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Energie & Management > Emissionshandel - Gewinner und Verlierer des Klimazolls
Quelle: Fotolia / thingamajiggs
Emissionshandel

Gewinner und Verlierer des Klimazolls

Der europäische Klimazoll wird die globalen Warenströme deutlich und möglicherweise nachhaltig verschieben. Stahlerzeuger in Indien und China könnten die größten Verlierer werden.
Der Klimazoll (CBAM) werde „die Welt auf dem Weg in die Dekarbonisierung weiter voranbringen und weltweite Auswirkungen haben“, schreiben die Autoren einer Studie der Beraterfirma Wood Mackenzie, die am 21. September in London vorgestellt wurde. Die Neuordnung des Welthandels werde sich über Jahrzehnte hinziehen.

Die Einführung des CBAM der Europäischen Union beginnt am 1. Oktober schrittweise. Die Importeure werden bis Ende 2025 aber nur verpflichtet, Daten über die Kohlenstoffintensität ihrer Produkte an die EU-Kommission zu übermitteln. Die Kommission legt auf dieser Grundlage die Höhe des CBAM für jedes Produkt der betroffenen Branchen fest: Aluminium, Stahl, Zement, Düngemittel, Wasserstoff und Elektrizität.

Die Importeure müssen den CBAM für solche Produkte von 2026 an bezahlen. 2030 ist eine Ausweitung des Klimazolls auf alle Metalle, Glas, Keramik, Papier, organische Chemikalien und Ölprodukte vorgesehen. Die Importeure müssen für die CO2-Emissionen ihrer Waren entweder nachweisen, dass sie dafür bereits einen vergleichbaren Preis (oder eine Steuer) bezahlt haben, oder sie müssen CBAM-Zertifikate erwerben. Deren Preis richtet sich nach der CO2-Notierung im europäischen Emissionshandelssystem (ETS).

Der CBAM erhöht sich ebenfalls Schritt für Schritt: 2026 werden 10 Prozent fällig, 2034 der volle Satz. Gleichzeitig wird die Zuteilung von Gratis-Emissionsrechten für die gleichen Branchen im Rahmen des ETS schrittweise zurückgeführt: Von 2034 an müssen Stahl- oder Zementwerke in der EU alle Zertifikate für ihren Ausstoß ersteigern.

Damit werde der CO2-Gehalt zu einem neuen und wichtigen Kostenfaktor, heißt es in der Studie, mit neuen Anreizen, in emissionsarme Technologien zu investieren. Mackenzie hat die Auswirkungen auf drei der betroffenen Branchen untersucht: Stahl, Wasserstoff und Mineralölprodukte.
 
 
Betroffen von der Kostensteigerung sind sowohl die Importe als auch die europäischen Produkte. Allerdings ist die Wirkung auf die europäischen Anbieter schneller und unmittelbar. Die Importeure können zunächst auf die Hersteller mit niedrigen Emissionen zurückgreifen. Stärker belastete Waren, die bislang in die EU geliefert wurden, würden dann auf anderen Märkten abgesetzt. Die EU-Kommission habe das Problem der Verlagerung zwar grundsätzlich auf dem Schirm, schreibt Wood Mackenzie, aber keine Strategie, wie sie damit umgehen wolle.

Für den importierten Stahl bedeutet der Klimazoll nach den Berechnungen von Wood Mackenzie einen Aufschlag von 275 Dollar/Tonne. Im vorigen Jahr bezahlte man für die vom CBAM erfassten Stähle auf dem Weltmarkt im Durchschnitt 1450 Dollar/Tonne.

Deutlich höher wäre die Belastung für Stahl aus Indien und China, der 2034 mit dem heutigen CO2-Fußabdruck 56 Prozent respektive 49 ​Prozent teurer wäre als ohne den Klimazoll. Entsprechend erwarten die Autoren, dass vor allem die asiatischen Länder in Zukunft versuchen werden, ihren Stahl außerhalb Europas zu verkaufen. Davon würden vor allem die Stahlindustrien in den USA (+12 Prozent) und Großbritannien (+1 Prozent) profitieren, die niedrigere Emissionen haben und im Fall des Vereinigten Königreichs auch einen dem ETS vergleichbaren Kohlenstoffpreis.

