E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Politik - Verhandlungen über das „Tor zur Hölle“
Quelle: Europäische Union / Mario Salerno
Politik

Verhandlungen über das „Tor zur Hölle“

In Dubai wurde die bislang größte Klimakonferenz eröffnet, die COP 28. Mit rund 70.000 Teilnehmern ein vielleicht nicht nur klimaschonendes Ereignis.
 
Mit der fossilen Energiewirtschaft habe die Menschheit „das Tor zur Hölle“ geöffnet, sagt Uno-Generalsekretär Antonio Guterres. Es sei dringend geboten, es auf der bevorstehenden 28. Weltklimakonferenz zu schließen.

Auf der COP 28 in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) besteht Einigkeit, dass sich die Welt nicht auf dem Weg zu dem 2005 in Paris verkündeten Ziel befindet, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn die 198 Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen, die sogenannten NDC, ganz erfüllen, würde die Durchschnittstemperatur des Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts um mindestens 2,4 Grad steigen, wahrscheinlich eher um fast 3 Grad.

Ursula von der Leyen hat deswegen die Rückkehr auf den Weg zum 1,5-Grad-Ziel zum wichtigsten Ziel erklärt, das die EU auf der COP erreichen will. Wenn die Kommissionspräsidentin am 30. November an der Eröffnung der Konferenz teilnimmt, will sie sich dafür starkmachen, dass die Leistung der erneuerbaren Energien bis 2030 verdreifacht wird - auf 11 Millionen MW - und das Wachstum der Energieeffizienz verdoppelt - von heute 2 auf 4 Prozent pro Jahr.

Die Kommissionspräsidentin habe für diese Ziele bereits vor dem Beginn der COP die Unterstützung von rund 100 Vertragsstaaten, heißt es in Brüssel.
Damit würde auch der Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigt. Das Ende von Öl, Gas und Kohle soll nach dem Willen der Europäer so bald wie möglich erreicht werden. Das Europäische Parlament fordert darüber hinaus, alle Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 einzustellen.

Die EU fühlt sich weiter als Führungsmacht im Kampf gegen den Klimawandel. Mit dem Anspruch, ihre Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, wollen die Europäer den Rest der Welt davon überzeugen, vergleichbare Anstrengungen ins Auge zu fassen.

Die Bereitschaft dazu ist in den letzten Jahren aber nicht größer geworden, im Gegenteil: in Asien und Afrika wächst die Bereitschaft, in der Klimapolitik andere Wege zu gehen als die ehemaligen Kolonialmächte. Streit ist auf der COP28 also programmiert.

Erster Stein des Anstoßes, vor allem bei den Umwelt- und Klimaschützern, aber nicht nur bei ihnen, ist COP-Präsident Sultan Ahmad Al Jaber, Industrieminister der VAE und Chef der Nationalen Abu Dhabi Ölgesellschaft (Adnoc), die ihr Geld vorwiegend mit dem Verkauf fossiler Brennstoffe verdient. Manche sehen da einen offensichtlichen Interessenkonflikt.

Andererseits ist Al Jaber auch ein erfahrener Klimapolitiker. Er gilt als Initiator des Masdar-Projektes, einer Stadt, die völlig ohne fossile Energie auskommen soll. Er war an der Gründung der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (Irena) beteiligt und hat bereits an zahlreichen Klimakonferenzen teilgenommen. Klar ist aber auch: An der COP 28 werden voraussichtlich mehr Öl- und Gaslobbyisten teilnehmen als an den bisherigen Klimakonferenzen.

Ein wichtiges Thema in Dubai wird das Geld sein. In Brüssel freut man sich, dass am ersten Tag der COP 28 ein neuer Klimafonds aus der Taufe gehoben werden soll. Es geht um den lange umstrittenen „Schadensfonds“ für bereits eingetretene oder noch zu erwartende Klimaschäden, im Konferenzjargon: „loss and damage“. Es gebe genug Zusagen, um den Fonds zu starten, sagen EU-Diplomaten.

Die Verwaltung soll die Weltbank übernehmen, was manche Entwicklungsländer nicht erfreut. Über die Finanzierung gibt es noch keine Klarheit. Eine Verpflichtung, einzuzahlen, ist nicht vorgesehen. Die EU will auf jeden Fall einen Beitrag leisten, sagt aber noch nicht, wie viel.

Die Beiträge zum Klimafonds, in den die Industrieländer jedes Jahr 100 Milliarden Dollar einzahlen wollen, erreichen in diesem Jahr erstmals die vorgesehene Höhe. Rund 40 Milliarden davon stammen aus der EU.

Umstritten ist jedoch, wie es damit ab 2026 weitergeht. Die EU geht mit dem erklärten Ziel in die Verhandlungen, dass sich in Zukunft auch die Schwellenländer, allen voran China, an seiner Finanzierung beteiligen sollen. Die aufstrebenden Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika sehen weiter die Industrieländer in der Pflicht.

