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Energie & Management > Recht - Eon und Stadtwerke Castrop-Rauxel noch ohne Richterspruch
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Eon und Stadtwerke Castrop-Rauxel noch ohne Richterspruch

Der Streit köchelt weiter. Ohne Ergebnis sind der Energiekonzern Eon und die Stadtwerke Castrop-Rauxel vor dem Landgericht Bochum auseinander gegangen. Ein Vergleich scheint möglich.
Um viel Symbolik und Moral geht es in der juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Energiekonzern Eon und den Stadtwerken Castrop-Rauxel. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bochum bewegten die Streithähne sich noch nicht aufeinander zu. So bleibt der Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs, den Eon dem lokalen Versorger macht, vorerst ohne Vergleich oder Richterspruch bestehen.

Die Essener waren auf die Palme gegangen, weil die Stadtwerke Castrop-Rauxel einen taktischen Winkelzug gewagt hatten. Sie kündigten wegen der gestiegenen Beschaffungskosten einseitig etwa 4.000 Verträge von Strom- und Gaskunden zum Jahresende 2022. Daraufhin rutschten diese in die (günstigere) Ersatzbelieferung durch den Grundversorger Eon. Zugleich flankierten die Stadtwerke ihre Information an die Gekündigten mit der Möglichkeit, einen Neuvertrag abschließen oder aber zurückkehren zu können, sobald der Versorger wieder Angebote zu Tarifen unterhalb der Eon-Preise machen könne. Von diesem Automatismus könne profitieren, wer die Stadtwerke mit der Unterschrift unter eine vorgefertigte Vollmacht ausstatte.

Richter hat an Vollmacht prinzipiell nichts auszusetzen

Eins stellte der Vorsitzende Richter Friedhelm Lißeck an der Zivilkammer für Handelssachen zu Beginn klar: Die Vollmacht an sich stehe nicht am Pranger. Es gehe allenfalls um einzelne Formulierungen im Anschreiben und in der Vollmacht. Und dann gingen die juristischen Hakeleien los. Ohne konkrete Zugeständnisse zu machen, signalisierten die Rechtsvertreter der Stadtwerke und deren anwesender Geschäftsführer Jens Langensiepen ihre Bereitschaft zur außergerichtlichen Einigung.

Gleichwohl müsse Eon als Klagender schon sagen, wo genau ein Kompromiss liegen könne. Die Anwälte des Konzerns störten sich zum Beispiel daran, dass die Stadtwerke von den Vollmachten „ins Blaue hinein“ Gebrauch machen könnten. Sobald die Preislage bei Strom und Gas den Castrop-Rauxelern konkurrenzfähige Tarife ermöglichten, würden sie automatisch Kundinnen und Kunden bei Eon oder anderen Versorgern wieder abmelden.

Die Kritik von Eon: Das könne auch Haushalte betreffen, die sich nicht mehr in der Grundversorgung befänden, sondern sich bereits für einen Sondervertrag entschieden hätten. „Sie wissen nicht, ob ihre Vollmacht überhaupt noch gültig ist“, so ein Vorwurf der Eon-Anwälte. Dann fälschlicherweise ein Willkommensschreiben an die vermeintlich zurückgeholte Kundschaft zu senden, sei eine „unlautere Belästigung“. Die Stadtwerke-Seite entgegnete, im „Wechselprozess“ werde doch festgestellt, ob die Betroffenen nach der Grundversorgung bereits über einen Sondervertrag verfügten. Dies sei „zu spät“, schimpfte die Eon-Seite.

Richter Friedhelm Lißeck wollte in diesem Punkt keine große Dramatik erkennen. Er hatte sich zuvor von Geschäftsführer Jens Langensiepen ins Bild setzen lassen, wie die Lage bei den Vollmachten sei. Etwa 2.000 Kundinnen und Kunden, so der Stadtwerke-Chef, hätten seinem Unternehmen nach den Kündigungen eine Vollmacht ausgestellt. Beim Gas habe Castrop-Rauxel nun zum Monatsübergang März/April erstmals von dieser Rückholoption Gebrauch gemacht, weil Eon zum 1. Februar die Grundversorgungspreise angepasst habe. Beim Strom gebe es noch keine Bewegung, sodass der Eon-Preis von rund 30 Cent je kWh für die Stadtwerke momentan nicht zu unterbieten sei.

