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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Unternehmen testen Lithiumabbau in Deutschland
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Unternehmen testen Lithiumabbau in Deutschland

Künftig könnte der begehrte Batterierohstoff Lithium kommerziell in Geothermieanlagen gewonnen werden. Im Oberrheingraben laufen dazu zwei Pilotanlagen.
Fahrzeugbatterien, Netzspeicher, Computer oder auch Smartphones − Lithiumionen-Akkus sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Jährlich werden Millionen Tonnen des begehrten Rohstoffes gefördert, insbesondere in Chile und Australien. Deutschland deckt seinen Bedarf an Lithium bislang vollständig über Importe, das könnte sich aber ändern. Im Oberrheingraben laufen zwei Projekte, die testen, wie das Lithium aus Thermalwasser von Erdwärme-Anlagen gewonnen werden kann. Erste Unternehmen, darunter Automobilkonzerne, haben bereits Interesse an dem Lithium aus Deutschland bekundet.

Laut aktuellen Forschungsergebnissen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) liegt in tiefen Gesteinslagen unter dem Oberrheingraben ein mineralischer Schatz verborgen: Gelöst in salzigen Thermalwasser-Reservoiren, befinden sich wohl beträchtliche Mengen des Elements Lithium. „Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein“, weiß der Geowissenschaftler Jens Grimmer vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT: „Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken.“ Nach aktueller Datenlage belaufen sich die Potenziale im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr. Zwei derzeit vielversprechende Projekte laufen an den Geothermiekraftwerken Insheim und Bruchsal.

Vulcan Energy hat bereits Abnehmer für das Lithium aus dem Oberrheingraben

An der Geothermieanlage Insheim im Süden von Rheinland-Pfalz läuft seit Sommer 2020 ein Forschungsprojekt. Begonnen haben es der damalige Betreiber, die Pfalzwerke Geofuture, und die Karlsruher Explorationsfirma Vulcan Energie Ressourcen. Im Dezember 2021 verkaufte die bisherige Betreibergesellschaft Pfalzwerke Geofuture die Anlage an die Vulcan Gruppe. Mit dem Verkauf beenden die Pfalzwerke ihr Engagement als Anlageneigentümer und Investor für Tiefe Geothermie und fokussieren sich im Bereich der erneuerbaren Energien auf Wind- und Solarenergie. Werner Hitschler, Vorstandsmitglied der Pfalzwerke, begründete die Entscheidung so: „Die Möglichkeiten der tiefen Geothermie sind vielfältig. Doch um sie konsequent ausschöpfen zu können, bedarf es der Anwendung neuer Technologien. Die Vulcan Gruppe ist in diesem Bereich gut positioniert und möchte ihn auch zukünftig weiter vorantreiben und die dafür notwendigen Investitionen tätigen.“

Vulcan treibt vor allem das Lithiumprojekt voran. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr bereits Abnahmeverträge mit Konzernen unterzeichnet. Dazu zählen das südkoreanische Unternehmen LG Energy, der Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore sowie die Fahrzeughersteller Renault, Stellantis und der VW-Konzern. Der Volkswagen-Konzern hat sich außerdem das Vorkaufsrecht für Investitionen in zusätzliche Kapazitäten im „Zero Carbon Lithium Projekt“ von Vulcan gesichert. Der Vertrag, den er unterzeichnet hat, tritt aber erst dann endgültig in Kraft, wenn die Aufnahme des kommerziellen Betriebs und die vollständige Produktqualifizierung erfolgreich waren. Immerhin läuft derzeit „nur“ eine Pilotanlage. Der Beginn der kommerziellen Lieferung von Lithiumhydroxid in Batteriequalität ist laut Vulcan von 2026 an vorgesehen.

An der Anlage Bruchsal ist die EnBW beteiligt

Ein weiteres Projekt startete an der Geothermieanlage Bruchsal (Baden-Württemberg) im Dezember 2020 und damit nur wenige Monate später als in Insheim. Hinter dem Projekt in Bruchsal mit dem Namen „UnLimited“ (Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland) stehen
  • die EnBW Energie Baden-Württemberg AG als Kooperationsführer
  • gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und den Partnern
  • Bestec (Projektierer),
  • Hydrosion (Beratungsgesellschaft)
  • sowie der Universität Göttingen.
Das Projekt Unlimited soll die notwendigen technischen und wirtschaftlichen Grundlagen für eine Lithiumproduktion aus heißem Tiefenwasser in Deutschland schaffen.

