E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Smart Meter - Eon warnt vor Rollout-Chaos
Malte Sunderkötter bei den Metering Days in Fulda. Quelle: E&M / Fritz Wilhelm
Smart Meter

Eon warnt vor Rollout-Chaos

Der Smart Meter Rollout nimmt an Fahrt auf, dank des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende. Doch Messstellenbetreiber weisen auf wirtschaftliche Risiken hin.
 
Für den ZVEI – den Verband der Elektro- und Digitalindustrie – ist die All Electric Society kein unrealistisches Zukunftsszenario. Sie sei ein Effizienzszenario, sagte Sarah Bäumchen zu Beginn der diesjährigen Metering Days in Fulda. Die Kombination aus Elektrifizierung und Digitalisierung sei der Schlüssel zum Energiesystem der Zukunft, so die Leiterin des Berliner Büros des Verbands, die auch Mitglied der Geschäftsleitung ist.

Im besonderen Fokus steht dabei die Netzinfrastruktur – das „Backbone des Energiesystems“, wie es Bäumchen formulierte. In einer Studie hat der Verband 39 Funktionalitäten und Anforderungen beschrieben, welche die Infrastruktur zu einem wirklichen „Klimaneutralitätsnetz“ machen. Sie beziehen sich unter anderem auf Planungsprozesse, digitale Zwillinge, einen straffen Systembetrieb und die Resilienz von Bottom-up-Netzstrukturen.

Nach heutigem Stand seien gerade einmal zwei dieser 39 Funktionalitäten gegeben. Dabei sei die Technologie vorhanden, etwa das intelligente Messsystem. Sogar der regulatorische Rahmen sei mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende deutlich verbessert worden, auch wenn ein paar Hebel nach Überzeugung des ZVEI noch dringend angesetzt werden müssen, insbesondere bei der Stromsteuer. Mit ihrer Einführung 1999 sollte angesichts eines fossilen Energiemixes der Stromverbrauch gezügelt werden. Im Zeitalter der Energiewende sei sie jedoch „völlig aus der Zeit gefallen“, kritisierte Bäumchen.

So ganz zufrieden mit dem regulatorischen Rahmen ist auch Malte Sunderkötter nicht. Der Geschäftsführer von Eon Grid Solutions zog ziemlich genau ein Jahr nach der Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), einen Neustart des Smart Meter Rollouts zu ermöglichen, eine Zwischenbilanz. Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende habe Rechtssicherheit gebracht. Auch die Vereinfachungen im Eichrecht seien wichtige Fortschritte. Doch trotz des positiven Einflusses auf den Rollout, ist damit seiner Ansicht nach noch kein echter Durchbruch gelungen, um die Skalierung der Gerätezahlen im Feld für die nächsten Jahre zu gewährleisten.
 
 
Sunderkötter sprach von „wichtigen Weichenstellungen“ für die Transparenz in der Mittel- und Niederspannung und das Steuern von Anlagen sowie von „vielen gut gemeinte Änderungen und Anpassungen“. Diese ließen jedoch noch Spielraum für juristische Interpretationen und zögen umfangreiche Prozess- und IT-Systemanpassungen nach sich, gab er zu bedenken.
 
Planungssicherheit nicht gegeben
 
Und am Ende bestünden auch noch wirtschaftliche Risiken von erheblicher Tragweite. Zum einen seien das die unzureichenden Preisobergrenzen, welche die Messstellenbetreiber für den Einbau und den Betrieb der intelligenten Messsysteme einhalten müssen sowie die Entwicklung der Kosten, welche die Unternehmen zu schultern haben. Außerdem sei die Anerkennung der anteiligen Messentgelte bei den Verteilnetzbetreibern – pro Einbaufall müssen sie rund 80 Euro tragen – noch nicht gewährleistet.

Zwar habe sich die Bundesnetzagentur mittlerweile des Problems angenommen. Eine für die Netzbetreiber zufriedenstellende Lösung sei derzeit aber noch nicht absehbar. „Es ist aber notwendig, dass wir ohne einen Zeitverzug die faktisch anfallenden Kosten für den Smart Meter Rollout anerkannt bekommen und nicht erst viele Jahre mit Investitionen in Vorleistung gehen“, stellte Sunderkötter klar.

