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Energie & Management > Gastbeitrag - Geschichte einer nicht gelungenen Klimapolitik
Quelle: E&M
Gastbeitrag

Geschichte einer nicht gelungenen Klimapolitik

Die CO2-Emissionen in den Entwicklungsländern steigen stärker als die Minderungen in den Industrieländern. Was nun zu tun ist, beschreibt der Ökonom *Friedemann Müller.
Die Entstehung der globalen Klimapolitik in den späten 1980er Jahren war von der Erkenntnis geleitet, dass globale Probleme eine globale Lösung auf der Basis von gemeinsam akzeptierten Prinzipien erfordern (Global Governance). Dies hat sich in relativ kurzer Zeit besonders in der Klimarahmenkonvention (KRK) niedergeschlagen, die auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 beschlossen wurde.

Schon in dem Berliner Mandat (1995) wurde festgelegt, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer, rund fünf Sechstel der Menschheit, mit keinen Auflagen zur Begrenzung ihrer Emissionen belastet werden sollten. Diese Strategie wurde in dem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Protokoll (1997) verankert. Damit wurde wegen des Entwicklungsschubs vor allem Chinas einem rasanten Wachstum der globalen CO2-Emissionen Tür und Tor geöffnet. Die Emissionen der Entwicklungsländer stiegen viel stärker an, als die der Industrieländer reduziert wurden.
 
Bevor der Kyoto-Vertrag 2012 auslief, sollte in einem Anschlussvertrag auf der Vertrags­staatenkonferenz der KRK 2009 in Kopenhagen auch die Entwicklungs- und Schwellen­länder zu Emissionsbegrenzungen verpflichtet werden, was diese ablehnten, so dass ersatz­weise die Philosophie der „Koalition der Willigen“ ausgegeben wurde, für die möglichst viele Staaten zu gewinnen wären.
 
Dies führte zu dem Vertrag von Paris (2015), der mit großer Verspätung 2020 in Kraft trat und den Ländern Selbstverpflichtungen abverlangte, die vor der Staatengemeinschaft zu rechtfertigen sind, nach derzeitigem Stand aber das gemeinsame Ziel, eine globale Erwärmung nicht wesentlich über 1,5 Grad zuzulassen, weit verfehlen wird.

​China verbrennt 54 Prozent des globalen Kohleverbrauchs
 
Was ursprünglich vermieden werden sollte, ist eingetreten. China allein verbrennt 54 Prozent des globalen Kohleverbrauchs, zusammen mit Indien 67 Prozent, bei gemeinsam 36 Prozent Anteil an der Weltbevölkerung. Chinas CO2-Emissionen pro Kopf sind höher als in der EU bei wesentlich geringerem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Diese Entwicklung hätte in den 1990er Jahren mit einem globalen Emissionshandel für die Industrieländer vermieden werden können. Ein globaler Emissionshandel ist heute angesichts der veränderten Position Chinas nicht mehr durchsetzbar.
 
Wichtiger aber als die ebenfalls notwendige Absenkung des Anteils der EU-27 an den globalen CO2-Emissionen (derzeit 8,0 Prozent) oder Deutschlands (1,9 Prozent) ist, Sorge dafür zu tragen, dass Indien (derzeit 7 Prozent Anteil an den globalen CO2-Emissionen) nicht dem Entwicklungspfad Chinas (30 Prozent Anteil) folgt. Dies kann nicht über Verpflichtungen, sondern nur über einen Anreiz folgen.
 
Wie kann ein Anreiz nach der Fehlentwicklung der vergangenen Jahrzehnte aussehen? Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es die Selbstverpflichtung der Industrieländer wegen ihrer überproportionalen Nutzung der Atmosphäre durch die schädlichen Treibhausgase, jährlich 100 Milliarden Dollar zur Ermöglichung und Beschleunigung der Energiewende in den Entwicklungs- und Schwellenländern beizutragen.
 

Transfers sollten an Bedingungen geknüpft werden
 
Diese Transfers sollten an die Bedingung eigener Anstrengungen der Empfängerländer geknüpft werden. Diese Anstrengungen könnten in der Einführung eines jeweils nationalen Emissionshandelssystem bestehen, wodurch fossile Energien in Relation zu erneuerbaren verteuert, sich dadurch die Nachfrage in Richtung erneuerbare Energien verschieben und Finanzmittel frei würden, um in die Energiewende zu investieren, die zusätzlich durch die Transfers von außen begünstigt würden.
 
Falls ein solcher Anreiz nicht eingesetzt wird, spricht alles dafür, dass Indien als bevölkerungsreichstes Land der Erde und mit derzeit vorhersehbar höheren Wirtschaftswachstumsraten als China dem Entwicklungspfad Chinas folgen wird. Dies könnte zu einer Vervielfachung seiner CO2-Emissionen führen. Deshalb ist eine Strategie, die Indien auf einen moderneren Entwicklungspfad führt, nicht weniger wichtig, als dass es gelingt, Europa bis 2050 zur Klimaneutralität zu führen.
 
Friedemann Müller
Quelle: privat
 
*Dr. Friedemann Müller war langjähriger Leiter der Forschungsgruppe „Globale Fragen“ bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und Leiter des transatlantischen Projekts „International Network To Advance Climate Talks“. Seine Erfahrungen hat er in dem Buch „Zur Geschichte der nicht gelungenen Klimapolitik – Über die Schuldfrage und Handlungsmöglichkeiten“, erhältlich im Handel, niedergeschrieben.
 

