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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Agil zur digitalen Infrastruktur

Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat das Bundeskabinett einen verbindlichen Smart-Meter-Rollout-Plan auf den Weg gebracht.
Bei der offiziellen Ankündigung des Neustarts der Digitalisierung der Energiewende durch Robert Habeck (Grüne) im Oktober 2022 hatte der Bundeswirtschaftsminister bereits verlauten lassen, das entsprechende Gesetz müsse nicht wie andere Gesetze 2022 „durchgepeitscht“ werden. Dennoch gelte es, „mit Hochdruck“ in den Gesetzgebungsprozess zu kommen. „Wir haben wirklich Jahre verloren“, so der Minister mit Blick auf den bisher sehr bürokratischen, komplizierten und noch dazu rechtlich umstrittenen Smart Meter Rollout.

Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende soll nun Vereinfachungen und mehr Tempo bringen. Nach einem ersten Referentenentwurf, der Ressortabstimmung und einer Konsultationsphase mit der Energiewirtschaft im Dezember verabschiedete das Kabinett am 11. Januar 2023 den Gesetzentwurf.

Die bisherigen Fortschritte bei der Digitalisierung des Energiesystems seien zu gering, zu langsam und zu spät gekommen, betonte Habeck im Rahmen eines Pressestatements im Anschluss an die Kabinettssitzung. Über die Gründe dafür wolle er nicht spekulieren, sagte er auf Nachfrage, das hätte auch etwas von „Nachtreten“. Das neue Gesetz solle und werde zu einer deutlichen Beschleunigung führen: „Wir räumen eine Reihe von rechtlichen Hürden aus dem Weg. Wir vereinfachen die Planung, wo es nur geht, und wir schaffen dadurch Investitionssicherheit.“

Das Gesetz sieht einen verbindlichen Rollout-Plan vor, der sich am Zieljahr 2030 orientiert. Bis dahin soll eine digitale Infrastruktur für ein „weitgehend klimaneutrales Energiesystem“ implementiert sein, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Demnach müssen bis zum 31. Dezember 2030 mindestens 95 Prozent aller auszustattenden Verbraucher unter 100.000 kWh intelligente Messsysteme haben. Die ersten 20 Prozent der Pflichteinbaufälle müssen bis 2025 abgearbeitet sein. Gleichzeitig gibt es ein Recht auf Einbau für diejenigen, die unterhalb von 6.000 kWh liegen. Wer den Einbau eines Basiszählers mit Smart Meter Gateway wünsche, müsse diesen auch spätestens nach vier Monaten bekommen. Berechnen darf der Messstellenbetreiber dem Anschlussnutzer dafür nicht mehr als 20 Euro pro Jahr.

Frist für freiwilligen Einbau höchstens vier Monate

Aus Sicht des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist dieses Vorgehen jedoch in der Hochlaufphase ineffizient. Denn alle Kundenwünsche wären vorzuziehen, unabhängig von ihrem Nutzen für das Gesamtsystem, gibt Kerstin Andreae zu bedenken. Wichtig sei eine Priorisierung für die Messstellenbetreiber, nach der Pflichteinbaufälle prioritär behandelt werden können, sagte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin. So könnten Messstellenbetreiber den Rollout effizienter planen und umsetzen.
 
Robert Habeck nach der Verabschiedung des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende im Bundeskabinett
Quelle: Screenshot E&M

„Wir gestalten den Rollout agil“, betonte Habeck. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, die Updatefähigkeit der intelligenten Messsysteme ermögliche einen agilen Systemaufbau. Außerdem sei durch die bereits geltenden gesetzlichen Vorgaben und die Zertifizierung des BSI sichergestellt, dass die derzeit zertifizierten Geräte „in allen wichtigen Bereichen der Energiewende eingesetzt werden können“. Weitere Funktionen, etwa das Steuern oder das Schalten von Anlagen, können über ein Software-Update bereitgestellt werden. Vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es, die Branche erhalte auf diese Weise eine „Warmlaufphase“, in der Prozesse aufgebaut und Anwendungen „geübt“ werden können − noch bevor der Pflichtrollout startet.

