E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Stromnetz - Österreichs Übertragungsnetze am Limit
Quelle: Fotolia / Gina Sanders
Stromnetz

Österreichs Übertragungsnetze am Limit

In ihrer derzeitigen Form können die Netze den geplanten Ökostromausbau nicht bewältigen, warnt die Austrian Power Grid. Sie fordert bessere Rahmenbedingungen für den Netzausbau.
Seine Wünsche an die österreichische Politik zum beschleunigten Netzausbau für die Energiewende präzisierte der Technische Vorstand der Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, am 24. Oktober in Wien. Die zu 100 Prozent im Eigentum des Stromkonzerns Verbund stehende, jedoch operativ von ihm unabhängig agierende APG managt die österreichischen Übertragungsnetze.

Anlass für Christiners Äußerungen sind die Pläne seines Unternehmens, bis 2034 rund 9 Milliarden Euro in die Ertüchtigung und Erweiterung der von der APG betreuten Infrastrukturen zu investieren. Laut Christiner ist dies die Grundlage für den geplanten massiven Ausbau insbesondere der Windkraft und der Photovoltaik, aber auch der Wasserkraft. Zurzeit beträgt die auf diese Technologien entfallende Gesamtleistung in Österreich 14.644 MW, von denen 5.961 MW auf Laufwasserkraftwerke, 5.050 MW auf PV-Anlagen und 3.633 MW auf Windparks entfallen. Laut dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) soll die Leistung der Wasserkraft bis 2030 auf 6.421 MW steigen, jene der PV auf 12.000 MW und jene der Windkraft auf 9.000 MW, was kumuliert 27.421 MW ergäbe. Der im Sommer präsentierte Entwurf des Integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans (ÖNIP) des Energieministeriums (BMK) geht für 2030 sogar von Ökostromanlagen mit insgesamt 35.961 MW aus. Davon kommen 21.000 MW auf die PV, dagegen nur 8.000 MW auf die Windkraft sowie 6.961 MW auf die Wasserkraft.

Laut Christiner besteht die Herausforderung für die Übertragungsnetze darin, dass der Großteil der Windparks und PV-Anlagen im Osten Österreichs installiert wird, nicht zuletzt im Weinviertel nordöstlich von Wien. Die leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerke, mit denen der Ausgleich der stark schwankenden Stromproduktion dieser Einheiten möglich ist, befinden sich indessen im Westen. Die Übertragungsleitungen zwischen Ost- und Westösterreich aber können derzeit eine Einspeiseleistung von maximal 3.000 MW verkraften. „Unsere Netze sind am Limit. Die Reserven, die unsere Großmütter und Großväter geschaffen haben, sind so gut wie ausgeschöpft“, warnte Christiner. Der Ökostromausbau sei mit den derzeitigen Netzen nicht zu bewältigen. Aus diesem Grund müsse die Politik dringend die Rahmenbedingungen für ihre Ertüchtigung schaffen. Der APG-Vorstand verwies in diesem Zusammenhang auf ein jüngst ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), das einem Einspruch gegen ein wichtiges Leitungsprojekt im industriell bedeutenden Großraum um die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz aufschiebende Wirkung zubilligt. Dem Gericht zufolge obliegt es der Politik, den Rechtsrahmen für einen rascheren Netzausbau zu schaffen, wenn sie das wünscht: Wolle der Gesetzgeber etwa die aufschiebende Wirkung von Einsprüchen generell ausschließen, hätte er dies dem Urteil zufolge „bei Projekten der Energiewende vorgesehen, was er jedoch bisher nicht getan hat.“ Auch den Vorrang des Klimaschutzes vor dem Natur- und Umweltschutz habe er nicht normiert.

„Überwiegendes öffentliches Interesse“

Im Detail wünscht Christiner einen raschen Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG), der Nachfolgebestimmung zum derzeitigen, seit mehr als 20 Jahren geltenden Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG). Hierbei ginge es vor allem um die Anerkennung von Projekten zur Ertüchigung der Übertragungsnetze mit neuen digitalen Technologien. Ferner fordert der APG-Chef die zügige Umsetzung der neuen „Erneuerbaren-Richtlinie“ der EU (RED III). Erfolgen sollte diese mit dem im Januar angekündigten Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG), von dem noch nicht einmal ein offizieller Entwurf existiert. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigte Christiner, dass es ihm dabei nicht zuletzt um das Festschreiben des „überwiegenden öffentlichen Interesses“ am Ausbau der Netz- und Kraftwerksinfrastruktur für die Energiewende geht.

„Starker ÖNIP“

Ein weiterer Punkt auf seiner Wunschliste ist ein „starker ÖNIP“. Der im Sommer vom BMK präsentierte Entwurf reicht laut Christiner nicht aus. „Je klarer, strukturierter und härter dieser Plan ist, desto mehr ist uns geholfen. Wir hätten gerne einen ÖNIP, der ganz klar vorgibt, wo und wie man Leitungen bauen darf und der Korridore festlegt“, erläuterte der APG-Vorstand auf Nachfrage der Redaktion. Ohnehin wäre die Bundesregierung gut beraten, den ÖNIP als kraftvolles Instrument zu gestalten, konstatierte Christiner sinngemäß: Seit mehreren Jahren läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, weil Österreich bis dato keinen Rahmenplan für den Ausbau der Netze beschloss, der einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen wird. Genau dies soll mit dem ÖNIP erfolgen. In der SUP könnten laut Christiner Themen abgehandelt werden, die bislang im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auf den Tisch kommen. Dies betrifft etwa Grenzwerte für magnetische Felder sowie für Schallemissionen von Leitungen.

