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Energie & Management > Smart Meter - Machen, nicht nur wollen
Adrian Loets (BMWK) und Christoph Müller (Netze BW) auf der großen Leinwand bei den ZVEI Metering Days. Quelle:E&M / Fritz Wilhelm
Smart Meter

Machen, nicht nur wollen

Bei den Metering Days in Fulda wurde über altbekannte Schmerzpunkte diskutiert. Die Branche zeigt sich entschlossen, sie schnellstmöglich anzugehen.
Wie viele Damen der 800 Teilnehmer und Teilnehmerinnen der diesjährigen ZVEI Metering Days den Vornamen Silke tragen, ist nicht bekannt. Doch Silke – das Akronym steht für die „sichere Lieferkette“ der Smart Meter Gateways von den Geräteherstellern bis zum Keller des Kunden – war in den beiden Tagen des Branchentreffs allgegenwärtig. Christoph Müller sprach sogar vom „Silke-Wahnsinn“ und kam damit zum zweiten Aufreger, der dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Netze BW zufolge eine wirtschaftliche Digitalisierung der Verteilnetze verhindert: die von den Messstellenbetreiber einzuhaltenden Preisobergrenzen.

Die gesetzlich nach Verbrauchsgruppen festgelegten Preisobergrenzen (POG) für Einbau und Betrieb der intelligenten Messsysteme gehen zurück auf eine Nutzen-Kosten-Analyse, welche die Beratungsgesellschaft Ernst & Young im Jahr 2013 für die Smart-Meter-Einführung vorgelegt hat. Nach Müllers Ansicht sind die ökonomischen Grundlagen damit etwa im Jahr 2011 zu verorten. Real betrachtet seien die Werte bis heute etwa um 22 Prozent gesunken. Bis 2030 – unterstelle man eine Inflation von etwa 5 Prozent jährlich – werde die Preisobergrenze weiter entwertet. „Die Preisobergrenze soll aber nicht durch Inflation und Regulierung nach unten gebracht werden, sondern durch Wettbewerb und Effizienz“, sagte Müller unter dem Beifall des Auditoriums und sprach von „Marktversagen durch Regulierung“. Er betonte, eine erfolgreiche digitale Umrüstung des Messwesens brauche eine faire Chance, „bei gutem Wirtschaften auch einen Euro verdienen zu können“. Zumal die Erwartungen, was mit einem Rollout intelligenter Messsysteme für die Energiewelt möglich ist, überbordend seien. „Aber sie brauchen auch eine wirtschaftliche Perspektive“, so Müller, der ein ums andere Mal den studierten Volkswirt herauskehrte.

Im Rahmen eines Podiums bei den Metering Days, auf dem auch Christoph Müller mitdiskutierte, nahm Adrian Loets vom Referat Digitalisierung der Energiewende im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) Stellung zu den Warnungen des Netze-BW-Chefs. Dessen Vorwurf, die Preisobergrenzen seien nur entwertet worden, sei nicht zutreffend. Punktuell, beispielsweise bei den steuerbaren Verbrauchern nach Paragraf 14a EnWG, die einen sehr großen Teil der Smart-Meter-Einbaufälle künftig ausmachen werden, seien sehr wohl Anpassungen vorgenommen worden. Loets sprach von einer „satten Erhöhung um 30 Prozent“. Dort wo es sinnvoll und ohne eine neue ausführliche Nutzen-Kosten-Analyse möglich gewesen sei, habe sich schon etwas getan. Es sei allerdings auch eine ausführliche Bewertung der Preisobergrenzen vorgesehen.

BMWK kündigt Digitalisierungsberichte an

Bis zum 30. Juni 2024 und danach mindestens im Vier-Jahres-Rhythmus sollen drei Berichte besondere Digitalisierungsthemen analysieren. Einer davon werde sich speziell mit den Preisobergrenze beschäftigen. Voruntersuchungen des Konsortiums unter Führung von Ernst & Young, das in den vergangenen Jahren bereits für das Bundeswirtschaftsministerium die Digitalisierungsbarometer-Berichte mit Sondergutachten erarbeitet haben, laufen bis zum 20. Oktober 2023, berichtete Loets. In der zweiten Phase Anfang 2024 sollen dann die Erkenntnisse der Gutachter in Berichte des Ministeriums einfließen. Auch in dieser Phase werde die Branche gehört und in die Bewertung der Preisobergrenzen eingebunden nicht zuletzt über die Arbeitsgemeinschaft Digitalisierung der Energiewende, versprach der BMWK-Referent und kündigte für Februar 2024 eine entsprechende Sitzung an. Am Ende werde eine faire Bewertung stehen, versicherte Loets. Diese werde aber nicht zwangsläufig zu einer Anhebung führen, denn man müsse auch analysieren, ob irgendwo vielleicht noch Effizienzpotenziale zu heben sind.

