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Energie & Management > Kernkraft - Jetzt machen auch die Chinesen den Deckel drauf
Der größte Kran der Welt macht bei Hinkley Point C den Deckel drauf - China ebenso. Quelle: EDF
Kernkraft

Jetzt machen auch die Chinesen den Deckel drauf

Technische Superlative vermeldete vergangene Woche der EDF-Konzern, als der größte Kran der Welt den Deckel auf den Hinkley Point-Reaktor hievte. Wirtschaftlich tun sich Abgründe auf.

Der Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C verzögert sich nicht nur über das Jahr 2027 hinaus, auch die Finanzierung gerät in Wanken: Dem französischen Stromkonzern EDF, der den Reaktor baut, droht der chinesische Partner, die China Nuclear Power Group (CGN), von der Fahne zu gehen. Zumindest will er die enormen Kostenüberschreitungen des Projekts, das eigentlich 2025 hätte fertig werden sollen, nicht mehr mittragen. Ursprünglich wurden 21 Milliarden Euro für den Bau des gigantischen Reaktors nahe Bridgwater im Südwesten Englands veranschlagt, Anfang 2023 war dann schon von 38 Milliarden Euro die Rede und jetzt wird darüber spekuliert, dass auch das nicht reichen wird.

Das hat Medienberichten zufolge CGN veranlasst, auch hier einen Deckel drauf zu machen: Die Chinesen wollen für weitere Kostenüberschreitungen nicht mehr aufkommen. Und die britische Regierung zeigt den Partnern die kalte Schulter: Ein britischer Regierungsvertreter, so heißt es in der Financial Times, habe verlautet, dem Bau des Reaktors liege ein kommerzieller Vertrag zugrunde, an dessen Finanzierung man sich „natürlich nicht“ beteilige.

Was zur Folge hätte, dass der sowieso schon von enormen Problemen geplagte französische Staatskonzern EDF auf den Mehrkosten für die Nuklearanlage sitzenbleiben würde. Der Doppelblock mit 3.200 MW soll zusammen mit einem Projekt in Sizwell sechs alte Anlagen ersetzen, die in den kommenden Jahren abgeschaltet werden. Hinkley Point A und B sind bereits stillgelegt.

​Von Anfang an Fragezeichen

Für EDF kommt die Entwicklung maximal ungelegen: Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr Verluste in Höhe von 18 Milliarden Euro eingefahren. Zum einen wegen des Energiepreisdeckels, den die Staatsregierung dem Unternehmen aufgezwungen hat. Zum anderen hatten und haben auch die französischen Kernkraftwerke mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wegen Wartungsarbeiten und zum Teil schwerer Mängel, die aufwendige und langwierige Reparaturarbeiten erforderten, war zum Teil nicht einmal die Hälfte der 56 Meiler in Betrieb. Zum Teil musste Deutschland mit Strom aushelfen. Die Gesamtverschuldung von EDF wird bei rund 65 Milliarden Euro gesehen.

Hinter dem Projekt Hinkley Point C tauchten seit der Vertragsunterzeichnung 2015 immer mehr Fragezeichen auf. Nicht nur die sich verschlechternden Beziehungen zwischen den Briten und China belasteten die Zusammenarbeit, hinzu kam, dass zur Finanzierung ein über Jahrzehnte garantierter Strompreis bezahlt werden sollte. Was wiederum zu einer enormen Belastung für die Verbraucher führen dürfte: In der Wirtschaftswoche ist von 92,50 Pfund/MWh (107,43 Euro/MWh) die Rede – über einen Zeitraum von 35 Jahren. Welchen Sinn das ganze Vorhaben vor diesem Hintergrund eigentlich noch hat, darüber wird ebenfalls spekuliert: Das Land ist wohl auf die zivile Atomindustrie angewiesen, um sein militärisches Nuklearpontenzial zu unterstützen.

