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Energie & Management > Regenerative - EU-Parlament verschärft Klimaziele
Quelle: Fotolia / vencav
Regenerative

EU-Parlament verschärft Klimaziele

Das Europäische Parlament will bis 2030 deutlich mehr Energie sparen und den Anteil der erneuerbaren Energien schneller anheben als die Mitgliedsstaaten.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sprachen sich am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit (469:93:82) dafür aus, den Primärenergieverbrauch der EU bis 2030 um mindestens 42,5 % im Vergleich zu den Prognosen von 2007 zu senken. Die EU dürfte danach in acht Jahren nur noch 740 Mio. Tonnen Rohöl(-Äquivalent) verbrauchen. Für jeden Mitgliedsstaat will das Parlament ein verbindliches, nationales Einsparziel festlegen.

In einer weiteren Abstimmung votierten die Parlamentarier mit deutlicher Mehrheit (418:109:111) dafür, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von derzeit 22 % bis 2030 auf 45 % zu steigern. Die Energieminister halten 40 % für ausreichend. Das Parlament sprach sich auch dafür aus, sektorbezogene Ziele festzulegen. So soll der CO2-Ausstoß des Verkehrs bis 2030 um 16 % reduziert werden, indem mehr Biokraftstoffe und grüne, synthetische Kraftstoffe (2030: 5,7 %) eingesetzt werden. Die Industrie soll ihren Einsatz der erneuerbaren Energien um 1,9 % pro Jahr steigern, Fernwärmenetze um 2,3 % pro Jahr.

Jeder Mitgliedsstaat muss bis 2030 mindestens zwei grenzüberschreitende Grünstrom-Projekte realisieren, drei Projekte sind es für Staaten mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 100 Mio. MWh. Außerdem sollen 5 % der geförderten Grünstromprojekte „innovative Technologien“ einsetzen. Ein vereinfachtes und digitales System soll den Nachweis, dass es sich um Grünstrom handelt, erleichtern.

Primärholz bleibt Grün

In der umstrittenen Frage der Anerkennung von „Primärholz“ als erneuerbare Energie fand der Kompromissvorschlag (wir berichteten) des Berichterstatters Markus Pieper (CDU) eine Mehrheit. Danach wird Strom aus „Primärholz“, das aus der normalen Bewirtschaftung der Wälder in der EU stammt, weiter als Grünstrom anerkannt. Sein Einsatz soll aber zunächst gedeckelt und später schrittweise zurückgeführt werden.
 

Änderungen am Entwurf der EU-Kommission nahmen die Abgeordneten mit knapper Mehrheit auch bei den Rahmenbedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff vor. Nach dem Willen des Parlamentes soll grüner Wasserstoff auch mit Strom aus Bestandsanlagen erzeugt werden können. Die Kommission wird aufgefordert, eine Importstrategie für grünen Wasserstoff zu entwickeln. Die Industrie soll bis 2030 mindestens 50 % grünen Wasserstoff verwenden, der Energiebdarf im Gebäudesektor soll bis dahin zu 49 % aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Mit der Abstimmung über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Energie-Effizienz-Richtlinie haben die Abgeordneten ihre Position für die Verhandlungen mit dem Ministerrat festgelegt. Mit einem Ergebnis wird frühestens Ende des Jahres gerechnet.

"Booster für die Erneuerbaren"

Das Parlament habe sich für eine stärkere, grenzüberschreitende Zusammenarbeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien und weniger Bürokratie ausgesprochen, sagte Pieper nach der Abstimmung. Die EU müsse alle Formen der erneuerbaren Energien nutzen, dazu gehöre in den waldreichen Regionen auch in Zukunft Holz. Holz sei ein „Baustein der Energiewende“ und bleibe als erneuerbare Energie anrechnungsfähig, ohne dass dafür „unsere Wälder verfeuert werden“.

Genau das befürchten allerdings die Grünen. Ihr energiepolitischer Sprecher, Michael Bloss, sprach mit Blick auf die Abstimmung über die Biomasse von einer „bitteren Pille“. Auch die Erleichterungen bei der Herstellung von grünem Wasserstoff lehnen die Grünen ab. Insgesamt sei das Votum aber ein „echter Booster für die Erneuerbaren, den wir in Europa dringend brauchen“, sagte Bloss nach der Abstimmung. Seine Fraktionskollegin Jutta Paulus verwies besonders auf die verbindlichen Einsparziele, die das Parlament verlangt: „Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen sich nicht länger gegen Maßnahmen zum Energiesparen stellen und müssen Verantwortung übernehmen.“

Der CDU-Abgeordnete Christian Ehler betonte wie Paulus die Bedeutung des Energiesparens. Das Parlament habe sich für eine realistische und ehrgeizige Verbesserung der Energieeffizienz ausgesprochen, überlasse es aber den Mitgliedsstaaten, wie sie dieses Ziel erreichen.

