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Energie & Management > Recht - Gas.de zahlt plötzlich Schadenersatz für Kündigung
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Gas.de zahlt plötzlich Schadenersatz für Kündigung

Der Energiediscounter Gas.de hat im Rechtsstreit mit einem Legal-Tech-Unternehmen einen Rückzieher gemacht – kurz vor dem Gerichtstermin.
Damit hatte Tobias Hirt nicht mehr gerechnet. Vergangenen Sommer hatte der Geschäftsführer des Legal-Tech-Unternehmens Veneko Klage gegen Gas.de beim Landgericht Düsseldorf eingereicht. Der Energiediscounter, der zum selben Firmengeflecht gehört wie Stromio und denselben Chef hat, hatte im Dezember 2021, als die Beschaffungspreise nach oben schossen, Kunden die Verträge fristlos gekündigt.

Hirt klagte in einem Präzedenzfall im Auftrag von Mandanten auf Schadenersatz. Es ging um die Mehrkosten, die einem Mandanten für die Ersatz- und Anschlussversorgung entstanden waren (Aktenzeichen: 4d O 6/22). „Am 23. Februar dieses Jahres hätte die Verhandlung stattgefunden“, sagt Hirt. Zwei Tage vorher habe Gas.de eingelenkt. 

Am 21. Februar sei das Geld samt Zinsen überwiesen worden. Auch die Gerichtskosten habe Gas.de übernommen. „Sie haben sie so verhalten, als hätten sie ein Urteil gegen sich anerkannt“, sagt Hirt über die Gegenseite. „Wir waren völlig überrascht“, kommentierte er. Zunächst habe er seinen Augen fast nicht getraut: „In der Woche davor haben wir noch eine 20-seitige Klageerwiderung von Anwälten von Gas.de erhalten.“ Darin habe die Gegenseite ihre bisherigen Standpunkte bekräftigt.

Insgesamt "siebenstelliger" Forderungsbetrag

Auf 6.000 Euro beziffert Hirt die Mehrkosten des Mandanten. Dass er Anspruch auf Schadensersatz hatte, ließ sich bereits aus einer Verfügung herauslesen, die das Gericht im August formuliert hatte. „Die Klage dürfte nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch in der Sache grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben“, schrieben sie. Ein fristloses Kündigungsrecht nach den Paragrafen 313 und 314 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dürfte sich nicht aus einem „pauschalen Verweis“ auf die veränderte politische Lage und die Gaspreisentwicklung ergeben, so die Richter in ihrem rechtlichen Hinweis.

Der Kunde, dessen zusätzliche Kosten der Energiediscounter jetzt übernommen hat, stellt für das Legal-Tech-Unternehmen nur den Anfang dar. Hirt spricht von einer vierstelligen Zahl von Kundenverträgen, in denen man versuche, eine außergerichtliche Einigung zu finden. „Insgesamt geht es um einen siebenstelligen Betrag“, berichtet Hirt. Im März will er für einen Großteil der Betroffenen die Forderung an Stromio und Gas.de richten. Kommt es nicht zu einer Einigung, „dann kommt die große Klage“, kündigt er an.

Die Schar der Ex-Discounter-Kunden, die Veneko vertritt, wächst offenbar weiter. „Wir werden zugeströmt mit Anfragen“, sagt der Verbraucherschützer Matthias Moeschler, der mit Hirt kooperiert und unter Verbraucherhilfe-Stromanbieter einen Blog zu dem Thema betreibt.

Fast 3.000 Anmeldungen für Musterfeststellungsklage der VZ Hessen

Dass Ex-Kunden den Klageweg wählen, hält man bei Stromio für unnötig: „Vielmehr empfiehlt unsere Mandantin Kunden, die berechtigte Forderungen aufgrund der gekündigten Stromlieferverträge geltend machen möchten, sich an das Unternehmen direkt zu wenden“, hatte die Wochenzeitung Welt am Sonntag vergangenes Jahr einen Anwalt des Unternehmens zitiert. Sollte es zu Mehrkosten gekommen sein sollte, „regelt unsere Mandantin dies mindestens im Kulanzwege mit Kunden“.

