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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Kommunikation mit Fragezeichen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Kommunikation mit Fragezeichen

Ab Oktober müssen alle Akteure am Strommarkt mithilfe des AS4-Protokolls kommunizieren können. Das soll den Austausch sicherer machen, sorgt momentan aber noch für viel Unsicherheit.
Zuversicht und Skepsis, man kann beides hineinlesen in die Antwort des Oldenburger Energieanbieters EWE zum aktuellen Stand der Dinge in Sachen AS4-Einführung: Die Vorbereitungs- und Planungsphase habe man abgeschlossen, aktuell baue man eine Testumgebung auf, um in den nächsten Monaten sämtliche Prozesse schon einmal durchspielen zu können. „Als mit vielen IT-Umstellungen erfahrener großer Netzbetreiber sehen wir die Herausforderungen weniger bei uns selbst als vielmehr im Zusammenspiel mit einer Vielzahl zum 1. Oktober unterschiedlich gut vorbereiteter Marktakteure. Wir erwarten deshalb, dass wir in der Anfangszeit sehr oft auf das alte System umschwenken müssen.“

Eine Erwartung, die wohl berechtigt ist. Es ist ja auch ein Mammutprojekt: Sämtliche Teilnehmer des Strommarkts − Netzbetreiber, Übertragungsnetzbetreiber, Bilanzkoordinatoren, Lieferanten, Bilanzkreisverantwortliche, Messstellenbetreiber und Energieserviceanbieter − dürfen zukünftig nur noch unter Verwendung des Nachrichtenprotokolls AS4 mit TLS (Transport Layer Security)-Verschlüsselung (siehe Kasten) kommunizieren.

Der zeitliche Ablauf zur Einführung des neuen Kommunikationsstandards ist klar definiert: Bis zu 30. September noch ist Zeit für Tests und Umsetzung, ab dem 1.10.2023 (übrigens ein Sonntag) müssen alle Marktteilnehmer mittels AS4 kommunizieren können. Ab dem 1. April 2024 dann darf jegliche Kommunikation nur noch über AS4 erfolgen, ein Austausch über E-Mail ist selbst im Notfall nicht mehr erlaubt. Ob aber allen Marktteilnehmern die Umstellung fristgerecht gelingen kann, das scheint derzeit zumindest fraglich.

Ein Grund dafür: Bei den ohnehin stark beanspruchten Energieversorgern fehlen schlichtweg die Kapazitäten. So berichten beispielsweise die Stadtwerke Jena von einem geplanten Einführungsprojekt. „Konkrete Arbeiten am Einführungsprojekt waren bisher allerdings unmöglich“, so eine Sprecherin, „da sämtliche erforderlichen internen Kapazitäten durch die aktuellen Entwicklungen am Energiemarkt gebunden sind. Vor allem die Einführung neuer Abrechnungsmodelle zur Abbildung der Energiepreisbremsen, einhergehend mit massiven Prozessanpassungen, binden derzeit alle verfügbaren Ressourcen im Haus.“

Andere wie die Stadtwerke Flensburg sehen den Einführungstermin in weiter Ferne und wollen sich mit konkreten Äußerungen zum Thema noch zurückhalten. Und beim Friedrichshafener Stadtwerk am See hat man das Thema zwar auf dem Schirm, sieht sich aber noch nicht am Zug: Ein erster Austausch mit den Systemherstellern habe stattgefunden, diese seien aber selber noch in der systemischen Umstellung. „Wir gehen von einer aktiven Beteiligung von unserer Seite ab circa Juni ‘23
aus.“

Verspätete Definition der Zertifikatsspezifikationen

Tatsächlich arbeiten die Softwareunternehmen derzeit mit Hochdruck an der Entwicklung entsprechender Systeme. Wie das sächsische Softwareentwicklungshaus Procilon, zu dessen Kunden auch rund 450 Energieversorger zählen. Erst Anfang März sind die letzten lang erwarteten Spezifikationen − die Anforderungen an die zu verwendenden Zertifikate (Certificate Policy der Smart Meter PKI) − bekannt geworden. Das bedeutet: Nun erst können die Entwickler in die finale Phase der endgültigen Konzeption und Implementierung starten.

