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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Nicht das letzte Hemd gegeben
Bild: Fotolia, Claudia Otte
E&M Vor 20 Jahren

Nicht das letzte Hemd gegeben

Von einem Kohle-Kongress, der nichts anderes als eine Machtdemonstration für den fossilen Energieträger war.
Vor 20 Jahren war zwar Klimaschutz schon ein Thema in der Energiewirtschaft, der Kohleausstieg allerdings keineswegs. Deshalb gab es immer wieder Veranstaltungen, die versuchten, Perspektiven der Kohleverstromung aufzuzeigen. Im März 2001 berichtete E&M-Chefreporter Ralf Köpke von einem solchen Kongress in Berlin.
 
Wahrlich gigantische Unterstützung hatte die nordrhein-westfälische Landesregierung mitgebracht, um Anfang März in Berlin für Stein- und Braunkohle zu werben. Eingeladen hatte das Forum für Zukunftsenergien zum Kongress "Zukunft der Kohle – Perspektiven moderner Kohletechnologien" ins Haus der Wirtschaft: Das dortige Foyer schmückten mehr als ein Dutzend drei mal vier Meter großer Schwarzweiß-Bilder, die mehrere fast nackte Kumpel der Schachtanlage Heinrich-Robert/Bergwerk Ost in Hamm zeigten. Eine Machtdemonstration ganz anderer Art.
 
Die Ausstellung, finanziert von der Projekt Ruhr GmbH, die wiederum überwiegend von der Düsseldorfer Landesregierung alimentiert wird, hatte der Fotograph Markus Matzel den Titel "Ich gebŽ mein letztes Hemd" betitelt. Zu solchen Mitteln müssen die Kohlefreunde noch nicht greifen, um politische Unterstützung für die deutsche Kohlewirtschaft zu erhalten.
 
Zeitpunkt und Ort der Tagung hätten nicht besser gewählt sein können: Noch in der gleichen Woche wurde die Quotenregelung zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) offiziell beerdigt. Gescheitert ist dieses Förderinstrument nicht nur am Widerstand großer Energiekonzerne, sondern auch an den Interventionen des Kohlelandes NRW und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, neben dem DIHT Hausherr im Haus der Wirtschaft. Bewusst nutzten die Spitzen der Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen, wie beispielsweise Ministerpräsident Wolfgang Clement, die Veranstaltung, um massiv gegen die KWK-Quote zu opponieren: "Der mit dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung verbundene Neubau von Gaskraftwerken geht zu Lasten der deutschen Steinkohle."

Clement: "Neubau von Gaskraftwerken geht zu Lasten der deutschen Steinkohle"

Gelichzeitig hatte der SPD-Teil der Düsseldorfer Landesregierung sich kräftig für die Braun- und Steinkohle ins Zeug gelegt. So betonte Wirtschafts- und Energieminister Ernst Schwanhold: "Die nachhaltige Nutzung der Kohle hat Zukunft. Moderne Kohletechnologien haben eine deutsche, europäische und weltweite Perspektive. Einen beachtlichen Beitrag zum Klimaschutz können wir leisten, wenn unser technischer Standard bei der Rohstoffgewinnung, Aufbereitung und effizienten Energieumwandlung in andere Regionen der Welt exportiert wird."
 
Den letzteren Worten des Ministers dürften selbst ihm übel gelaunte Umwelt- und Naturschützer sowie Politiker der Grünen kaum widersprechen. Nur, warum Steinkohle-Kraftwerke in Deutschland nur mit heimischer, hochsubventionierter Kohle und nicht mit weitaus preiswerterer Importkohle gefeuert werden müssen, diese Frage beantworteten Schwanhold wie auch sein Ministerpräsident nicht. Warum auch - gestellt hat sie ihnen niemand. Denn im Auditorium saßen überwiegend Delegationen der Kohlewirtschaft aus Nordrhein-Westfalen und der Lausitz.

Nicht nur sie, sondern – das war Teil Zwei der Machtdemonstration – auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller registrierten zufrieden, dass sich die europäische Energiekommissarin Loyola de Palacio mittlerweile für den Clement-Plan eines Energie-Sockels erwärmt hat: "Ich freue mich, dass der Grundgedanke eines solchen Sockels bereits Eingang in das Grünbuch der EU-Kommission zur Energieversorgungssicherheit gefunden hat." In Ãœbereinstimmung mit der Bundesregierung hatte Wolfgang Clement in seiner Regierungserklärung nach der NRW-Landtagswahl Ende August vergangenen Jahres angekündigt, werde die Düsseldorfer Landesregierung in Brüssel vorschlagen, dass die 15 Mitgliedsstaaten einen Versorgungssockel in Höhe von zehn Prozent der nationalen Energieversorgung in Eigenregie regeln können.

