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Energie & Management > Österreich - Pipeline-Streit mit Hintergründen
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Pipeline-Streit mit Hintergründen

Die Unstimmigkeiten um die Finanzierung des Gaspipeline-Projekts „WAG Loop 1“ sind nur ein weiterer energiepolitischer Streitpunkt der Regierungskoalition aus Konservativen und Grünen.
Formell geht es um ein Stück Gaspipeline mit gerade einmal 40 Kilometern Länge: den „WAG Loop 1“ zwischen Oberkappel an der deutsch-österreichischen Grenze bis Bad Leonfelden etwa 30 Kilometer nördlich von Linz. Der Fernleitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA) plant, das Projekt bis 2027 umzusetzen.

Dieses dient dazu, die Kapazitäten für Gastransite zwischen Deutschland und Österreich auf der insgesamt rund 245 Kilometer langen West-Austria-Gasleitung (WAG) um rund 30 Prozent oder 27 Milliarden kWh pro Jahr zu erhöhen. Dies würde Importe von Gas aus Nordwesteuropa nach Österreich erleichtern und damit die Abhängigkeit von Russland verringern. Auch ist der Loop die Voraussetzung für den weiteren Ausbau des österreichischen Fernleitungsnetzes im Hinblick auf die künftige Einfuhr von (grünem) Wasserstoff. Die Genehmigung seitens der Regulierungsbehörde E-Control liegt im Rahmen des „Koordinierten Netzentwicklungsplans“ (Knep) für den Zeitraum 2023 bis 2032 vor.

Unklar ist allerdings, wie sich die zur Finanzierung des „WAG Loop 1“ notwendigen etwa 180 Millionen Euro aufbringen lassen. Nach Angaben der GCA liegen keine ausreichenden Kapazitätsbuchungen seitens der Gasversorger vor, „da die aktuelle Nachfrage mit den bestehenden Kapazitäten gedeckt werden kann und das Projekt in erster Linie auf die künftige Versorgungssicherheit ausgerichtet ist.“ Somit bestehe für die GCA selbst „ein erhebliches finanzielles Risiko“ bei der Realisierung des „WAG Loop 1“. Als wünschenswert erachtet das Unternehmen daher „staatliche Garantien oder Förderungen“, wie sie etwa in Deutschland sowie Kroatien existieren.

Fraglich ist, ob solche nicht ohnedies vorhanden sind. Im Genehmigungsbescheid der E-Control zum Knep heißt es, mit dessen Billigung sei die „Anerkennung der mit der Umsetzung von vorgesehenen Maßnahmen verbundenen angemessenen Kosten bei der Festsetzung der Systemnutzungsentgelte“ verknüpft. Anders gesagt: Indem die Behörde die im Knep aufgelisteten Projekte genehmigt, verpflichtet sie sich, die Gasnetztarife so festzusetzen, dass deren Finanzierung gesichert ist.

Überdies heißt es im Gaswirtschaftsgesetz (GWG) sinngemäß, dass in diesem enthaltene Vorhaben binnen drei Jahren umzusetzen oder zumindest anzugehen sind. Erfolgt dies nicht, hat die E-Control den jeweiligen Fernleitungsbetreiber „zur Durchführung der betreffenden Investition“ aufzufordern. Auch kann sie von ihm eine Kapitalerhöhung für die Investition verlangen oder das Projekt öffentlich ausschreiben. Macht die E-Control von ihren diesbezüglichen Befugnissen Gebrauch, „so werden die angemessenen Kosten der Investitionen berücksichtigt“, bestimmt das GWG.

Fehlender Wille

Wie auch immer: Mit etwas gutem politischem Willen ließe sich die von der GCA gewünschte darüber hinaus gehende staatliche Unterstützung bei der Finanzierung des „WAG Loop 1“ wohl sicherstellen. Doch das Bestehen dieses Willens ist zweifelhaft: In der Bundesregierung aus den Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und den Grünen, die mit Leonore Gewessler die Energieministerin stellen, besteht diesbezüglich keine Einigkeit. Und dies ist nur ein weiterer koalitionärer Streitpunkt, was die Klima- und Energiepolitik betrifft, von der seit drei Jahren fälligen Novelle des Klimaschutzgesetzes über die fehlenden Entwürfe des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) und des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes (EABG) bis zu den Querelen über den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP), die, wie berichet, kurz vor Weihnachten zu einem EU-Vertragsverletzungsverfahren führten.