Eine Wunderwaffe, die wohl keine ist

Was das Desaster in Großbritannien für Auswirkungen auf weitere Projekte in Europa hat, bleibt abzuwarten. Bekanntlich haben ja neben Frankreich auch Polen und Tschechien große Ambitionen in Sachen Kernkraft, um ihre Kohlemeiler ausrangieren zu können. Die hierfür immer wieder als eine Art Wunderwaffe ins Spiel gebrachten Small Modular Reactors (SMR) scheinen aber letztlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Es handelt sich sozusagen um Minikraftwerke von der Stange. In Polen war von mehr als 70 solcher Anlagen die Rede – bis am 19. Dezember bekannt wurde, dass die Agentur für innere Sicherheit eine negative Stellungnahme zu den Plänen abgegeben hat. Die Bewertung macht es nach Berichten polnischer Zeitungen unwahrscheinlich, dass die erforderlichen Genehmigungen durch das Klimaministerium erteilt werden. Das staatlich verbundene Gemeinschaftsunternehmen, das mit den Planungen beauftragt ist, reagierte mit scharfen Angriffen auf die Behörde. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

Definitiv nicht mehr weiter geht es mit einem SMR-Projekt in den USA. Hier haben – wie berichtet – der Entwickler Nuscale und der Energieversorger „Utah Associated Powerl Systems“ (UAPS) schon im November die Reißleine gezogen. Man hat sich gütlich geeinigt, das Vorhaben in Idaho mit einer Leistung von 462 MW nicht zu realisieren, hieß es. Die Kosten waren davongaloppiert. Die Schätzungen, hatten sich lauf der Energy Watch Group von 5,3 auf 9,3 Milliarden Euro erhöht, was in dem umliegenden Städten und Gemeinden zu einer Verdopplung der Stromkosten geführt hätte.

Die US-Firma Terrapower wollte bis 2026 den ersten von elf SMR aus eigener Entwicklung ans Netz bringen. Alle Projekte sollen laut Energy Watch abgesagt worden sein.

Wirklich in Betrieb gegangen ist im August ein 1.300-MW-Druckwasserreaktor Vogtle 3 im Bundesstaat Georgia. Aber auch hier: Enorme Verzögerungen, explodierende Kosten. Die Fertigstellung dauerte nicht vier, sondern zehn Jahre, die Kosten stiegen von 7,3 auf 10,2 Milliarden Euro.

Dienstag, 19.12.2023, 16:21 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Kernkraft - Jetzt machen auch die Chinesen den Deckel drauf
Der größte Kran der Welt macht bei Hinkley Point C den Deckel drauf - China ebenso. Quelle: EDF
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Jetzt machen auch die Chinesen den Deckel drauf

Technische Superlative vermeldete vergangene Woche der EDF-Konzern, als der größte Kran der Welt den Deckel auf den Hinkley Point-Reaktor hievte. Wirtschaftlich tun sich Abgründe auf.

Der Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C verzögert sich nicht nur über das Jahr 2027 hinaus, auch die Finanzierung gerät in Wanken: Dem französischen Stromkonzern EDF, der den Reaktor baut, droht der chinesische Partner, die China Nuclear Power Group (CGN), von der Fahne zu gehen. Zumindest will er die enormen Kostenüberschreitungen des Projekts, das eigentlich 2025 hätte fertig werden sollen, nicht mehr mittragen. Ursprünglich wurden 21 Milliarden Euro für den Bau des gigantischen Reaktors nahe Bridgwater im Südwesten Englands veranschlagt, Anfang 2023 war dann schon von 38 Milliarden Euro die Rede und jetzt wird darüber spekuliert, dass auch das nicht reichen wird.

Das hat Medienberichten zufolge CGN veranlasst, auch hier einen Deckel drauf zu machen: Die Chinesen wollen für weitere Kostenüberschreitungen nicht mehr aufkommen. Und die britische Regierung zeigt den Partnern die kalte Schulter: Ein britischer Regierungsvertreter, so heißt es in der Financial Times, habe verlautet, dem Bau des Reaktors liege ein kommerzieller Vertrag zugrunde, an dessen Finanzierung man sich „natürlich nicht“ beteilige.

Was zur Folge hätte, dass der sowieso schon von enormen Problemen geplagte französische Staatskonzern EDF auf den Mehrkosten für die Nuklearanlage sitzenbleiben würde. Der Doppelblock mit 3.200 MW soll zusammen mit einem Projekt in Sizwell sechs alte Anlagen ersetzen, die in den kommenden Jahren abgeschaltet werden. Hinkley Point A und B sind bereits stillgelegt.

