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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Hoffnungsträger Esperanza
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Hoffnungsträger Esperanza

„Esperanza“ ist das spanische Wort für Hoffnung. Welches Schiff wäre also besser geeignet als die Esperanza, um die erfüllten Hoffnungen auf LNG-Lieferungen zu dokumentieren?
Der sprichwörtliche „große Bahnhof“ bei der Eröffnung am 17. Dezember 2022 passt dann aber eher weniger zur Schifffahrt und zum neuen LNG-Terminal im niedersächsischen Wilhelmshaven. Dennoch muss erwähnt werden, dass neben Kanzler Olaf Scholz (SPD), der den kroatischen Kapitän per Funk mit den Worten „Wir sind sehr froh, Ihr Schiff zu sehen“ begrüßte, auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit von der Partie waren. Das komplette Spitzentrio bei einem Termin außerhalb von Berlin. Das gab es noch nie.

Dazu befanden sich rund 400 weitere geladene Gäste aus Politik, Energiewirtschaft und Verwaltung an Bord des Ausflugsschiffes Helgoland, um die Esperanza zu begrüßen, eine sogenannte FSRU-Einheit, die für Floating Storage and Regasification Unit steht. Sie nimmt also das LNG von den Tankern entgegen, speichert es zwischen, erwärmt es, sodass es wieder gasförmig wird, und speist es ins Erdgasnetz ein. 294 Meter lang ist der schwimmende Alleskönner und praktischerweise hatte es auch gleich fast 170.000 Kubikmeter Flüssigerdgas selbst dabei.

Betrachtet man den Projektablauf etwas genauer, wird schnell klar, was Olaf Scholz meinte, wenn er im Hinblick auf das Bau- und Genehmigungstempo für die LNG-Anlage von „Weltrekord“ sprach und einer „Deutschland-Geschwindigkeit, die wir jetzt immer an den Tag legen wollen“. Gerade auch bei anderen Energiewendeprojekten. Seinen Entschluss zur Errichtung von LNG-Terminals hatte der Kanzler drei Tage nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, nämlich in seiner „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar, verkündet. Und dann ging es rasend schnell.

Die Vorbereitung der vielen Genehmigungsunterlagen lief ab März, Baubeginn mit dem ersten Rammschlag war am 5. Mai, die FSRU-Einheit wurde im Juli gechartert, die weiteren Arbeiten samt Verlegung der Anbindungsleitung ans Erdgasnetz starteten im August, bis schließlich der Hafenanleger im November fertig war und die Esperanza am 17. Dezember pünktlich einlief.

Nicht nur die zeitliche Abfolge liest sich beeindruckend, auch die Zahlen zum Projekt sind es. Nach Angaben von Uniper arbeiteten 1.000 Personen mit, die Antragsunterlagen umfassten 3.500 Seiten, es sind 14.000 Tonnen Stahl verbaut worden und 3.000 Kubikmeter Beton, für Stabilität sorgen 194 Pfähle, die in den Boden eingebracht wurden.

Ein besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang sicher die 26 Kilometer lange Pipeline, die das Terminal mit dem Ferngasnetz im Bereich des Speichers Etzel verbindet. Für so etwas, das verdeutlichte Gunnar Brandin, Bereichsleiter Projekte Technik bei Open Grid Europe (OGE), in einer Konferenz, braucht es in Deutschland normalerweise sechs bis acht Jahre. In dem Fall wurden 1.500 Rohre in zwölf Wochen verlegt und verschweißt. Die Entwurfsplanung hatte am 15. März begonnen. Nur einmal regten sich, so Brandin, Zweifel, ob alles pünktlich fertig wird: Mit der Besetzung des Rohrlagerplatzes durch Demonstranten hatte man zunächst weniger Probleme, allerdings wurden auch einige der 250 Baumaschinen sabotiert − und man wusste anfangs nicht, wie viele betroffen sein würden.