Regierungsinterne Konkurrenz

Dazu kommt, dass die ÖVP den von ihr gestellten Finanzminister Magnus Brunner im Laufe des vergangenen Jahres mehr oder weniger systematisch zu einer Art regierungsinternem Konkurrenten zur Energieministerin Gewesslers aufbaute. Zuletzt richtete dieser Mitte Oktober einen „Climate Hub“ in seinem Hause ein. Dessen Aufgabe ist, „Treibhausgase kosteneffektiv zu reduzieren und den Umgang mit CO2 nachhaltig und effizient zu regeln. Vorgabe ist, dass Österreich ein attraktiver Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort mit sicheren und hochqualifizierten Arbeitsplätzen bleibt.“

Brunner, der immer wieder als Nachfolger Bundeskanzler Karl Nehammers gehandelt wird, ist als Gegenspieler Gewesslers bestens qualifiziert. Er leitete 2006 den Bereich für strategische Entwicklung des Vorarlberger Energiekonzerns Illwerke-VKW Gruppe und von 2007 bis 2020 die Ökostrom-Förderstelle Oemag. Weiter war Brunner in den Jahren 2002 bis 2005 Direktor des Wirtschaftsbundes, einer Teilorganisation der ÖVP, die die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) dominiert. Und gerade die WKÖ ist eine der heftigsten Kritikerinnen der Energie- und Klimapolitik Gewesslers. Die Pikanterie: Von Januar 2020 bis Dezember 2021 war Brunner als Staatssekretär im Energieministerium wenigstens nominell Gewessler unterstellt.

Montag, 8.01.2024, 12:09 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Pipeline-Streit mit Hintergründen
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Pipeline-Streit mit Hintergründen
Die Unstimmigkeiten um die Finanzierung des Gaspipeline-Projekts „WAG Loop 1“ sind nur ein weiterer energiepolitischer Streitpunkt der Regierungskoalition aus Konservativen und Grünen.
Formell geht es um ein Stück Gaspipeline mit gerade einmal 40 Kilometern Länge: den „WAG Loop 1“ zwischen Oberkappel an der deutsch-österreichischen Grenze bis Bad Leonfelden etwa 30 Kilometer nördlich von Linz. Der Fernleitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA) plant, das Projekt bis 2027 umzusetzen.

Dieses dient dazu, die Kapazitäten für Gastransite zwischen Deutschland und Österreich auf der insgesamt rund 245 Kilometer langen West-Austria-Gasleitung (WAG) um rund 30 Prozent oder 27 Milliarden kWh pro Jahr zu erhöhen. Dies würde Importe von Gas aus Nordwesteuropa nach Österreich erleichtern und damit die Abhängigkeit von Russland verringern. Auch ist der Loop die Voraussetzung für den weiteren Ausbau des österreichischen Fernleitungsnetzes im Hinblick auf die künftige Einfuhr von (grünem) Wasserstoff. Die Genehmigung seitens der Regulierungsbehörde E-Control liegt im Rahmen des „Koordinierten Netzentwicklungsplans“ (Knep) für den Zeitraum 2023 bis 2032 vor.

Unklar ist allerdings, wie sich die zur Finanzierung des „WAG Loop 1“ notwendigen etwa 180 Millionen Euro aufbringen lassen. Nach Angaben der GCA liegen keine ausreichenden Kapazitätsbuchungen seitens der Gasversorger vor, „da die aktuelle Nachfrage mit den bestehenden Kapazitäten gedeckt werden kann und das Projekt in erster Linie auf die künftige Versorgungssicherheit ausgerichtet ist.“ Somit bestehe für die GCA selbst „ein erhebliches finanzielles Risiko“ bei der Realisierung des „WAG Loop 1“. Als wünschenswert erachtet das Unternehmen daher „staatliche Garantien oder Förderungen“, wie sie etwa in Deutschland sowie Kroatien existieren.

