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Energie & Management > Österreich - Kritik an Österreichs Energiewende-Politik
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Kritik an Österreichs Energiewende-Politik

Insbesondere fehlen die Rechtsgrundlagen für den dringend nötigen bevorrangten Stromnetzausbau, hieß es bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik.
Nach wie vor ist das übergeordnete politische Management der Energiewende mangelhaft, kritisierte der Technische Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE) am 18. Oktober. Der Verband hält derzeit in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt seine jährliche Energietechniktagung ab. Christiner, der Vizepräsident des OVE ist, erläuterte, die Ertüchtigung und Erweiterung der Stromnetze halte nicht mit dem rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. Dies führe mittlerweile zu massiven Problemen: „Die uneingeschränkte Einspeisung von Ökostrom ist nicht mehr möglich, weil die Leitungen dafür nicht stark genug sind.“

Trotz aller Bemühungen gelinge es der APG beispielsweise nicht, die Verbindungen zwischen den großen Windparks im Osten Österreichs und den Pumpspeichern im Westen ausreichend rasch zu schaffen. Daher seien immer häufiger Redispatch-Maßnahmen nötig, die heuer bis dato mit rund 125 Millionen Euro zu Buche schlugen. Für das Gesamtjahr ist laut Christiner mit rund 150 Millionen Euro zu rechnen. Außerdem verhindere das unzureichend ausgebaute Netz den Import günstigen Stroms aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr seien die Strompreise in Österreich im Durchschnitt um rund 26 Euro/MWh höher gewesen als jene in Deutschland: „Das sind natürlich extreme Nachteile für den heimischen Wirtschaftsstandort.“

Immer wieder komme es zu Verzögerungen von Leitungsprojekten wegen der komplexen Genehmigungsverfahren. Am 11. Oktober etwa billigte das Bundesverwaltungsgericht dem Einspruch gegen ein Vorhaben im Umfeld der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz aufschiebende Wirkung zu. Linz ist eines der bedeutendsten Industriezentren Österreichs. Der Stahlkonzern Voestalpine plant, seine dortigen mit Kohle befeuerten Hochöfen durch Lichtbogenöfen zu ersetzen. Zu diesem Zweck sind massive Verstärkungen der Stromnetz-Infrastruktur notwendig. Sie liegen nun jedoch bis auf Weiteres auf Eis. Das Problem: Ein einziger der Hochöfen verursacht durch den Betrieb mit Kohle etwa 5 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs.

Rechtsgrundlagen schaffen

Für Christiner ist daher klar: „Die Politik muss endlich die gesetzlichen Grundlagen für einen bevorrangten Netzausbau schaffen.“ Dies betreffe einen „guten und sehr durchdachten“ Österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) ebenso wie das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), erläuterte Christiner. Wie berichtet, bietet der vorliegende Entwurf des ÖNIP nach Ansicht der E-Wirtschaft keine rechtlich sichere Basis für Leitungsprojekte. Vom im Januar angekündigten EABG wiederum gibt es noch nicht einmal einen offiziellen Entwurf.

Änderungen sind laut Christiner auch bei den regulatorischen Vorgaben nötig. Es gelte sicherzustellen, dass Aufwendungen für die Ertüchtigung der Netze mit digitalen Technologien in den Netztarifen berücksichtigt werden. Auf den Hinweis der Redaktion, dass dies laut dem Technischen Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, Alfons Haber, in der ab 1. Januar 2024 geltenden Regulierungssystematik der Fall sein wird, reagierte Christiner skeptisch: „Ich weiß davon nichts.“ Auch frage er sich, ob die E-Control auf Basis des geltenden Elektrizitätsrechts den Ersatz solcher Aufwendungen gewähren könne. Nach Ansicht Christiners wären dazu gesetzliche Anpassungen nötig, die jedoch heuer kaum mehr zu erwarten seien.

„Energiesouveränität“ nötig

Der Vorstand des mehrheitlich im Besitz der RWE befindlichen Kärntner Energiekonzerns Kelag, Reinhard Draxler, ergänzte, Österreich müsse im Zuge der Energiewende an „Energiesouveränität“ gewinnen. Es gelte, die Wende „strategisch“ zu denken und sie in einen Standortvorteil zu verwandeln. Den Begriff „Energiesouveränität“ erläuterte Draxler auf Anfrage der Redaktion mit den Worten, der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, „es ist nicht gut, zu sehr von einem einzigen Lieferanten oder einer einzigen Technologie abhängig zu sein. Wir brauchen einen ausgewogenen Energiemix, um Marktpreisverwerfungen wie 2022 zu vermeiden.“ Österreich solle seine Importe an fossilen Energieträgern verringern und statt dessen verstärkt eigene Ressourcen nutzen, vor allem Biomasse, Wind- und Wasserkraft sowie Photovoltaik: „Jeder Schritt hilft uns da.“

Auf die Frage der Redaktion nach dem Stand des Rechtsstreits der Kelag mit der Kärntner Arbeiterkammer wegen angeblich unrechtmäßiger Preiserhöhungen beschied Draxler, die Auseinandersetzungen gingen weiter. Wegen unklarer Bestimmungen im Elektrizitätsrecht sähen sich manche Stromversorger gezwungen, bei Preisänderungen die Verträge mit ihren Kunden zu kündigen und diesen neue Verträge anzubieten, denen ausdrücklich zugestimmt werden müsse. Mit einer Änderung dieses „zutiefst bedauerlichen“ Zustands rechnet Draxler nicht vor der Parlamentswahl im Herbst 2024.

