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Energie & Management > Kernkraft - Studie: Tschechien bei Meiler-Komponenten fast autark
Quelle: Fotolia / mirkomedia
Kernkraft

Studie: Tschechien bei Meiler-Komponenten fast autark

Die Kernkraftwerke in Tschechien lassen sich inzwischen weitgehend unabhängig von ausländischen Zulieferern betreiben. 2024 soll auch mit russischen Brennstäben ganz Schluss sein.
Aus einer aktuellen Studie der Allianz der tschechischen Energiewirtschaft für das Handelsministerium geht weiter hervor, dass von großer Bedeutung für den Autarkiegrad der tschechischen Atomwirtschaft Turbinen, Hilfs- und Gemeinschaftssysteme sowie Elektro- oder Konstruktionsteile sind. Im Inland produzierte Kontroll- und Managementsysteme wiederum spielen eine nicht unerhebliche Rolle, um eine reibungslose Nutzung von Brennstäben zu gewährleisten.

Am besten aufgestellt ist die tschechische Branche bei Turbinen, Hilfs- und Gemeinschaftssystemen sowie Strukturteilen: Sie werden inzwischen zu 85 Prozent im Land selbst hergestellt. Steuerungs- und Managementsysteme stammen zu etwa 70 Prozent aus Tschechien. Die Brennelemente werden zu etwas mehr als 50 Prozent mithilfe von im Inland entwickelten Systemen überwacht.

Auf Lieferungen aus dem Ausland bleibt Tschechien bis auf Weiteres bei Brennstäben angewiesen. Diese sollen von 2024 an endgültig nicht mehr aus Russland kommen. Für die Reaktoren im Kernkraftwerk Temelin ist dessen Betreiberin Cez ohnehin schon vor zehn Jahren auf das US-Unternehmen Westinghouse als Lieferanten umgestiegen. Vom nächsten Jahr an beliefern die Amerikaner auch das Kernkraftwerk Dukovany.

Das ist auch mit Blick auf die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen von Bedeutung. TVEL, eine Konzerngesellschaft der russischen Rosatom, war laut Cez bisher der einzige Hersteller von Brennelementen für den älteren Reaktortyp WWER 440, der in Dukovany steht. Deshalb gilt bisher trotz des Krieges in der Ukraine eine Ausnahmeerlaubnis für entsprechende Transportflüge aus Russland.

Die Studie ist vorrangig im Zusammenhang mit der aktuell heftigen Diskussion über die Energieversorgung in der nächsten Dekade zu lesen. Hier sucht sich die traditionell starke Kernkraft-Lobby zweifellos deutlich Gehör zu verschaffen. Auch soll vor allem im Nachbarland Österreich immer wieder geäußerte Kritik entkräftet werden, der Betrieb veralteter tschechischer Kernreaktoren sei mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden.

Es spielen jedoch auch Überlegungen eine Rolle, den überdurchschnittlich vom Automobilbau abhängigen Wirtschaftsstandort Tschechien zu diversifizieren und dringend benötigte jüngere Arbeitskräfte anzuwerben. Immer wieder wurde Tschechien bescheinigt, zu den EU-Ländern mit dem größten Innovationspotenzial zu gehören, vor allem bei Startups und bei dem auch für die Atomwirtschaft wichtigen Maschinen- und Anlagenbau.

Die Allianz der tschechischen Energiewirtschaft warnt vor erheblichen Problemen in der Energieversorgung von 2033 an, wenn die Regierung in Prag nicht bald klar Stellung zum Bau neuer Kernreaktoren beziehe. Das Bruttoinlandsprodukt werde um umgerechnet knapp 40 Milliarden Euro steigen, falls die Fertigstellung von vier Kernkraftwerksblöcken beschlossen würde, prognostiziert die Lobbygruppe. Es entstünden außerdem mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze. Allein in der Tschechischen Republik gehe es um Projekte in einer Größenordnung von umgerechnet 5 Milliarden Euro.

Umdenken in der Slowakei

Die von der Cez dominierte tschechische Atomindustrie ist weitgehend exportorientiert. Wichtigste Kooperationspartner sind die französische EDF und der US-Konzern Westinghouse. Die Cez ertüchtigt seit langem ältere Reaktoren in der Slowakei und ist auch an der Erweiterung des slowakischen Kernkraftwerks Mochovce um einen dritten und vierten Block beteiligt.

Offenbar motiviert durch den Schwenk der Cez beim Bezug von Brennstäben, bahnt sich übrigens auch ein Umdenken im östlichen Nachbarland Slowakei an. Seit März 2023 erprobt der dortige Stromriese Slovenske elektrarne von Westinghouse gelieferte Brennstäbe in dem von ihm betriebenen westslowakischen Kernkraftwerk Jaslovske Bohunice. Das Unternehmen hatte sich zuvor stets darauf berufen, nur von der russischen TVEL gelieferte Brennstäbe genügten allen Sicherheitsanforderungen.

