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Energie & Management > Aus Der Zeitung - Spaß an der Transformation
Quelle: E&M
Aus Der Zeitung

Spaß an der Transformation

Zur E&M-Energiemanagerkonferenz trafen sich Expertinnen und Experten in Berlin. Die Diskussionen einte eine Aufbruchstimmung in Richtung Wasserstoff.
Wasserstoff gilt als Schlüssel, um künftig mit weniger oder ohne fossile Brennstoffe die Industrie und die Energieversorgung zu sichern. Mittels Elektrolyse kann Wasserstoff aus erneuerbarem Strom und damit klimaneutral („grün“) erzeugt werden. Dafür fehlen aktuell aber noch genug Strom, Elektrolyseure und Leitungen, um Wasserstoff zu den Abnehmern zu transportieren. Darum war die Umsetzung der Wasserstoffstrategie Thema auf der Berliner E&M-Energiemanagerkonferenz am 20. September. Gasag-Vorstand Matthias Trunk bekam Beifall für seinen Aufruf: „Eine Transformation kann auch viel Spaß machen“.

Axel Bree vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sprach über die ehrgeizigen Wasserstoffpläne der Bundesregierung. Der Leiter des Referats Förderprogramme Dekarbonisierung der Industrie und Klimaschutzverträge im BMWK nannte die Aktualisierung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) vom Sommer als Referenz. Darin hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, statt 5.000 MW Erzeugungskapazität für Wasserstoff in Deutschland bis 2030 schon 10.000 MW zu errichten. Die Elektrolyseure würde nicht der Staat errichten, sie sollten durch die Wirtschaft gebaut und betrieben werden, mit Rahmenbedingungen der Politik.

Für die „Wichtigen Projekte gegenseitigen europäischen Interesses“ (IPCEI) habe es durchaus reges Interesse gegeben, von 270 Bewerbungen konnten 60 ausgewählt wurden. Dieses Programm sei jetzt abgeschlossen, aber eine Ausschreibung von Elektrolyseuren für 500 MW Leistung komme und auch in anderen Programmen für die Dekarbonisierung der Industrie würden Elektrolyseure gefördert, sagte Bree. Der eigentliche Flaschenhals sei der Transport des erneuerbaren Stroms insbesondere in die südlichen Bundesländer, weshalb der Leitungsausbau beschleunigt werden müsse, was aktuell auch noch durch fehlende Genehmigungen und umstrittene Trassenverläufe verzögert werde. Hier müssten die Länder und Kommunen mitarbeiten, appellierte Bree.

Lange Debatten in der EU

Prof. Christian Held von der Energiekanzlei Becker Büttner Held (BBH) nannte die Regulierung des Netzausbaus oder der Umwidmung von Erdgasleitungen für Wasserstoff als aktuell in der EU diskutiertes Thema. Im Trilogverfahren sei dank des Europäischen Parlaments inzwischen ein Ausweg in Sicht, sodass das Unbundling nach dem Gasnetzbetreiber keine Wasserstoffleitungen betreiben dürfen, „vom Tisch“ sein könnte. Eine Entscheidung sollte bis Ende des Jahres fallen. „Es fehlt nicht an Erkenntnis, wir brauchen einen konsistenten Rechtsrahmen“, forderte Held. Er hoffe aber auf den Druck des Faktischen für das nötige Tempo der Entscheidungen.

Problematischer sei noch das Vorhaben der EU, für beide Gase unterschiedliche Gesellschaften vorzuschreiben, da im Übergang Wasserstoff sinnvollerweise dem Erdgas beigemischt werden sollte, gab Held zu bedenken. Das mache es auch notwendig, verlässliche Zertifikate besonders für grünen Wasserstoff zu definieren. Im Herkunftsnachweisregistergesetz plane die Bundesregierung bereits eine solche Regelung. Sie würde es ermöglichen, ähnlich wie heute beim Öko-Strom bilanziell klimaneutrale Gase einzukaufen, auch wenn vor Ort aus der Leitung noch Erdgas kommt.

Für die Enertrag beklagte der Vorstandsvorsitzende Gunar Hering die langen Entscheidungswege von rund zwei Jahren, bis Anträge entschieden werden. Andere Länder wie die USA und Saudi-Arabien hätten klare und schnelle Förderregeln, wodurch Unternehmen in Deutschland benachteiligt seien. „Bis 2030 ist nicht mehr viel Zeit und auch die Umsetzung der Projekte dauert Jahre“, mahnte der Preisträger des E&M-Energiemanagers 2022. Die Entwicklung eines eigenen erneuerbar dominierten Stromsystems und einer Wasserstoffwirtschaft habe die Chance, weniger Abhängigkeit und mehr Sicherheit für Deutschland und Europa zu erreichen.

