E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Windkraft Onshore - Windräder warten noch länger auf Genehmigung
Quelle: Fotolia / Mellimage
Windkraft Onshore

Windräder warten noch länger auf Genehmigung

Allen Gesetzen der Ampel zum Trotz: Projektierer von Windkraft an Land mussten auch bei den Inbetriebnahmen im ersten Halbjahr so viel Geduld aufbringen wie noch nie zuvor.
Von der Antragstellung bis zur Inbetriebnahme von Windenergieanlagen im deutschen Binnenland hat es im Schnitt im ersten Halbjahr 2023 so lange gedauert wie noch nie zuvor in den Jahresdurchschnitten seit Beginn der Aufzeichnungen 2011. Dies geht aus Zahlen hervor, die Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) auf Anfrage dieser Redaktion mitteilte. Er schrieb damit seine eigene Studie vom Juni über die Verwirklichungszeiten bis 2022 fort.

Ihm zufolge sprengte die durchschnittliche Verfahrensdauer bei den 500 von Januar bis Anfang Juli 2023 genehmigten und ermittelten Anlagen erstmals deutlich die zwei Jahre: Sie erreichte 27,7 Monate. Die Hälfte dieser Anträge war nach 24,9 Monaten genehmigt.

2022 hatte der arithmetische Mittelwert bei 768 erfassten Anlagen noch 24,5 Monate ergeben − dies ein Jahresrekord seit Beginn dieser Statistik. Die FA Wind prognostiziert, dass die Gesetze der Ampel, die Hindernisse aus dem Weg räumen, die Errichtung von Windparks erst in der zweiten Hälfte der Dekade beschleunigten. Grund: Zunächst müsse sich eine neue Verwaltungspraxis etablieren.

Acht Jahre vom Standort bis zum Strom

Quentin teilt die Phasen der Windpark-Entwicklung in vier Phasen ein. Im Schnitt dauerte die Entwicklung, nachdem sich ein Projektierer die Flächen gesichert hatte, bis 2017 fünfeinhalb Jahre, aber von 2018 bis 2022 acht Jahre.

Seit dem Übergang von fixen auf in Ausschreibungen ermittelte Fördersätze 2017 ergab sich im Schnitt eine "signifikante" Verzögerung aller vier Phasen:
  • Bei der Vorprüfung sichert der Projektierer den Standort und bewertet Rechtslage sowie Windhöffigkeit. Dies dauerte bis einschließlich 2014 ein Jahr. Die Zeitspanne verdoppelte sich im Schnitt der späteren Jahre fast auf 21 Monate.
  • In der Planung holt der Entwickler unter anderem Gutachten zu Immissions-, Natur- und Artenschutz ein und zurrt das Windparkkonzept fest. Das brauchte nach 2014 im arithmetischen Mittel vier Monate mehr als vorher, als zwei Jahre genügt hatten.
  • Die Genehmigung vom Antrag bis zum Bescheid nahm in frühen Jahren 14 Monate in Anspruch, später war es das Doppelte.
  • Auch die Realisierungszeit seit dem Bescheid verdoppelte sich fast, auf 23 Monate. Natürlich lag dies auch an der Pleite des Herstellers Senvion 2019 sowie seit der Covid-19-Pandemie an Problemen mit den Lieferketten und an den Schwierigkeiten der Schwertransport-Genehmigungen. Gleichwohl sticht Bayern zwischen 2018 und 2022 mit einer auf 45 Monate beinahe verdreifachten Dauer einsam aus der Masse der Länder heraus. In keinem anderen Landesschnitt nahm die Errichtung mehr als 26 Monate ein. Die Realisierungszeiten schnellten zwischen 2017 und 2018 von elf auf 19 Monate nach oben und stiegen dann jedes Jahr weiter an. Im ersten vollen Regierungsjahr der Ampel, 2022, erreichten sie 27 Monate.
Sonderfall Bayern: Wie 10H wirkte

Jürgen Quentin führt die Sonderstellung Bayerns auf dessen seit 2018 geltende restriktive 10H-Regel zurück, wonach Windenergieanlagen in der Regel nur in einem zehnfachen Abstand zur Wohnbebauung die faktisch alternativlose "Privilegierung im Außenbereich" erhalten. Immissionsrechtlich üblich ist der zweieinhalb- bis dreifache Abstand. 10H, so Quentin, habe zu erfolgreichen Klagen gegen frühere Genehmigungen mit geringeren Abständen geführt, denen dann Klagen gegen 10H-gerechte Änderungsbescheide folgten.