Damit entfällt die bisherige Funktionsfreigabe in Form der Markterklärung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) inklusive der Drei-Hersteller-Regel. Nun müssen nicht mehr mindestens drei für einen bestimmten Funktionsumfang zertifizierte Smart Meter Gateways am Markt verfügbar sein, bevor der Rollout offiziell beginnen kann. „Heute sagen wir: Das beste Gerät hat die besten Chancen am Markt“, so Habeck.
 
Überprüfung der Kostenaufteilung möglicherweise 2025
 
Eine besondere Erwähnung war dem Minister auch die Aufteilung der Kosten wert, die „wirtschaftlich vertretbar“ sein müssen, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Künftig werden die Netzbetreiber an den Kosten beteiligt. Wer einen Jahresverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 kWh hat, soll demnach nur noch 20 Euro vom grundzuständigen Messstellenbetreiber jährlich in Rechnung gestellt bekommen. Der Anschlussnetzbetreiber solle nicht mehr als 80 Euro bezahlen, heißt es im Gesetzestext. Auch bei Einbaugruppen mit höherem Verbrauch bleibt sein Anteil bei 80 Euro, während sich der jeweilige Anteil der Anschlussnutzer stufenweise erhöht.

Bei einem Jahresverbrauch zwischen 10.000 und 20.000 kWh liegt dieser beispielsweise bei 50 Euro, bei einem Verbrauch zwischen 20.000 und 50.000 kWh sind es 90 Euro und Kunden mit 50.000 bis 100.000 kWh erhalten eine Rechnung über 120 Euro. Wer mehr als 100.000 kWh verbraucht, muss die Differenz zu 80 Euro, das heißt den „verbleibenden Teil“ eines nicht gesetzlich gedeckelten „angemessenen jährlichen Entgelts“ tragen.

Bei Erzeugungsanlagen werden die Kosten des Messstellenbetriebs ebenfalls gesplittet. Deren Betreiber müssen je nach Größe der Anlage 20, 50 oder 120 Euro übernehmen. Bei Anlagen über 100 kW tragen sie wie die Großverbraucher den „verbleibenden Teil“.

Die Argumentation des BMWK hinter der Beteiligung der Netzbetreiber: Diese profitieren in besonderem Maße von den intelligenten Messsystemen, da sie das Niederspannungsnetz mit all seinen flexiblen Verbrauchern und Erzeugern − bisher eine Black Box − nun transparent machen, um es besser steuern beziehungsweise stabilisieren zu können.

Allerdings ist eine Verordnungsermächtigung vorgesehen, nach der 2025 überprüft werden soll, ob die jeweilige Kostenaufteilung zwischen Netzbetreibern und Anschlussnutzern beziehungsweise Anlagenbetreibern revidiert werden muss. Grundsätzlich müssen die Messstellenbetreiber jedoch weiterhin mit den von ihnen häufig als unzureichend kritisierten Preisobergrenzen auskommen.

Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger will Habeck vor allem über flexible Tarife erreichen. Bisher sind nur Stromversorger, die mehr als 100.000 Letztverbraucher beliefern, verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten. Nun müssen alle Energieversorger spätestens 2025 solche Tarife im Angebot haben. Schon im Oktober des vergangenen Jahres bei der Ankündigung des Gesetzes wurde deutlich, wie wichtig es Habeck ist, den Endkunden zu verdeutlichen, dass die für den Netzbetrieb so wichtige Infrastruktur ihnen ebenfalls einen Nutzen bringt und die Preissignale ihnen je nach Auslastung des Netzes attraktive Anreize geben, den Verbrauch zu verlagern.
 
