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Energie & Management > Wärme - Preise eher hoch als runter: Fernwärme bleibt Aufregerthema
Quelle: Fotolia / Detlef
Wärme

Preise eher hoch als runter: Fernwärme bleibt Aufregerthema

Das Aufregerthema kennt auch ungewöhnliche Schlagzeilen: „Fernwärme wird billiger“ ist so eine. Meist schrecken Haushalte aber wegen höherer Rechnungen auf. Das Kartellamt schaut hin.
Um das Vierfache gestiegene Preise oder aber ein Rabatt. Kaum ein Energiebereich kennt republikweit derzeit so unterschiedliche Kostenstrukturen wie die Fernwärme, an die in Deutschland etwa 15 Prozent der Haushalte und etliche Industrieunternehmen angeschlossen sind. Zwischen Aufschlag zum Beispiel in Münster und Nachlass in Hannover bewegen sich die Nachrichten der Versorger. Die Monopole bei dieser Art der Wärmelieferung beschäftigt Verbraucherschützer ebenso wie das Kartellamt.

Enercity in Hannover hat rückwirkend zum 1. Januar einen Nachlass festgesetzt. Auf Nachfrage beim Unternehmen erklärt ein Sprecher, dass es sich um einen effektiven Rabatt zum Beispiel auf den Arbeitspreis handele und nicht um einen Verzicht auf eine Preiserhöhung. Die wäre grundsätzlich möglich gewesen, aufgrund der komplexen Preisformel und vor dem Hintergrund gestiegener Gas- und Strompreisindizes. Enercity wolle dem allerdings aktiv entgegenwirken.

Damit bewegt die Entlastung sich aufs Jahr gerechnet zwischen 148 und 225 Euro, beispielhaft für eine 70 Quadratmeter große Wohnung bei 7.700 kWh Verbrauch beziehungsweise für einen vierköpfigen Haushalt und etwa 10.000 kWh. Anders ist die Preislage in vielen anderen Regionen. Die Stadtwerke Münster hatten gerade wortreich um Entschuldigung gebeten, weil sie den übernommenen Fernwärmekunden des ehemaligen Partnerunternehmens Westfälische Fernwärme versehentlich falsche Abschlagsbescheide ins Haus geschickt hatten.

Auf die Entschuldigung folgte für einige Haushalte die Ernüchterung. Auch die korrigierten Abschlagsrechnungen „enthalten deutlich höhere Abschläge als noch im Vorjahr“, teilen die Münsteraner auf ihrer Website mit. Die Stadtwerke begründen dies zum einen mit den verspätet wirksamen Preiserhöhungen, die das Krisenjahr 2022 ausgelöst habe. Die Preisbremse deckele die kWh für 8 Prozent des Verbrauchs bei 9,5 Cent, eigentlich liege der Preis jedoch bei 13,305 Cent.

Zum anderen seien in die jetzigen Abschläge nur die verbrauchsstarken Wintermonate eingerechnet. Die dämpfend wirkenden wärmeren Monate würden erst im nächsten Abschlagsplan berücksichtigt, so die Stadtwerke. Finanziell stark belasteten Haushalten bietet der Versorger gleichwohl diskrete Gespräche an, um akute Sorgen zu lindern.

Kein Wettbewerb

Das Bundeskartellamt schaut bei Preiserhöhungen im Fernwärme-Bereich genau hin. Denn in den einzelnen Kommunen gibt es keinen Wettbewerb. Die Investitionen sind hoch, die örtlichen Versorger stehen bei der Wärmelieferung und dem Ausbau der Infrastruktur ohne Konkurrenz da. Mitte November 2023 hatte das Kartellamt bekannt gegeben, in vier Bundesländern gegen sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 zu ermitteln.

Die Behörde nimmt dann Untersuchungen auf, wenn höhere Preise unbegründet erscheinen. Also wenn zur Begründung ein erhöhter Gaspreis dient, obwohl die Fernwärme auch aus anderen Energiequellen wie Holz, Müll oder erneuerbaren Energien stammt.

Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf einem Branchentag Änderungen an der Fernwärmeverordnung in Aussicht gestellt (wir berichteten). Auch eine Plattform der Fernwärmeversorger, die eine Kostenübersicht liefern soll, sowie einen Schlichtungsmechanismus begrüßte der Minister.

Vorschläge für eine neue Berechnungsgrundlage

Für den Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) mahnte Präsident Hansjörg Roll bei der selben Gelegenheit regulatorische Änderungen auch aus einem anderen Grund an. Die Wärmelieferverordnung verlangt derzeit noch eine Kostenneutralität, wenn auf die letzte Art der Eigenversorgung die Fernwärme folgt. Dies bremse den Ausbau der Fernwärme massiv aus, so Hansjörg Roll. Robert Habeck erntete Zustimmung mit der Überlegung, bald Vorschläge für eine neue Berechnungsgrundlage bei der Fernwärme zu machen, um fossile Energieträger nicht länger als preisbildend wirken zu lassen.

Während eine Reform hier wohl auch höhere Endpreise nicht ausschließen würde, arbeiten Verbraucherschutzorganisationen unterdessen an Möglichkeiten, höhere Kosten für Haushalte möglichst zu verhindern. „Die Fernwärme ist der Bereich, in dem wir am meisten Ärger mitbekommen“, sagt Thomas Zwingmann auf Anfrage unserer Redaktion. Der Leiter der Gruppe Energie und Klima bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen moniert vor allem die für viele schwer nachvollziehbaren Preiserhöhungen.

„Unsere Wunschvorstellung ist, Bedingungen und Konditionen für Fernwärme so attraktiv zu gestalten, dass Menschen freiwillig Verträge abschließen.“ Damit nimmt Thomas Zwingmann Bezug auf die Möglichkeit der Kommunen, wie beim Wasser oder Abfall einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme-Gebiete festzulegen. Grundsätzlich stünden die Verbraucherzentralen der Fernwärme positiv gegenüber. „Es gibt nur leider auch Anbieter, die ihre Marktmacht missbrauchen.“ Mehr Transparenz über die Preise in der Republik könnte ein erster Schritt dagegen sein.

Dienstag, 6.02.2024, 16:59 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Wärme - Preise eher hoch als runter: Fernwärme bleibt Aufregerthema
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Wärme
Preise eher hoch als runter: Fernwärme bleibt Aufregerthema
Das Aufregerthema kennt auch ungewöhnliche Schlagzeilen: „Fernwärme wird billiger“ ist so eine. Meist schrecken Haushalte aber wegen höherer Rechnungen auf. Das Kartellamt schaut hin.
Um das Vierfache gestiegene Preise oder aber ein Rabatt. Kaum ein Energiebereich kennt republikweit derzeit so unterschiedliche Kostenstrukturen wie die Fernwärme, an die in Deutschland etwa 15 Prozent der Haushalte und etliche Industrieunternehmen angeschlossen sind. Zwischen Aufschlag zum Beispiel in Münster und Nachlass in Hannover bewegen sich die Nachrichten der Versorger. Die Monopole bei dieser Art der Wärmelieferung beschäftigt Verbraucherschützer ebenso wie das Kartellamt.

Enercity in Hannover hat rückwirkend zum 1. Januar einen Nachlass festgesetzt. Auf Nachfrage beim Unternehmen erklärt ein Sprecher, dass es sich um einen effektiven Rabatt zum Beispiel auf den Arbeitspreis handele und nicht um einen Verzicht auf eine Preiserhöhung. Die wäre grundsätzlich möglich gewesen, aufgrund der komplexen Preisformel und vor dem Hintergrund gestiegener Gas- und Strompreisindizes. Enercity wolle dem allerdings aktiv entgegenwirken.

Damit bewegt die Entlastung sich aufs Jahr gerechnet zwischen 148 und 225 Euro, beispielhaft für eine 70 Quadratmeter große Wohnung bei 7.700 kWh Verbrauch beziehungsweise für einen vierköpfigen Haushalt und etwa 10.000 kWh. Anders ist die Preislage in vielen anderen Regionen. Die Stadtwerke Münster hatten gerade wortreich um Entschuldigung gebeten, weil sie den übernommenen Fernwärmekunden des ehemaligen Partnerunternehmens Westfälische Fernwärme versehentlich falsche Abschlagsbescheide ins Haus geschickt hatten.