Punktuelle Anpassungen hin oder her – Malte Sunderkötter gab zu bedenken, dass nicht nur die Inflation den Messstellenbetreibern zu schaffen macht, sondern auch der Aufwand für die sichere Lieferkette und zusätzliche Leistungen, welche die Unternehmen erbringen müssen und zwangsweise in die Preisobergrenze „hineindefiniert“ wurden. „Wir brauchen zweifelsfrei diese Leistungen“, sagte der Geschäftsführer von Eon Grid Solutions und erinnerte an die Bedeutung der Netzzustandsdaten. Aber das Entgelt dafür müsse „angemessen“ sein.

Anke Hüneburg, Bereichsleiterin Energie beim ZVEI, zeigte volles Verständnis für die Diskussion um die Preisobergrenzen. Allerdings sieht sie die Gefahr, die Debatte und der Zeithorizont des Bewertungsprozesses könnten die Messstellenbetreiber in eine Wartestellung treiben. „Wir können uns aber keine Verzögerung leisten“, sagte Hüneburg. Sie plädiere dafür eher über mögliche Skaleneffekte beim Rollout zu sprechen, als langwierige Diskussionen zu führen, welche Anwendungsfälle profitabel sind und welche nicht.

Für das „Machen“ plädierte letztlich auch Netze-BW-Chef Müller. Alle vier Jahre den Stand der Digitalisierung zu bewerten, mit Zielen in naher oder ferner Zukunft abzugleichen und zu überlegen, was perspektivisch möglich ist, ist seiner Überzeugung nach nicht der richtige Fokus. „Wir müssen viel mehr fokussiert darauf sein, wo uns heute der Schuh drückt“. Ganz nach dem Motto der diesjährigen Metering Days: „Machen ist wie wollen, nur krasser“.

Mittwoch, 18.10.2023, 15:39 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Smart Meter - Machen, nicht nur wollen
Adrian Loets (BMWK) und Christoph Müller (Netze BW) auf der großen Leinwand bei den ZVEI Metering Days. Quelle:E&M / Fritz Wilhelm
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Machen, nicht nur wollen
Bei den Metering Days in Fulda wurde über altbekannte Schmerzpunkte diskutiert. Die Branche zeigt sich entschlossen, sie schnellstmöglich anzugehen.
Wie viele Damen der 800 Teilnehmer und Teilnehmerinnen der diesjährigen ZVEI Metering Days den Vornamen Silke tragen, ist nicht bekannt. Doch Silke – das Akronym steht für die „sichere Lieferkette“ der Smart Meter Gateways von den Geräteherstellern bis zum Keller des Kunden – war in den beiden Tagen des Branchentreffs allgegenwärtig. Christoph Müller sprach sogar vom „Silke-Wahnsinn“ und kam damit zum zweiten Aufreger, der dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Netze BW zufolge eine wirtschaftliche Digitalisierung der Verteilnetze verhindert: die von den Messstellenbetreiber einzuhaltenden Preisobergrenzen.

Die gesetzlich nach Verbrauchsgruppen festgelegten Preisobergrenzen (POG) für Einbau und Betrieb der intelligenten Messsysteme gehen zurück auf eine Nutzen-Kosten-Analyse, welche die Beratungsgesellschaft Ernst & Young im Jahr 2013 für die Smart-Meter-Einführung vorgelegt hat. Nach Müllers Ansicht sind die ökonomischen Grundlagen damit etwa im Jahr 2011 zu verorten. Real betrachtet seien die Werte bis heute etwa um 22 Prozent gesunken. Bis 2030 – unterstelle man eine Inflation von etwa 5 Prozent jährlich – werde die Preisobergrenze weiter entwertet. „Die Preisobergrenze soll aber nicht durch Inflation und Regulierung nach unten gebracht werden, sondern durch Wettbewerb und Effizienz“, sagte Müller unter dem Beifall des Auditoriums und sprach von „Marktversagen durch Regulierung“. Er betonte, eine erfolgreiche digitale Umrüstung des Messwesens brauche eine faire Chance, „bei gutem Wirtschaften auch einen Euro verdienen zu können“. Zumal die Erwartungen, was mit einem Rollout intelligenter Messsysteme für die Energiewelt möglich ist, überbordend seien. „Aber sie brauchen auch eine wirtschaftliche Perspektive“, so Müller, der ein ums andere Mal den studierten Volkswirt herauskehrte.