BASF startet schon

„Wir haben einen Bedarf von 200.000 t Wasserstoff jährlich, allein in der stofflichen Nutzung, nicht als Energieträger“, sagte Thomas Riede, Vizepräsident der BASF, allein für den Standort Ludwigshafen. Um diese Mengen zu bekommen, sei eine Pipeline nötig, weshalb sein Unternehmen froh sei über das jetzt beschlossene Wasserstoffkernnetz der Bundesregierung. Allerdings werde es frühestens 2028 in Betrieb gehen und voraussichtlich nicht genug liefern können.

Daher habe sein Unternehmen beschlossen, die Versorgung zu diversifizieren. Wasserstoff soll auch aus anderen Quellen beschafft werden. So baue BASF selbst eine Pyrolyseanlage und einen Elektrolyseur. Allein der Bau des Elektrolyseurs brauche fünf Jahre: „Wir können nicht warten, bis alles fertig ist und müssen schon jetzt starten“, sagte der Industrievertreter. Auch „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas verbessere die aktuelle Klimabilanz seines Unternehmens. Er hofft bis 2030 auf das fertige Wasserstoffkernnetz in Deutschland mit einer Verknüpfung zum Hafen von Rotterdam, möglicherweise auch nach Dänemark und Frankreich.

Für die Hauptstadt hätten sich die Gasag und Partner verpflichtet, ein erstes Wasserstoffnetz aufzubauen, das zunächst die Kraftwerke anschließen werde, sagte Vorstand Matthias Trunk. „Das ist eine Vorinvestition, das ist nicht im Rahmen der Regulierung zu machen“, sagte Trunk. Erst gegen 2030, wenn der erste Wasserstoff fließe, könne man Geld zurückverdienen, daher benötigen die Beteiligten einen langen Atem. Es werde auch Erdgasleitungen im Verteilnetz geben, die außer Betrieb gehen, weil man in diesen Gebäuden oder Vierteln die Wärmeversorgung elektrifizieren kann.

 
Quelle: E&M/Angela Regenbrecht

Wo genau auf welche Energiequelle gesetzt werde im Rahmen des Klimaschutzes und der Ablösung fossiler Brennstoffe, lasse sich derzeit noch nicht absehen. Zudem sei die Gasag in Berlin nur einer von vielen Beteiligten, anders als in einer kleineren Kommune, wo Strom-, Gas- und Wärmeversorgung bei einem Stadtwerk liegen. Trunk plädierte dafür, mit der Wasserstoffversorgung bei den Großverbrauchern zu beginnen, die nicht anders von fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Erdgas wegkommen können.

Schweinfurt habe mehr Arbeitsplätze als Einwohner, beschrieb der Geschäftsführer der Stadtwerke, Thomas Kästner. Durch die Kugel- und Wälzlagerproduktion habe die Stadt einen großen Energiebedarf, der früher vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld erzeugt wurde und künftig über eine neue Stromleitung (Südlink) hauptsächlich durch Nordseewindkraft.

Sein Unternehmen unterstütze die kommunale Wärmeplanung, in die auch industrielle Abwärmenutzung einbezogen werden könne. Ein kohlebetriebenes Heizkraftwerk soll durch erneuerbare Energien abgelöst werden, wofür die Planungen gerade liefen. Nicht zuletzt sei auch die große Qualität der Wasserversorgung in Deutschland ein wichtiger Standortfaktor, erinnerte Kästner: „Industrie braucht Wasser und auch Wasserstoff benötigt Wasser als Ausgangsstoff“.

Für die Südzucker AG beschrieb Ingo Klenk, Head of Corporate Climate, Environment, Health & Safety, wie eigene Reststoffe genutzt werden. 80 Prozent des Energiebedarfs seines Unternehmens entfallen auf Wärme, nur 20 Prozent auf Strom. Reststoffe wie Zuckerrübenhackschnitzel können Erdgas als Brennstoff teilweise ersetzen. Außerdem ließen sich aus pflanzlichen Reststoffen der Produktion durch Fermentierung auch Biogas, Äthanol oder Wasserstoff gewinnen. Dem stünden allerdings aktuell noch Regeln der Abfallverwertung entgegen, bedauerte Klenk.

