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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Grün und arm gegen grau und reich
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

Grün und arm gegen grau und reich

Grüne Energielobbys haben weniger Budget und beschäftigen weniger Lobbyisten als graue. Um ihren Einfluss ist es trotzdem besser bestellt.
 
Das waren 2022 die dicksten Lobbybudgets im Energiebereich laut Lobbyregister des Bundestages
(zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: E&M / Reiko Mizutani

27 Stadtwerke sollen zwischen Juli und Oktober 2023 aus der Brancheninitiative „Zukunft Gas“ verschwunden sein, nachdem die Nichtregierungsorganisation (NGO) Lobbycontrol ihre Austrittskampagne verschärfte. Lobbycontrol hatte im September 2023 vor der Jahrestagung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) demonstriert. Ursprünglich hatten mehr als 100 Stadtwerke „Zukunft Gas“ angehört.

Christina Deckwirth, selbst Lobbyistin bei Lobbycontrol, begründet die Kampagne gegenüber E&M so: „Zukunft Gas“ verfolge eine „irreführende“ Lobbystrategie, die „dem Gemeinwohl schadet“, weil es der Initiative um den Verkauf von Gas zum Heizen gehe, und mit der propagierten Transformation auf Wasserstoff betreibe sie entweder Greenwashing oder rede der Verschwendung grünen Wasserstoffs fürs Heizen das Wort. „Zukunft Gas“ bremse die Wärmewende und komme mit Gaskonzernen und anderen Gaslobbys auf ein jährliches Lobbybudget von gut 40 Millionen Euro.

Lobbycontrol malt das Bild von David gegen Goliath: Habe die Wirtschaft „mit mehr finanziellen Mitteln auch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen“, dann seien „etwa Umwelt-, Klima- oder Verbraucherschutzinteressen strukturell benachteiligt“.
Aber stimmt das, zumal in Zeiten der Ampel? Das Budget kommt in der Größenordnung hin. Das ergeben stichprobenartige Auswertungen des Lobbyregisters beim Bundestag durch E&M.

Nur: Welche Bedeutung hat das? Gut 6.000 Unternehmen, Verbände, NGO, Wissenschaftler und Auftragslobbyisten müssen im Register Auskunft geben. Davon geben knapp 2.000 auch „Interessenvertretung“ in Energiefragen an. Unter den konventionellen Unternehmen gab der größte Energieverbraucher, BASF, 2022 mit knapp 4 Millionen Euro am meisten für Lobbyarbeit aus. Und der Versorger mit den dicksten Taschen für Interessenvertretung war zeitgleich auf Platz vier im Energiebereich die EnBW (gut 3 Millionen Euro), gefolgt von RWE auf Rang acht (2,75 Millionen) und von Uniper, alle auch mit Gasinteressen (siehe auch Auszug in der Grafik). Unter den rein grünen Energieversorgern dagegen hat nur ein einziger ein Millionenbudget: Orsted.

​Energieverbände: An erster Stelle steht der BDEW

Noch krasser scheint das Ungleichgewicht bei den Energieverbänden auszusehen: An erster Stelle steht der BDEW (7,2 Millionen Euro und 58 hauptamtliche Lobbyisten), gefolgt vom VKU (6,8 Millionen Euro, 53 Repräsentanten) und vom Industriekraftwerksverband VIK (1,2 Millionen Euro). Da kommen die lobbymäßig reichsten grünen Verbände, die Waldbesitzer und der Fachverband Biogas, kaum über die Million hinaus, der Bundesverband Windenergie verfehlt sie mit gut 900.000 Euro. Und der Dachverband beider, der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), muss mit 540.000 Euro und neun Lobbyisten auskommen.

Das Bild der stärkeren Wirtschaftsinteressen relativiert sich aber, wenn man im Energiebereich die Körperschaft mit dem höchsten Lobbybudget überhaupt betrachtet: der Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV), der 67 direkte Interessenvertreter angibt. Der VZBV äußert sich zumeist im Sinne der Erneuerbaren-Verbände oder sogar gemeinsam mit ihnen.

Noch fragwürdiger wird das kolportierte Bild bei den NGO und den wissenschaftlichen Einrichtungen: Zwar sind lobbyistisch am wohlhabendsten der Energiewende-skeptische Wirtschaftsrat der CDU e.V. und auf Rang drei die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft von Gesamtmetall − zwischendrin ist aber die eher grüne Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Doch den dicksten Lobbytitel unter den NGO hat das „Climate Action Network“ (CAN), das für eine möglichst fixe 100-Prozent-Energiewende steht. Allein seinem Lobbybudget von 5,8 Millionen Euro standen 2022 Großspenden von 3,8 Millionen Euro gegenüber, vor allem von der European Climate Foundation (ECF). Und 1,6 Millionen Euro kamen vom Staat, vor allem von der EU, aber auch vom Bund, und zwar ausdrücklich, „um unser Sekretariat zu unterhalten und für unsere Mission zu arbeiten, (...) den gefährlichen Klimawandel zu bekämpfen“. Das CAN ist eine von Regierungen subventionierte Nichtregierungsorganisation.