Im Rahmen eines Podiums bei den Metering Days, auf dem auch Christoph Müller mitdiskutierte, nahm Adrian Loets vom Referat Digitalisierung der Energiewende im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) Stellung zu den Warnungen des Netze-BW-Chefs. Dessen Vorwurf, die Preisobergrenzen seien nur entwertet worden, sei nicht zutreffend. Punktuell, beispielsweise bei den steuerbaren Verbrauchern nach Paragraf 14a EnWG, die einen sehr großen Teil der Smart-Meter-Einbaufälle künftig ausmachen werden, seien sehr wohl Anpassungen vorgenommen worden. Loets sprach von einer „satten Erhöhung um 30 Prozent“. Dort wo es sinnvoll und ohne eine neue ausführliche Nutzen-Kosten-Analyse möglich gewesen sei, habe sich schon etwas getan. Es sei allerdings auch eine ausführliche Bewertung der Preisobergrenzen vorgesehen.

BMWK kündigt Digitalisierungsberichte an

Bis zum 30. Juni 2024 und danach mindestens im Vier-Jahres-Rhythmus sollen drei Berichte besondere Digitalisierungsthemen analysieren. Einer davon werde sich speziell mit den Preisobergrenze beschäftigen. Voruntersuchungen des Konsortiums unter Führung von Ernst & Young, das in den vergangenen Jahren bereits für das Bundeswirtschaftsministerium die Digitalisierungsbarometer-Berichte mit Sondergutachten erarbeitet haben, laufen bis zum 20. Oktober 2023, berichtete Loets. In der zweiten Phase Anfang 2024 sollen dann die Erkenntnisse der Gutachter in Berichte des Ministeriums einfließen. Auch in dieser Phase werde die Branche gehört und in die Bewertung der Preisobergrenzen eingebunden nicht zuletzt über die Arbeitsgemeinschaft Digitalisierung der Energiewende, versprach der BMWK-Referent und kündigte für Februar 2024 eine entsprechende Sitzung an. Am Ende werde eine faire Bewertung stehen, versicherte Loets. Diese werde aber nicht zwangsläufig zu einer Anhebung führen, denn man müsse auch analysieren, ob irgendwo vielleicht noch Effizienzpotenziale zu heben sind.

Punktuelle Anpassungen hin oder her – Malte Sunderkötter gab zu bedenken, dass nicht nur die Inflation den Messstellenbetreibern zu schaffen macht, sondern auch der Aufwand für die sichere Lieferkette und zusätzliche Leistungen, welche die Unternehmen erbringen müssen und zwangsweise in die Preisobergrenze „hineindefiniert“ wurden. „Wir brauchen zweifelsfrei diese Leistungen“, sagte der Geschäftsführer von Eon Grid Solutions und erinnerte an die Bedeutung der Netzzustandsdaten. Aber das Entgelt dafür müsse „angemessen“ sein.

Anke Hüneburg, Bereichsleiterin Energie beim ZVEI, zeigte volles Verständnis für die Diskussion um die Preisobergrenzen. Allerdings sieht sie die Gefahr, die Debatte und der Zeithorizont des Bewertungsprozesses könnten die Messstellenbetreiber in eine Wartestellung treiben. „Wir können uns aber keine Verzögerung leisten“, sagte Hüneburg. Sie plädiere dafür eher über mögliche Skaleneffekte beim Rollout zu sprechen, als langwierige Diskussionen zu führen, welche Anwendungsfälle profitabel sind und welche nicht.

Für das „Machen“ plädierte letztlich auch Netze-BW-Chef Müller. Alle vier Jahre den Stand der Digitalisierung zu bewerten, mit Zielen in naher oder ferner Zukunft abzugleichen und zu überlegen, was perspektivisch möglich ist, ist seiner Überzeugung nach nicht der richtige Fokus. „Wir müssen viel mehr fokussiert darauf sein, wo uns heute der Schuh drückt“. Ganz nach dem Motto der diesjährigen Metering Days: „Machen ist wie wollen, nur krasser“.

Mittwoch, 18.10.2023, 15:39 Uhr
Fritz Wilhelm

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