„Das Gute ist: AS4 ist nicht neu, sondern hat sich in anderen Branchen bereits etabliert“, so Thomas Metzger, verantwortlich für das Marktsegment EVU bei Procilon. In der Kommunikation der Gasfernleitungsnetzbetreiber ist AS4 bereits seit bald zehn Jahren gängiger Standard. Für Stadtwerke und andere Akteure im Strommarkt aber gebe es nun zwei grundlegende Herausforderungen: So müssten zum einen die entsprechenden Verbindungen zwischen der existierenden Softwareumgebung und den AS4-Schnittstellen aufgebaut werden.

Dreh- und Angelpunkt für die Marktakteure ist also zunächst die Frage, welche Softwaresysteme derzeit für die Absicherung der Marktkommunikation im Einsatz sind. „Wenn die entsprechenden Schnittstellen vorhanden sind und die bereits genutzte Kommunikationsplattform um den Kanal AS4 erweitert werden kann, dann ist die Umstellung technisch nicht so problematisch“, sagt Metzger, „wenn aber die Anbindung der Einzelsysteme und die AS4-Kommunikation an sich vollständig neu erfolgen muss oder vorhandene Systeme nicht um AS4 erweitert werden können, dann wird es sicherlich herausfordernd.“

Zum anderen müssten für AS4 auch pünktlich zum Anwendungsstart die Kommunikationsparameter aller Marktpartner zur Verfügung stehen. „Einen zentralen Verzeichnisdienst aber hat der Regulierer, trotz Forderungen der Marktteilnehmer, nicht vorgesehen. Wir sind allerdings der festen Überzeugung, dass ein flächendeckender, komfortabler Betrieb in der Praxis ohne Verzeichnisdienst nicht funktionieren wird. Deshalb werden wir unsere bewährte Verzeichnislösung für die E-Mail-Kommunikation auch um die AS4-Komponente erweitern.“

Grundsätzlich sei es schon jetzt aufgrund der verspäteten Definition der Zertifikatsspezifikationen zu einer deutliche Verzögerung zum ursprünglichen Zeitplan gekommen, sagt Sebastian Weiße, Lösungsarchitekt des Softwareunternehmens SIV AG und Vorsitzender der AS4-Projektgruppe im EDNA Bundesverband Energiemarkt und Kommunikation. Das sei ein „nicht unerhebliches Risiko und damit eine große Herausforderung für alle Marktteilnehmer“. Zwar könne diese Verzögerung durch die Anbieter noch aufgeholt werden, es werde aber sicher zu Qualitätsverlusten und Projektengpässen bei der Einführung der Lösungen am Markt kommen.

Parallelbetrieb mit sehr hohem Aufwand

Und noch ein weiterer Punkt bereitet vielen Marktteilnehmern Sorgen: Was genau passiert im Oktober? Ab dann soll die Kommunikation zwar über AS4 laufen, die bisher gängige S-MIME/Mail-Kommunikation aber weiter möglich sein. Eine Lösung, die die Stadtwerke Jena „grundsätzlich als sinnvoll“ einschätzen. Der Parallelbetrieb zweier Übertragungstechnologien aber bedeute auch einen sehr hohen organisatorischen Aufwand − und eine Verdopplung des IT-Aufwands.

Bei der Oldenburger EWE sieht man das ähnlich: „Bis wirklich alle Marktakteure fit sein werden, planen wir gerade während der Umstellungsphase mit höheren Personalressourcen. Wir gehen davon aus, dass es vor allem in dieser Phase manuelle Eingriffe und viel bilaterale Abstimmung braucht.“ Besonders herausfordernd ist das, weil die AS4-Einführung nicht die einzige Änderung in der Marktkommunikation ist, die der Gesetzgeber zum 1. Oktober vorgesehen hat. Und weil Datenvolumen wie auch der Aufwand für die Datenpflege in den AS4-Lösungen nach Experteneinschätzung ohnehin deutlich höher liegen werden als bei den bisherigen Lösungen.

Für Mehrspartenunternehmen stellt sich außerdem auch über die Einführungsphase hinaus noch ein weiteres Problem: So ist die AS4-Einführung verpflichtend zwar für den Strom-, nicht aber für den Gasmarkt vorgesehen. Schon während der Konsultationsphase hatte unter anderem der EDNA Bundesverband angeregt, die Reform gleich auf beiden Märkten parallel durchzuführen: „Nach unserer Auffassung ist eine hundertprozentige Abdeckung auch im Gasbereich absolut sinnvoll. Denn wenn nur ein einziger Marktteilnehmer weiterhin auf den E-Mail-Verkehr setzt, bedeutet dies für alle betroffenen Werke, dass eine zweigleisige Infrastruktur aufrechterhalten werden muss − mit allen damit verbunden Aufwänden und Kosten“, hatte der Vorsitzende der EDNA-Projektgruppe bereits im Juni 2022 angeregt, verbunden ebenfalls mit der Forderung nach einem zentralen Verzeichnisdienst. Umgesetzt wurden die Anregungen bislang nicht.

