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Energie & Management > Emissionshandel - Agora beschwört böse Überraschung
Quelle: Fotolia / arahan
Emissionshandel

Agora beschwört böse Überraschung

Der Übergang zur Mengensteuerung im EU-Emissionshandelssystem II könnte nach Ansicht von Agora-Energiewende holprig ausfallen. Die Klimalobby empfiehlt, vorzusorgen.
 
Gegenwärtig gelten für den Verkehrs- und den Gebäudesektor die Festpreise des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Raffinerien oder Gasversorger müssen 30 Euro pro Tonne CO2 bezahlen. Jedes Jahr steigt der Preis um 5 Euro. 2027 wird der nationale Handel in das europäische Emissionshandelssystem II (ETS II) überführt. Dort ist die Menge der Emissionen gedeckelt, und der Preis bildet sich am Markt. Ziel der EU ist allerdings ein Einstiegspreis von 45 Euro pro Tonne.

Dann könnte es aber eine böse Ãœberraschung geben, sagt Agora-Energiewende-Direktor Simon Müller, denn: „Wir gehen nicht davon aus, dass alle EU-Staaten ihre Klimaziele erreichen.“ Für Deutschland verweist eine Analyse der Agora, die am 19. Oktober in Berlin vorgestellt wurde, auf die Projektion der Bundesregierung, die bis 2030 von einer Zielverfehlung um 200 Millionen Tonnen im Verkehr und im Gebäudesektor ausgeht.

Das würde bedeuten, dass die Nachfrage nach ETS-II-Zertifikaten höher ausfallen könnte als erwartet. Für die deutschen Verbraucher könnte es zu einem Preissprung kommen. Agora-Direktor Müller schlägt deswegen für Deutschland einen Drei-Punkte-Plan vor, um einen sozialverträglichen Ãœbergang mit moderater Preisentwicklung zu gewährleisten: „Ein gut gestalteter Ãœbergang zum europäischen ETS II schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem sprunghaften Anstieg ihrer Tank- und Heizrechnung.“

Agoras drei Punkte: CO2-Preis jetzt schon erhöhen

Jüngste Studien zeigten, dass der Preis 2027 schnell auf 200 Euro/Tonne CO2 und mehr steigen könnte. Bei Agora hat man ausgerechnet, dass sich dadurch Benzin um 38 Ct/Liter verteuern würde, Haushalte und Industrie müssten für Gas 3 Cent/kWh mehr bezahlen.

Die Lösung sieht Agora darin, die Preise schon vorher zu erhöhen. Der Drei-Punkte-Plan sieht vor, den deutschen Festpreis bereits im kommenden Jahr auf 60 Euro zu verdoppeln. Der Benzinpreis würde dadurch um 8,5 Ct/Liter steigen. Die zusätzlichen Einnahmen von 6,6 Milliarden Euro, rund 80 Euro pro Einwohner, sollten nach den Vorstellungen Agoras an die Verbraucher zurückgegeben werden. So könne sichergestellt werden, dass die Preiserhöhung auch für einkommensschwache Haushalte bezahlbar sei.

Dieses „Klimageld“ könnte frühestens am 1. Juli 2024 eingeführt werden und müsste versteuert werden. Eine Senkung der Stromsteuer könnte für schnelle Entlastung sorgen, wäre aber kein Ersatz für das Klimageld.

Der Einstieg in den Handel solle auf 2025 vorgezogen werden, wobei im ersten Jahr ein Preiskorridor von 60 bis 80 Euro/Tonne vorgegeben werden solle. 2026 soll sich der Preis dann zwischen 90 und 110 Euro/Tonne bewegen. Auch hier sollten die Mehreinnahmen an die Verbraucher zurückgegeben werden, mittelfristig jedoch nicht mehr pro Kopf, sondern einkommensabhängig.

Für 2027 solle Deutschland eine Mindestbelastung von 120 Euro/Tonne anpeilen. Sollte der Preis im europäischen ETS II geringer ausfallen, könnte die Differenz durch eine zusätzliche Energiebesteuerung ausgeglichen werden.

Schließlich sollten klimafreundliche Technologien gefördert werden, sagt Müller: „Damit die CO2-Preise ihre volle Klimaschutzwirkung entfalten können, sollte die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbrauchern den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erleichtern.“ Zur Begründung verweist Agora darauf, dass die Möglichkeiten der Verbraucher, auf den höheren CO2-Preis zu reagieren, begrenzt seien. Ein Wechsel zu den öffentlichen Verkehrsmitteln etwa sei nicht überall möglich.

Deutschland für EU-CO2-Preis in besonderer Verantwortung

Es gehe deshalb darum, beim Klimaschutz nicht alleine auf den Preis zu setzen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, sondern „auf einen klugen Mix, der den Klimaschutz stärkt und zugleich soziale Belastungen abfedert“. Eine Verfehlung der Klimaziele hätte auch Folgen für den Bundeshaushalt, weil dann Ausgleichszahlungen zu leisten wären oder die Bundesrepublik zu einem Bußgeld verurteilt werden könnte.

Zusätzliche Anstrengungen in Deutschland, das für rund ein Viertel der Emissionen in der EU verantwortlich ist, seien auch geeignet, die Preise nach 2027 europaweit niedriger zu halten. In den einkommensschwachen EU-Staaten sei das noch wichtiger als in den wohlhabenderen Mitgliedsstaaten. Die Bundesrepublik trage deswegen auch eine große europäische Verantwortung für einen wirksamen und sozial verträglichen Klimaschutz.