Mittwoch, 18.10.2023, 15:02 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Kritik an Österreichs Energiewende-Politik
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Kritik an Österreichs Energiewende-Politik
Insbesondere fehlen die Rechtsgrundlagen für den dringend nötigen bevorrangten Stromnetzausbau, hieß es bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik.
Nach wie vor ist das übergeordnete politische Management der Energiewende mangelhaft, kritisierte der Technische Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE) am 18. Oktober. Der Verband hält derzeit in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt seine jährliche Energietechniktagung ab. Christiner, der Vizepräsident des OVE ist, erläuterte, die Ertüchtigung und Erweiterung der Stromnetze halte nicht mit dem rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. Dies führe mittlerweile zu massiven Problemen: „Die uneingeschränkte Einspeisung von Ökostrom ist nicht mehr möglich, weil die Leitungen dafür nicht stark genug sind.“

Trotz aller Bemühungen gelinge es der APG beispielsweise nicht, die Verbindungen zwischen den großen Windparks im Osten Österreichs und den Pumpspeichern im Westen ausreichend rasch zu schaffen. Daher seien immer häufiger Redispatch-Maßnahmen nötig, die heuer bis dato mit rund 125 Millionen Euro zu Buche schlugen. Für das Gesamtjahr ist laut Christiner mit rund 150 Millionen Euro zu rechnen. Außerdem verhindere das unzureichend ausgebaute Netz den Import günstigen Stroms aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr seien die Strompreise in Österreich im Durchschnitt um rund 26 Euro/MWh höher gewesen als jene in Deutschland: „Das sind natürlich extreme Nachteile für den heimischen Wirtschaftsstandort.“

Immer wieder komme es zu Verzögerungen von Leitungsprojekten wegen der komplexen Genehmigungsverfahren. Am 11. Oktober etwa billigte das Bundesverwaltungsgericht dem Einspruch gegen ein Vorhaben im Umfeld der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz aufschiebende Wirkung zu. Linz ist eines der bedeutendsten Industriezentren Österreichs. Der Stahlkonzern Voestalpine plant, seine dortigen mit Kohle befeuerten Hochöfen durch Lichtbogenöfen zu ersetzen. Zu diesem Zweck sind massive Verstärkungen der Stromnetz-Infrastruktur notwendig. Sie liegen nun jedoch bis auf Weiteres auf Eis. Das Problem: Ein einziger der Hochöfen verursacht durch den Betrieb mit Kohle etwa 5 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs.

Rechtsgrundlagen schaffen

Für Christiner ist daher klar: „Die Politik muss endlich die gesetzlichen Grundlagen für einen bevorrangten Netzausbau schaffen.“ Dies betreffe einen „guten und sehr durchdachten“ Österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) ebenso wie das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), erläuterte Christiner. Wie berichtet, bietet der vorliegende Entwurf des ÖNIP nach Ansicht der E-Wirtschaft keine rechtlich sichere Basis für Leitungsprojekte. Vom im Januar angekündigten EABG wiederum gibt es noch nicht einmal einen offiziellen Entwurf.

Änderungen sind laut Christiner auch bei den regulatorischen Vorgaben nötig. Es gelte sicherzustellen, dass Aufwendungen für die Ertüchtigung der Netze mit digitalen Technologien in den Netztarifen berücksichtigt werden. Auf den Hinweis der Redaktion, dass dies laut dem Technischen Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, Alfons Haber, in der ab 1. Januar 2024 geltenden Regulierungssystematik der Fall sein wird, reagierte Christiner skeptisch: „Ich weiß davon nichts.“ Auch frage er sich, ob die E-Control auf Basis des geltenden Elektrizitätsrechts den Ersatz solcher Aufwendungen gewähren könne. Nach Ansicht Christiners wären dazu gesetzliche Anpassungen nötig, die jedoch heuer kaum mehr zu erwarten seien.

„Energiesouveränität“ nötig

Der Vorstand des mehrheitlich im Besitz der RWE befindlichen Kärntner Energiekonzerns Kelag, Reinhard Draxler, ergänzte, Österreich müsse im Zuge der Energiewende an „Energiesouveränität“ gewinnen. Es gelte, die Wende „strategisch“ zu denken und sie in einen Standortvorteil zu verwandeln. Den Begriff „Energiesouveränität“ erläuterte Draxler auf Anfrage der Redaktion mit den Worten, der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, „es ist nicht gut, zu sehr von einem einzigen Lieferanten oder einer einzigen Technologie abhängig zu sein. Wir brauchen einen ausgewogenen Energiemix, um Marktpreisverwerfungen wie 2022 zu vermeiden.“ Österreich solle seine Importe an fossilen Energieträgern verringern und statt dessen verstärkt eigene Ressourcen nutzen, vor allem Biomasse, Wind- und Wasserkraft sowie Photovoltaik: „Jeder Schritt hilft uns da.“

Auf die Frage der Redaktion nach dem Stand des Rechtsstreits der Kelag mit der Kärntner Arbeiterkammer wegen angeblich unrechtmäßiger Preiserhöhungen beschied Draxler, die Auseinandersetzungen gingen weiter. Wegen unklarer Bestimmungen im Elektrizitätsrecht sähen sich manche Stromversorger gezwungen, bei Preisänderungen die Verträge mit ihren Kunden zu kündigen und diesen neue Verträge anzubieten, denen ausdrücklich zugestimmt werden müsse. Mit einer Änderung dieses „zutiefst bedauerlichen“ Zustands rechnet Draxler nicht vor der Parlamentswahl im Herbst 2024.

Mittwoch, 18.10.2023, 15:02 Uhr
Klaus Fischer

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