Windkraftfragen zu lahm arbeiten. Über 18 Untätigkeitsklagen hat das OVG zu befinden.
Eine Windkraftanlage im beschaulichen Mühlen Eichsen wird, so sie denn in Kürze in den westmecklenburgischen Himmel ragt, ein besonderes Etikett tragen dürfen. Denn die Vestas V162 hat eine besonders schwierige Hürde genommen: Die 5,6-MW-Anlage hat die Genehmigung einer Behörde erhalten, die öffentlich und formal-juristisch als untätig gebrandmarkt ist.

Gut fünf Jahre sind ins Land gezogen, seit der Projektierer UKA die Antragsunterlagen beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz Westmecklenburg (StALU WM) einreichte. Dem Unternehmen reichte es irgendwann. Nach geklärten Fragen zum Naturschutz war der Antrag seit April 2020 eigentlich genehmigungsreif. Dann erhob das Denkmalschutzamt Einspruch, und das StALU rührte keinen Finger mehr.

Rechtlich gesehen sind Anträge nach sieben oder – in einfachen Verfahren – nach drei Monaten zu genehmigen oder abzulehnen. Folglich verklagte UKA das StALU vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald auf Untätigkeit. Und erhielt erstens im Februar 2023 Recht und zweitens am 26. April schließlich die erhoffte Genehmigung für die Anlage.

Auch der Denkmalschutz darf laut OVG kein Hindernis mehr sein

Das OVG hatte im Untätigkeitsurteil nicht nur die unzulässig verstrichene Frist für den Bescheid festgestellt. Es hatte auch in Nebensätzen durchblicken lassen, dass die angeführten Denkmäler im Erscheinungsbild nicht erheblich beeinträchtigt seien. Selbst wenn, sei das überragende öffentliche Interesse an der Windenergie höher anzusetzen als der Denkmalschutz. Hier kommt die von der Bundesregierung zum Gesetz gemachte Bedeutung der erneuerbaren Energien (Paragraph 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz) auch in einem OVG-Urteil zur Anwendung.

Die Turbine in Mühlen Eichsen, nordwestlich der Landeshauptstadt Schwerin gelegen, ist alles andere als ein Unikat: Aktuell, bestätigte der Sprecher des OVG auf Anfrage unserer Redaktion, liegen dem Gericht 18 weitere Untätigkeitsklagen gegen die Genehmigungsbehörden Mecklenburg-Vorpommerns vor. Die jüngsten beiden Klagen stammen aus dem Juli. Wie viele Anlagen die 18 Klagen einschließen, konnte der Sprecher nicht beziffern. Seit Februar ist noch kein weiteres Urteil gefallen.

Die Statistiken sprechen seit Jahren eine deutliche Sprache. Die in Mecklenburg-Vorpommern zuständigen vier StÄLU benötigen nach einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) aktuell nahezu drei Jahre für eine Entscheidung. Exakt 32,9 Monate vergehen, ehe ein Bescheid in einem Genehmigungsverfahren ergeht, nachdem alle Antragsunterlagen eingegangen waren. Die FA Wind hat dafür 39 Verfahren seit 2018 ausgewertet. Nur in Hessen dauert es – bei 29 Verfahren – mit durchschnittlich 38,5 Monaten noch länger.

Die schnellsten Bundesländer sind nach dieser Auswertung Bayern (14,1 Monate) und Sachsen (12,1 Monate). Das Bild trügt allerdings, denn die dortigen Behörden hatten mit vier bzw. zehn Genehmigungsanträgen auch so gut wie nichts zu tun. Hintergrund dafür dürften auch die regulatorischen Daumenschrauben für die Windkraft sein, die in diesen Bundesländern nahezu zu einem Stillstand des Ausbaus geführt haben.

Lahmer Nordosten: 32,9 Monate für eine Entscheidung

Der in der Kritik von Windkraftprojektierern stehende Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till Backhaus (SPD), will bei den Behörden allerdings keine Untätigkeit erkennen können. Er verwies in einer Stellungnahme jüngst auf „komplizierte Genehmigungsverfahren“.

Backhaus hatte mit dem im Februar vorgestellten „Planungserlass Wind-an-Land“ die Zuständigkeit für Windkraft-Genehmigungen in Naturschutzfragen von den Landkreisen auf die StÄLU übertragen und personelle Verstärkung angekündigt. Damit hatte er auf die langen Verfahrensdauern reagiert, die er auf die Beteiligung von zu vielen Behörden zurückführt. Das StALU Westmecklenburg sah sich auf Anfrage übrigens außerstande, kurzfristig Informationen zu anhängigen Untätigkeitsklagen zu geben. Urteile wie im Falle Mühlen Eichsens setzen die Ämter nicht nur unter Handlungsdruck. Sie geben Klagenden im Erfolgsfalle auch ein Mittel an die Hand, Schadenersatz von den Behörden zu verlangen, sofern es zu Einnahmeausfällen oder Kostensteigerungen kommt.

Ob es der Druck durch die Untätigkeitsklagen oder die strukturellen Änderungen sind: In Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls kommt etwas Bewegung in die Windkraft. Im ersten Halbjahr 2023 sprachen die Landesämter bereits Genehmigungen für 26 Windkraftanlagen mit insgesamt 126,3 MW aus. Im Vergleichszeitraum 2022 waren es nur 16 Turbinen mit 88,7 MW. Die FA Wind errechnete aus den Zahlen des Marktstammdatenregisters somit eine Steigerung von 63 Prozent bei den Anlagen und 42 Prozent bei der Leistung.

Beim Netto-Zubau des ersten Halbjahrs sieht es im Nordosten Deutschlands schon wieder ganz anders aus: Bei zwölf Inbetriebnahmen und elf Stilllegungen drehte sich im Bundesland netto nur eine Anlage mehr, wegen der Leistungsstärke der neuen Anlagen ist das allerdings ein Leistungsplus von immerhin 31,5 MW.

Mittwoch, 2.08.2023, 09:00 Uhr
Volker Stephan

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