Für die Gewinnung des Rohstoffs bringen die Projekt-Partner ein Ionensieb in den Kreislauf aus gefördertem und zurückgeführtem Thermalwasser ein: In für dieses neue Extraktionsverfahren entwickelten Zylindern werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis sich das gelöste Lithium als Salz ausfällen lässt. Weil das in einem geschlossenen Kreislauf zirkulierende Thermalwasser nach der Nutzung in den Untergrund zurückfließt, bleiben die unterirdischen Tiefenwasservorräte erhalten, so die Projektpartner.

Gleichzeitig evaluiert hier das Projektteam auch die Lithiumvorkommen in der gesamten Region des Oberrheingrabens, und die Ergebnisse scheinen vielversprechend. Insbesondere die geothermischen Standorte in Landau (Rheinland-Pfalz), Bruchsal und Soultz-sous-Forets (Elsass) deuten auf eine nachhaltige Lithiumquelle im tiefen Untergrund hin. Daraus ergibt sich ein sogenanntes „nachhaltiges geothermisches Lithiumdreieck“ im Oberrheingraben. Auch die Geothermiestandorte Insheim und Rittershoffen (Elsass) sind Teil dieses Bereichs.

Somit ist der Oberrheingraben in Mitteleuropa bislang die einzige Region, in welcher nachhaltige Lithiumvorkommen in geothermischen Tiefenwässern nachgewiesen sind, so die Forschenden. Ausgehend von einer durchschnittlichen Lithiumkonzentration von 160 mg/L hat ein einzelnes Projekt eine geschätzte jährliche Produktionskapazität von rund 1.000 Tonnen Lithiumkarbonat. Das entspricht rund 24.000 Batterien (60 kWh) für Elektroautos.

Der Oberrheingraben werde zwar nicht die bundesweit benötigte Menge liefern, doch diese heimische Produktion eröffne „Alternativen für Lieferketten und reduzierte Umwelteinwirkung“, sagte Professor Jochen Kolb, Leiter der Abteilung Geochemie und Lagerstättenkunde am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT, beim Unlimited-Projektstart. „Wir nutzen den Rohstoff Geothermalwasser effizienter“, sagt Kolb, „und das hat den Nebeneffekt, dass es auch einen ökonomischen Booster für die Geothermie geben könnte.“
 
Ein Blick ins Innenleben der Geothermieanlage Bruchsal (Baden-Württemberg)
Quelle: EnBW / Uli Deck

Freitag, 4.02.2022, 08:58 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Unternehmen testen Lithiumabbau in Deutschland
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Unternehmen testen Lithiumabbau in Deutschland
Künftig könnte der begehrte Batterierohstoff Lithium kommerziell in Geothermieanlagen gewonnen werden. Im Oberrheingraben laufen dazu zwei Pilotanlagen.
Fahrzeugbatterien, Netzspeicher, Computer oder auch Smartphones − Lithiumionen-Akkus sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Jährlich werden Millionen Tonnen des begehrten Rohstoffes gefördert, insbesondere in Chile und Australien. Deutschland deckt seinen Bedarf an Lithium bislang vollständig über Importe, das könnte sich aber ändern. Im Oberrheingraben laufen zwei Projekte, die testen, wie das Lithium aus Thermalwasser von Erdwärme-Anlagen gewonnen werden kann. Erste Unternehmen, darunter Automobilkonzerne, haben bereits Interesse an dem Lithium aus Deutschland bekundet.

Laut aktuellen Forschungsergebnissen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) liegt in tiefen Gesteinslagen unter dem Oberrheingraben ein mineralischer Schatz verborgen: Gelöst in salzigen Thermalwasser-Reservoiren, befinden sich wohl beträchtliche Mengen des Elements Lithium. „Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein“, weiß der Geowissenschaftler Jens Grimmer vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT: „Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken.“ Nach aktueller Datenlage belaufen sich die Potenziale im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr. Zwei derzeit vielversprechende Projekte laufen an den Geothermiekraftwerken Insheim und Bruchsal.

Vulcan Energy hat bereits Abnehmer für das Lithium aus dem Oberrheingraben

An der Geothermieanlage Insheim im Süden von Rheinland-Pfalz läuft seit Sommer 2020 ein Forschungsprojekt. Begonnen haben es der damalige Betreiber, die Pfalzwerke Geofuture, und die Karlsruher Explorationsfirma Vulcan Energie Ressourcen. Im Dezember 2021 verkaufte die bisherige Betreibergesellschaft Pfalzwerke Geofuture die Anlage an die Vulcan Gruppe. Mit dem Verkauf beenden die Pfalzwerke ihr Engagement als Anlageneigentümer und Investor für Tiefe Geothermie und fokussieren sich im Bereich der erneuerbaren Energien auf Wind- und Solarenergie. Werner Hitschler, Vorstandsmitglied der Pfalzwerke, begründete die Entscheidung so: „Die Möglichkeiten der tiefen Geothermie sind vielfältig. Doch um sie konsequent ausschöpfen zu können, bedarf es der Anwendung neuer Technologien. Die Vulcan Gruppe ist in diesem Bereich gut positioniert und möchte ihn auch zukünftig weiter vorantreiben und die dafür notwendigen Investitionen tätigen.“

