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Energie & Management > Klimaschutz - Verbände: Verbot von PFAS gefährdet Klimaziele
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz

Verbände: Verbot von PFAS gefährdet Klimaziele

In der EU könnte bald eine riesige Chemikalien-Gruppe verboten sein: Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz, PFAS. Dann ließen sich aber weder Windräder noch Halbleiter bauen.
Große deutsche Industrieverbände warnen vor einer Gefährdung der EU-Klimaziele bei einem umfassenden Verbot sogenannter Ewigkeits-Chemikalien. Kein Windrad, kein E-Auto, kein Energiespeicher, keine Halbleiter - ohne PFAS-Chemikalien ließen sich Schlüsseltechnologien auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren, hieß es in einer Mitteilung von Autoindustrie (VDA), Maschinenbau (VDMA) sowie Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plädiert für einen differenzierten Umgang mit der Chemikaliengruppe. In der EU wird über ein mögliches Verbot von Per- und polyfluorierten Alkylverbindungen diskutiert, die wegen ihrer Langlebigkeit auch Ewigkeits-Chemikalien genannt werden. 

Zu der Chemikaliengruppe zählen schätzungsweise mehr als 10.000 einzelne Substanzen, die in Alltagsprodukten wie Anoraks, Pfannen oder Kosmetik verarbeitet sind. In der Industrie werden sie etwa in Dichtungen, Isolierungen oder Kabeln eingesetzt. Auch Lithium-Ionen-Batterien zum Beispiel für E-Autos oder Wasserstoff-Technologien sind den Angaben zufolge auf PFAS angewiesen. 

VDMA-Präsident Karl Haeusgen zufolge wären "viele grüne Technologien, von Windenergieanlagen über die Wasserstoff-Erzeugung bis hin zur Produktion von Brennstoffzellen" gefährdet.

Habeck warnt vor Überregulierung

Habeck sagte der dpa: "Bessere Regulierung dort, wo es für den Verbraucherschutz notwendig ist, aber keine Überregulierung für die Wirtschaft, wo es Wachstum und Technologieentwicklung hemmt. Konkret heißt das: Da, wo diese Chemikalien nicht sicher für Mensch und Umwelt verwendet werden und gut durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten wir den schnellen Ausstieg befördern." 

Zugleich dürfe aber nicht die Erneuerung der Industrie gefährdet werden, warnte der Grünen-Politiker. PFAS spielten eine zentrale Rolle für Technologien der Zukunft wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe. "Hier lassen sich PFAS auch nicht einfach ersetzen, und hier dürfen wir die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt."

​FDP greift Umweltministerium an

Zuspruch erhielt Habeck von der FDP-Bundestagsfraktion. "Statt warmer Worte erwarten wir vom Wirtschaftsminister, dass er seinen Einfluss nutzt und das Umweltministerium in die Pflicht nimmt", sagte die Umweltsprecherin der Fraktion, Judith Skudelny, der dpa mit Blick auf Habecks Parteikollegin Steffi Lemke. "Habeck muss aktiv der bislang einseitig auf potenzielle Umweltrisiken abstellenden Argumentation des bei PFAS in der Bundesregierung federführenden Bundesumweltministeriums entgegenwirken."

Die Staatssekretärin im Umweltministerium, Christiane Rohleder (Grüne), erinnerte an die Risiken der Chemikalien. "PFAS sind extrem langlebig und reichern sich in Menschen, Tieren und Umwelt an", erklärte sie. "Nach EU-weiten Untersuchungen von (sic) Jugendlichen zwischen 2016 und 2022 wurden über alle Studien hinweg bei 15 Prozent der Teilnehmenden die als tolerierbar angesehenen Werte im Blut überschritten, bei einzelnen Studien sogar bei über 20 Prozent."

Es sei deshalb richtig, dort, wo es Alternativen gebe, einen Ausstieg aus der Verwendung von PFAS zu suchen. Die auf EU-Ebene geplanten Beschränkungen zielten nicht auf Totalverbote. Mittelfristig setze sie auf die Innovationskraft der Industrie, um "neue und nachhaltige Lösungen ohne PFAS" zu entwickeln. 

VDA, VDMA und ZVEI fordern, Stoffe, für die es zurzeit noch keinen Ersatz gebe oder von denen kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgehe, sollten der Industrie weiter zur Verfügung stehen. PFAS mit Risiko würden bereits Schritt für Schritt ersetzt. Die Stoffe müssten differenziert und risikobasiert betrachtet werden, erklärte ZVEI-Präsident Gunther Kegel.

Was Brüssel in Sachen PFAS plant

In der EU wird über ein Verbot der Chemikaliengruppe diskutiert. Deutschland und andere Länder hatten vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Je nach Anwendung sind Übergangsfristen von bis zu dreizehneinhalb Jahren vorgesehen. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen ist ein Großteil der Stoffe nicht untersucht. Die meisten der gut untersuchten Stoffe gelten der Europäische Umweltagentur (EEA) zufolge als mittel- bis hochtoxisch. 

Die EU-Chemikalienagentur ECHA will nach Ablauf einer öffentlichen sechsmonatigen Konsultation, die am 25. September endet, ein mögliches Verbot beurteilen. Die Entscheidung trifft die Europäische Kommission schließlich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten.