Zweitgrößter grüner NGO-Lobbyist war die immerhin auf eigenen finanziellen Füßen stehende Bürgerbewegung Campact. Klimapolitisch geriert sie sich im Sinne der Grünen und ihres Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Campact kämpfte etwa, nachdem Karlsruhe den Haushalt 2023 gekippt hatte, gegen jede Kürzung an Energiewende-Förderprogrammen.

Doch was sagen die Budgets über die Effizienz der jeweiligen Lobbyarbeit aus? Darüber sagt das Lobbyregister, das künftig auch Kontakte zu ausländischen Regierungen ausweisen soll, nichts aus. Die Sefep etwa, Trägerin der Agora-Denkfabriken, gab 2022 für Interessenvertretung nur gut 200.000 Euro aus, doch ihr damaliger Direktor Patrick Graichen wurde von Habeck als Staatssekretär in eine Schlüsselposition geholt. Agora-Studien bilden die Basis für die technologiespezifischen Ausbauziele des EEG. Und die damalige Geschäftsführerin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, wurde Klimastaatssekretärin bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

„Zukunft Gas“ versucht mittlerweile, den Gegenwind auszusitzen. Früher hatte die Initiative eingeräumt, dass einige Stadtwerke dem „Druck dieser unsachlichen Kampagne nachgegeben“ haben.

Lobbycontrol: Anderen Akteuren Gehör verschaffen

Auf Nachfrage bei Lobbycontrol, ob 750 Gasversorger mit knapp 20 Millionen Kunden und den größten Energiespeichern der Republik ihre Interessen nicht mehr vertreten dürfen, sagt Christina Deckwirth: „Wir wollen auf die problematische Rolle von ‚Zukunft Gas‘ aufmerksam machen und dafür sorgen, dass im Sinne der Ausgewogenheit auch andere Akteure Gehör in Politik und Öffentlichkeit finden. Deswegen problematisieren wir, dass Stadtwerke, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, den Verband finanzieren und dessen Image aufpolieren sollen.“ (siehe auch Online-Meldung mit ausführlicheren Rankings der größten Energielobbyisten unter „Mehr zum Thema“)

Dienstag, 30.01.2024, 10:27 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Grün und arm gegen grau und reich
Quelle: E&M
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Grün und arm gegen grau und reich
Grüne Energielobbys haben weniger Budget und beschäftigen weniger Lobbyisten als graue. Um ihren Einfluss ist es trotzdem besser bestellt.
 
Das waren 2022 die dicksten Lobbybudgets im Energiebereich laut Lobbyregister des Bundestages
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Quelle: E&M / Reiko Mizutani

27 Stadtwerke sollen zwischen Juli und Oktober 2023 aus der Brancheninitiative „Zukunft Gas“ verschwunden sein, nachdem die Nichtregierungsorganisation (NGO) Lobbycontrol ihre Austrittskampagne verschärfte. Lobbycontrol hatte im September 2023 vor der Jahrestagung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) demonstriert. Ursprünglich hatten mehr als 100 Stadtwerke „Zukunft Gas“ angehört.

Christina Deckwirth, selbst Lobbyistin bei Lobbycontrol, begründet die Kampagne gegenüber E&M so: „Zukunft Gas“ verfolge eine „irreführende“ Lobbystrategie, die „dem Gemeinwohl schadet“, weil es der Initiative um den Verkauf von Gas zum Heizen gehe, und mit der propagierten Transformation auf Wasserstoff betreibe sie entweder Greenwashing oder rede der Verschwendung grünen Wasserstoffs fürs Heizen das Wort. „Zukunft Gas“ bremse die Wärmewende und komme mit Gaskonzernen und anderen Gaslobbys auf ein jährliches Lobbybudget von gut 40 Millionen Euro.

Lobbycontrol malt das Bild von David gegen Goliath: Habe die Wirtschaft „mit mehr finanziellen Mitteln auch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen“, dann seien „etwa Umwelt-, Klima- oder Verbraucherschutzinteressen strukturell benachteiligt“.
Aber stimmt das, zumal in Zeiten der Ampel? Das Budget kommt in der Größenordnung hin. Das ergeben stichprobenartige Auswertungen des Lobbyregisters beim Bundestag durch E&M.