Auf die Entschuldigung folgte für einige Haushalte die Ernüchterung. Auch die korrigierten Abschlagsrechnungen „enthalten deutlich höhere Abschläge als noch im Vorjahr“, teilen die Münsteraner auf ihrer Website mit. Die Stadtwerke begründen dies zum einen mit den verspätet wirksamen Preiserhöhungen, die das Krisenjahr 2022 ausgelöst habe. Die Preisbremse deckele die kWh für 8 Prozent des Verbrauchs bei 9,5 Cent, eigentlich liege der Preis jedoch bei 13,305 Cent.

Zum anderen seien in die jetzigen Abschläge nur die verbrauchsstarken Wintermonate eingerechnet. Die dämpfend wirkenden wärmeren Monate würden erst im nächsten Abschlagsplan berücksichtigt, so die Stadtwerke. Finanziell stark belasteten Haushalten bietet der Versorger gleichwohl diskrete Gespräche an, um akute Sorgen zu lindern.

Kein Wettbewerb

Das Bundeskartellamt schaut bei Preiserhöhungen im Fernwärme-Bereich genau hin. Denn in den einzelnen Kommunen gibt es keinen Wettbewerb. Die Investitionen sind hoch, die örtlichen Versorger stehen bei der Wärmelieferung und dem Ausbau der Infrastruktur ohne Konkurrenz da. Mitte November 2023 hatte das Kartellamt bekannt gegeben, in vier Bundesländern gegen sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 zu ermitteln.

Die Behörde nimmt dann Untersuchungen auf, wenn höhere Preise unbegründet erscheinen. Also wenn zur Begründung ein erhöhter Gaspreis dient, obwohl die Fernwärme auch aus anderen Energiequellen wie Holz, Müll oder erneuerbaren Energien stammt.

Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf einem Branchentag Änderungen an der Fernwärmeverordnung in Aussicht gestellt (wir berichteten). Auch eine Plattform der Fernwärmeversorger, die eine Kostenübersicht liefern soll, sowie einen Schlichtungsmechanismus begrüßte der Minister.

Vorschläge für eine neue Berechnungsgrundlage

Für den Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) mahnte Präsident Hansjörg Roll bei der selben Gelegenheit regulatorische Änderungen auch aus einem anderen Grund an. Die Wärmelieferverordnung verlangt derzeit noch eine Kostenneutralität, wenn auf die letzte Art der Eigenversorgung die Fernwärme folgt. Dies bremse den Ausbau der Fernwärme massiv aus, so Hansjörg Roll. Robert Habeck erntete Zustimmung mit der Überlegung, bald Vorschläge für eine neue Berechnungsgrundlage bei der Fernwärme zu machen, um fossile Energieträger nicht länger als preisbildend wirken zu lassen.

Während eine Reform hier wohl auch höhere Endpreise nicht ausschließen würde, arbeiten Verbraucherschutzorganisationen unterdessen an Möglichkeiten, höhere Kosten für Haushalte möglichst zu verhindern. „Die Fernwärme ist der Bereich, in dem wir am meisten Ärger mitbekommen“, sagt Thomas Zwingmann auf Anfrage unserer Redaktion. Der Leiter der Gruppe Energie und Klima bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen moniert vor allem die für viele schwer nachvollziehbaren Preiserhöhungen.

„Unsere Wunschvorstellung ist, Bedingungen und Konditionen für Fernwärme so attraktiv zu gestalten, dass Menschen freiwillig Verträge abschließen.“ Damit nimmt Thomas Zwingmann Bezug auf die Möglichkeit der Kommunen, wie beim Wasser oder Abfall einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme-Gebiete festzulegen. Grundsätzlich stünden die Verbraucherzentralen der Fernwärme positiv gegenüber. „Es gibt nur leider auch Anbieter, die ihre Marktmacht missbrauchen.“ Mehr Transparenz über die Preise in der Republik könnte ein erster Schritt dagegen sein.

Dienstag, 6.02.2024, 16:59 Uhr
Volker Stephan

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