Donnerstag, 19.10.2023, 15:58 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Emissionshandel - Agora beschwört böse Überraschung
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Agora beschwört böse Überraschung
Der Übergang zur Mengensteuerung im EU-Emissionshandelssystem II könnte nach Ansicht von Agora-Energiewende holprig ausfallen. Die Klimalobby empfiehlt, vorzusorgen.
 
Gegenwärtig gelten für den Verkehrs- und den Gebäudesektor die Festpreise des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Raffinerien oder Gasversorger müssen 30 Euro pro Tonne CO2 bezahlen. Jedes Jahr steigt der Preis um 5 Euro. 2027 wird der nationale Handel in das europäische Emissionshandelssystem II (ETS II) überführt. Dort ist die Menge der Emissionen gedeckelt, und der Preis bildet sich am Markt. Ziel der EU ist allerdings ein Einstiegspreis von 45 Euro pro Tonne.

Dann könnte es aber eine böse Ãœberraschung geben, sagt Agora-Energiewende-Direktor Simon Müller, denn: „Wir gehen nicht davon aus, dass alle EU-Staaten ihre Klimaziele erreichen.“ Für Deutschland verweist eine Analyse der Agora, die am 19. Oktober in Berlin vorgestellt wurde, auf die Projektion der Bundesregierung, die bis 2030 von einer Zielverfehlung um 200 Millionen Tonnen im Verkehr und im Gebäudesektor ausgeht.

Das würde bedeuten, dass die Nachfrage nach ETS-II-Zertifikaten höher ausfallen könnte als erwartet. Für die deutschen Verbraucher könnte es zu einem Preissprung kommen. Agora-Direktor Müller schlägt deswegen für Deutschland einen Drei-Punkte-Plan vor, um einen sozialverträglichen Ãœbergang mit moderater Preisentwicklung zu gewährleisten: „Ein gut gestalteter Ãœbergang zum europäischen ETS II schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem sprunghaften Anstieg ihrer Tank- und Heizrechnung.“

Agoras drei Punkte: CO2-Preis jetzt schon erhöhen

Jüngste Studien zeigten, dass der Preis 2027 schnell auf 200 Euro/Tonne CO2 und mehr steigen könnte. Bei Agora hat man ausgerechnet, dass sich dadurch Benzin um 38 Ct/Liter verteuern würde, Haushalte und Industrie müssten für Gas 3 Cent/kWh mehr bezahlen.

Die Lösung sieht Agora darin, die Preise schon vorher zu erhöhen. Der Drei-Punkte-Plan sieht vor, den deutschen Festpreis bereits im kommenden Jahr auf 60 Euro zu verdoppeln. Der Benzinpreis würde dadurch um 8,5 Ct/Liter steigen. Die zusätzlichen Einnahmen von 6,6 Milliarden Euro, rund 80 Euro pro Einwohner, sollten nach den Vorstellungen Agoras an die Verbraucher zurückgegeben werden. So könne sichergestellt werden, dass die Preiserhöhung auch für einkommensschwache Haushalte bezahlbar sei.

Dieses „Klimageld“ könnte frühestens am 1. Juli 2024 eingeführt werden und müsste versteuert werden. Eine Senkung der Stromsteuer könnte für schnelle Entlastung sorgen, wäre aber kein Ersatz für das Klimageld.

Der Einstieg in den Handel solle auf 2025 vorgezogen werden, wobei im ersten Jahr ein Preiskorridor von 60 bis 80 Euro/Tonne vorgegeben werden solle. 2026 soll sich der Preis dann zwischen 90 und 110 Euro/Tonne bewegen. Auch hier sollten die Mehreinnahmen an die Verbraucher zurückgegeben werden, mittelfristig jedoch nicht mehr pro Kopf, sondern einkommensabhängig.

Für 2027 solle Deutschland eine Mindestbelastung von 120 Euro/Tonne anpeilen. Sollte der Preis im europäischen ETS II geringer ausfallen, könnte die Differenz durch eine zusätzliche Energiebesteuerung ausgeglichen werden.

Schließlich sollten klimafreundliche Technologien gefördert werden, sagt Müller: „Damit die CO2-Preise ihre volle Klimaschutzwirkung entfalten können, sollte die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbrauchern den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erleichtern.“ Zur Begründung verweist Agora darauf, dass die Möglichkeiten der Verbraucher, auf den höheren CO2-Preis zu reagieren, begrenzt seien. Ein Wechsel zu den öffentlichen Verkehrsmitteln etwa sei nicht überall möglich.

Deutschland für EU-CO2-Preis in besonderer Verantwortung

Es gehe deshalb darum, beim Klimaschutz nicht alleine auf den Preis zu setzen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, sondern „auf einen klugen Mix, der den Klimaschutz stärkt und zugleich soziale Belastungen abfedert“. Eine Verfehlung der Klimaziele hätte auch Folgen für den Bundeshaushalt, weil dann Ausgleichszahlungen zu leisten wären oder die Bundesrepublik zu einem Bußgeld verurteilt werden könnte.

Zusätzliche Anstrengungen in Deutschland, das für rund ein Viertel der Emissionen in der EU verantwortlich ist, seien auch geeignet, die Preise nach 2027 europaweit niedriger zu halten. In den einkommensschwachen EU-Staaten sei das noch wichtiger als in den wohlhabenderen Mitgliedsstaaten. Die Bundesrepublik trage deswegen auch eine große europäische Verantwortung für einen wirksamen und sozial verträglichen Klimaschutz.

Donnerstag, 19.10.2023, 15:58 Uhr
Tom Weingärtner

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