Zum empirischen Befund gehört aber genauso, dass Bayern in der vorherigen Phase, den mittleren Genehmigungsdauern, mit 16 Monaten das zweitschnellste Bundesland war, nach dem ebenfalls restriktiven Sachsen mit fast 13 Monaten. Es gab allerdings in diesen Ländern auch relativ wenig zu genehmigen.

Ämter in schwarz-grün regiertem Land am langsamsten

Jedenfalls entziehen sich die Genehmigungsdauern in den Ländern weitgehend einem parteipolitischen Narrativ, wonach grüne Regierungsbeteiligungen mit einer raschen Bearbeitung einher gingen und die von der Union dominierten Länder Bremser waren: Am langsamsten agierten von 2018 bis 2022 die Genehmigungsbehörden im schwarz-grün regierten Hessen mit 34 Monaten, gefolgt vom rot-roten Mecklenburg-Vorpommern, dem grün dominierten Baden-Württemberg und dem von einer Ampel regierten Rheinland-Pfalz.
 

Zur Methodik der FA-Wind-Studien

Für ihre Onshore-Windstudien wertet die FA Wind das Marktstammdatenregister der Netzagentur, das UVP (Umweltverträglichkeitsprüfungs)-Portal der Länder, digitale Amtsblätter teilweise bis auf Kreisebene sowie Angaben von Projektierern und Behörden aus und ergänzt sie mit eigenen Recherchen. Die Dauer der Genehmigungsverfahren ließ sich von 2018 bis 2022 bei mehr als 9.700 Windrädern ermitteln, das waren 90 Prozent der Verfahren. Bei den Realisierungsdauern beträgt der Abdeckungsgrad nach eigenen Angaben knapp 99 Prozent.
 

Donnerstag, 20.07.2023, 17:43 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Onshore - Windräder warten noch länger auf Genehmigung
Quelle: Fotolia / Mellimage
Windkraft Onshore
Windräder warten noch länger auf Genehmigung
Allen Gesetzen der Ampel zum Trotz: Projektierer von Windkraft an Land mussten auch bei den Inbetriebnahmen im ersten Halbjahr so viel Geduld aufbringen wie noch nie zuvor.
Von der Antragstellung bis zur Inbetriebnahme von Windenergieanlagen im deutschen Binnenland hat es im Schnitt im ersten Halbjahr 2023 so lange gedauert wie noch nie zuvor in den Jahresdurchschnitten seit Beginn der Aufzeichnungen 2011. Dies geht aus Zahlen hervor, die Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) auf Anfrage dieser Redaktion mitteilte. Er schrieb damit seine eigene Studie vom Juni über die Verwirklichungszeiten bis 2022 fort.

Ihm zufolge sprengte die durchschnittliche Verfahrensdauer bei den 500 von Januar bis Anfang Juli 2023 genehmigten und ermittelten Anlagen erstmals deutlich die zwei Jahre: Sie erreichte 27,7 Monate. Die Hälfte dieser Anträge war nach 24,9 Monaten genehmigt.

2022 hatte der arithmetische Mittelwert bei 768 erfassten Anlagen noch 24,5 Monate ergeben − dies ein Jahresrekord seit Beginn dieser Statistik. Die FA Wind prognostiziert, dass die Gesetze der Ampel, die Hindernisse aus dem Weg räumen, die Errichtung von Windparks erst in der zweiten Hälfte der Dekade beschleunigten. Grund: Zunächst müsse sich eine neue Verwaltungspraxis etablieren.

Acht Jahre vom Standort bis zum Strom

Quentin teilt die Phasen der Windpark-Entwicklung in vier Phasen ein. Im Schnitt dauerte die Entwicklung, nachdem sich ein Projektierer die Flächen gesichert hatte, bis 2017 fünfeinhalb Jahre, aber von 2018 bis 2022 acht Jahre.

