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Energie & Management > Recht - Sachsen-Anhalt streicht Verbot von Windkraft in Wäldern
Quelle: Fotolia / vege
Recht

Sachsen-Anhalt streicht Verbot von Windkraft in Wäldern

Sachsen-Anhalt beugt sich einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Um nicht angreifbar zu sein, tilgt die Koalition das Verbot von Windturbinen in Wäldern aus der Landesverfassung.
Seit bald anderthalb Jahren steht fest, dass ein pauschales Verbot von Windenergieanlagen in Wäldern verfassungswidrig ist. Darauf reagiert mit Sachsen-Anhalt jetzt ein Bundesland, das vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittelbar betroffen ist.

Der zuständige Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten, Sven Schulze (CDU), kündigte nun an, das Landeswaldgesetz im Sinne des Karlsruher Spruchs ändern zu wollen. Die regierende Koalition aus CDU, SPD und FDP werde eine entsprechende Änderung in den Landtag einbringen, um das in Paragraf 8 (Satz 3, Absatz 1) formulierte Pauschalverbot für Windturbinen in Wäldern zu streichen.

Die Koalition tut dies nicht aus eigenem Antrieb. Das Bundesverfassungsgericht hatte im September 2022 einen nahezu wortgleichen Passus im thüringischen Landeswaldgesetz beanstandet. Insofern, so Sven Schulze, sei Sachsen-Anhalt „verpflichtet“, das eigene Gesetz anzupassen. Auch die Überschrift, mit der das Ministerium diesen Schritt im eigenen Internet-Auftritt versieht, spricht Bände. „Das bedeutet nicht, dass in jedem Wald uneingeschränkt Windräder gebaut werden dürfen“, heißt es dort.

CDU-Forstminister stellt Einfluss der Bevölkerung heraus

Der CDU-Politiker stellt dort weiter heraus, dass Windkraftanlagen einer Genehmigung durch die Landkreise in ihrer Funktion als untere Immissionsschutzbehörden bedürften. Ihm sei „wichtig“, dass die Menschen vor Ort über Windturbinen im Wald mitentscheiden dürfen.

Dass diese Mitbestimmung durchaus zur Ablehnung eines Wald-Projekts führen kann, hat sich jüngst in Bayern gezeigt. Dort feierten Ministerpräsident Markus Söder und Forstministerin Michaela Kaniber (beide CSU) ein 40-Anlagen-Vorhaben im Landkreis Altötting Mitte 2023 noch als „Meilenstein für den Windkraftausbau in Bayern“. Allerdings wurden sie von einem Bürgerentscheid in Mehring am 28. Januar kalt erwischt. Die Mehrheit der Gemeindebevölkerung lehnte die etwa zehn auf ihrem Gemeindegebiet geplanten Anlagen ab (wir berichteten).

Mehrings Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) will sich laut Medienberichten diesem Votum beugen. Er bereitet demnach einen Antrag vor, mit dem der Gemeinderat die im Vorjahr getroffene Zustimmung zu den Windturbinen zurücknehmen soll. Die Regierung im Freistaat will indes am Plan, den größten Windpark Bayerns im interkommunalen Altöttinger Forst zu errichten, festhalten. Ob in abgespeckter Form oder mit neuen Standorten für die zehn gekippten Anlagen, das ist aktuell offen.

Anhaltende Waldwind-Debatte mitten in Thüringens Wahlkampf

Nach wie vor in der Schwebe ist auch die Haltung Thüringens zur Windkraft in Waldgebieten. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil war das gesetzlich verankerte Verbot sofort hinfällig. Das wollte die Opposition aus CDU, AfD und FDP allerdings nicht hinnehmen. Gegen die Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen setzte sie gemeinsam hohe Auflagen für Waldwind-Projekte durch. Nur bestimmte Kalamitätsflächen sollen zur Verfügung stehen, und für diese sollen binnen zwei Jahren Aufforstungen an anderer Stelle erfolgen. Allerdings, nächste Verschärfung, nicht auf landwirtschaftlich genutzten Arealen.
 
Nach Meinung von Fachleuten stünden dann so gut wie keine Flächen mehr für Ersatzwälder zur Verfügung. Damit kämen diese Auflagen in der Folge wiederum einem De-facto-Ausschluss von Windkraftanlagen in Wäldern gleich. Die thüringische Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) hat unterdessen verhindert, dass das Gesetz der Opposition wirksam wird. Sie verweigerte die Ausfertigung mit der Begründung, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestünden. Ein Gutachten soll Klarheit bringen.

Möglicherweise entscheidet sich im weiteren Verlauf des Jahres, welches Entwicklungspotenzial die Windkraft in Thüringen überhaupt hat. Denn es stehen im September Landtagswahlen an, bei der die windkraftkritischen Parteien wie CDU und die vom dortigen Verfassungsschutz beobachtete AfD auf ein Ende der Mitte-Links-Regierung setzen. Mit der Windenergie − oder eher gegen sie − lässt sich offenbar trefflich Wahlkampf betreiben.