Die übrigen Risiken sieht er im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung, dass Kunden, die nicht vom Pflichteinbau betroffen sind, auf eigenen Wunsch innerhalb von vier Monaten nach Antragstellung ein intelligentes Messsystem erhalten müssen. An dieser Stelle wurde Sunderkötter mehr als deutlich: „Ich glaube, Kundenorientierung ist elementar für den Smart Meter Rollout und dessen Akzeptanz. Aber der Kundenwunsch, wie er bisher im Gesetz verankert ist, kann uns das Genick brechen und den Rollout tatsächlich ins Chaos stürzen.“

Der Einbau auf Kundenwunsch werde die Planung des Rollouts auf Jahre hinaus erschweren. Auf der einen Seite bestehe ein erhebliches Risiko, dass die grundzuständigen Messstellenbetreiber keinen durchgängig strukturierten Rollout nach Verbrauchsgruppen und regionalen Aspekten mehr durchführen können. Auf der anderen Seite gebe es ein Mengen- und Kapazitätsproblem, wenn innerhalb von jeweils vier Monaten eine nicht geplante Zahl von Einbauten bewältigt werden müsse. Man denke nur an große Vertriebsgesellschaften, die ihre Produkte mit einem intelligenten Messsystem verknüpfen und dann gleich für eine große Menge an Kunden den Einbau beantragen. Sicherlich habe der Gesetzgeber hier in guter Absicht gehandelt. Für praktikabel hält Sunderkötter die Regelung jedoch nicht.

Laut Sunderkötter werden von den Gesellschaften im Eon-Konzern bis zum Ende des laufenden Jahres insgesamt rund 300.000 intelligente Messsysteme verbaut worden sein. „Nachdem, was wir heute als energierelevante Anwendungsfälle sehen, werden wir bis 2030 insgesamt rund 3,2 Millionen intelligente Messsysteme ausrollen“, so der Chef von Eon Grid Solutions. Dies seien rund 23 Prozent aller von Eon betreuten Messstellen.

Freitag, 20.10.2023, 17:45 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Smart Meter - Eon warnt vor Rollout-Chaos
Malte Sunderkötter bei den Metering Days in Fulda. Quelle: E&M / Fritz Wilhelm
Smart Meter
Eon warnt vor Rollout-Chaos
Der Smart Meter Rollout nimmt an Fahrt auf, dank des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende. Doch Messstellenbetreiber weisen auf wirtschaftliche Risiken hin.
 
Für den ZVEI – den Verband der Elektro- und Digitalindustrie – ist die All Electric Society kein unrealistisches Zukunftsszenario. Sie sei ein Effizienzszenario, sagte Sarah Bäumchen zu Beginn der diesjährigen Metering Days in Fulda. Die Kombination aus Elektrifizierung und Digitalisierung sei der Schlüssel zum Energiesystem der Zukunft, so die Leiterin des Berliner Büros des Verbands, die auch Mitglied der Geschäftsleitung ist.

Im besonderen Fokus steht dabei die Netzinfrastruktur – das „Backbone des Energiesystems“, wie es Bäumchen formulierte. In einer Studie hat der Verband 39 Funktionalitäten und Anforderungen beschrieben, welche die Infrastruktur zu einem wirklichen „Klimaneutralitätsnetz“ machen. Sie beziehen sich unter anderem auf Planungsprozesse, digitale Zwillinge, einen straffen Systembetrieb und die Resilienz von Bottom-up-Netzstrukturen.

Nach heutigem Stand seien gerade einmal zwei dieser 39 Funktionalitäten gegeben. Dabei sei die Technologie vorhanden, etwa das intelligente Messsystem. Sogar der regulatorische Rahmen sei mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende deutlich verbessert worden, auch wenn ein paar Hebel nach Überzeugung des ZVEI noch dringend angesetzt werden müssen, insbesondere bei der Stromsteuer. Mit ihrer Einführung 1999 sollte angesichts eines fossilen Energiemixes der Stromverbrauch gezügelt werden. Im Zeitalter der Energiewende sei sie jedoch „völlig aus der Zeit gefallen“, kritisierte Bäumchen.