Wichtiges Statement zum EU-Digitalisierungsplan
 
Ein weiteres öffentlichkeitswirksames und sensibles Thema ist der Datenschutz. Ihm werde künftig eine noch höhere Priorität eingeräumt, als dies bisher schon der Fall gewesen sei. Regelungen zur Erhebung, Übermittlung, Anonymisierung und Löschung von Daten würden ihn weiter stärken. „Ich denke, damit können den Bürgerinnen und Bürgern alle Sorgen, die sie haben könnten, genommen werden“, so Habeck.

Aus der Energiewirtschaft und von den Dienstleistern in deren Umfeld kam nur vereinzelt Kritik am neuen Gesetz. BDEW-Chefin Andreae etwa hält die Chance für verpasst, zu einer deutlichen Vereinfachung des Messstellenbetriebs durch eine Modernisierung der eichrechtlichen Vorschriften zu kommen, was ursprünglich angedacht war.

Willi Appler, Regulierungsexperte bei der Eon-Tochter Grid X, sieht zwar viele positive Aspekte. Die grundlegenden Probleme der Branche könne das Gesetz jedoch nicht lösen. Als Beispiele nannte er in einer Mitteilung des Unternehmens den Fachkräftemangel und den Mangel an Elektronikbauteilen, die die Branche noch eine ganze Zeit lang begleiten werden.

Am Ende überwog jedoch das Lob für den gesetzlichen Neustart des Smart Meter Rollouts. Die Abwendung von den Standardlastprofilen sieht Appler als ganz zentrale Weichenstellung für eine erfolgreiche Energiewende. „Wenn für Verbraucher keine Standardlastprofile angewendet werden, haben die Lieferanten ein echtes Interesse daran, den Stromverbrauch ihrer Kunden in günstigere Zeiten zu verlagern“, so der Manager des Smart-Grid-Dienstleisters. Dies werde die Verbreitung von dynamischen Tarifen oder die Aggregation von Flexibilität beispielsweise aus Ladesäulen stark fördern.

Ingo Schönberg, der Vorstandsvorsitzende des Smart-Meter-Gateway-Herstellers PPC, ordnete die Initiative der Bundesregierung gleich noch europäisch ein. Das BMWK liefere mit dem neuen Gesetz nicht nur das erhoffte Signal zur Beschleunigung des Rollouts in Deutschland, sondern auch ein wichtiges Statement zum EU-Aktionsplan „Digitalisierung des Energiesystems“, sagte Schönberg. Im Oktober des vergangenen Jahres habe die Kommission deutlich gemacht, dass hier akuter Handlungsbedarf besteht. In den meisten Ländern der Gemeinschaft sei das im Aktionsplan beschriebene Zielsystem für ein Smart Grid noch nicht vorhanden. Von einem Vorsprung beim Rollout gegenüber Deutschland könne daher keine Rede sein, so der PPC-Chef. Die Geräte könnten zwar Verbrauchsdaten zu Abrechnungszwecken auslesen und übertragen. Dem von der EU geforderten Plattformansatz mit Echtzeitsteuerung und der notwendigen Cybersicherheit würden sie jedoch keinesfalls entsprechen.

„Im Gegensatz zu bisherigen europäischen Smart-Meter-Ansätzen wurden in Deutschland frühzeitig die Weichen hin zu einer energiewendetauglichen und cybersicheren Smart-Grid-Lösung gestellt“, betonte Schönberg. Der Ansatz eines „digitalen Netzanschlusses“ mit dem Smart Meter Gateway als „Sicherheitsanker“ zur Steuerung, Tarifierung und Netzüberwachung sei „bisher einmalig“ und „vorausschauend“ und tauge nach seiner Überzeugung als Blaupause für Europa. Aus der Kritik „Deutschland hinkt hinterher“ könne mit dem neuen Gesetz ein „Deutschland eilt voraus“ werden.
 