Donnerstag, 1.02.2024, 15:50 Uhr
Volker Stephan
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Sachsen-Anhalt streicht Verbot von Windkraft in Wäldern
Sachsen-Anhalt beugt sich einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Um nicht angreifbar zu sein, tilgt die Koalition das Verbot von Windturbinen in Wäldern aus der Landesverfassung.
Seit bald anderthalb Jahren steht fest, dass ein pauschales Verbot von Windenergieanlagen in Wäldern verfassungswidrig ist. Darauf reagiert mit Sachsen-Anhalt jetzt ein Bundesland, das vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittelbar betroffen ist.

Der zuständige Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten, Sven Schulze (CDU), kündigte nun an, das Landeswaldgesetz im Sinne des Karlsruher Spruchs ändern zu wollen. Die regierende Koalition aus CDU, SPD und FDP werde eine entsprechende Änderung in den Landtag einbringen, um das in Paragraf 8 (Satz 3, Absatz 1) formulierte Pauschalverbot für Windturbinen in Wäldern zu streichen.

Die Koalition tut dies nicht aus eigenem Antrieb. Das Bundesverfassungsgericht hatte im September 2022 einen nahezu wortgleichen Passus im thüringischen Landeswaldgesetz beanstandet. Insofern, so Sven Schulze, sei Sachsen-Anhalt „verpflichtet“, das eigene Gesetz anzupassen. Auch die Überschrift, mit der das Ministerium diesen Schritt im eigenen Internet-Auftritt versieht, spricht Bände. „Das bedeutet nicht, dass in jedem Wald uneingeschränkt Windräder gebaut werden dürfen“, heißt es dort.

CDU-Forstminister stellt Einfluss der Bevölkerung heraus

Der CDU-Politiker stellt dort weiter heraus, dass Windkraftanlagen einer Genehmigung durch die Landkreise in ihrer Funktion als untere Immissionsschutzbehörden bedürften. Ihm sei „wichtig“, dass die Menschen vor Ort über Windturbinen im Wald mitentscheiden dürfen.

Dass diese Mitbestimmung durchaus zur Ablehnung eines Wald-Projekts führen kann, hat sich jüngst in Bayern gezeigt. Dort feierten Ministerpräsident Markus Söder und Forstministerin Michaela Kaniber (beide CSU) ein 40-Anlagen-Vorhaben im Landkreis Altötting Mitte 2023 noch als „Meilenstein für den Windkraftausbau in Bayern“. Allerdings wurden sie von einem Bürgerentscheid in Mehring am 28. Januar kalt erwischt. Die Mehrheit der Gemeindebevölkerung lehnte die etwa zehn auf ihrem Gemeindegebiet geplanten Anlagen ab (wir berichteten).

Mehrings Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) will sich laut Medienberichten diesem Votum beugen. Er bereitet demnach einen Antrag vor, mit dem der Gemeinderat die im Vorjahr getroffene Zustimmung zu den Windturbinen zurücknehmen soll. Die Regierung im Freistaat will indes am Plan, den größten Windpark Bayerns im interkommunalen Altöttinger Forst zu errichten, festhalten. Ob in abgespeckter Form oder mit neuen Standorten für die zehn gekippten Anlagen, das ist aktuell offen.

Anhaltende Waldwind-Debatte mitten in Thüringens Wahlkampf

Nach wie vor in der Schwebe ist auch die Haltung Thüringens zur Windkraft in Waldgebieten. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil war das gesetzlich verankerte Verbot sofort hinfällig. Das wollte die Opposition aus CDU, AfD und FDP allerdings nicht hinnehmen. Gegen die Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen setzte sie gemeinsam hohe Auflagen für Waldwind-Projekte durch. Nur bestimmte Kalamitätsflächen sollen zur Verfügung stehen, und für diese sollen binnen zwei Jahren Aufforstungen an anderer Stelle erfolgen. Allerdings, nächste Verschärfung, nicht auf landwirtschaftlich genutzten Arealen.
 
Nach Meinung von Fachleuten stünden dann so gut wie keine Flächen mehr für Ersatzwälder zur Verfügung. Damit kämen diese Auflagen in der Folge wiederum einem De-facto-Ausschluss von Windkraftanlagen in Wäldern gleich. Die thüringische Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) hat unterdessen verhindert, dass das Gesetz der Opposition wirksam wird. Sie verweigerte die Ausfertigung mit der Begründung, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestünden. Ein Gutachten soll Klarheit bringen.

Möglicherweise entscheidet sich im weiteren Verlauf des Jahres, welches Entwicklungspotenzial die Windkraft in Thüringen überhaupt hat. Denn es stehen im September Landtagswahlen an, bei der die windkraftkritischen Parteien wie CDU und die vom dortigen Verfassungsschutz beobachtete AfD auf ein Ende der Mitte-Links-Regierung setzen. Mit der Windenergie − oder eher gegen sie − lässt sich offenbar trefflich Wahlkampf betreiben.

Donnerstag, 1.02.2024, 15:50 Uhr
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