Langfristig auch Turbinen und E-Autos teurer

Langfristig werde der CBAM die Wettbewerbsfähigkeit der meisten nichteuropäischen Anbieter empfindlich beeinträchtigen und zu deutlich höheren Stahlpreisen in der EU führen, prognostiziert Wood Mackenzie. Die „Kollateralschäden“ würden sich auch auf die Branchen erstrecken, die Stahl verarbeiten, einschließlich der meisten Technologien, die für die Transition benötigt würden, wie Turbinen oder Elektroautos. Zumal Mackenzie damit rechnet, dass die EU den Klimazoll langfristig auf alle Importe erheben wird.

Chancen für grünen Wasserstoff

Gute Chancen, vom CBAM zu profitieren, bescheinigt die Studie grünem Wasserstoff. Insgesamt will die EU 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst erzeugen und weitere 10 Millionen Tonnen einführen. Die zusätzlichen Kosten seien geeignet, eher klimafreundlich erzeugten Wasserstoff und Wasserstoff-Derivate zu begünstigen. Sogenannter „grauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas erzeugt wird, werde voraussichtlich kaum noch in der EU absetzbar sein, könnte aber auf andere Märkte umgeleitet werden.

Langfristig erwarten die Autoren, dass „blauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas mit angeschlossener CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) entsteht, die besten Chancen hat. In den meisten Ländern außerhalb der EU könne blauer Wasserstoff wesentlich preiswerter erzeugt werden als grüner, der in Elektrolyseuren entsteht, die mit Grünstrom betrieben werden. In den USA etwa könnte ein Kilo blauer Wasserstoff einschließlich des europäischen Klimazolls für 3,50 Dollar hergestellt werden, grüner Wasserstoff würde zwischen 4 Dollar (USA) und 7 Dollar (Großbritannien) kosten. Einen Kostenvorteil für grünen Wasserstoff sieht die Studie frühestens nach 2040.

Die Gefahr unvorhergesehener Wirkungen gebe es vor allem in der Düngemittelindustrie, wo höhere Energiekosten direkt auf die Preise durchschlagen. Die Bauern würden dann den Einsatz von Dünger einschränken, die Ernteerträge würden sinken. Höhere Lebensmittel-Preise wiederum könnten politischen Widerstand erzeugen.

Donnerstag, 21.09.2023, 15:14 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Emissionshandel - Gewinner und Verlierer des Klimazolls
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Emissionshandel
Gewinner und Verlierer des Klimazolls
Der europäische Klimazoll wird die globalen Warenströme deutlich und möglicherweise nachhaltig verschieben. Stahlerzeuger in Indien und China könnten die größten Verlierer werden.
Der Klimazoll (CBAM) werde „die Welt auf dem Weg in die Dekarbonisierung weiter voranbringen und weltweite Auswirkungen haben“, schreiben die Autoren einer Studie der Beraterfirma Wood Mackenzie, die am 21. September in London vorgestellt wurde. Die Neuordnung des Welthandels werde sich über Jahrzehnte hinziehen.

Die Einführung des CBAM der Europäischen Union beginnt am 1. Oktober schrittweise. Die Importeure werden bis Ende 2025 aber nur verpflichtet, Daten über die Kohlenstoffintensität ihrer Produkte an die EU-Kommission zu übermitteln. Die Kommission legt auf dieser Grundlage die Höhe des CBAM für jedes Produkt der betroffenen Branchen fest: Aluminium, Stahl, Zement, Düngemittel, Wasserstoff und Elektrizität.

Die Importeure müssen den CBAM für solche Produkte von 2026 an bezahlen. 2030 ist eine Ausweitung des Klimazolls auf alle Metalle, Glas, Keramik, Papier, organische Chemikalien und Ölprodukte vorgesehen. Die Importeure müssen für die CO2-Emissionen ihrer Waren entweder nachweisen, dass sie dafür bereits einen vergleichbaren Preis (oder eine Steuer) bezahlt haben, oder sie müssen CBAM-Zertifikate erwerben. Deren Preis richtet sich nach der CO2-Notierung im europäischen Emissionshandelssystem (ETS).

Der CBAM erhöht sich ebenfalls Schritt für Schritt: 2026 werden 10 Prozent fällig, 2034 der volle Satz. Gleichzeitig wird die Zuteilung von Gratis-Emissionsrechten für die gleichen Branchen im Rahmen des ETS schrittweise zurückgeführt: Von 2034 an müssen Stahl- oder Zementwerke in der EU alle Zertifikate für ihren Ausstoß ersteigern.