Datensparsamkeit ist geboten

In einer vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Studie hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) die Auswirkungen des Ausbaus und Betriebs der digitalen Energieinfrastruktur untersucht. Eine Analyse der Verbrauchsdaten von 1.600 Haushalten habe gezeigt, dass der Einbau von intelligenten Messsystemen bislang nicht zu nennenswerten Stromeinsparungen geführt hat, heißt es im Impulspapier „Smart-Meter-Rollout: Die Energiewende datensparsam voranbringen“ des IÖW. Entsprechend könnten die Kosten, die der Rollout der Geräte mit sich bringt, bislang auch nicht dadurch ausgeglichen werden.

Der Rollout der intelligenten digitalen Infrastruktur bringe einen großen logistischen und regulatorischen Aufwand mit sich − und eine große Menge an Hard- und Softwarekomponenten. Deren Lebenszyklus, Stromverbrauch und Datentransfer sowie der Austausch der bisherigen Zähler hätten relevante ökologische Folgen, heißt es weiter.

Bei einer sekundenscharfen Verbrauchsmessung, die beispielsweise auch die individuelle Identifizierung von Verbrauchern im Haushalt ermöglicht, belaufe sich die Klimawirkung eines „Smart Meters“ auf jährlich etwa 17 Kilogramm CO2-Äquivalente, rechnen die Forschenden vor. Dies entspreche 40 Waschladungen mit einer herkömmlichen Waschmaschine. Deshalb mahnen die Wissenschaftler, Daten konsequent nur nach Bedarf zu erheben. Die Voreinstellung intelligenter Messsysteme solle deshalb lediglich eine wöchentliche Datenerhebung vorsehen und nur bei tatsächlichem Bedarf eine höhere Granularität zeigen.

„Datensparsamkeit ist zentral dafür, dass Umweltbelastungen, die durch Aufbau und Betrieb der Infrastruktur entstehen, möglichst gering sind“, sagt Clara Lenk. Gleichzeitig spricht sich die IÖW-Forscherin für einen flächendeckenden Smart Meter Rollout aus − am besten straßenweise. Nur so werde es möglich, den immensen logistischen Aufwand des Rollouts effizient zu steuern und zu minimieren.
 

Montag, 6.02.2023, 08:41 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Agil zur digitalen Infrastruktur
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Agil zur digitalen Infrastruktur
Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat das Bundeskabinett einen verbindlichen Smart-Meter-Rollout-Plan auf den Weg gebracht.
Bei der offiziellen Ankündigung des Neustarts der Digitalisierung der Energiewende durch Robert Habeck (Grüne) im Oktober 2022 hatte der Bundeswirtschaftsminister bereits verlauten lassen, das entsprechende Gesetz müsse nicht wie andere Gesetze 2022 „durchgepeitscht“ werden. Dennoch gelte es, „mit Hochdruck“ in den Gesetzgebungsprozess zu kommen. „Wir haben wirklich Jahre verloren“, so der Minister mit Blick auf den bisher sehr bürokratischen, komplizierten und noch dazu rechtlich umstrittenen Smart Meter Rollout.

Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende soll nun Vereinfachungen und mehr Tempo bringen. Nach einem ersten Referentenentwurf, der Ressortabstimmung und einer Konsultationsphase mit der Energiewirtschaft im Dezember verabschiedete das Kabinett am 11. Januar 2023 den Gesetzentwurf.

Die bisherigen Fortschritte bei der Digitalisierung des Energiesystems seien zu gering, zu langsam und zu spät gekommen, betonte Habeck im Rahmen eines Pressestatements im Anschluss an die Kabinettssitzung. Über die Gründe dafür wolle er nicht spekulieren, sagte er auf Nachfrage, das hätte auch etwas von „Nachtreten“. Das neue Gesetz solle und werde zu einer deutlichen Beschleunigung führen: „Wir räumen eine Reihe von rechtlichen Hürden aus dem Weg. Wir vereinfachen die Planung, wo es nur geht, und wir schaffen dadurch Investitionssicherheit.“