​Von Anfang an Fragezeichen

Für EDF kommt die Entwicklung maximal ungelegen: Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr Verluste in Höhe von 18 Milliarden Euro eingefahren. Zum einen wegen des Energiepreisdeckels, den die Staatsregierung dem Unternehmen aufgezwungen hat. Zum anderen hatten und haben auch die französischen Kernkraftwerke mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wegen Wartungsarbeiten und zum Teil schwerer Mängel, die aufwendige und langwierige Reparaturarbeiten erforderten, war zum Teil nicht einmal die Hälfte der 56 Meiler in Betrieb. Zum Teil musste Deutschland mit Strom aushelfen. Die Gesamtverschuldung von EDF wird bei rund 65 Milliarden Euro gesehen.

Hinter dem Projekt Hinkley Point C tauchten seit der Vertragsunterzeichnung 2015 immer mehr Fragezeichen auf. Nicht nur die sich verschlechternden Beziehungen zwischen den Briten und China belasteten die Zusammenarbeit, hinzu kam, dass zur Finanzierung ein über Jahrzehnte garantierter Strompreis bezahlt werden sollte. Was wiederum zu einer enormen Belastung für die Verbraucher führen dürfte: In der Wirtschaftswoche ist von 92,50 Pfund/MWh (107,43 Euro/MWh) die Rede – über einen Zeitraum von 35 Jahren. Welchen Sinn das ganze Vorhaben vor diesem Hintergrund eigentlich noch hat, darüber wird ebenfalls spekuliert: Das Land ist wohl auf die zivile Atomindustrie angewiesen, um sein militärisches Nuklearpontenzial zu unterstützen.

Eine Wunderwaffe, die wohl keine ist

Was das Desaster in Großbritannien für Auswirkungen auf weitere Projekte in Europa hat, bleibt abzuwarten. Bekanntlich haben ja neben Frankreich auch Polen und Tschechien große Ambitionen in Sachen Kernkraft, um ihre Kohlemeiler ausrangieren zu können. Die hierfür immer wieder als eine Art Wunderwaffe ins Spiel gebrachten Small Modular Reactors (SMR) scheinen aber letztlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Es handelt sich sozusagen um Minikraftwerke von der Stange. In Polen war von mehr als 70 solcher Anlagen die Rede – bis am 19. Dezember bekannt wurde, dass die Agentur für innere Sicherheit eine negative Stellungnahme zu den Plänen abgegeben hat. Die Bewertung macht es nach Berichten polnischer Zeitungen unwahrscheinlich, dass die erforderlichen Genehmigungen durch das Klimaministerium erteilt werden. Das staatlich verbundene Gemeinschaftsunternehmen, das mit den Planungen beauftragt ist, reagierte mit scharfen Angriffen auf die Behörde. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

Definitiv nicht mehr weiter geht es mit einem SMR-Projekt in den USA. Hier haben – wie berichtet – der Entwickler Nuscale und der Energieversorger „Utah Associated Powerl Systems“ (UAPS) schon im November die Reißleine gezogen. Man hat sich gütlich geeinigt, das Vorhaben in Idaho mit einer Leistung von 462 MW nicht zu realisieren, hieß es. Die Kosten waren davongaloppiert. Die Schätzungen, hatten sich lauf der Energy Watch Group von 5,3 auf 9,3 Milliarden Euro erhöht, was in dem umliegenden Städten und Gemeinden zu einer Verdopplung der Stromkosten geführt hätte.

Die US-Firma Terrapower wollte bis 2026 den ersten von elf SMR aus eigener Entwicklung ans Netz bringen. Alle Projekte sollen laut Energy Watch abgesagt worden sein.

Wirklich in Betrieb gegangen ist im August ein 1.300-MW-Druckwasserreaktor Vogtle 3 im Bundesstaat Georgia. Aber auch hier: Enorme Verzögerungen, explodierende Kosten. Die Fertigstellung dauerte nicht vier, sondern zehn Jahre, die Kosten stiegen von 7,3 auf 10,2 Milliarden Euro.

Dienstag, 19.12.2023, 16:21 Uhr
Günter Drewnitzky

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