Streithähne sprechen nach Ostern zunächst außergerichtlich weiter

Für Eon muss es eine Zumutung gewesen sein, dass Bürgermeister Rajko Kravanja (SPD) zwei Tage nach der Kündigungsmitteilung in einer Videobotschaft in den sozialen Netzwerken für Vertrauen in die Stadtwerke und deren Vollmacht-Modell warb. Der Essener Konzern sieht hier den „fairen Wettbewerb“ verletzt und kritisiert, dass der Bürgermeister eine „Handlungsempfehlung“ ausgesprochen habe. Unterlassungserklärungen, so Richter Friedhelm Lißeck, zielten hier aber in die Vergangenheit und hätten kaum Auswirkungen auf die Zukunft, weil diese Äußerungen eher nicht wiederholt würden. Der Richter befand gleichwohl, dass ein Bürgermeister in seiner hoheitlichen Funktion kein privatwirtschaftliches Unternehmen unterstützen solle, selbst wenn es sich um eine Stadt-Tochter handele. Eon hatte in diesem Zusammenhang auf Gleichbehandlung gepocht und eine Unterlassungserklärung verlangt.

Eine Unterbrechung der Verhandlung nach 30minütigem Schlagabtausch nutzten die Parteien nicht für einen Dialog. Sie mussten sich vielmehr jeweils ihrer eigenen Position versichern. Daher ist aktuell nicht klar, wie ernst beide Seiten es mit einer außergerichtlichen Einigung meinen. Eine anwesende Eon-Sprecherin sagte zu unserer Redaktion, dass der Konzern nun zumindest das Gespräch mit den Stadtwerken suchen werde. Das wird nach den Äußerungen vor Gericht nicht vor Ende der Osterferien stattfinden. Gibt es keine Einigung, wird die Landgerichtskammer in einigen Wochen ein Urteil fällen.

Dienstag, 21.03.2023, 17:00 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Recht - Eon und Stadtwerke Castrop-Rauxel noch ohne Richterspruch
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Recht
Eon und Stadtwerke Castrop-Rauxel noch ohne Richterspruch
Der Streit köchelt weiter. Ohne Ergebnis sind der Energiekonzern Eon und die Stadtwerke Castrop-Rauxel vor dem Landgericht Bochum auseinander gegangen. Ein Vergleich scheint möglich.
Um viel Symbolik und Moral geht es in der juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Energiekonzern Eon und den Stadtwerken Castrop-Rauxel. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bochum bewegten die Streithähne sich noch nicht aufeinander zu. So bleibt der Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs, den Eon dem lokalen Versorger macht, vorerst ohne Vergleich oder Richterspruch bestehen.

Die Essener waren auf die Palme gegangen, weil die Stadtwerke Castrop-Rauxel einen taktischen Winkelzug gewagt hatten. Sie kündigten wegen der gestiegenen Beschaffungskosten einseitig etwa 4.000 Verträge von Strom- und Gaskunden zum Jahresende 2022. Daraufhin rutschten diese in die (günstigere) Ersatzbelieferung durch den Grundversorger Eon. Zugleich flankierten die Stadtwerke ihre Information an die Gekündigten mit der Möglichkeit, einen Neuvertrag abschließen oder aber zurückkehren zu können, sobald der Versorger wieder Angebote zu Tarifen unterhalb der Eon-Preise machen könne. Von diesem Automatismus könne profitieren, wer die Stadtwerke mit der Unterschrift unter eine vorgefertigte Vollmacht ausstatte.

Richter hat an Vollmacht prinzipiell nichts auszusetzen

Eins stellte der Vorsitzende Richter Friedhelm Lißeck an der Zivilkammer für Handelssachen zu Beginn klar: Die Vollmacht an sich stehe nicht am Pranger. Es gehe allenfalls um einzelne Formulierungen im Anschreiben und in der Vollmacht. Und dann gingen die juristischen Hakeleien los. Ohne konkrete Zugeständnisse zu machen, signalisierten die Rechtsvertreter der Stadtwerke und deren anwesender Geschäftsführer Jens Langensiepen ihre Bereitschaft zur außergerichtlichen Einigung.