Die Verbraucherzentrale (VZ) Hessen, die eine Musterfeststellungsklage gegen Stromio auf den Weg gebracht hat, weiß von Vergleichsangeboten des Discounters an ehemalige Kunden, deren Höhe „überwiegend im unteren zweistelligen Bereich“ lagen. „In Einzelfällen, wenn Betroffene sich damit nicht zufriedengaben und hartnäckig blieben, wurden offenbar dreistellige Beträge - ebenfalls im unteren Bereich – gezahlt“, teilt eine VZ-Sprecherin mit. Sie schränkt aber ein, dass sich nur vereinzelt Verbraucher mit Vergleichsangeboten in der Hand bei der VZ gemeldet hätten. Die Datenlage sei also „dünn“.

Deutlich gefüllt hat sich in der Zwischenzeit das Register für die Musterfeststellungsklage gegen Stromio. Nach Auskunft des Bundesamtes für Justiz enthält es jetzt 3.017 Eintragungen, 2.998 davon sind Anmeldungen, 19 Rücknahmen. Wann der Fall (Aktenzeichen: I-2 MK 1/22 beim Oberlandesgericht Hamm) vor Gericht verhandelt wird, ist offen. Aktuell liefen noch die Stellungnahmefristen, teilt eine Gerichtssprecherin mit.

Offen ist auch noch die Klage von EnBW. Anfang vergangenen Jahres hatte der Konzern gegen Stromio auf „Aufwendungsersatz“ für ersatzversorgte Kunden geklagt. Im Sommer hatte das Gericht nach einer mündlichen Verhandlung einen Hinweisbeschluss erlassen und weitere Informationen angefordert. Wie EnBW mitteilt, soll nach derzeitigem Stand im Mai eine Entscheidung durch das Landgericht Düsseldorf verkündet werden.

Mittwoch, 15.03.2023, 16:20 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Recht - Gas.de zahlt plötzlich Schadenersatz für Kündigung
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Gas.de zahlt plötzlich Schadenersatz für Kündigung
Der Energiediscounter Gas.de hat im Rechtsstreit mit einem Legal-Tech-Unternehmen einen Rückzieher gemacht – kurz vor dem Gerichtstermin.
Damit hatte Tobias Hirt nicht mehr gerechnet. Vergangenen Sommer hatte der Geschäftsführer des Legal-Tech-Unternehmens Veneko Klage gegen Gas.de beim Landgericht Düsseldorf eingereicht. Der Energiediscounter, der zum selben Firmengeflecht gehört wie Stromio und denselben Chef hat, hatte im Dezember 2021, als die Beschaffungspreise nach oben schossen, Kunden die Verträge fristlos gekündigt.

Hirt klagte in einem Präzedenzfall im Auftrag von Mandanten auf Schadenersatz. Es ging um die Mehrkosten, die einem Mandanten für die Ersatz- und Anschlussversorgung entstanden waren (Aktenzeichen: 4d O 6/22). „Am 23. Februar dieses Jahres hätte die Verhandlung stattgefunden“, sagt Hirt. Zwei Tage vorher habe Gas.de eingelenkt. 

Am 21. Februar sei das Geld samt Zinsen überwiesen worden. Auch die Gerichtskosten habe Gas.de übernommen. „Sie haben sie so verhalten, als hätten sie ein Urteil gegen sich anerkannt“, sagt Hirt über die Gegenseite. „Wir waren völlig überrascht“, kommentierte er. Zunächst habe er seinen Augen fast nicht getraut: „In der Woche davor haben wir noch eine 20-seitige Klageerwiderung von Anwälten von Gas.de erhalten.“ Darin habe die Gegenseite ihre bisherigen Standpunkte bekräftigt.