Vulcan treibt vor allem das Lithiumprojekt voran. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr bereits Abnahmeverträge mit Konzernen unterzeichnet. Dazu zählen das südkoreanische Unternehmen LG Energy, der Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore sowie die Fahrzeughersteller Renault, Stellantis und der VW-Konzern. Der Volkswagen-Konzern hat sich außerdem das Vorkaufsrecht für Investitionen in zusätzliche Kapazitäten im „Zero Carbon Lithium Projekt“ von Vulcan gesichert. Der Vertrag, den er unterzeichnet hat, tritt aber erst dann endgültig in Kraft, wenn die Aufnahme des kommerziellen Betriebs und die vollständige Produktqualifizierung erfolgreich waren. Immerhin läuft derzeit „nur“ eine Pilotanlage. Der Beginn der kommerziellen Lieferung von Lithiumhydroxid in Batteriequalität ist laut Vulcan von 2026 an vorgesehen.

An der Anlage Bruchsal ist die EnBW beteiligt

Ein weiteres Projekt startete an der Geothermieanlage Bruchsal (Baden-Württemberg) im Dezember 2020 und damit nur wenige Monate später als in Insheim. Hinter dem Projekt in Bruchsal mit dem Namen „UnLimited“ (Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland) stehen
  • die EnBW Energie Baden-Württemberg AG als Kooperationsführer
  • gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und den Partnern
  • Bestec (Projektierer),
  • Hydrosion (Beratungsgesellschaft)
  • sowie der Universität Göttingen.
Das Projekt Unlimited soll die notwendigen technischen und wirtschaftlichen Grundlagen für eine Lithiumproduktion aus heißem Tiefenwasser in Deutschland schaffen.

Für die Gewinnung des Rohstoffs bringen die Projekt-Partner ein Ionensieb in den Kreislauf aus gefördertem und zurückgeführtem Thermalwasser ein: In für dieses neue Extraktionsverfahren entwickelten Zylindern werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis sich das gelöste Lithium als Salz ausfällen lässt. Weil das in einem geschlossenen Kreislauf zirkulierende Thermalwasser nach der Nutzung in den Untergrund zurückfließt, bleiben die unterirdischen Tiefenwasservorräte erhalten, so die Projektpartner.

Gleichzeitig evaluiert hier das Projektteam auch die Lithiumvorkommen in der gesamten Region des Oberrheingrabens, und die Ergebnisse scheinen vielversprechend. Insbesondere die geothermischen Standorte in Landau (Rheinland-Pfalz), Bruchsal und Soultz-sous-Forets (Elsass) deuten auf eine nachhaltige Lithiumquelle im tiefen Untergrund hin. Daraus ergibt sich ein sogenanntes „nachhaltiges geothermisches Lithiumdreieck“ im Oberrheingraben. Auch die Geothermiestandorte Insheim und Rittershoffen (Elsass) sind Teil dieses Bereichs.

Somit ist der Oberrheingraben in Mitteleuropa bislang die einzige Region, in welcher nachhaltige Lithiumvorkommen in geothermischen Tiefenwässern nachgewiesen sind, so die Forschenden. Ausgehend von einer durchschnittlichen Lithiumkonzentration von 160 mg/L hat ein einzelnes Projekt eine geschätzte jährliche Produktionskapazität von rund 1.000 Tonnen Lithiumkarbonat. Das entspricht rund 24.000 Batterien (60 kWh) für Elektroautos.

Der Oberrheingraben werde zwar nicht die bundesweit benötigte Menge liefern, doch diese heimische Produktion eröffne „Alternativen für Lieferketten und reduzierte Umwelteinwirkung“, sagte Professor Jochen Kolb, Leiter der Abteilung Geochemie und Lagerstättenkunde am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT, beim Unlimited-Projektstart. „Wir nutzen den Rohstoff Geothermalwasser effizienter“, sagt Kolb, „und das hat den Nebeneffekt, dass es auch einen ökonomischen Booster für die Geothermie geben könnte.“
 
Ein Blick ins Innenleben der Geothermieanlage Bruchsal (Baden-Württemberg)
Quelle: EnBW / Uli Deck

Freitag, 4.02.2022, 08:58 Uhr
Heidi Roider

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