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Energie & Management > F&E - Forschende hoffen auf Prototyp für Fusionsreaktor bis 2045
Quelle: Shutterstock
F&E

Forschende hoffen auf Prototyp für Fusionsreaktor bis 2045

Die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) stellte das Positionspapier ihres Hauses zur Fusionsforschung vor. Demnach soll die Kernfusion weiter unterstützt werden.
„Wir wollen die Fusionsforschung auf die nächste Stufe heben“, kündigte die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am 22. Juni in Berlin an.
Ein Positionspapier ihres Ministeriums ordne ein, wie weit Deutschland im Bereich der Kernfusion ist und wo Potenziale dieser Form der Energieerzeugung liegen. An der Seite der Ministerin erläuterte Professorin Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, den Stand der Technologie.

Stark-Watzinger sagte: „Die Energiekrise hat uns vor Augen geführt, wie essenziell eine saubere, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ist.“ Fusion sei eine riesige Chance, unsere Energieprobleme zu lösen. Vorbehaltlich des Bundeshaushalts will sie für die Fusionsforschung weitere 149 Millionen Euro bereitstellen.

Erster Prototyp bis 2045?

Günter sagte, sie rechne damit, dass bis 2045 der erste Prototyp eines Fusionskraftwerks laufen könne, der tatsächlich Energie erzeugt. Dies sei zwar zu spät für die angestrebte Klimaneutralität Deutschlands und der EU, aber Verfahren zur CO2-Abspaltung und -verpressung, klimaneutrale synthetische Kraftstoffe und anderes würden den Energiehunger weltweit so wachsen lassen, dass die Kernfusion auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wichtig werde. Dann sei es wesentlich, deutsches Know-how bereitstellen zu können, sagte Günter.
 

Ein neues Förderprogramm und eine Kooperation von Wissenschaft und Industrie sollen ein „Fusionsökosystem“ entstehen lassen. „Deutschland ist bei der Zukunftsenergie Fusion technologisch in einer Poleposition“, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Diese Ausgangslage solle „ambitioniert, ideologiefrei und technologieoffen“ genutzt werden. Daher sollen sowohl die Magnet- als auch die Laserfusion vorangetrieben werden. Begleitend müsse ein regulatorischer Rahmen geschaffen werden, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben, und zwar „außerhalb des Atomrechts, das für die Fusion einfach nicht passt.“

Kernpunkte des Positionspapiers sind die Stärkung deutscher Unternehmen, damit diese Fusionskraftwerke bauen können, sowie die Schaffung eines Fusionsökosystems. Unternehmen sollen Zugang zum Know-how der Forschungsinstitute und zu den benötigten Infrastrukturen bekommen. Hierzu sollen zu verschiedenen Themenbereichen Hubs geschaffen werden, die auch für die Industrie zugänglich sind und als Testeinrichtung genutzt werden können. Zu einem solchen Ökosystem gehöre auch Nachwuchsförderung und Fachkräfte, die das Ministerium ebenfalls unterstützen will.
 
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (links) und Prof. Sibylle Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Quelle: E&M/Harmsen

Hintergrund der Fusion

Als Kernfusion werden Kernreaktoren bezeichnet, bei denen je zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen. Dies geschieht zum Beispiel permanent in der Sonne, wo Wasserstoff zu Helium verschmilzt, was zu einem hohen Energieausstoß führt, der Leben auf der Erde möglich macht.

Unter irdischen Bedingungen verschmelzen am leichtesten die beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Dabei entsteht ein Helium-Kern, außerdem wird ein Neutron frei sowie große Mengen nutzbarer Energie. Laut Max-Planck-Institut könnte ein Gramm Brennstoff in einem Kraftwerk 90.000 kWh Energie erzeugen, was der Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle entspricht. Auch hier entstehen radioaktive Abfälle, allerdings weniger als bei der Kernspaltung wie in bisherigen Kraftwerken.

Aktuell werden zwei Verfahren erforscht. Im Tokamak schließen Magnetfelder ein Plasma ein, das so stark erhitzt wird, dass die Elemente fusionieren. Das soll dann mehr Energie freisetzen als zuvor eingesetzt wurde. In der Laserfusion werden die Elemente mit hochenergetischen Strahlen beschossen.

Im Jahr 2022 gelang es Forschenden in den USA erstmals, mit diesem Verfahren für Sekunden mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen. In der Kernversuchsanlage JET in Großbritannien ist es ebenfalls im vergangenen Jahr Forschenden gelungen, für einige Sekunden einen „Mini-Stern“ zu erzeugen. Auf dem gleichen Konzept basiert die derzeit in Frankreich errichtet ITER-Anlage (International Thermonuclear Experimental Reactor).

Das Positionspapier des BMBF zur Kernfusion steht im Internet bereit.