Sechs Monate vor dem Go-live der neuen Systeme gibt es damit noch viele Fragezeichen bei allen Beteiligten. EDNA-Projektgruppenleiter Weiße hat angesichts dessen einen klaren Rat an die Marktakteure: „Die Projekte sollten in den Häusern unverzüglich gestartet und mit den Dienstleistern ein realistischer Zeitplan abgestimmt werden. Dabei sollten Cloudlösungen bevorzugt werden, da perspektivisch die Datenpflege für die AS4-Lösungen sehr aufwendig wird.“
 
Zeitstrahl des Umsetzungszeitraums 
Quelle: Bundesnetzagentur
 

Das Nachrichtenprotokoll AS4

AS4 (Applicability Statement 4) ist ein auf Webservices basierendes Nachrichtenprotokoll, um B2B-Nachrichten sicher zwischen Handelspartnern auszutauschen. Entwickelt wurde es von der Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS). Als Vorteile des AS4-Standards gelten
  • die Sicherung⁣ der⁣ Urheberschaft⁣ durch ⁣digitale ⁣Signaturen,
  • Datensicherheit ⁣durch⁣ Verschlüsselung,
  • der Beweis fristgerechter Zustellung durch digitale Empfangsquittung und
  • die Unterstützung für große Dateikompressionen und -übertragungen.
In Europa wird AS4 unter anderem bereits für die Kommunikation der Gasnetzbetreiber (ENTSOG) genutzt, die 2015 ein eigenes Nutzungsprofil definiert haben. Grundlage der Einführung im deutschen Strommarkt ist die Veröffentlichung der Festlegung zur künftigen Absicherung der elektronischen Marktkommunikation Strom durch die Bundesnetzagentur am 31. März 2022 (BK6-21-282).
 


 

Freitag, 21.04.2023, 08:48 Uhr
Katia Meyer-Tien
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Kommunikation mit Fragezeichen
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Aus Der Aktuellen Zeitung
Kommunikation mit Fragezeichen
Ab Oktober müssen alle Akteure am Strommarkt mithilfe des AS4-Protokolls kommunizieren können. Das soll den Austausch sicherer machen, sorgt momentan aber noch für viel Unsicherheit.
Zuversicht und Skepsis, man kann beides hineinlesen in die Antwort des Oldenburger Energieanbieters EWE zum aktuellen Stand der Dinge in Sachen AS4-Einführung: Die Vorbereitungs- und Planungsphase habe man abgeschlossen, aktuell baue man eine Testumgebung auf, um in den nächsten Monaten sämtliche Prozesse schon einmal durchspielen zu können. „Als mit vielen IT-Umstellungen erfahrener großer Netzbetreiber sehen wir die Herausforderungen weniger bei uns selbst als vielmehr im Zusammenspiel mit einer Vielzahl zum 1. Oktober unterschiedlich gut vorbereiteter Marktakteure. Wir erwarten deshalb, dass wir in der Anfangszeit sehr oft auf das alte System umschwenken müssen.“

Eine Erwartung, die wohl berechtigt ist. Es ist ja auch ein Mammutprojekt: Sämtliche Teilnehmer des Strommarkts − Netzbetreiber, Übertragungsnetzbetreiber, Bilanzkoordinatoren, Lieferanten, Bilanzkreisverantwortliche, Messstellenbetreiber und Energieserviceanbieter − dürfen zukünftig nur noch unter Verwendung des Nachrichtenprotokolls AS4 mit TLS (Transport Layer Security)-Verschlüsselung (siehe Kasten) kommunizieren.

Der zeitliche Ablauf zur Einführung des neuen Kommunikationsstandards ist klar definiert: Bis zu 30. September noch ist Zeit für Tests und Umsetzung, ab dem 1.10.2023 (übrigens ein Sonntag) müssen alle Marktteilnehmer mittels AS4 kommunizieren können. Ab dem 1. April 2024 dann darf jegliche Kommunikation nur noch über AS4 erfolgen, ein Austausch über E-Mail ist selbst im Notfall nicht mehr erlaubt. Ob aber allen Marktteilnehmern die Umstellung fristgerecht gelingen kann, das scheint derzeit zumindest fraglich.