Insgesamt "siebenstelliger" Forderungsbetrag

Auf 6.000 Euro beziffert Hirt die Mehrkosten des Mandanten. Dass er Anspruch auf Schadensersatz hatte, ließ sich bereits aus einer Verfügung herauslesen, die das Gericht im August formuliert hatte. „Die Klage dürfte nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch in der Sache grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben“, schrieben sie. Ein fristloses Kündigungsrecht nach den Paragrafen 313 und 314 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dürfte sich nicht aus einem „pauschalen Verweis“ auf die veränderte politische Lage und die Gaspreisentwicklung ergeben, so die Richter in ihrem rechtlichen Hinweis.

Der Kunde, dessen zusätzliche Kosten der Energiediscounter jetzt übernommen hat, stellt für das Legal-Tech-Unternehmen nur den Anfang dar. Hirt spricht von einer vierstelligen Zahl von Kundenverträgen, in denen man versuche, eine außergerichtliche Einigung zu finden. „Insgesamt geht es um einen siebenstelligen Betrag“, berichtet Hirt. Im März will er für einen Großteil der Betroffenen die Forderung an Stromio und Gas.de richten. Kommt es nicht zu einer Einigung, „dann kommt die große Klage“, kündigt er an.

Die Schar der Ex-Discounter-Kunden, die Veneko vertritt, wächst offenbar weiter. „Wir werden zugeströmt mit Anfragen“, sagt der Verbraucherschützer Matthias Moeschler, der mit Hirt kooperiert und unter Verbraucherhilfe-Stromanbieter einen Blog zu dem Thema betreibt.

Fast 3.000 Anmeldungen für Musterfeststellungsklage der VZ Hessen

Dass Ex-Kunden den Klageweg wählen, hält man bei Stromio für unnötig: „Vielmehr empfiehlt unsere Mandantin Kunden, die berechtigte Forderungen aufgrund der gekündigten Stromlieferverträge geltend machen möchten, sich an das Unternehmen direkt zu wenden“, hatte die Wochenzeitung Welt am Sonntag vergangenes Jahr einen Anwalt des Unternehmens zitiert. Sollte es zu Mehrkosten gekommen sein sollte, „regelt unsere Mandantin dies mindestens im Kulanzwege mit Kunden“.

Die Verbraucherzentrale (VZ) Hessen, die eine Musterfeststellungsklage gegen Stromio auf den Weg gebracht hat, weiß von Vergleichsangeboten des Discounters an ehemalige Kunden, deren Höhe „überwiegend im unteren zweistelligen Bereich“ lagen. „In Einzelfällen, wenn Betroffene sich damit nicht zufriedengaben und hartnäckig blieben, wurden offenbar dreistellige Beträge - ebenfalls im unteren Bereich – gezahlt“, teilt eine VZ-Sprecherin mit. Sie schränkt aber ein, dass sich nur vereinzelt Verbraucher mit Vergleichsangeboten in der Hand bei der VZ gemeldet hätten. Die Datenlage sei also „dünn“.

Deutlich gefüllt hat sich in der Zwischenzeit das Register für die Musterfeststellungsklage gegen Stromio. Nach Auskunft des Bundesamtes für Justiz enthält es jetzt 3.017 Eintragungen, 2.998 davon sind Anmeldungen, 19 Rücknahmen. Wann der Fall (Aktenzeichen: I-2 MK 1/22 beim Oberlandesgericht Hamm) vor Gericht verhandelt wird, ist offen. Aktuell liefen noch die Stellungnahmefristen, teilt eine Gerichtssprecherin mit.

Offen ist auch noch die Klage von EnBW. Anfang vergangenen Jahres hatte der Konzern gegen Stromio auf „Aufwendungsersatz“ für ersatzversorgte Kunden geklagt. Im Sommer hatte das Gericht nach einer mündlichen Verhandlung einen Hinweisbeschluss erlassen und weitere Informationen angefordert. Wie EnBW mitteilt, soll nach derzeitigem Stand im Mai eine Entscheidung durch das Landgericht Düsseldorf verkündet werden.

Mittwoch, 15.03.2023, 16:20 Uhr
Manfred Fischer

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