Donnerstag, 22.06.2023, 13:33 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > F&E - Forschende hoffen auf Prototyp für Fusionsreaktor bis 2045
Quelle: Shutterstock
F&E
Forschende hoffen auf Prototyp für Fusionsreaktor bis 2045
Die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) stellte das Positionspapier ihres Hauses zur Fusionsforschung vor. Demnach soll die Kernfusion weiter unterstützt werden.
„Wir wollen die Fusionsforschung auf die nächste Stufe heben“, kündigte die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am 22. Juni in Berlin an.
Ein Positionspapier ihres Ministeriums ordne ein, wie weit Deutschland im Bereich der Kernfusion ist und wo Potenziale dieser Form der Energieerzeugung liegen. An der Seite der Ministerin erläuterte Professorin Sibylle Günter, Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, den Stand der Technologie.

Stark-Watzinger sagte: „Die Energiekrise hat uns vor Augen geführt, wie essenziell eine saubere, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ist.“ Fusion sei eine riesige Chance, unsere Energieprobleme zu lösen. Vorbehaltlich des Bundeshaushalts will sie für die Fusionsforschung weitere 149 Millionen Euro bereitstellen.

Erster Prototyp bis 2045?

Günter sagte, sie rechne damit, dass bis 2045 der erste Prototyp eines Fusionskraftwerks laufen könne, der tatsächlich Energie erzeugt. Dies sei zwar zu spät für die angestrebte Klimaneutralität Deutschlands und der EU, aber Verfahren zur CO2-Abspaltung und -verpressung, klimaneutrale synthetische Kraftstoffe und anderes würden den Energiehunger weltweit so wachsen lassen, dass die Kernfusion auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wichtig werde. Dann sei es wesentlich, deutsches Know-how bereitstellen zu können, sagte Günter.
 

Ein neues Förderprogramm und eine Kooperation von Wissenschaft und Industrie sollen ein „Fusionsökosystem“ entstehen lassen. „Deutschland ist bei der Zukunftsenergie Fusion technologisch in einer Poleposition“, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Diese Ausgangslage solle „ambitioniert, ideologiefrei und technologieoffen“ genutzt werden. Daher sollen sowohl die Magnet- als auch die Laserfusion vorangetrieben werden. Begleitend müsse ein regulatorischer Rahmen geschaffen werden, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben, und zwar „außerhalb des Atomrechts, das für die Fusion einfach nicht passt.“

Kernpunkte des Positionspapiers sind die Stärkung deutscher Unternehmen, damit diese Fusionskraftwerke bauen können, sowie die Schaffung eines Fusionsökosystems. Unternehmen sollen Zugang zum Know-how der Forschungsinstitute und zu den benötigten Infrastrukturen bekommen. Hierzu sollen zu verschiedenen Themenbereichen Hubs geschaffen werden, die auch für die Industrie zugänglich sind und als Testeinrichtung genutzt werden können. Zu einem solchen Ökosystem gehöre auch Nachwuchsförderung und Fachkräfte, die das Ministerium ebenfalls unterstützen will.
 
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (links) und Prof. Sibylle Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Quelle: E&M/Harmsen

Hintergrund der Fusion

Als Kernfusion werden Kernreaktoren bezeichnet, bei denen je zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen. Dies geschieht zum Beispiel permanent in der Sonne, wo Wasserstoff zu Helium verschmilzt, was zu einem hohen Energieausstoß führt, der Leben auf der Erde möglich macht.

Unter irdischen Bedingungen verschmelzen am leichtesten die beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Dabei entsteht ein Helium-Kern, außerdem wird ein Neutron frei sowie große Mengen nutzbarer Energie. Laut Max-Planck-Institut könnte ein Gramm Brennstoff in einem Kraftwerk 90.000 kWh Energie erzeugen, was der Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle entspricht. Auch hier entstehen radioaktive Abfälle, allerdings weniger als bei der Kernspaltung wie in bisherigen Kraftwerken.

Aktuell werden zwei Verfahren erforscht. Im Tokamak schließen Magnetfelder ein Plasma ein, das so stark erhitzt wird, dass die Elemente fusionieren. Das soll dann mehr Energie freisetzen als zuvor eingesetzt wurde. In der Laserfusion werden die Elemente mit hochenergetischen Strahlen beschossen.

Im Jahr 2022 gelang es Forschenden in den USA erstmals, mit diesem Verfahren für Sekunden mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen. In der Kernversuchsanlage JET in Großbritannien ist es ebenfalls im vergangenen Jahr Forschenden gelungen, für einige Sekunden einen „Mini-Stern“ zu erzeugen. Auf dem gleichen Konzept basiert die derzeit in Frankreich errichtet ITER-Anlage (International Thermonuclear Experimental Reactor).

Das Positionspapier des BMBF zur Kernfusion steht im Internet bereit.

Donnerstag, 22.06.2023, 13:33 Uhr
Susanne Harmsen

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