Das Gesetz sieht einen verbindlichen Rollout-Plan vor, der sich am Zieljahr 2030 orientiert. Bis dahin soll eine digitale Infrastruktur für ein „weitgehend klimaneutrales Energiesystem“ implementiert sein, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Demnach müssen bis zum 31. Dezember 2030 mindestens 95 Prozent aller auszustattenden Verbraucher unter 100.000 kWh intelligente Messsysteme haben. Die ersten 20 Prozent der Pflichteinbaufälle müssen bis 2025 abgearbeitet sein. Gleichzeitig gibt es ein Recht auf Einbau für diejenigen, die unterhalb von 6.000 kWh liegen. Wer den Einbau eines Basiszählers mit Smart Meter Gateway wünsche, müsse diesen auch spätestens nach vier Monaten bekommen. Berechnen darf der Messstellenbetreiber dem Anschlussnutzer dafür nicht mehr als 20 Euro pro Jahr.

Frist für freiwilligen Einbau höchstens vier Monate

Aus Sicht des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist dieses Vorgehen jedoch in der Hochlaufphase ineffizient. Denn alle Kundenwünsche wären vorzuziehen, unabhängig von ihrem Nutzen für das Gesamtsystem, gibt Kerstin Andreae zu bedenken. Wichtig sei eine Priorisierung für die Messstellenbetreiber, nach der Pflichteinbaufälle prioritär behandelt werden können, sagte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin. So könnten Messstellenbetreiber den Rollout effizienter planen und umsetzen.
 
Robert Habeck nach der Verabschiedung des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende im Bundeskabinett
Quelle: Screenshot E&M

„Wir gestalten den Rollout agil“, betonte Habeck. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, die Updatefähigkeit der intelligenten Messsysteme ermögliche einen agilen Systemaufbau. Außerdem sei durch die bereits geltenden gesetzlichen Vorgaben und die Zertifizierung des BSI sichergestellt, dass die derzeit zertifizierten Geräte „in allen wichtigen Bereichen der Energiewende eingesetzt werden können“. Weitere Funktionen, etwa das Steuern oder das Schalten von Anlagen, können über ein Software-Update bereitgestellt werden. Vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es, die Branche erhalte auf diese Weise eine „Warmlaufphase“, in der Prozesse aufgebaut und Anwendungen „geübt“ werden können − noch bevor der Pflichtrollout startet.

Damit entfällt die bisherige Funktionsfreigabe in Form der Markterklärung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) inklusive der Drei-Hersteller-Regel. Nun müssen nicht mehr mindestens drei für einen bestimmten Funktionsumfang zertifizierte Smart Meter Gateways am Markt verfügbar sein, bevor der Rollout offiziell beginnen kann. „Heute sagen wir: Das beste Gerät hat die besten Chancen am Markt“, so Habeck.
 
Überprüfung der Kostenaufteilung möglicherweise 2025
 
Eine besondere Erwähnung war dem Minister auch die Aufteilung der Kosten wert, die „wirtschaftlich vertretbar“ sein müssen, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Künftig werden die Netzbetreiber an den Kosten beteiligt. Wer einen Jahresverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 kWh hat, soll demnach nur noch 20 Euro vom grundzuständigen Messstellenbetreiber jährlich in Rechnung gestellt bekommen. Der Anschlussnetzbetreiber solle nicht mehr als 80 Euro bezahlen, heißt es im Gesetzestext. Auch bei Einbaugruppen mit höherem Verbrauch bleibt sein Anteil bei 80 Euro, während sich der jeweilige Anteil der Anschlussnutzer stufenweise erhöht.

Bei einem Jahresverbrauch zwischen 10.000 und 20.000 kWh liegt dieser beispielsweise bei 50 Euro, bei einem Verbrauch zwischen 20.000 und 50.000 kWh sind es 90 Euro und Kunden mit 50.000 bis 100.000 kWh erhalten eine Rechnung über 120 Euro. Wer mehr als 100.000 kWh verbraucht, muss die Differenz zu 80 Euro, das heißt den „verbleibenden Teil“ eines nicht gesetzlich gedeckelten „angemessenen jährlichen Entgelts“ tragen.