Dienstag, 24.10.2023, 15:43 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Stromnetz - Österreichs Übertragungsnetze am Limit
Quelle: Fotolia / Gina Sanders
Stromnetz
Österreichs Übertragungsnetze am Limit
In ihrer derzeitigen Form können die Netze den geplanten Ökostromausbau nicht bewältigen, warnt die Austrian Power Grid. Sie fordert bessere Rahmenbedingungen für den Netzausbau.
Seine Wünsche an die österreichische Politik zum beschleunigten Netzausbau für die Energiewende präzisierte der Technische Vorstand der Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, am 24. Oktober in Wien. Die zu 100 Prozent im Eigentum des Stromkonzerns Verbund stehende, jedoch operativ von ihm unabhängig agierende APG managt die österreichischen Übertragungsnetze.

Anlass für Christiners Äußerungen sind die Pläne seines Unternehmens, bis 2034 rund 9 Milliarden Euro in die Ertüchtigung und Erweiterung der von der APG betreuten Infrastrukturen zu investieren. Laut Christiner ist dies die Grundlage für den geplanten massiven Ausbau insbesondere der Windkraft und der Photovoltaik, aber auch der Wasserkraft. Zurzeit beträgt die auf diese Technologien entfallende Gesamtleistung in Österreich 14.644 MW, von denen 5.961 MW auf Laufwasserkraftwerke, 5.050 MW auf PV-Anlagen und 3.633 MW auf Windparks entfallen. Laut dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) soll die Leistung der Wasserkraft bis 2030 auf 6.421 MW steigen, jene der PV auf 12.000 MW und jene der Windkraft auf 9.000 MW, was kumuliert 27.421 MW ergäbe. Der im Sommer präsentierte Entwurf des Integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans (ÖNIP) des Energieministeriums (BMK) geht für 2030 sogar von Ökostromanlagen mit insgesamt 35.961 MW aus. Davon kommen 21.000 MW auf die PV, dagegen nur 8.000 MW auf die Windkraft sowie 6.961 MW auf die Wasserkraft.

Laut Christiner besteht die Herausforderung für die Übertragungsnetze darin, dass der Großteil der Windparks und PV-Anlagen im Osten Österreichs installiert wird, nicht zuletzt im Weinviertel nordöstlich von Wien. Die leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerke, mit denen der Ausgleich der stark schwankenden Stromproduktion dieser Einheiten möglich ist, befinden sich indessen im Westen. Die Übertragungsleitungen zwischen Ost- und Westösterreich aber können derzeit eine Einspeiseleistung von maximal 3.000 MW verkraften. „Unsere Netze sind am Limit. Die Reserven, die unsere Großmütter und Großväter geschaffen haben, sind so gut wie ausgeschöpft“, warnte Christiner. Der Ökostromausbau sei mit den derzeitigen Netzen nicht zu bewältigen. Aus diesem Grund müsse die Politik dringend die Rahmenbedingungen für ihre Ertüchtigung schaffen. Der APG-Vorstand verwies in diesem Zusammenhang auf ein jüngst ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), das einem Einspruch gegen ein wichtiges Leitungsprojekt im industriell bedeutenden Großraum um die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz aufschiebende Wirkung zubilligt. Dem Gericht zufolge obliegt es der Politik, den Rechtsrahmen für einen rascheren Netzausbau zu schaffen, wenn sie das wünscht: Wolle der Gesetzgeber etwa die aufschiebende Wirkung von Einsprüchen generell ausschließen, hätte er dies dem Urteil zufolge „bei Projekten der Energiewende vorgesehen, was er jedoch bisher nicht getan hat.“ Auch den Vorrang des Klimaschutzes vor dem Natur- und Umweltschutz habe er nicht normiert.

„Überwiegendes öffentliches Interesse“

Im Detail wünscht Christiner einen raschen Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG), der Nachfolgebestimmung zum derzeitigen, seit mehr als 20 Jahren geltenden Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG). Hierbei ginge es vor allem um die Anerkennung von Projekten zur Ertüchigung der Übertragungsnetze mit neuen digitalen Technologien. Ferner fordert der APG-Chef die zügige Umsetzung der neuen „Erneuerbaren-Richtlinie“ der EU (RED III). Erfolgen sollte diese mit dem im Januar angekündigten Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG), von dem noch nicht einmal ein offizieller Entwurf existiert. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigte Christiner, dass es ihm dabei nicht zuletzt um das Festschreiben des „überwiegenden öffentlichen Interesses“ am Ausbau der Netz- und Kraftwerksinfrastruktur für die Energiewende geht.

„Starker ÖNIP“

Ein weiterer Punkt auf seiner Wunschliste ist ein „starker ÖNIP“. Der im Sommer vom BMK präsentierte Entwurf reicht laut Christiner nicht aus. „Je klarer, strukturierter und härter dieser Plan ist, desto mehr ist uns geholfen. Wir hätten gerne einen ÖNIP, der ganz klar vorgibt, wo und wie man Leitungen bauen darf und der Korridore festlegt“, erläuterte der APG-Vorstand auf Nachfrage der Redaktion. Ohnehin wäre die Bundesregierung gut beraten, den ÖNIP als kraftvolles Instrument zu gestalten, konstatierte Christiner sinngemäß: Seit mehreren Jahren läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, weil Österreich bis dato keinen Rahmenplan für den Ausbau der Netze beschloss, der einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen wird. Genau dies soll mit dem ÖNIP erfolgen. In der SUP könnten laut Christiner Themen abgehandelt werden, die bislang im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auf den Tisch kommen. Dies betrifft etwa Grenzwerte für magnetische Felder sowie für Schallemissionen von Leitungen.

Dienstag, 24.10.2023, 15:43 Uhr
Klaus Fischer

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.