Geht es nach Werner Müller, soll dieser deutsche Sockel neben der Steinkohle auch für erneuerbaren Energien reserviert sein. Dem Bundeswirtschaftsminister ist dabei die Unterstützung von Wolfgang Clement sicher, der es in Berlin bewusst vermied, die Ökoenergien auszugrenzen oder zu verniedlichen. Im Gegenteil: Der Kohlefreund, geboren mitten im Ruhrgebiet, betonte die in der Tat großzügige Landesförderung für erneuerbare Energien, schwärmte von der Shell-Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen und überraschte seine Zuhörer mit der Tatsache, dass im vergangenen Jahr zwischen Rhein und Weser mehr neue Windturbinen errichtet worden sind, als im klassischen Windland Schleswig-Holstein.
 
Ach ja: Von künftigen Kohletechnologien waren neben der Präsentation diverser Kohlekraftwerksprojekte im Ausland auch die Rede. Allgemeiner Tenor: Es gibt noch viel zu tun, bis der Wirkungsgrad wirklich über die 50 Prozent klettert und die dafür nötigten Werkstoffe entwickelt und erprobt sind. Als Erfolg versprechend wertet Bundeswirtschaftsminister Müller folgende Forschungen: "Ich denke speziell an die Druckkohlenstaubfeuerung, die das Potenzial hat, den Wirkungsgrad mit nur wenig Aufwand um mehr als zehn Prozentpunkte gegenüber heutigen Standards zu steigern." Für zukunftsfähig, so der ehemalige Manager, halten Experten auch Kraftwerkskonzepte mit integrierter Vergasung – Einschätzungen, für die niemand nach Berlin reisen musste. Immerhin, Schlagworte vom CO2-freien Kohlekraftwerk, von dem es nicht mehr als eine Vision gibt, lassen sich gut verkaufen und medial vermarkten.
 
Mit dem Wissen und neuem Mut, dass es im politischen Berlin noch genügend Kohlefreunde gibt, konnten sich die Kongress-Teilnehmer zufrieden Richtung Ruhr und Lausitz aufmachen. Wie sagte Werner Müller so schön zum Schluss seiner Rede: "Bringen Sie den Mut für eine neue Technologieoffensive auf. Sie brauchen dazu nicht entsprechend dem Motto der Begleitveranstaltung Ihr letztes Hemd zu geben".

Freitag, 12.03.2021, 14:42 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Nicht das letzte Hemd gegeben
Bild: Fotolia, Claudia Otte
E&M Vor 20 Jahren
Nicht das letzte Hemd gegeben
Von einem Kohle-Kongress, der nichts anderes als eine Machtdemonstration für den fossilen Energieträger war.
Vor 20 Jahren war zwar Klimaschutz schon ein Thema in der Energiewirtschaft, der Kohleausstieg allerdings keineswegs. Deshalb gab es immer wieder Veranstaltungen, die versuchten, Perspektiven der Kohleverstromung aufzuzeigen. Im März 2001 berichtete E&M-Chefreporter Ralf Köpke von einem solchen Kongress in Berlin.
 
Wahrlich gigantische Unterstützung hatte die nordrhein-westfälische Landesregierung mitgebracht, um Anfang März in Berlin für Stein- und Braunkohle zu werben. Eingeladen hatte das Forum für Zukunftsenergien zum Kongress "Zukunft der Kohle – Perspektiven moderner Kohletechnologien" ins Haus der Wirtschaft: Das dortige Foyer schmückten mehr als ein Dutzend drei mal vier Meter großer Schwarzweiß-Bilder, die mehrere fast nackte Kumpel der Schachtanlage Heinrich-Robert/Bergwerk Ost in Hamm zeigten. Eine Machtdemonstration ganz anderer Art.
 
Die Ausstellung, finanziert von der Projekt Ruhr GmbH, die wiederum überwiegend von der Düsseldorfer Landesregierung alimentiert wird, hatte der Fotograph Markus Matzel den Titel "Ich gebŽ mein letztes Hemd" betitelt. Zu solchen Mitteln müssen die Kohlefreunde noch nicht greifen, um politische Unterstützung für die deutsche Kohlewirtschaft zu erhalten.
 
Zeitpunkt und Ort der Tagung hätten nicht besser gewählt sein können: Noch in der gleichen Woche wurde die Quotenregelung zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) offiziell beerdigt. Gescheitert ist dieses Förderinstrument nicht nur am Widerstand großer Energiekonzerne, sondern auch an den Interventionen des Kohlelandes NRW und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, neben dem DIHT Hausherr im Haus der Wirtschaft. Bewusst nutzten die Spitzen der Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen, wie beispielsweise Ministerpräsident Wolfgang Clement, die Veranstaltung, um massiv gegen die KWK-Quote zu opponieren: "Der mit dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung verbundene Neubau von Gaskraftwerken geht zu Lasten der deutschen Steinkohle."