Bei Erzeugungsanlagen werden die Kosten des Messstellenbetriebs ebenfalls gesplittet. Deren Betreiber müssen je nach Größe der Anlage 20, 50 oder 120 Euro übernehmen. Bei Anlagen über 100 kW tragen sie wie die Großverbraucher den „verbleibenden Teil“.

Die Argumentation des BMWK hinter der Beteiligung der Netzbetreiber: Diese profitieren in besonderem Maße von den intelligenten Messsystemen, da sie das Niederspannungsnetz mit all seinen flexiblen Verbrauchern und Erzeugern − bisher eine Black Box − nun transparent machen, um es besser steuern beziehungsweise stabilisieren zu können.

Allerdings ist eine Verordnungsermächtigung vorgesehen, nach der 2025 überprüft werden soll, ob die jeweilige Kostenaufteilung zwischen Netzbetreibern und Anschlussnutzern beziehungsweise Anlagenbetreibern revidiert werden muss. Grundsätzlich müssen die Messstellenbetreiber jedoch weiterhin mit den von ihnen häufig als unzureichend kritisierten Preisobergrenzen auskommen.

Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger will Habeck vor allem über flexible Tarife erreichen. Bisher sind nur Stromversorger, die mehr als 100.000 Letztverbraucher beliefern, verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten. Nun müssen alle Energieversorger spätestens 2025 solche Tarife im Angebot haben. Schon im Oktober des vergangenen Jahres bei der Ankündigung des Gesetzes wurde deutlich, wie wichtig es Habeck ist, den Endkunden zu verdeutlichen, dass die für den Netzbetrieb so wichtige Infrastruktur ihnen ebenfalls einen Nutzen bringt und die Preissignale ihnen je nach Auslastung des Netzes attraktive Anreize geben, den Verbrauch zu verlagern.
 
Wichtiges Statement zum EU-Digitalisierungsplan
 
Ein weiteres öffentlichkeitswirksames und sensibles Thema ist der Datenschutz. Ihm werde künftig eine noch höhere Priorität eingeräumt, als dies bisher schon der Fall gewesen sei. Regelungen zur Erhebung, Übermittlung, Anonymisierung und Löschung von Daten würden ihn weiter stärken. „Ich denke, damit können den Bürgerinnen und Bürgern alle Sorgen, die sie haben könnten, genommen werden“, so Habeck.

Aus der Energiewirtschaft und von den Dienstleistern in deren Umfeld kam nur vereinzelt Kritik am neuen Gesetz. BDEW-Chefin Andreae etwa hält die Chance für verpasst, zu einer deutlichen Vereinfachung des Messstellenbetriebs durch eine Modernisierung der eichrechtlichen Vorschriften zu kommen, was ursprünglich angedacht war.

Willi Appler, Regulierungsexperte bei der Eon-Tochter Grid X, sieht zwar viele positive Aspekte. Die grundlegenden Probleme der Branche könne das Gesetz jedoch nicht lösen. Als Beispiele nannte er in einer Mitteilung des Unternehmens den Fachkräftemangel und den Mangel an Elektronikbauteilen, die die Branche noch eine ganze Zeit lang begleiten werden.

Am Ende überwog jedoch das Lob für den gesetzlichen Neustart des Smart Meter Rollouts. Die Abwendung von den Standardlastprofilen sieht Appler als ganz zentrale Weichenstellung für eine erfolgreiche Energiewende. „Wenn für Verbraucher keine Standardlastprofile angewendet werden, haben die Lieferanten ein echtes Interesse daran, den Stromverbrauch ihrer Kunden in günstigere Zeiten zu verlagern“, so der Manager des Smart-Grid-Dienstleisters. Dies werde die Verbreitung von dynamischen Tarifen oder die Aggregation von Flexibilität beispielsweise aus Ladesäulen stark fördern.