So ganz zufrieden mit dem regulatorischen Rahmen ist auch Malte Sunderkötter nicht. Der Geschäftsführer von Eon Grid Solutions zog ziemlich genau ein Jahr nach der Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), einen Neustart des Smart Meter Rollouts zu ermöglichen, eine Zwischenbilanz. Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende habe Rechtssicherheit gebracht. Auch die Vereinfachungen im Eichrecht seien wichtige Fortschritte. Doch trotz des positiven Einflusses auf den Rollout, ist damit seiner Ansicht nach noch kein echter Durchbruch gelungen, um die Skalierung der Gerätezahlen im Feld für die nächsten Jahre zu gewährleisten.
 
 
Sunderkötter sprach von „wichtigen Weichenstellungen“ für die Transparenz in der Mittel- und Niederspannung und das Steuern von Anlagen sowie von „vielen gut gemeinte Änderungen und Anpassungen“. Diese ließen jedoch noch Spielraum für juristische Interpretationen und zögen umfangreiche Prozess- und IT-Systemanpassungen nach sich, gab er zu bedenken.
 
Planungssicherheit nicht gegeben
 
Und am Ende bestünden auch noch wirtschaftliche Risiken von erheblicher Tragweite. Zum einen seien das die unzureichenden Preisobergrenzen, welche die Messstellenbetreiber für den Einbau und den Betrieb der intelligenten Messsysteme einhalten müssen sowie die Entwicklung der Kosten, welche die Unternehmen zu schultern haben. Außerdem sei die Anerkennung der anteiligen Messentgelte bei den Verteilnetzbetreibern – pro Einbaufall müssen sie rund 80 Euro tragen – noch nicht gewährleistet.

Zwar habe sich die Bundesnetzagentur mittlerweile des Problems angenommen. Eine für die Netzbetreiber zufriedenstellende Lösung sei derzeit aber noch nicht absehbar. „Es ist aber notwendig, dass wir ohne einen Zeitverzug die faktisch anfallenden Kosten für den Smart Meter Rollout anerkannt bekommen und nicht erst viele Jahre mit Investitionen in Vorleistung gehen“, stellte Sunderkötter klar.

Die übrigen Risiken sieht er im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung, dass Kunden, die nicht vom Pflichteinbau betroffen sind, auf eigenen Wunsch innerhalb von vier Monaten nach Antragstellung ein intelligentes Messsystem erhalten müssen. An dieser Stelle wurde Sunderkötter mehr als deutlich: „Ich glaube, Kundenorientierung ist elementar für den Smart Meter Rollout und dessen Akzeptanz. Aber der Kundenwunsch, wie er bisher im Gesetz verankert ist, kann uns das Genick brechen und den Rollout tatsächlich ins Chaos stürzen.“

Der Einbau auf Kundenwunsch werde die Planung des Rollouts auf Jahre hinaus erschweren. Auf der einen Seite bestehe ein erhebliches Risiko, dass die grundzuständigen Messstellenbetreiber keinen durchgängig strukturierten Rollout nach Verbrauchsgruppen und regionalen Aspekten mehr durchführen können. Auf der anderen Seite gebe es ein Mengen- und Kapazitätsproblem, wenn innerhalb von jeweils vier Monaten eine nicht geplante Zahl von Einbauten bewältigt werden müsse. Man denke nur an große Vertriebsgesellschaften, die ihre Produkte mit einem intelligenten Messsystem verknüpfen und dann gleich für eine große Menge an Kunden den Einbau beantragen. Sicherlich habe der Gesetzgeber hier in guter Absicht gehandelt. Für praktikabel hält Sunderkötter die Regelung jedoch nicht.

Laut Sunderkötter werden von den Gesellschaften im Eon-Konzern bis zum Ende des laufenden Jahres insgesamt rund 300.000 intelligente Messsysteme verbaut worden sein. „Nachdem, was wir heute als energierelevante Anwendungsfälle sehen, werden wir bis 2030 insgesamt rund 3,2 Millionen intelligente Messsysteme ausrollen“, so der Chef von Eon Grid Solutions. Dies seien rund 23 Prozent aller von Eon betreuten Messstellen.

Freitag, 20.10.2023, 17:45 Uhr
Fritz Wilhelm

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.