Montag, 17.07.2023, 12:30 Uhr
Karin Rogalska
Energie & Management > Kernkraft - Studie: Tschechien bei Meiler-Komponenten fast autark
Quelle: Fotolia / mirkomedia
Kernkraft
Studie: Tschechien bei Meiler-Komponenten fast autark
Die Kernkraftwerke in Tschechien lassen sich inzwischen weitgehend unabhängig von ausländischen Zulieferern betreiben. 2024 soll auch mit russischen Brennstäben ganz Schluss sein.
Aus einer aktuellen Studie der Allianz der tschechischen Energiewirtschaft für das Handelsministerium geht weiter hervor, dass von großer Bedeutung für den Autarkiegrad der tschechischen Atomwirtschaft Turbinen, Hilfs- und Gemeinschaftssysteme sowie Elektro- oder Konstruktionsteile sind. Im Inland produzierte Kontroll- und Managementsysteme wiederum spielen eine nicht unerhebliche Rolle, um eine reibungslose Nutzung von Brennstäben zu gewährleisten.

Am besten aufgestellt ist die tschechische Branche bei Turbinen, Hilfs- und Gemeinschaftssystemen sowie Strukturteilen: Sie werden inzwischen zu 85 Prozent im Land selbst hergestellt. Steuerungs- und Managementsysteme stammen zu etwa 70 Prozent aus Tschechien. Die Brennelemente werden zu etwas mehr als 50 Prozent mithilfe von im Inland entwickelten Systemen überwacht.

Auf Lieferungen aus dem Ausland bleibt Tschechien bis auf Weiteres bei Brennstäben angewiesen. Diese sollen von 2024 an endgültig nicht mehr aus Russland kommen. Für die Reaktoren im Kernkraftwerk Temelin ist dessen Betreiberin Cez ohnehin schon vor zehn Jahren auf das US-Unternehmen Westinghouse als Lieferanten umgestiegen. Vom nächsten Jahr an beliefern die Amerikaner auch das Kernkraftwerk Dukovany.

Das ist auch mit Blick auf die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen von Bedeutung. TVEL, eine Konzerngesellschaft der russischen Rosatom, war laut Cez bisher der einzige Hersteller von Brennelementen für den älteren Reaktortyp WWER 440, der in Dukovany steht. Deshalb gilt bisher trotz des Krieges in der Ukraine eine Ausnahmeerlaubnis für entsprechende Transportflüge aus Russland.

Die Studie ist vorrangig im Zusammenhang mit der aktuell heftigen Diskussion über die Energieversorgung in der nächsten Dekade zu lesen. Hier sucht sich die traditionell starke Kernkraft-Lobby zweifellos deutlich Gehör zu verschaffen. Auch soll vor allem im Nachbarland Österreich immer wieder geäußerte Kritik entkräftet werden, der Betrieb veralteter tschechischer Kernreaktoren sei mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden.

Es spielen jedoch auch Überlegungen eine Rolle, den überdurchschnittlich vom Automobilbau abhängigen Wirtschaftsstandort Tschechien zu diversifizieren und dringend benötigte jüngere Arbeitskräfte anzuwerben. Immer wieder wurde Tschechien bescheinigt, zu den EU-Ländern mit dem größten Innovationspotenzial zu gehören, vor allem bei Startups und bei dem auch für die Atomwirtschaft wichtigen Maschinen- und Anlagenbau.

Die Allianz der tschechischen Energiewirtschaft warnt vor erheblichen Problemen in der Energieversorgung von 2033 an, wenn die Regierung in Prag nicht bald klar Stellung zum Bau neuer Kernreaktoren beziehe. Das Bruttoinlandsprodukt werde um umgerechnet knapp 40 Milliarden Euro steigen, falls die Fertigstellung von vier Kernkraftwerksblöcken beschlossen würde, prognostiziert die Lobbygruppe. Es entstünden außerdem mehr als 10.000 neue Arbeitsplätze. Allein in der Tschechischen Republik gehe es um Projekte in einer Größenordnung von umgerechnet 5 Milliarden Euro.

Umdenken in der Slowakei

Die von der Cez dominierte tschechische Atomindustrie ist weitgehend exportorientiert. Wichtigste Kooperationspartner sind die französische EDF und der US-Konzern Westinghouse. Die Cez ertüchtigt seit langem ältere Reaktoren in der Slowakei und ist auch an der Erweiterung des slowakischen Kernkraftwerks Mochovce um einen dritten und vierten Block beteiligt.

Offenbar motiviert durch den Schwenk der Cez beim Bezug von Brennstäben, bahnt sich übrigens auch ein Umdenken im östlichen Nachbarland Slowakei an. Seit März 2023 erprobt der dortige Stromriese Slovenske elektrarne von Westinghouse gelieferte Brennstäbe in dem von ihm betriebenen westslowakischen Kernkraftwerk Jaslovske Bohunice. Das Unternehmen hatte sich zuvor stets darauf berufen, nur von der russischen TVEL gelieferte Brennstäbe genügten allen Sicherheitsanforderungen.

Montag, 17.07.2023, 12:30 Uhr
Karin Rogalska

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