Clement: "Neubau von Gaskraftwerken geht zu Lasten der deutschen Steinkohle"

Gelichzeitig hatte der SPD-Teil der Düsseldorfer Landesregierung sich kräftig für die Braun- und Steinkohle ins Zeug gelegt. So betonte Wirtschafts- und Energieminister Ernst Schwanhold: "Die nachhaltige Nutzung der Kohle hat Zukunft. Moderne Kohletechnologien haben eine deutsche, europäische und weltweite Perspektive. Einen beachtlichen Beitrag zum Klimaschutz können wir leisten, wenn unser technischer Standard bei der Rohstoffgewinnung, Aufbereitung und effizienten Energieumwandlung in andere Regionen der Welt exportiert wird."
 
Den letzteren Worten des Ministers dürften selbst ihm übel gelaunte Umwelt- und Naturschützer sowie Politiker der Grünen kaum widersprechen. Nur, warum Steinkohle-Kraftwerke in Deutschland nur mit heimischer, hochsubventionierter Kohle und nicht mit weitaus preiswerterer Importkohle gefeuert werden müssen, diese Frage beantworteten Schwanhold wie auch sein Ministerpräsident nicht. Warum auch - gestellt hat sie ihnen niemand. Denn im Auditorium saßen überwiegend Delegationen der Kohlewirtschaft aus Nordrhein-Westfalen und der Lausitz.

Nicht nur sie, sondern – das war Teil Zwei der Machtdemonstration – auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller registrierten zufrieden, dass sich die europäische Energiekommissarin Loyola de Palacio mittlerweile für den Clement-Plan eines Energie-Sockels erwärmt hat: "Ich freue mich, dass der Grundgedanke eines solchen Sockels bereits Eingang in das Grünbuch der EU-Kommission zur Energieversorgungssicherheit gefunden hat." In Ãœbereinstimmung mit der Bundesregierung hatte Wolfgang Clement in seiner Regierungserklärung nach der NRW-Landtagswahl Ende August vergangenen Jahres angekündigt, werde die Düsseldorfer Landesregierung in Brüssel vorschlagen, dass die 15 Mitgliedsstaaten einen Versorgungssockel in Höhe von zehn Prozent der nationalen Energieversorgung in Eigenregie regeln können.

Geht es nach Werner Müller, soll dieser deutsche Sockel neben der Steinkohle auch für erneuerbaren Energien reserviert sein. Dem Bundeswirtschaftsminister ist dabei die Unterstützung von Wolfgang Clement sicher, der es in Berlin bewusst vermied, die Ökoenergien auszugrenzen oder zu verniedlichen. Im Gegenteil: Der Kohlefreund, geboren mitten im Ruhrgebiet, betonte die in der Tat großzügige Landesförderung für erneuerbare Energien, schwärmte von der Shell-Solarzellenfabrik in Gelsenkirchen und überraschte seine Zuhörer mit der Tatsache, dass im vergangenen Jahr zwischen Rhein und Weser mehr neue Windturbinen errichtet worden sind, als im klassischen Windland Schleswig-Holstein.
 
Ach ja: Von künftigen Kohletechnologien waren neben der Präsentation diverser Kohlekraftwerksprojekte im Ausland auch die Rede. Allgemeiner Tenor: Es gibt noch viel zu tun, bis der Wirkungsgrad wirklich über die 50 Prozent klettert und die dafür nötigten Werkstoffe entwickelt und erprobt sind. Als Erfolg versprechend wertet Bundeswirtschaftsminister Müller folgende Forschungen: "Ich denke speziell an die Druckkohlenstaubfeuerung, die das Potenzial hat, den Wirkungsgrad mit nur wenig Aufwand um mehr als zehn Prozentpunkte gegenüber heutigen Standards zu steigern." Für zukunftsfähig, so der ehemalige Manager, halten Experten auch Kraftwerkskonzepte mit integrierter Vergasung – Einschätzungen, für die niemand nach Berlin reisen musste. Immerhin, Schlagworte vom CO2-freien Kohlekraftwerk, von dem es nicht mehr als eine Vision gibt, lassen sich gut verkaufen und medial vermarkten.
 
Mit dem Wissen und neuem Mut, dass es im politischen Berlin noch genügend Kohlefreunde gibt, konnten sich die Kongress-Teilnehmer zufrieden Richtung Ruhr und Lausitz aufmachen. Wie sagte Werner Müller so schön zum Schluss seiner Rede: "Bringen Sie den Mut für eine neue Technologieoffensive auf. Sie brauchen dazu nicht entsprechend dem Motto der Begleitveranstaltung Ihr letztes Hemd zu geben".

Freitag, 12.03.2021, 14:42 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm

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