Der Streit ums Geld ist eng verbunden mit der Zukunft der fossilen Energie. Die Europäer wollen die Nutzung von Öl, Erdgas und Kohle von 2040 an nur noch erlauben, wenn das dabei entstehende Kohlendioxid nicht mehr freigesetzt, sondern eingelagert wird. Unterstützt werden sie dabei von der Internationalen Energieagentur (IEA), die den Einsatz von Öl und Gas mit CO2-Abscheidung (CCS) in den Entwicklungsländern für unverzichtbar hält. Klimaschützer halten das für unzureichend und bestehen darauf, die Nutzung der fossilen Brennstoffe ganz zu beenden.

Indien: Industrieländer sollen CO2-negativ werden

Umstritten ist dabei, ob sich alle Vertragsparteien zum definitiven Ausstieg („phase out“) oder nur zu einer Reduktion der fossilen Energie („phase down“) verpflichten sollen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer bestehen darauf, die fossile vorerst weiterzunutzen. Diese Position wird auch von Ölförderländern wie Saudi-Arabien oder den VAE geteilt, die sich nur auf einen langfristigen Ausstieg ohne verbindliche Zwischenziele einlassen wollen. 

Indien, einer der größten Treibhausgas-Emittenten weltweit, erwartet von den Industrieländern sogar, dass sie mehr CO2 einlagern, als sie ausstoßen („carbon-negative“), damit die Schwellenländer fossile Brennstoffe weiter nutzen können.

Die Konferenzleitung richtet ein besonderes Augenmerk auf die Zwischenbilanz der internationalen Klimapolitik: “Global Stock Take“ (GST) genannt. Weil die bislang geplanten Selbstverpflichtungen (NDC) der Vertragsstaaten nicht ausreichen, um das globale Klimaziel zu erreichen, suchen Al Jaber und sein Team nach Möglichkeiten, die Lücke zu schließen.

Grundlage dafür ist der Bericht des Klimasekretariates auf der Grundlage der eingereichten NDC von Ende September. Der kam zu dem Ergebnis, dass die Staaten ihre Treibhausgase schneller reduzieren müssen als geplant. Exekutivsekretär Simon Stiell rief die Mitgliedsstaaten auf, sich anspruchsvollere Ziele zu setzen und nicht bei guten Vorsätzen stehenzubleiben. Sie müssten auch deutlich machen, wie sie umgesetzt würden: „Unser Bericht zeigt, dass die Regierungen, insgesamt gesehen, nur Babyschritte machen, um die Klimakrise abzuwenden.“
 

Donnerstag, 30.11.2023, 09:40 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Politik - Verhandlungen über das „Tor zur Hölle“
Quelle: Europäische Union / Mario Salerno
Politik
Verhandlungen über das „Tor zur Hölle“
In Dubai wurde die bislang größte Klimakonferenz eröffnet, die COP 28. Mit rund 70.000 Teilnehmern ein vielleicht nicht nur klimaschonendes Ereignis.
 
Mit der fossilen Energiewirtschaft habe die Menschheit „das Tor zur Hölle“ geöffnet, sagt Uno-Generalsekretär Antonio Guterres. Es sei dringend geboten, es auf der bevorstehenden 28. Weltklimakonferenz zu schließen.

Auf der COP 28 in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) besteht Einigkeit, dass sich die Welt nicht auf dem Weg zu dem 2005 in Paris verkündeten Ziel befindet, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn die 198 Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen, die sogenannten NDC, ganz erfüllen, würde die Durchschnittstemperatur des Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts um mindestens 2,4 Grad steigen, wahrscheinlich eher um fast 3 Grad.

Ursula von der Leyen hat deswegen die Rückkehr auf den Weg zum 1,5-Grad-Ziel zum wichtigsten Ziel erklärt, das die EU auf der COP erreichen will. Wenn die Kommissionspräsidentin am 30. November an der Eröffnung der Konferenz teilnimmt, will sie sich dafür starkmachen, dass die Leistung der erneuerbaren Energien bis 2030 verdreifacht wird - auf 11 Millionen MW - und das Wachstum der Energieeffizienz verdoppelt - von heute 2 auf 4 Prozent pro Jahr.

Die Kommissionspräsidentin habe für diese Ziele bereits vor dem Beginn der COP die Unterstützung von rund 100 Vertragsstaaten, heißt es in Brüssel.
Damit würde auch der Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigt. Das Ende von Öl, Gas und Kohle soll nach dem Willen der Europäer so bald wie möglich erreicht werden. Das Europäische Parlament fordert darüber hinaus, alle Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 einzustellen.

Die EU fühlt sich weiter als Führungsmacht im Kampf gegen den Klimawandel. Mit dem Anspruch, ihre Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, wollen die Europäer den Rest der Welt davon überzeugen, vergleichbare Anstrengungen ins Auge zu fassen.

Die Bereitschaft dazu ist in den letzten Jahren aber nicht größer geworden, im Gegenteil: in Asien und Afrika wächst die Bereitschaft, in der Klimapolitik andere Wege zu gehen als die ehemaligen Kolonialmächte. Streit ist auf der COP28 also programmiert.