Montag, 2.10.2023, 08:48 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Zeitung - Spaß an der Transformation
Quelle: E&M
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Zur E&M-Energiemanagerkonferenz trafen sich Expertinnen und Experten in Berlin. Die Diskussionen einte eine Aufbruchstimmung in Richtung Wasserstoff.
Wasserstoff gilt als Schlüssel, um künftig mit weniger oder ohne fossile Brennstoffe die Industrie und die Energieversorgung zu sichern. Mittels Elektrolyse kann Wasserstoff aus erneuerbarem Strom und damit klimaneutral („grün“) erzeugt werden. Dafür fehlen aktuell aber noch genug Strom, Elektrolyseure und Leitungen, um Wasserstoff zu den Abnehmern zu transportieren. Darum war die Umsetzung der Wasserstoffstrategie Thema auf der Berliner E&M-Energiemanagerkonferenz am 20. September. Gasag-Vorstand Matthias Trunk bekam Beifall für seinen Aufruf: „Eine Transformation kann auch viel Spaß machen“.

Axel Bree vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sprach über die ehrgeizigen Wasserstoffpläne der Bundesregierung. Der Leiter des Referats Förderprogramme Dekarbonisierung der Industrie und Klimaschutzverträge im BMWK nannte die Aktualisierung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) vom Sommer als Referenz. Darin hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, statt 5.000 MW Erzeugungskapazität für Wasserstoff in Deutschland bis 2030 schon 10.000 MW zu errichten. Die Elektrolyseure würde nicht der Staat errichten, sie sollten durch die Wirtschaft gebaut und betrieben werden, mit Rahmenbedingungen der Politik.

Für die „Wichtigen Projekte gegenseitigen europäischen Interesses“ (IPCEI) habe es durchaus reges Interesse gegeben, von 270 Bewerbungen konnten 60 ausgewählt wurden. Dieses Programm sei jetzt abgeschlossen, aber eine Ausschreibung von Elektrolyseuren für 500 MW Leistung komme und auch in anderen Programmen für die Dekarbonisierung der Industrie würden Elektrolyseure gefördert, sagte Bree. Der eigentliche Flaschenhals sei der Transport des erneuerbaren Stroms insbesondere in die südlichen Bundesländer, weshalb der Leitungsausbau beschleunigt werden müsse, was aktuell auch noch durch fehlende Genehmigungen und umstrittene Trassenverläufe verzögert werde. Hier müssten die Länder und Kommunen mitarbeiten, appellierte Bree.

Lange Debatten in der EU

Prof. Christian Held von der Energiekanzlei Becker Büttner Held (BBH) nannte die Regulierung des Netzausbaus oder der Umwidmung von Erdgasleitungen für Wasserstoff als aktuell in der EU diskutiertes Thema. Im Trilogverfahren sei dank des Europäischen Parlaments inzwischen ein Ausweg in Sicht, sodass das Unbundling nach dem Gasnetzbetreiber keine Wasserstoffleitungen betreiben dürfen, „vom Tisch“ sein könnte. Eine Entscheidung sollte bis Ende des Jahres fallen. „Es fehlt nicht an Erkenntnis, wir brauchen einen konsistenten Rechtsrahmen“, forderte Held. Er hoffe aber auf den Druck des Faktischen für das nötige Tempo der Entscheidungen.

Problematischer sei noch das Vorhaben der EU, für beide Gase unterschiedliche Gesellschaften vorzuschreiben, da im Übergang Wasserstoff sinnvollerweise dem Erdgas beigemischt werden sollte, gab Held zu bedenken. Das mache es auch notwendig, verlässliche Zertifikate besonders für grünen Wasserstoff zu definieren. Im Herkunftsnachweisregistergesetz plane die Bundesregierung bereits eine solche Regelung. Sie würde es ermöglichen, ähnlich wie heute beim Öko-Strom bilanziell klimaneutrale Gase einzukaufen, auch wenn vor Ort aus der Leitung noch Erdgas kommt.

Für die Enertrag beklagte der Vorstandsvorsitzende Gunar Hering die langen Entscheidungswege von rund zwei Jahren, bis Anträge entschieden werden. Andere Länder wie die USA und Saudi-Arabien hätten klare und schnelle Förderregeln, wodurch Unternehmen in Deutschland benachteiligt seien. „Bis 2030 ist nicht mehr viel Zeit und auch die Umsetzung der Projekte dauert Jahre“, mahnte der Preisträger des E&M-Energiemanagers 2022. Die Entwicklung eines eigenen erneuerbar dominierten Stromsystems und einer Wasserstoffwirtschaft habe die Chance, weniger Abhängigkeit und mehr Sicherheit für Deutschland und Europa zu erreichen.