Montag, 11.09.2023, 10:30 Uhr
Redaktion
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Quelle: E&M
Gastbeitrag
Geschichte einer nicht gelungenen Klimapolitik
Die CO2-Emissionen in den Entwicklungsländern steigen stärker als die Minderungen in den Industrieländern. Was nun zu tun ist, beschreibt der Ökonom *Friedemann Müller.
Die Entstehung der globalen Klimapolitik in den späten 1980er Jahren war von der Erkenntnis geleitet, dass globale Probleme eine globale Lösung auf der Basis von gemeinsam akzeptierten Prinzipien erfordern (Global Governance). Dies hat sich in relativ kurzer Zeit besonders in der Klimarahmenkonvention (KRK) niedergeschlagen, die auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 beschlossen wurde.

Schon in dem Berliner Mandat (1995) wurde festgelegt, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer, rund fünf Sechstel der Menschheit, mit keinen Auflagen zur Begrenzung ihrer Emissionen belastet werden sollten. Diese Strategie wurde in dem völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Protokoll (1997) verankert. Damit wurde wegen des Entwicklungsschubs vor allem Chinas einem rasanten Wachstum der globalen CO2-Emissionen Tür und Tor geöffnet. Die Emissionen der Entwicklungsländer stiegen viel stärker an, als die der Industrieländer reduziert wurden.
 
Bevor der Kyoto-Vertrag 2012 auslief, sollte in einem Anschlussvertrag auf der Vertrags­staatenkonferenz der KRK 2009 in Kopenhagen auch die Entwicklungs- und Schwellen­länder zu Emissionsbegrenzungen verpflichtet werden, was diese ablehnten, so dass ersatz­weise die Philosophie der „Koalition der Willigen“ ausgegeben wurde, für die möglichst viele Staaten zu gewinnen wären.
 
Dies führte zu dem Vertrag von Paris (2015), der mit großer Verspätung 2020 in Kraft trat und den Ländern Selbstverpflichtungen abverlangte, die vor der Staatengemeinschaft zu rechtfertigen sind, nach derzeitigem Stand aber das gemeinsame Ziel, eine globale Erwärmung nicht wesentlich über 1,5 Grad zuzulassen, weit verfehlen wird.

​China verbrennt 54 Prozent des globalen Kohleverbrauchs
 
Was ursprünglich vermieden werden sollte, ist eingetreten. China allein verbrennt 54 Prozent des globalen Kohleverbrauchs, zusammen mit Indien 67 Prozent, bei gemeinsam 36 Prozent Anteil an der Weltbevölkerung. Chinas CO2-Emissionen pro Kopf sind höher als in der EU bei wesentlich geringerem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Diese Entwicklung hätte in den 1990er Jahren mit einem globalen Emissionshandel für die Industrieländer vermieden werden können. Ein globaler Emissionshandel ist heute angesichts der veränderten Position Chinas nicht mehr durchsetzbar.
 
Wichtiger aber als die ebenfalls notwendige Absenkung des Anteils der EU-27 an den globalen CO2-Emissionen (derzeit 8,0 Prozent) oder Deutschlands (1,9 Prozent) ist, Sorge dafür zu tragen, dass Indien (derzeit 7 Prozent Anteil an den globalen CO2-Emissionen) nicht dem Entwicklungspfad Chinas (30 Prozent Anteil) folgt. Dies kann nicht über Verpflichtungen, sondern nur über einen Anreiz folgen.
 
Wie kann ein Anreiz nach der Fehlentwicklung der vergangenen Jahrzehnte aussehen? Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es die Selbstverpflichtung der Industrieländer wegen ihrer überproportionalen Nutzung der Atmosphäre durch die schädlichen Treibhausgase, jährlich 100 Milliarden Dollar zur Ermöglichung und Beschleunigung der Energiewende in den Entwicklungs- und Schwellenländern beizutragen.
 

Transfers sollten an Bedingungen geknüpft werden
 
Diese Transfers sollten an die Bedingung eigener Anstrengungen der Empfängerländer geknüpft werden. Diese Anstrengungen könnten in der Einführung eines jeweils nationalen Emissionshandelssystem bestehen, wodurch fossile Energien in Relation zu erneuerbaren verteuert, sich dadurch die Nachfrage in Richtung erneuerbare Energien verschieben und Finanzmittel frei würden, um in die Energiewende zu investieren, die zusätzlich durch die Transfers von außen begünstigt würden.
 
Falls ein solcher Anreiz nicht eingesetzt wird, spricht alles dafür, dass Indien als bevölkerungsreichstes Land der Erde und mit derzeit vorhersehbar höheren Wirtschaftswachstumsraten als China dem Entwicklungspfad Chinas folgen wird. Dies könnte zu einer Vervielfachung seiner CO2-Emissionen führen. Deshalb ist eine Strategie, die Indien auf einen moderneren Entwicklungspfad führt, nicht weniger wichtig, als dass es gelingt, Europa bis 2050 zur Klimaneutralität zu führen.
 
Friedemann Müller
Quelle: privat
 
*Dr. Friedemann Müller war langjähriger Leiter der Forschungsgruppe „Globale Fragen“ bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und Leiter des transatlantischen Projekts „International Network To Advance Climate Talks“. Seine Erfahrungen hat er in dem Buch „Zur Geschichte der nicht gelungenen Klimapolitik – Über die Schuldfrage und Handlungsmöglichkeiten“, erhältlich im Handel, niedergeschrieben.
 

Montag, 11.09.2023, 10:30 Uhr
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