Nur: Welche Bedeutung hat das? Gut 6.000 Unternehmen, Verbände, NGO, Wissenschaftler und Auftragslobbyisten müssen im Register Auskunft geben. Davon geben knapp 2.000 auch „Interessenvertretung“ in Energiefragen an. Unter den konventionellen Unternehmen gab der größte Energieverbraucher, BASF, 2022 mit knapp 4 Millionen Euro am meisten für Lobbyarbeit aus. Und der Versorger mit den dicksten Taschen für Interessenvertretung war zeitgleich auf Platz vier im Energiebereich die EnBW (gut 3 Millionen Euro), gefolgt von RWE auf Rang acht (2,75 Millionen) und von Uniper, alle auch mit Gasinteressen (siehe auch Auszug in der Grafik). Unter den rein grünen Energieversorgern dagegen hat nur ein einziger ein Millionenbudget: Orsted.

​Energieverbände: An erster Stelle steht der BDEW

Noch krasser scheint das Ungleichgewicht bei den Energieverbänden auszusehen: An erster Stelle steht der BDEW (7,2 Millionen Euro und 58 hauptamtliche Lobbyisten), gefolgt vom VKU (6,8 Millionen Euro, 53 Repräsentanten) und vom Industriekraftwerksverband VIK (1,2 Millionen Euro). Da kommen die lobbymäßig reichsten grünen Verbände, die Waldbesitzer und der Fachverband Biogas, kaum über die Million hinaus, der Bundesverband Windenergie verfehlt sie mit gut 900.000 Euro. Und der Dachverband beider, der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), muss mit 540.000 Euro und neun Lobbyisten auskommen.

Das Bild der stärkeren Wirtschaftsinteressen relativiert sich aber, wenn man im Energiebereich die Körperschaft mit dem höchsten Lobbybudget überhaupt betrachtet: der Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV), der 67 direkte Interessenvertreter angibt. Der VZBV äußert sich zumeist im Sinne der Erneuerbaren-Verbände oder sogar gemeinsam mit ihnen.

Noch fragwürdiger wird das kolportierte Bild bei den NGO und den wissenschaftlichen Einrichtungen: Zwar sind lobbyistisch am wohlhabendsten der Energiewende-skeptische Wirtschaftsrat der CDU e.V. und auf Rang drei die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft von Gesamtmetall − zwischendrin ist aber die eher grüne Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Doch den dicksten Lobbytitel unter den NGO hat das „Climate Action Network“ (CAN), das für eine möglichst fixe 100-Prozent-Energiewende steht. Allein seinem Lobbybudget von 5,8 Millionen Euro standen 2022 Großspenden von 3,8 Millionen Euro gegenüber, vor allem von der European Climate Foundation (ECF). Und 1,6 Millionen Euro kamen vom Staat, vor allem von der EU, aber auch vom Bund, und zwar ausdrücklich, „um unser Sekretariat zu unterhalten und für unsere Mission zu arbeiten, (...) den gefährlichen Klimawandel zu bekämpfen“. Das CAN ist eine von Regierungen subventionierte Nichtregierungsorganisation.

Zweitgrößter grüner NGO-Lobbyist war die immerhin auf eigenen finanziellen Füßen stehende Bürgerbewegung Campact. Klimapolitisch geriert sie sich im Sinne der Grünen und ihres Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Campact kämpfte etwa, nachdem Karlsruhe den Haushalt 2023 gekippt hatte, gegen jede Kürzung an Energiewende-Förderprogrammen.

Doch was sagen die Budgets über die Effizienz der jeweiligen Lobbyarbeit aus? Darüber sagt das Lobbyregister, das künftig auch Kontakte zu ausländischen Regierungen ausweisen soll, nichts aus. Die Sefep etwa, Trägerin der Agora-Denkfabriken, gab 2022 für Interessenvertretung nur gut 200.000 Euro aus, doch ihr damaliger Direktor Patrick Graichen wurde von Habeck als Staatssekretär in eine Schlüsselposition geholt. Agora-Studien bilden die Basis für die technologiespezifischen Ausbauziele des EEG. Und die damalige Geschäftsführerin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, wurde Klimastaatssekretärin bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

„Zukunft Gas“ versucht mittlerweile, den Gegenwind auszusitzen. Früher hatte die Initiative eingeräumt, dass einige Stadtwerke dem „Druck dieser unsachlichen Kampagne nachgegeben“ haben.

Lobbycontrol: Anderen Akteuren Gehör verschaffen

Auf Nachfrage bei Lobbycontrol, ob 750 Gasversorger mit knapp 20 Millionen Kunden und den größten Energiespeichern der Republik ihre Interessen nicht mehr vertreten dürfen, sagt Christina Deckwirth: „Wir wollen auf die problematische Rolle von ‚Zukunft Gas‘ aufmerksam machen und dafür sorgen, dass im Sinne der Ausgewogenheit auch andere Akteure Gehör in Politik und Öffentlichkeit finden. Deswegen problematisieren wir, dass Stadtwerke, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, den Verband finanzieren und dessen Image aufpolieren sollen.“ (siehe auch Online-Meldung mit ausführlicheren Rankings der größten Energielobbyisten unter „Mehr zum Thema“)

Dienstag, 30.01.2024, 10:27 Uhr
Georg Eble

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