Seit dem Übergang von fixen auf in Ausschreibungen ermittelte Fördersätze 2017 ergab sich im Schnitt eine "signifikante" Verzögerung aller vier Phasen:
  • Bei der Vorprüfung sichert der Projektierer den Standort und bewertet Rechtslage sowie Windhöffigkeit. Dies dauerte bis einschließlich 2014 ein Jahr. Die Zeitspanne verdoppelte sich im Schnitt der späteren Jahre fast auf 21 Monate.
  • In der Planung holt der Entwickler unter anderem Gutachten zu Immissions-, Natur- und Artenschutz ein und zurrt das Windparkkonzept fest. Das brauchte nach 2014 im arithmetischen Mittel vier Monate mehr als vorher, als zwei Jahre genügt hatten.
  • Die Genehmigung vom Antrag bis zum Bescheid nahm in frühen Jahren 14 Monate in Anspruch, später war es das Doppelte.
  • Auch die Realisierungszeit seit dem Bescheid verdoppelte sich fast, auf 23 Monate. Natürlich lag dies auch an der Pleite des Herstellers Senvion 2019 sowie seit der Covid-19-Pandemie an Problemen mit den Lieferketten und an den Schwierigkeiten der Schwertransport-Genehmigungen. Gleichwohl sticht Bayern zwischen 2018 und 2022 mit einer auf 45 Monate beinahe verdreifachten Dauer einsam aus der Masse der Länder heraus. In keinem anderen Landesschnitt nahm die Errichtung mehr als 26 Monate ein. Die Realisierungszeiten schnellten zwischen 2017 und 2018 von elf auf 19 Monate nach oben und stiegen dann jedes Jahr weiter an. Im ersten vollen Regierungsjahr der Ampel, 2022, erreichten sie 27 Monate.
Sonderfall Bayern: Wie 10H wirkte

Jürgen Quentin führt die Sonderstellung Bayerns auf dessen seit 2018 geltende restriktive 10H-Regel zurück, wonach Windenergieanlagen in der Regel nur in einem zehnfachen Abstand zur Wohnbebauung die faktisch alternativlose "Privilegierung im Außenbereich" erhalten. Immissionsrechtlich üblich ist der zweieinhalb- bis dreifache Abstand. 10H, so Quentin, habe zu erfolgreichen Klagen gegen frühere Genehmigungen mit geringeren Abständen geführt, denen dann Klagen gegen 10H-gerechte Änderungsbescheide folgten.

Zum empirischen Befund gehört aber genauso, dass Bayern in der vorherigen Phase, den mittleren Genehmigungsdauern, mit 16 Monaten das zweitschnellste Bundesland war, nach dem ebenfalls restriktiven Sachsen mit fast 13 Monaten. Es gab allerdings in diesen Ländern auch relativ wenig zu genehmigen.

Ämter in schwarz-grün regiertem Land am langsamsten

Jedenfalls entziehen sich die Genehmigungsdauern in den Ländern weitgehend einem parteipolitischen Narrativ, wonach grüne Regierungsbeteiligungen mit einer raschen Bearbeitung einher gingen und die von der Union dominierten Länder Bremser waren: Am langsamsten agierten von 2018 bis 2022 die Genehmigungsbehörden im schwarz-grün regierten Hessen mit 34 Monaten, gefolgt vom rot-roten Mecklenburg-Vorpommern, dem grün dominierten Baden-Württemberg und dem von einer Ampel regierten Rheinland-Pfalz.
 

Zur Methodik der FA-Wind-Studien

Für ihre Onshore-Windstudien wertet die FA Wind das Marktstammdatenregister der Netzagentur, das UVP (Umweltverträglichkeitsprüfungs)-Portal der Länder, digitale Amtsblätter teilweise bis auf Kreisebene sowie Angaben von Projektierern und Behörden aus und ergänzt sie mit eigenen Recherchen. Die Dauer der Genehmigungsverfahren ließ sich von 2018 bis 2022 bei mehr als 9.700 Windrädern ermitteln, das waren 90 Prozent der Verfahren. Bei den Realisierungsdauern beträgt der Abdeckungsgrad nach eigenen Angaben knapp 99 Prozent.
 

Donnerstag, 20.07.2023, 17:43 Uhr
Georg Eble

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.