Fraglich ist, ob solche nicht ohnedies vorhanden sind. Im Genehmigungsbescheid der E-Control zum Knep heißt es, mit dessen Billigung sei die „Anerkennung der mit der Umsetzung von vorgesehenen Maßnahmen verbundenen angemessenen Kosten bei der Festsetzung der Systemnutzungsentgelte“ verknüpft. Anders gesagt: Indem die Behörde die im Knep aufgelisteten Projekte genehmigt, verpflichtet sie sich, die Gasnetztarife so festzusetzen, dass deren Finanzierung gesichert ist.

Überdies heißt es im Gaswirtschaftsgesetz (GWG) sinngemäß, dass in diesem enthaltene Vorhaben binnen drei Jahren umzusetzen oder zumindest anzugehen sind. Erfolgt dies nicht, hat die E-Control den jeweiligen Fernleitungsbetreiber „zur Durchführung der betreffenden Investition“ aufzufordern. Auch kann sie von ihm eine Kapitalerhöhung für die Investition verlangen oder das Projekt öffentlich ausschreiben. Macht die E-Control von ihren diesbezüglichen Befugnissen Gebrauch, „so werden die angemessenen Kosten der Investitionen berücksichtigt“, bestimmt das GWG.

Fehlender Wille

Wie auch immer: Mit etwas gutem politischem Willen ließe sich die von der GCA gewünschte darüber hinaus gehende staatliche Unterstützung bei der Finanzierung des „WAG Loop 1“ wohl sicherstellen. Doch das Bestehen dieses Willens ist zweifelhaft: In der Bundesregierung aus den Konservativen (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und den Grünen, die mit Leonore Gewessler die Energieministerin stellen, besteht diesbezüglich keine Einigkeit. Und dies ist nur ein weiterer koalitionärer Streitpunkt, was die Klima- und Energiepolitik betrifft, von der seit drei Jahren fälligen Novelle des Klimaschutzgesetzes über die fehlenden Entwürfe des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) und des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes (EABG) bis zu den Querelen über den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP), die, wie berichet, kurz vor Weihnachten zu einem EU-Vertragsverletzungsverfahren führten.

Regierungsinterne Konkurrenz

Dazu kommt, dass die ÖVP den von ihr gestellten Finanzminister Magnus Brunner im Laufe des vergangenen Jahres mehr oder weniger systematisch zu einer Art regierungsinternem Konkurrenten zur Energieministerin Gewesslers aufbaute. Zuletzt richtete dieser Mitte Oktober einen „Climate Hub“ in seinem Hause ein. Dessen Aufgabe ist, „Treibhausgase kosteneffektiv zu reduzieren und den Umgang mit CO2 nachhaltig und effizient zu regeln. Vorgabe ist, dass Österreich ein attraktiver Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort mit sicheren und hochqualifizierten Arbeitsplätzen bleibt.“

Brunner, der immer wieder als Nachfolger Bundeskanzler Karl Nehammers gehandelt wird, ist als Gegenspieler Gewesslers bestens qualifiziert. Er leitete 2006 den Bereich für strategische Entwicklung des Vorarlberger Energiekonzerns Illwerke-VKW Gruppe und von 2007 bis 2020 die Ökostrom-Förderstelle Oemag. Weiter war Brunner in den Jahren 2002 bis 2005 Direktor des Wirtschaftsbundes, einer Teilorganisation der ÖVP, die die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) dominiert. Und gerade die WKÖ ist eine der heftigsten Kritikerinnen der Energie- und Klimapolitik Gewesslers. Die Pikanterie: Von Januar 2020 bis Dezember 2021 war Brunner als Staatssekretär im Energieministerium wenigstens nominell Gewessler unterstellt.

Montag, 8.01.2024, 12:09 Uhr
Klaus Fischer

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