Schon jetzt für Wasserstoff geeignet

Dass die Leitung schon jetzt für Wasserstoff geeignet ist, darauf wurde, gerade mit Blick auf die Widerstände, schon im Vorfeld vielfach hingewiesen. Auch anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten für das Terminal gab es Kritik von Umweltverbänden. Sie prangern an, dass Chlor zur Säuberung der Rohrleitungen im Meer verwendet wird, wodurch Schäden am Ökosystem zu befürchten seien. Alle Umweltstandards, so heißt es dagegen seitens des Terminalbetreibers Uniper und der Behörden, würden eingehalten. Zuletzt wurden auch Zweifel an der Dimensionierung der LNG-Projekte insgesamt geäußert sowie an den teils langen Laufzeiten. Die Kosten standen ebenfalls bereits in der Kritik: Statt ursprünglich 6,5 Milliarden Euro für die schwimmenden Terminals war zuletzt aus dem Bundeswirtschaftsministerium von 9,7 Milliarden Euro bis 2038 die Rede.

Über das Terminal in Wilhelmshaven sollen jährlich mindestens 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas ins Netz eingespeist werden. Das sind 6 Prozent des Gasbedarfs in Deutschland. Bis 2025 soll am selben Standort ein stationäres Terminal mit Lagertanks in Betrieb gehen.

Auch Terminal in Lubmin ist betriebsbereit

Betriebsbereitschaft meldete bis Mitte Dezember auch das erste und einzige privat finanzierte LNG-Terminal der Deutschen Regas in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern). Hier ist die „Neptune“, ebenfalls von der Reederei Höegh, als Regasifizierungseinheit festgemacht. Sie musste wegen des Tiefgangs in einer aufwendigen und zuvor im Simulator trainierten Aktion von Schleppern an ihren Platz gebracht werden. Der Tiefgang ist auch der Grund, warum sich das Anlanden von LNG in Lubmin aufwendiger gestaltet als anderswo: So muss außerhalb des Greifswalder Boddens ein Schiff stationiert werden, an das die LNG-Tanker ihre Ladung übergeben können. Drei kleine Shuttles bringen das Flüssigerdgas dann von dort zur Neptune im Industriehafen.

Noch 2023 sollen in Lubmin zwei weitere LNG-Terminals startklar sein. Mit einer Lieferung aus Abu Dhabi ist im Januar die Inbetriebnahme der Anlage in Brunsbüttel vorgesehen. In Stade soll es Ende 2023 losgehen. Auch hier sind für später − wie in Wilhelmshaven und Brunsbüttel − stationäre Terminals geplant.

Dienstag, 10.01.2023, 08:34 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Hoffnungsträger Esperanza
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Hoffnungsträger Esperanza
„Esperanza“ ist das spanische Wort für Hoffnung. Welches Schiff wäre also besser geeignet als die Esperanza, um die erfüllten Hoffnungen auf LNG-Lieferungen zu dokumentieren?
Der sprichwörtliche „große Bahnhof“ bei der Eröffnung am 17. Dezember 2022 passt dann aber eher weniger zur Schifffahrt und zum neuen LNG-Terminal im niedersächsischen Wilhelmshaven. Dennoch muss erwähnt werden, dass neben Kanzler Olaf Scholz (SPD), der den kroatischen Kapitän per Funk mit den Worten „Wir sind sehr froh, Ihr Schiff zu sehen“ begrüßte, auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit von der Partie waren. Das komplette Spitzentrio bei einem Termin außerhalb von Berlin. Das gab es noch nie.

Dazu befanden sich rund 400 weitere geladene Gäste aus Politik, Energiewirtschaft und Verwaltung an Bord des Ausflugsschiffes Helgoland, um die Esperanza zu begrüßen, eine sogenannte FSRU-Einheit, die für Floating Storage and Regasification Unit steht. Sie nimmt also das LNG von den Tankern entgegen, speichert es zwischen, erwärmt es, sodass es wieder gasförmig wird, und speist es ins Erdgasnetz ein. 294 Meter lang ist der schwimmende Alleskönner und praktischerweise hatte es auch gleich fast 170.000 Kubikmeter Flüssigerdgas selbst dabei.

Betrachtet man den Projektablauf etwas genauer, wird schnell klar, was Olaf Scholz meinte, wenn er im Hinblick auf das Bau- und Genehmigungstempo für die LNG-Anlage von „Weltrekord“ sprach und einer „Deutschland-Geschwindigkeit, die wir jetzt immer an den Tag legen wollen“. Gerade auch bei anderen Energiewendeprojekten. Seinen Entschluss zur Errichtung von LNG-Terminals hatte der Kanzler drei Tage nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, nämlich in seiner „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar, verkündet. Und dann ging es rasend schnell.