Gleichwohl müsse Eon als Klagender schon sagen, wo genau ein Kompromiss liegen könne. Die Anwälte des Konzerns störten sich zum Beispiel daran, dass die Stadtwerke von den Vollmachten „ins Blaue hinein“ Gebrauch machen könnten. Sobald die Preislage bei Strom und Gas den Castrop-Rauxelern konkurrenzfähige Tarife ermöglichten, würden sie automatisch Kundinnen und Kunden bei Eon oder anderen Versorgern wieder abmelden.

Die Kritik von Eon: Das könne auch Haushalte betreffen, die sich nicht mehr in der Grundversorgung befänden, sondern sich bereits für einen Sondervertrag entschieden hätten. „Sie wissen nicht, ob ihre Vollmacht überhaupt noch gültig ist“, so ein Vorwurf der Eon-Anwälte. Dann fälschlicherweise ein Willkommensschreiben an die vermeintlich zurückgeholte Kundschaft zu senden, sei eine „unlautere Belästigung“. Die Stadtwerke-Seite entgegnete, im „Wechselprozess“ werde doch festgestellt, ob die Betroffenen nach der Grundversorgung bereits über einen Sondervertrag verfügten. Dies sei „zu spät“, schimpfte die Eon-Seite.

Richter Friedhelm Lißeck wollte in diesem Punkt keine große Dramatik erkennen. Er hatte sich zuvor von Geschäftsführer Jens Langensiepen ins Bild setzen lassen, wie die Lage bei den Vollmachten sei. Etwa 2.000 Kundinnen und Kunden, so der Stadtwerke-Chef, hätten seinem Unternehmen nach den Kündigungen eine Vollmacht ausgestellt. Beim Gas habe Castrop-Rauxel nun zum Monatsübergang März/April erstmals von dieser Rückholoption Gebrauch gemacht, weil Eon zum 1. Februar die Grundversorgungspreise angepasst habe. Beim Strom gebe es noch keine Bewegung, sodass der Eon-Preis von rund 30 Cent je kWh für die Stadtwerke momentan nicht zu unterbieten sei.

Streithähne sprechen nach Ostern zunächst außergerichtlich weiter

Für Eon muss es eine Zumutung gewesen sein, dass Bürgermeister Rajko Kravanja (SPD) zwei Tage nach der Kündigungsmitteilung in einer Videobotschaft in den sozialen Netzwerken für Vertrauen in die Stadtwerke und deren Vollmacht-Modell warb. Der Essener Konzern sieht hier den „fairen Wettbewerb“ verletzt und kritisiert, dass der Bürgermeister eine „Handlungsempfehlung“ ausgesprochen habe. Unterlassungserklärungen, so Richter Friedhelm Lißeck, zielten hier aber in die Vergangenheit und hätten kaum Auswirkungen auf die Zukunft, weil diese Äußerungen eher nicht wiederholt würden. Der Richter befand gleichwohl, dass ein Bürgermeister in seiner hoheitlichen Funktion kein privatwirtschaftliches Unternehmen unterstützen solle, selbst wenn es sich um eine Stadt-Tochter handele. Eon hatte in diesem Zusammenhang auf Gleichbehandlung gepocht und eine Unterlassungserklärung verlangt.

Eine Unterbrechung der Verhandlung nach 30minütigem Schlagabtausch nutzten die Parteien nicht für einen Dialog. Sie mussten sich vielmehr jeweils ihrer eigenen Position versichern. Daher ist aktuell nicht klar, wie ernst beide Seiten es mit einer außergerichtlichen Einigung meinen. Eine anwesende Eon-Sprecherin sagte zu unserer Redaktion, dass der Konzern nun zumindest das Gespräch mit den Stadtwerken suchen werde. Das wird nach den Äußerungen vor Gericht nicht vor Ende der Osterferien stattfinden. Gibt es keine Einigung, wird die Landgerichtskammer in einigen Wochen ein Urteil fällen.

Dienstag, 21.03.2023, 17:00 Uhr
Volker Stephan

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