Ingo Schönberg, der Vorstandsvorsitzende des Smart-Meter-Gateway-Herstellers PPC, ordnete die Initiative der Bundesregierung gleich noch europäisch ein. Das BMWK liefere mit dem neuen Gesetz nicht nur das erhoffte Signal zur Beschleunigung des Rollouts in Deutschland, sondern auch ein wichtiges Statement zum EU-Aktionsplan „Digitalisierung des Energiesystems“, sagte Schönberg. Im Oktober des vergangenen Jahres habe die Kommission deutlich gemacht, dass hier akuter Handlungsbedarf besteht. In den meisten Ländern der Gemeinschaft sei das im Aktionsplan beschriebene Zielsystem für ein Smart Grid noch nicht vorhanden. Von einem Vorsprung beim Rollout gegenüber Deutschland könne daher keine Rede sein, so der PPC-Chef. Die Geräte könnten zwar Verbrauchsdaten zu Abrechnungszwecken auslesen und übertragen. Dem von der EU geforderten Plattformansatz mit Echtzeitsteuerung und der notwendigen Cybersicherheit würden sie jedoch keinesfalls entsprechen.

„Im Gegensatz zu bisherigen europäischen Smart-Meter-Ansätzen wurden in Deutschland frühzeitig die Weichen hin zu einer energiewendetauglichen und cybersicheren Smart-Grid-Lösung gestellt“, betonte Schönberg. Der Ansatz eines „digitalen Netzanschlusses“ mit dem Smart Meter Gateway als „Sicherheitsanker“ zur Steuerung, Tarifierung und Netzüberwachung sei „bisher einmalig“ und „vorausschauend“ und tauge nach seiner Überzeugung als Blaupause für Europa. Aus der Kritik „Deutschland hinkt hinterher“ könne mit dem neuen Gesetz ein „Deutschland eilt voraus“ werden.
 

Datensparsamkeit ist geboten

In einer vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Studie hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) die Auswirkungen des Ausbaus und Betriebs der digitalen Energieinfrastruktur untersucht. Eine Analyse der Verbrauchsdaten von 1.600 Haushalten habe gezeigt, dass der Einbau von intelligenten Messsystemen bislang nicht zu nennenswerten Stromeinsparungen geführt hat, heißt es im Impulspapier „Smart-Meter-Rollout: Die Energiewende datensparsam voranbringen“ des IÖW. Entsprechend könnten die Kosten, die der Rollout der Geräte mit sich bringt, bislang auch nicht dadurch ausgeglichen werden.

Der Rollout der intelligenten digitalen Infrastruktur bringe einen großen logistischen und regulatorischen Aufwand mit sich − und eine große Menge an Hard- und Softwarekomponenten. Deren Lebenszyklus, Stromverbrauch und Datentransfer sowie der Austausch der bisherigen Zähler hätten relevante ökologische Folgen, heißt es weiter.

Bei einer sekundenscharfen Verbrauchsmessung, die beispielsweise auch die individuelle Identifizierung von Verbrauchern im Haushalt ermöglicht, belaufe sich die Klimawirkung eines „Smart Meters“ auf jährlich etwa 17 Kilogramm CO2-Äquivalente, rechnen die Forschenden vor. Dies entspreche 40 Waschladungen mit einer herkömmlichen Waschmaschine. Deshalb mahnen die Wissenschaftler, Daten konsequent nur nach Bedarf zu erheben. Die Voreinstellung intelligenter Messsysteme solle deshalb lediglich eine wöchentliche Datenerhebung vorsehen und nur bei tatsächlichem Bedarf eine höhere Granularität zeigen.

„Datensparsamkeit ist zentral dafür, dass Umweltbelastungen, die durch Aufbau und Betrieb der Infrastruktur entstehen, möglichst gering sind“, sagt Clara Lenk. Gleichzeitig spricht sich die IÖW-Forscherin für einen flächendeckenden Smart Meter Rollout aus − am besten straßenweise. Nur so werde es möglich, den immensen logistischen Aufwand des Rollouts effizient zu steuern und zu minimieren.
 

Montag, 6.02.2023, 08:41 Uhr
Fritz Wilhelm

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