Der FPD-Abgeordnete Andreas Glück kritisierte dagegen das Einsparziel. Energieeffizienz sei wichtig aber „kein Selbstzweck“. Im Mittelpunkt der Klimapolitik müsse die Reduzierung des CO2-Ausstoßes stehen: „Wenn man Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen will, braucht man zwar mehr Strom, ist dafür aber klimafreundlich unterwegs.“

Der Sprecher der SPD-Abgeordneten, Jens Geier, verwies auf die aktuelle Lage: „Der ambitionierte Ausbau der Erneuerbaren ist eine langfristige Antwort des Europäischen Parlamentes auf die aktuelle Energiekrise und die globale Klimakrise.“

Kritik aus den Umweltverbänden

Auf Kritik stößt das Votum der Abgeordneten bei den Umweltverbänden. Die Deutsche Umwelthilfe lehnt vor allem die Verwendung von Biomasse ab: „ Weder die beschlossene vage Obergrenze für den Anteil der Waldholzverbrennung am Energieverbrauch, noch die mit zahlreichen Schlupflöchern versehenen Einschränkungen bei primärer Holzbiomasse reichen aus, um den internationalen Raubbau am Wald zu stoppen“, sagte DUH-Geschäftsführer Müller-Krenner. Die Abgeordneten hätten außerdem die Chance vertan, den „Irrweg der Verbrennung von Lebensmitteln im Tank als Agrosprit“ zu beenden.
 

Die Holzwirtschaft kritisierte dagegen, dass Holz seinen Status als erneuerbare Energie langfristig verlieren soll. Damit würden tausende Arbeitsplätze in der Branche gefährdet, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), Gerolf Bücheler, und die Energieknappheit verschärft. Er erinnerte daran, dass Holz mit 35 % die meiste Energie der erneuerbaren Energieträger bereitstelle und im Wärmebereich sogar drei Viertel. Den Unternehmen und den privaten Verbrauchern drohten damit höhere Energiepreise.

Donnerstag, 15.09.2022, 13:00 Uhr
Tom Weingärtner
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EU-Parlament verschärft Klimaziele
Das Europäische Parlament will bis 2030 deutlich mehr Energie sparen und den Anteil der erneuerbaren Energien schneller anheben als die Mitgliedsstaaten.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sprachen sich am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit (469:93:82) dafür aus, den Primärenergieverbrauch der EU bis 2030 um mindestens 42,5 % im Vergleich zu den Prognosen von 2007 zu senken. Die EU dürfte danach in acht Jahren nur noch 740 Mio. Tonnen Rohöl(-Äquivalent) verbrauchen. Für jeden Mitgliedsstaat will das Parlament ein verbindliches, nationales Einsparziel festlegen.

In einer weiteren Abstimmung votierten die Parlamentarier mit deutlicher Mehrheit (418:109:111) dafür, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von derzeit 22 % bis 2030 auf 45 % zu steigern. Die Energieminister halten 40 % für ausreichend. Das Parlament sprach sich auch dafür aus, sektorbezogene Ziele festzulegen. So soll der CO2-Ausstoß des Verkehrs bis 2030 um 16 % reduziert werden, indem mehr Biokraftstoffe und grüne, synthetische Kraftstoffe (2030: 5,7 %) eingesetzt werden. Die Industrie soll ihren Einsatz der erneuerbaren Energien um 1,9 % pro Jahr steigern, Fernwärmenetze um 2,3 % pro Jahr.

Jeder Mitgliedsstaat muss bis 2030 mindestens zwei grenzüberschreitende Grünstrom-Projekte realisieren, drei Projekte sind es für Staaten mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 100 Mio. MWh. Außerdem sollen 5 % der geförderten Grünstromprojekte „innovative Technologien“ einsetzen. Ein vereinfachtes und digitales System soll den Nachweis, dass es sich um Grünstrom handelt, erleichtern.

Primärholz bleibt Grün

In der umstrittenen Frage der Anerkennung von „Primärholz“ als erneuerbare Energie fand der Kompromissvorschlag (wir berichteten) des Berichterstatters Markus Pieper (CDU) eine Mehrheit. Danach wird Strom aus „Primärholz“, das aus der normalen Bewirtschaftung der Wälder in der EU stammt, weiter als Grünstrom anerkannt. Sein Einsatz soll aber zunächst gedeckelt und später schrittweise zurückgeführt werden.
 