Ein Grund dafür: Bei den ohnehin stark beanspruchten Energieversorgern fehlen schlichtweg die Kapazitäten. So berichten beispielsweise die Stadtwerke Jena von einem geplanten Einführungsprojekt. „Konkrete Arbeiten am Einführungsprojekt waren bisher allerdings unmöglich“, so eine Sprecherin, „da sämtliche erforderlichen internen Kapazitäten durch die aktuellen Entwicklungen am Energiemarkt gebunden sind. Vor allem die Einführung neuer Abrechnungsmodelle zur Abbildung der Energiepreisbremsen, einhergehend mit massiven Prozessanpassungen, binden derzeit alle verfügbaren Ressourcen im Haus.“

Andere wie die Stadtwerke Flensburg sehen den Einführungstermin in weiter Ferne und wollen sich mit konkreten Äußerungen zum Thema noch zurückhalten. Und beim Friedrichshafener Stadtwerk am See hat man das Thema zwar auf dem Schirm, sieht sich aber noch nicht am Zug: Ein erster Austausch mit den Systemherstellern habe stattgefunden, diese seien aber selber noch in der systemischen Umstellung. „Wir gehen von einer aktiven Beteiligung von unserer Seite ab circa Juni ‘23
aus.“

Verspätete Definition der Zertifikatsspezifikationen

Tatsächlich arbeiten die Softwareunternehmen derzeit mit Hochdruck an der Entwicklung entsprechender Systeme. Wie das sächsische Softwareentwicklungshaus Procilon, zu dessen Kunden auch rund 450 Energieversorger zählen. Erst Anfang März sind die letzten lang erwarteten Spezifikationen − die Anforderungen an die zu verwendenden Zertifikate (Certificate Policy der Smart Meter PKI) − bekannt geworden. Das bedeutet: Nun erst können die Entwickler in die finale Phase der endgültigen Konzeption und Implementierung starten.

„Das Gute ist: AS4 ist nicht neu, sondern hat sich in anderen Branchen bereits etabliert“, so Thomas Metzger, verantwortlich für das Marktsegment EVU bei Procilon. In der Kommunikation der Gasfernleitungsnetzbetreiber ist AS4 bereits seit bald zehn Jahren gängiger Standard. Für Stadtwerke und andere Akteure im Strommarkt aber gebe es nun zwei grundlegende Herausforderungen: So müssten zum einen die entsprechenden Verbindungen zwischen der existierenden Softwareumgebung und den AS4-Schnittstellen aufgebaut werden.

Dreh- und Angelpunkt für die Marktakteure ist also zunächst die Frage, welche Softwaresysteme derzeit für die Absicherung der Marktkommunikation im Einsatz sind. „Wenn die entsprechenden Schnittstellen vorhanden sind und die bereits genutzte Kommunikationsplattform um den Kanal AS4 erweitert werden kann, dann ist die Umstellung technisch nicht so problematisch“, sagt Metzger, „wenn aber die Anbindung der Einzelsysteme und die AS4-Kommunikation an sich vollständig neu erfolgen muss oder vorhandene Systeme nicht um AS4 erweitert werden können, dann wird es sicherlich herausfordernd.“

Zum anderen müssten für AS4 auch pünktlich zum Anwendungsstart die Kommunikationsparameter aller Marktpartner zur Verfügung stehen. „Einen zentralen Verzeichnisdienst aber hat der Regulierer, trotz Forderungen der Marktteilnehmer, nicht vorgesehen. Wir sind allerdings der festen Überzeugung, dass ein flächendeckender, komfortabler Betrieb in der Praxis ohne Verzeichnisdienst nicht funktionieren wird. Deshalb werden wir unsere bewährte Verzeichnislösung für die E-Mail-Kommunikation auch um die AS4-Komponente erweitern.“

Grundsätzlich sei es schon jetzt aufgrund der verspäteten Definition der Zertifikatsspezifikationen zu einer deutliche Verzögerung zum ursprünglichen Zeitplan gekommen, sagt Sebastian Weiße, Lösungsarchitekt des Softwareunternehmens SIV AG und Vorsitzender der AS4-Projektgruppe im EDNA Bundesverband Energiemarkt und Kommunikation. Das sei ein „nicht unerhebliches Risiko und damit eine große Herausforderung für alle Marktteilnehmer“. Zwar könne diese Verzögerung durch die Anbieter noch aufgeholt werden, es werde aber sicher zu Qualitätsverlusten und Projektengpässen bei der Einführung der Lösungen am Markt kommen.