Donnerstag, 3.08.2023, 17:33 Uhr
dpa
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Verbände: Verbot von PFAS gefährdet Klimaziele
In der EU könnte bald eine riesige Chemikalien-Gruppe verboten sein: Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz, PFAS. Dann ließen sich aber weder Windräder noch Halbleiter bauen.
Große deutsche Industrieverbände warnen vor einer Gefährdung der EU-Klimaziele bei einem umfassenden Verbot sogenannter Ewigkeits-Chemikalien. Kein Windrad, kein E-Auto, kein Energiespeicher, keine Halbleiter - ohne PFAS-Chemikalien ließen sich Schlüsseltechnologien auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren, hieß es in einer Mitteilung von Autoindustrie (VDA), Maschinenbau (VDMA) sowie Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plädiert für einen differenzierten Umgang mit der Chemikaliengruppe. In der EU wird über ein mögliches Verbot von Per- und polyfluorierten Alkylverbindungen diskutiert, die wegen ihrer Langlebigkeit auch Ewigkeits-Chemikalien genannt werden. 

Zu der Chemikaliengruppe zählen schätzungsweise mehr als 10.000 einzelne Substanzen, die in Alltagsprodukten wie Anoraks, Pfannen oder Kosmetik verarbeitet sind. In der Industrie werden sie etwa in Dichtungen, Isolierungen oder Kabeln eingesetzt. Auch Lithium-Ionen-Batterien zum Beispiel für E-Autos oder Wasserstoff-Technologien sind den Angaben zufolge auf PFAS angewiesen. 

VDMA-Präsident Karl Haeusgen zufolge wären "viele grüne Technologien, von Windenergieanlagen über die Wasserstoff-Erzeugung bis hin zur Produktion von Brennstoffzellen" gefährdet.

Habeck warnt vor Überregulierung

Habeck sagte der dpa: "Bessere Regulierung dort, wo es für den Verbraucherschutz notwendig ist, aber keine Überregulierung für die Wirtschaft, wo es Wachstum und Technologieentwicklung hemmt. Konkret heißt das: Da, wo diese Chemikalien nicht sicher für Mensch und Umwelt verwendet werden und gut durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten wir den schnellen Ausstieg befördern." 

Zugleich dürfe aber nicht die Erneuerung der Industrie gefährdet werden, warnte der Grünen-Politiker. PFAS spielten eine zentrale Rolle für Technologien der Zukunft wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe. "Hier lassen sich PFAS auch nicht einfach ersetzen, und hier dürfen wir die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt."

​FDP greift Umweltministerium an

Zuspruch erhielt Habeck von der FDP-Bundestagsfraktion. "Statt warmer Worte erwarten wir vom Wirtschaftsminister, dass er seinen Einfluss nutzt und das Umweltministerium in die Pflicht nimmt", sagte die Umweltsprecherin der Fraktion, Judith Skudelny, der dpa mit Blick auf Habecks Parteikollegin Steffi Lemke. "Habeck muss aktiv der bislang einseitig auf potenzielle Umweltrisiken abstellenden Argumentation des bei PFAS in der Bundesregierung federführenden Bundesumweltministeriums entgegenwirken."

Die Staatssekretärin im Umweltministerium, Christiane Rohleder (Grüne), erinnerte an die Risiken der Chemikalien. "PFAS sind extrem langlebig und reichern sich in Menschen, Tieren und Umwelt an", erklärte sie. "Nach EU-weiten Untersuchungen von (sic) Jugendlichen zwischen 2016 und 2022 wurden über alle Studien hinweg bei 15 Prozent der Teilnehmenden die als tolerierbar angesehenen Werte im Blut überschritten, bei einzelnen Studien sogar bei über 20 Prozent."

Es sei deshalb richtig, dort, wo es Alternativen gebe, einen Ausstieg aus der Verwendung von PFAS zu suchen. Die auf EU-Ebene geplanten Beschränkungen zielten nicht auf Totalverbote. Mittelfristig setze sie auf die Innovationskraft der Industrie, um "neue und nachhaltige Lösungen ohne PFAS" zu entwickeln. 

VDA, VDMA und ZVEI fordern, Stoffe, für die es zurzeit noch keinen Ersatz gebe oder von denen kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgehe, sollten der Industrie weiter zur Verfügung stehen. PFAS mit Risiko würden bereits Schritt für Schritt ersetzt. Die Stoffe müssten differenziert und risikobasiert betrachtet werden, erklärte ZVEI-Präsident Gunther Kegel.

Was Brüssel in Sachen PFAS plant

In der EU wird über ein Verbot der Chemikaliengruppe diskutiert. Deutschland und andere Länder hatten vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Je nach Anwendung sind Übergangsfristen von bis zu dreizehneinhalb Jahren vorgesehen. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen ist ein Großteil der Stoffe nicht untersucht. Die meisten der gut untersuchten Stoffe gelten der Europäische Umweltagentur (EEA) zufolge als mittel- bis hochtoxisch. 

Die EU-Chemikalienagentur ECHA will nach Ablauf einer öffentlichen sechsmonatigen Konsultation, die am 25. September endet, ein mögliches Verbot beurteilen. Die Entscheidung trifft die Europäische Kommission schließlich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten.

Donnerstag, 3.08.2023, 17:33 Uhr
dpa

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