BASF startet schon

„Wir haben einen Bedarf von 200.000 t Wasserstoff jährlich, allein in der stofflichen Nutzung, nicht als Energieträger“, sagte Thomas Riede, Vizepräsident der BASF, allein für den Standort Ludwigshafen. Um diese Mengen zu bekommen, sei eine Pipeline nötig, weshalb sein Unternehmen froh sei über das jetzt beschlossene Wasserstoffkernnetz der Bundesregierung. Allerdings werde es frühestens 2028 in Betrieb gehen und voraussichtlich nicht genug liefern können.

Daher habe sein Unternehmen beschlossen, die Versorgung zu diversifizieren. Wasserstoff soll auch aus anderen Quellen beschafft werden. So baue BASF selbst eine Pyrolyseanlage und einen Elektrolyseur. Allein der Bau des Elektrolyseurs brauche fünf Jahre: „Wir können nicht warten, bis alles fertig ist und müssen schon jetzt starten“, sagte der Industrievertreter. Auch „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas verbessere die aktuelle Klimabilanz seines Unternehmens. Er hofft bis 2030 auf das fertige Wasserstoffkernnetz in Deutschland mit einer Verknüpfung zum Hafen von Rotterdam, möglicherweise auch nach Dänemark und Frankreich.

Für die Hauptstadt hätten sich die Gasag und Partner verpflichtet, ein erstes Wasserstoffnetz aufzubauen, das zunächst die Kraftwerke anschließen werde, sagte Vorstand Matthias Trunk. „Das ist eine Vorinvestition, das ist nicht im Rahmen der Regulierung zu machen“, sagte Trunk. Erst gegen 2030, wenn der erste Wasserstoff fließe, könne man Geld zurückverdienen, daher benötigen die Beteiligten einen langen Atem. Es werde auch Erdgasleitungen im Verteilnetz geben, die außer Betrieb gehen, weil man in diesen Gebäuden oder Vierteln die Wärmeversorgung elektrifizieren kann.

 
Quelle: E&M/Angela Regenbrecht

Wo genau auf welche Energiequelle gesetzt werde im Rahmen des Klimaschutzes und der Ablösung fossiler Brennstoffe, lasse sich derzeit noch nicht absehen. Zudem sei die Gasag in Berlin nur einer von vielen Beteiligten, anders als in einer kleineren Kommune, wo Strom-, Gas- und Wärmeversorgung bei einem Stadtwerk liegen. Trunk plädierte dafür, mit der Wasserstoffversorgung bei den Großverbrauchern zu beginnen, die nicht anders von fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Erdgas wegkommen können.

Schweinfurt habe mehr Arbeitsplätze als Einwohner, beschrieb der Geschäftsführer der Stadtwerke, Thomas Kästner. Durch die Kugel- und Wälzlagerproduktion habe die Stadt einen großen Energiebedarf, der früher vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld erzeugt wurde und künftig über eine neue Stromleitung (Südlink) hauptsächlich durch Nordseewindkraft.

Sein Unternehmen unterstütze die kommunale Wärmeplanung, in die auch industrielle Abwärmenutzung einbezogen werden könne. Ein kohlebetriebenes Heizkraftwerk soll durch erneuerbare Energien abgelöst werden, wofür die Planungen gerade liefen. Nicht zuletzt sei auch die große Qualität der Wasserversorgung in Deutschland ein wichtiger Standortfaktor, erinnerte Kästner: „Industrie braucht Wasser und auch Wasserstoff benötigt Wasser als Ausgangsstoff“.

Für die Südzucker AG beschrieb Ingo Klenk, Head of Corporate Climate, Environment, Health & Safety, wie eigene Reststoffe genutzt werden. 80 Prozent des Energiebedarfs seines Unternehmens entfallen auf Wärme, nur 20 Prozent auf Strom. Reststoffe wie Zuckerrübenhackschnitzel können Erdgas als Brennstoff teilweise ersetzen. Außerdem ließen sich aus pflanzlichen Reststoffen der Produktion durch Fermentierung auch Biogas, Äthanol oder Wasserstoff gewinnen. Dem stünden allerdings aktuell noch Regeln der Abfallverwertung entgegen, bedauerte Klenk.

Montag, 2.10.2023, 08:48 Uhr
Susanne Harmsen

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