Erster Stein des Anstoßes, vor allem bei den Umwelt- und Klimaschützern, aber nicht nur bei ihnen, ist COP-Präsident Sultan Ahmad Al Jaber, Industrieminister der VAE und Chef der Nationalen Abu Dhabi Ölgesellschaft (Adnoc), die ihr Geld vorwiegend mit dem Verkauf fossiler Brennstoffe verdient. Manche sehen da einen offensichtlichen Interessenkonflikt.

Andererseits ist Al Jaber auch ein erfahrener Klimapolitiker. Er gilt als Initiator des Masdar-Projektes, einer Stadt, die völlig ohne fossile Energie auskommen soll. Er war an der Gründung der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (Irena) beteiligt und hat bereits an zahlreichen Klimakonferenzen teilgenommen. Klar ist aber auch: An der COP 28 werden voraussichtlich mehr Öl- und Gaslobbyisten teilnehmen als an den bisherigen Klimakonferenzen.

Ein wichtiges Thema in Dubai wird das Geld sein. In Brüssel freut man sich, dass am ersten Tag der COP 28 ein neuer Klimafonds aus der Taufe gehoben werden soll. Es geht um den lange umstrittenen „Schadensfonds“ für bereits eingetretene oder noch zu erwartende Klimaschäden, im Konferenzjargon: „loss and damage“. Es gebe genug Zusagen, um den Fonds zu starten, sagen EU-Diplomaten.

Die Verwaltung soll die Weltbank übernehmen, was manche Entwicklungsländer nicht erfreut. Über die Finanzierung gibt es noch keine Klarheit. Eine Verpflichtung, einzuzahlen, ist nicht vorgesehen. Die EU will auf jeden Fall einen Beitrag leisten, sagt aber noch nicht, wie viel.

Die Beiträge zum Klimafonds, in den die Industrieländer jedes Jahr 100 Milliarden Dollar einzahlen wollen, erreichen in diesem Jahr erstmals die vorgesehene Höhe. Rund 40 Milliarden davon stammen aus der EU.

Umstritten ist jedoch, wie es damit ab 2026 weitergeht. Die EU geht mit dem erklärten Ziel in die Verhandlungen, dass sich in Zukunft auch die Schwellenländer, allen voran China, an seiner Finanzierung beteiligen sollen. Die aufstrebenden Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika sehen weiter die Industrieländer in der Pflicht.

Der Streit ums Geld ist eng verbunden mit der Zukunft der fossilen Energie. Die Europäer wollen die Nutzung von Öl, Erdgas und Kohle von 2040 an nur noch erlauben, wenn das dabei entstehende Kohlendioxid nicht mehr freigesetzt, sondern eingelagert wird. Unterstützt werden sie dabei von der Internationalen Energieagentur (IEA), die den Einsatz von Öl und Gas mit CO2-Abscheidung (CCS) in den Entwicklungsländern für unverzichtbar hält. Klimaschützer halten das für unzureichend und bestehen darauf, die Nutzung der fossilen Brennstoffe ganz zu beenden.

Indien: Industrieländer sollen CO2-negativ werden

Umstritten ist dabei, ob sich alle Vertragsparteien zum definitiven Ausstieg („phase out“) oder nur zu einer Reduktion der fossilen Energie („phase down“) verpflichten sollen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer bestehen darauf, die fossile vorerst weiterzunutzen. Diese Position wird auch von Ölförderländern wie Saudi-Arabien oder den VAE geteilt, die sich nur auf einen langfristigen Ausstieg ohne verbindliche Zwischenziele einlassen wollen. 

Indien, einer der größten Treibhausgas-Emittenten weltweit, erwartet von den Industrieländern sogar, dass sie mehr CO2 einlagern, als sie ausstoßen („carbon-negative“), damit die Schwellenländer fossile Brennstoffe weiter nutzen können.

Die Konferenzleitung richtet ein besonderes Augenmerk auf die Zwischenbilanz der internationalen Klimapolitik: “Global Stock Take“ (GST) genannt. Weil die bislang geplanten Selbstverpflichtungen (NDC) der Vertragsstaaten nicht ausreichen, um das globale Klimaziel zu erreichen, suchen Al Jaber und sein Team nach Möglichkeiten, die Lücke zu schließen.

Grundlage dafür ist der Bericht des Klimasekretariates auf der Grundlage der eingereichten NDC von Ende September. Der kam zu dem Ergebnis, dass die Staaten ihre Treibhausgase schneller reduzieren müssen als geplant. Exekutivsekretär Simon Stiell rief die Mitgliedsstaaten auf, sich anspruchsvollere Ziele zu setzen und nicht bei guten Vorsätzen stehenzubleiben. Sie müssten auch deutlich machen, wie sie umgesetzt würden: „Unser Bericht zeigt, dass die Regierungen, insgesamt gesehen, nur Babyschritte machen, um die Klimakrise abzuwenden.“
 

Donnerstag, 30.11.2023, 09:40 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.