Änderungen am Entwurf der EU-Kommission nahmen die Abgeordneten mit knapper Mehrheit auch bei den Rahmenbedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff vor. Nach dem Willen des Parlamentes soll grüner Wasserstoff auch mit Strom aus Bestandsanlagen erzeugt werden können. Die Kommission wird aufgefordert, eine Importstrategie für grünen Wasserstoff zu entwickeln. Die Industrie soll bis 2030 mindestens 50 % grünen Wasserstoff verwenden, der Energiebdarf im Gebäudesektor soll bis dahin zu 49 % aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Mit der Abstimmung über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Energie-Effizienz-Richtlinie haben die Abgeordneten ihre Position für die Verhandlungen mit dem Ministerrat festgelegt. Mit einem Ergebnis wird frühestens Ende des Jahres gerechnet.

"Booster für die Erneuerbaren"

Das Parlament habe sich für eine stärkere, grenzüberschreitende Zusammenarbeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien und weniger Bürokratie ausgesprochen, sagte Pieper nach der Abstimmung. Die EU müsse alle Formen der erneuerbaren Energien nutzen, dazu gehöre in den waldreichen Regionen auch in Zukunft Holz. Holz sei ein „Baustein der Energiewende“ und bleibe als erneuerbare Energie anrechnungsfähig, ohne dass dafür „unsere Wälder verfeuert werden“.

Genau das befürchten allerdings die Grünen. Ihr energiepolitischer Sprecher, Michael Bloss, sprach mit Blick auf die Abstimmung über die Biomasse von einer „bitteren Pille“. Auch die Erleichterungen bei der Herstellung von grünem Wasserstoff lehnen die Grünen ab. Insgesamt sei das Votum aber ein „echter Booster für die Erneuerbaren, den wir in Europa dringend brauchen“, sagte Bloss nach der Abstimmung. Seine Fraktionskollegin Jutta Paulus verwies besonders auf die verbindlichen Einsparziele, die das Parlament verlangt: „Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen sich nicht länger gegen Maßnahmen zum Energiesparen stellen und müssen Verantwortung übernehmen.“

Der CDU-Abgeordnete Christian Ehler betonte wie Paulus die Bedeutung des Energiesparens. Das Parlament habe sich für eine realistische und ehrgeizige Verbesserung der Energieeffizienz ausgesprochen, überlasse es aber den Mitgliedsstaaten, wie sie dieses Ziel erreichen.

Der FPD-Abgeordnete Andreas Glück kritisierte dagegen das Einsparziel. Energieeffizienz sei wichtig aber „kein Selbstzweck“. Im Mittelpunkt der Klimapolitik müsse die Reduzierung des CO2-Ausstoßes stehen: „Wenn man Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen will, braucht man zwar mehr Strom, ist dafür aber klimafreundlich unterwegs.“

Der Sprecher der SPD-Abgeordneten, Jens Geier, verwies auf die aktuelle Lage: „Der ambitionierte Ausbau der Erneuerbaren ist eine langfristige Antwort des Europäischen Parlamentes auf die aktuelle Energiekrise und die globale Klimakrise.“

Kritik aus den Umweltverbänden

Auf Kritik stößt das Votum der Abgeordneten bei den Umweltverbänden. Die Deutsche Umwelthilfe lehnt vor allem die Verwendung von Biomasse ab: „ Weder die beschlossene vage Obergrenze für den Anteil der Waldholzverbrennung am Energieverbrauch, noch die mit zahlreichen Schlupflöchern versehenen Einschränkungen bei primärer Holzbiomasse reichen aus, um den internationalen Raubbau am Wald zu stoppen“, sagte DUH-Geschäftsführer Müller-Krenner. Die Abgeordneten hätten außerdem die Chance vertan, den „Irrweg der Verbrennung von Lebensmitteln im Tank als Agrosprit“ zu beenden.
 

Die Holzwirtschaft kritisierte dagegen, dass Holz seinen Status als erneuerbare Energie langfristig verlieren soll. Damit würden tausende Arbeitsplätze in der Branche gefährdet, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), Gerolf Bücheler, und die Energieknappheit verschärft. Er erinnerte daran, dass Holz mit 35 % die meiste Energie der erneuerbaren Energieträger bereitstelle und im Wärmebereich sogar drei Viertel. Den Unternehmen und den privaten Verbrauchern drohten damit höhere Energiepreise.

Donnerstag, 15.09.2022, 13:00 Uhr
Tom Weingärtner

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