Parallelbetrieb mit sehr hohem Aufwand

Und noch ein weiterer Punkt bereitet vielen Marktteilnehmern Sorgen: Was genau passiert im Oktober? Ab dann soll die Kommunikation zwar über AS4 laufen, die bisher gängige S-MIME/Mail-Kommunikation aber weiter möglich sein. Eine Lösung, die die Stadtwerke Jena „grundsätzlich als sinnvoll“ einschätzen. Der Parallelbetrieb zweier Übertragungstechnologien aber bedeute auch einen sehr hohen organisatorischen Aufwand − und eine Verdopplung des IT-Aufwands.

Bei der Oldenburger EWE sieht man das ähnlich: „Bis wirklich alle Marktakteure fit sein werden, planen wir gerade während der Umstellungsphase mit höheren Personalressourcen. Wir gehen davon aus, dass es vor allem in dieser Phase manuelle Eingriffe und viel bilaterale Abstimmung braucht.“ Besonders herausfordernd ist das, weil die AS4-Einführung nicht die einzige Änderung in der Marktkommunikation ist, die der Gesetzgeber zum 1. Oktober vorgesehen hat. Und weil Datenvolumen wie auch der Aufwand für die Datenpflege in den AS4-Lösungen nach Experteneinschätzung ohnehin deutlich höher liegen werden als bei den bisherigen Lösungen.

Für Mehrspartenunternehmen stellt sich außerdem auch über die Einführungsphase hinaus noch ein weiteres Problem: So ist die AS4-Einführung verpflichtend zwar für den Strom-, nicht aber für den Gasmarkt vorgesehen. Schon während der Konsultationsphase hatte unter anderem der EDNA Bundesverband angeregt, die Reform gleich auf beiden Märkten parallel durchzuführen: „Nach unserer Auffassung ist eine hundertprozentige Abdeckung auch im Gasbereich absolut sinnvoll. Denn wenn nur ein einziger Marktteilnehmer weiterhin auf den E-Mail-Verkehr setzt, bedeutet dies für alle betroffenen Werke, dass eine zweigleisige Infrastruktur aufrechterhalten werden muss − mit allen damit verbunden Aufwänden und Kosten“, hatte der Vorsitzende der EDNA-Projektgruppe bereits im Juni 2022 angeregt, verbunden ebenfalls mit der Forderung nach einem zentralen Verzeichnisdienst. Umgesetzt wurden die Anregungen bislang nicht.

Sechs Monate vor dem Go-live der neuen Systeme gibt es damit noch viele Fragezeichen bei allen Beteiligten. EDNA-Projektgruppenleiter Weiße hat angesichts dessen einen klaren Rat an die Marktakteure: „Die Projekte sollten in den Häusern unverzüglich gestartet und mit den Dienstleistern ein realistischer Zeitplan abgestimmt werden. Dabei sollten Cloudlösungen bevorzugt werden, da perspektivisch die Datenpflege für die AS4-Lösungen sehr aufwendig wird.“
 
Zeitstrahl des Umsetzungszeitraums 
Quelle: Bundesnetzagentur
 

Das Nachrichtenprotokoll AS4

AS4 (Applicability Statement 4) ist ein auf Webservices basierendes Nachrichtenprotokoll, um B2B-Nachrichten sicher zwischen Handelspartnern auszutauschen. Entwickelt wurde es von der Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS). Als Vorteile des AS4-Standards gelten
  • die Sicherung⁣ der⁣ Urheberschaft⁣ durch ⁣digitale ⁣Signaturen,
  • Datensicherheit ⁣durch⁣ Verschlüsselung,
  • der Beweis fristgerechter Zustellung durch digitale Empfangsquittung und
  • die Unterstützung für große Dateikompressionen und -übertragungen.
In Europa wird AS4 unter anderem bereits für die Kommunikation der Gasnetzbetreiber (ENTSOG) genutzt, die 2015 ein eigenes Nutzungsprofil definiert haben. Grundlage der Einführung im deutschen Strommarkt ist die Veröffentlichung der Festlegung zur künftigen Absicherung der elektronischen Marktkommunikation Strom durch die Bundesnetzagentur am 31. März 2022 (BK6-21-282).
 


 

Freitag, 21.04.2023, 08:48 Uhr
Katia Meyer-Tien

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