Die Vorbereitung der vielen Genehmigungsunterlagen lief ab März, Baubeginn mit dem ersten Rammschlag war am 5. Mai, die FSRU-Einheit wurde im Juli gechartert, die weiteren Arbeiten samt Verlegung der Anbindungsleitung ans Erdgasnetz starteten im August, bis schließlich der Hafenanleger im November fertig war und die Esperanza am 17. Dezember pünktlich einlief.

Nicht nur die zeitliche Abfolge liest sich beeindruckend, auch die Zahlen zum Projekt sind es. Nach Angaben von Uniper arbeiteten 1.000 Personen mit, die Antragsunterlagen umfassten 3.500 Seiten, es sind 14.000 Tonnen Stahl verbaut worden und 3.000 Kubikmeter Beton, für Stabilität sorgen 194 Pfähle, die in den Boden eingebracht wurden.

Ein besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang sicher die 26 Kilometer lange Pipeline, die das Terminal mit dem Ferngasnetz im Bereich des Speichers Etzel verbindet. Für so etwas, das verdeutlichte Gunnar Brandin, Bereichsleiter Projekte Technik bei Open Grid Europe (OGE), in einer Konferenz, braucht es in Deutschland normalerweise sechs bis acht Jahre. In dem Fall wurden 1.500 Rohre in zwölf Wochen verlegt und verschweißt. Die Entwurfsplanung hatte am 15. März begonnen. Nur einmal regten sich, so Brandin, Zweifel, ob alles pünktlich fertig wird: Mit der Besetzung des Rohrlagerplatzes durch Demonstranten hatte man zunächst weniger Probleme, allerdings wurden auch einige der 250 Baumaschinen sabotiert − und man wusste anfangs nicht, wie viele betroffen sein würden.

Schon jetzt für Wasserstoff geeignet

Dass die Leitung schon jetzt für Wasserstoff geeignet ist, darauf wurde, gerade mit Blick auf die Widerstände, schon im Vorfeld vielfach hingewiesen. Auch anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten für das Terminal gab es Kritik von Umweltverbänden. Sie prangern an, dass Chlor zur Säuberung der Rohrleitungen im Meer verwendet wird, wodurch Schäden am Ökosystem zu befürchten seien. Alle Umweltstandards, so heißt es dagegen seitens des Terminalbetreibers Uniper und der Behörden, würden eingehalten. Zuletzt wurden auch Zweifel an der Dimensionierung der LNG-Projekte insgesamt geäußert sowie an den teils langen Laufzeiten. Die Kosten standen ebenfalls bereits in der Kritik: Statt ursprünglich 6,5 Milliarden Euro für die schwimmenden Terminals war zuletzt aus dem Bundeswirtschaftsministerium von 9,7 Milliarden Euro bis 2038 die Rede.

Über das Terminal in Wilhelmshaven sollen jährlich mindestens 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas ins Netz eingespeist werden. Das sind 6 Prozent des Gasbedarfs in Deutschland. Bis 2025 soll am selben Standort ein stationäres Terminal mit Lagertanks in Betrieb gehen.

Auch Terminal in Lubmin ist betriebsbereit

Betriebsbereitschaft meldete bis Mitte Dezember auch das erste und einzige privat finanzierte LNG-Terminal der Deutschen Regas in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern). Hier ist die „Neptune“, ebenfalls von der Reederei Höegh, als Regasifizierungseinheit festgemacht. Sie musste wegen des Tiefgangs in einer aufwendigen und zuvor im Simulator trainierten Aktion von Schleppern an ihren Platz gebracht werden. Der Tiefgang ist auch der Grund, warum sich das Anlanden von LNG in Lubmin aufwendiger gestaltet als anderswo: So muss außerhalb des Greifswalder Boddens ein Schiff stationiert werden, an das die LNG-Tanker ihre Ladung übergeben können. Drei kleine Shuttles bringen das Flüssigerdgas dann von dort zur Neptune im Industriehafen.

Noch 2023 sollen in Lubmin zwei weitere LNG-Terminals startklar sein. Mit einer Lieferung aus Abu Dhabi ist im Januar die Inbetriebnahme der Anlage in Brunsbüttel vorgesehen. In Stade soll es Ende 2023 losgehen. Auch hier sind für später − wie in Wilhelmshaven und Brunsbüttel − stationäre Terminals geplant.

Dienstag, 10.01.2023, 08:34 Uhr
Günter Drewnitzky

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