Damit werde der CO2-Gehalt zu einem neuen und wichtigen Kostenfaktor, heißt es in der Studie, mit neuen Anreizen, in emissionsarme Technologien zu investieren. Mackenzie hat die Auswirkungen auf drei der betroffenen Branchen untersucht: Stahl, Wasserstoff und Mineralölprodukte.
 
 
Betroffen von der Kostensteigerung sind sowohl die Importe als auch die europäischen Produkte. Allerdings ist die Wirkung auf die europäischen Anbieter schneller und unmittelbar. Die Importeure können zunächst auf die Hersteller mit niedrigen Emissionen zurückgreifen. Stärker belastete Waren, die bislang in die EU geliefert wurden, würden dann auf anderen Märkten abgesetzt. Die EU-Kommission habe das Problem der Verlagerung zwar grundsätzlich auf dem Schirm, schreibt Wood Mackenzie, aber keine Strategie, wie sie damit umgehen wolle.

Für den importierten Stahl bedeutet der Klimazoll nach den Berechnungen von Wood Mackenzie einen Aufschlag von 275 Dollar/Tonne. Im vorigen Jahr bezahlte man für die vom CBAM erfassten Stähle auf dem Weltmarkt im Durchschnitt 1450 Dollar/Tonne.

Deutlich höher wäre die Belastung für Stahl aus Indien und China, der 2034 mit dem heutigen CO2-Fußabdruck 56 Prozent respektive 49 ​Prozent teurer wäre als ohne den Klimazoll. Entsprechend erwarten die Autoren, dass vor allem die asiatischen Länder in Zukunft versuchen werden, ihren Stahl außerhalb Europas zu verkaufen. Davon würden vor allem die Stahlindustrien in den USA (+12 Prozent) und Großbritannien (+1 Prozent) profitieren, die niedrigere Emissionen haben und im Fall des Vereinigten Königreichs auch einen dem ETS vergleichbaren Kohlenstoffpreis.

Langfristig auch Turbinen und E-Autos teurer

Langfristig werde der CBAM die Wettbewerbsfähigkeit der meisten nichteuropäischen Anbieter empfindlich beeinträchtigen und zu deutlich höheren Stahlpreisen in der EU führen, prognostiziert Wood Mackenzie. Die „Kollateralschäden“ würden sich auch auf die Branchen erstrecken, die Stahl verarbeiten, einschließlich der meisten Technologien, die für die Transition benötigt würden, wie Turbinen oder Elektroautos. Zumal Mackenzie damit rechnet, dass die EU den Klimazoll langfristig auf alle Importe erheben wird.

Chancen für grünen Wasserstoff

Gute Chancen, vom CBAM zu profitieren, bescheinigt die Studie grünem Wasserstoff. Insgesamt will die EU 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst erzeugen und weitere 10 Millionen Tonnen einführen. Die zusätzlichen Kosten seien geeignet, eher klimafreundlich erzeugten Wasserstoff und Wasserstoff-Derivate zu begünstigen. Sogenannter „grauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas erzeugt wird, werde voraussichtlich kaum noch in der EU absetzbar sein, könnte aber auf andere Märkte umgeleitet werden.

Langfristig erwarten die Autoren, dass „blauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas mit angeschlossener CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) entsteht, die besten Chancen hat. In den meisten Ländern außerhalb der EU könne blauer Wasserstoff wesentlich preiswerter erzeugt werden als grüner, der in Elektrolyseuren entsteht, die mit Grünstrom betrieben werden. In den USA etwa könnte ein Kilo blauer Wasserstoff einschließlich des europäischen Klimazolls für 3,50 Dollar hergestellt werden, grüner Wasserstoff würde zwischen 4 Dollar (USA) und 7 Dollar (Großbritannien) kosten. Einen Kostenvorteil für grünen Wasserstoff sieht die Studie frühestens nach 2040.

Die Gefahr unvorhergesehener Wirkungen gebe es vor allem in der Düngemittelindustrie, wo höhere Energiekosten direkt auf die Preise durchschlagen. Die Bauern würden dann den Einsatz von Dünger einschränken, die Ernteerträge würden sinken. Höhere Lebensmittel-Preise wiederum könnten politischen Widerstand erzeugen.

Donnerstag, 21.09.2023, 15:14 Uhr
Tom Weingärtner

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