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Energie & Management > Stadtwerke - Neues Jahr, Neuanfang: Belzigs Versorger nach der Pleite
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke

Neues Jahr, Neuanfang: Belzigs Versorger nach der Pleite

In Bad Belzig könnte ein Vorsatz für 2024 lauten, die Stadtwerke schadlos durch das Jahr zu bringen. Die Chancen dafür stehen besser denn je im neuen Jahr.
Nach dem Neujahrsfeuerwerk verbinden sich diesmal in Bad Belzig mit dem Lichtspektakel auch besondere Hoffnungen. Der brandenburgische Erholungsort möchte ein Jahr möglichst ohne Negativschlagzeilen für die örtlichen Stadtwerke erleben.

Die Voraussetzungen dafür stehen gut. Nach Beschluss des Amtsgerichts Potsdam endete das in Eigenverwaltung laufende Insolvenzverfahren des Versorgungsunternehmens offiziell am 31. Dezember 2023. Es ist der formale Schlussstrich unter ein Finanzdesaster, das Mitte 2021 offenkundig wurde.

Hoch riskante Warentermingeschäfte des damaligen Geschäftsführers im Stromhandel hatten zu einem Schaden oberhalb von 30 Millionen Euro geführt. Stromlieferungen zum Beispiel an Vattenfall hatte er zu Konditionen vereinbart, die bei Vertragsschluss noch Gewinne versprachen. Zum späteren Liefertermin lag der Kurs für die selbst zu beschaffenden Mengen aber weit über dem Verkaufspreis: Ein Horror-Deal, der die Stadtwerke in die Knie zwang und den Geschäftsführer den Job kostete.

Beschwerden gegen den Insolvenzplan sorgten für Verzögerung

Die Erwartungen an das am 30. März 2022 eröffnete Insolvenzverfahren haben sich insofern erfüllt, als dass der Versorger eine Zukunft hat und nicht abgewickelt werden musste. Das Sagen im Unternehmen haben inzwischen die Kommune (51 Prozent) und die Remondis-Tochter Eurawasser (49 Prozent), die in der Bad Belziger Beteiligungsgesellschaft (BBB) den Sanierungsfall in Angriff nahmen. Als „Erfolgsgeschichte“ wertet der externe Sachwalter, der Berliner Anwalt Jürgen Spliedt, im Gespräch mit unserer Redaktion rückblickend das 21 Monate dauernde Insolvenzverfahren.

Mit dem Silvester-Tag endete offiziell auch die Tätigkeit von Jürgen Spliedt. Er hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst rund ein Jahr Arbeit investieren müssen, um eine substanzielle Lösung für das Pleite-Unternehmen zu entwickeln. Dann erst einigten die Gläubiger sich auf den vorgelegten Insolvenzplan mit der BBB in der Hauptrolle, der am 6. Februar 2023 rechtskräftig wurde. Mit einer Zahlung von 6 Millionen Euro deckten die neuen Partner lediglich rund fünf Prozent der aufgelaufenen Gläubiger-Forderungen.

Dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens weitere zehn Monate in Anspruch nehmen würde, erklärt Jürgen Spliedt mit Verzögerungen, die nichts mit dem wieder funktionierenden Tagesgeschäft der Stadtwerke zu tun gehabt hätten. Vielmehr habe es noch Beschwerden am Insolvenzplan von Beteiligten gegeben, die das Amtsgericht weiter beschäftigten. Jürgen Spliedt macht keinen Hehl daraus, dass er auf diese Störungen gerne verzichtet hätte.

Das Fiasko beim Versorger blieb nicht ohne personelle Konsequenzen in der Kommunalpolitik. Auf den seinerzeit amtierenden Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) regneten Vorwürfe herab, er habe als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke seine Kontrollpflichten schwer vernachlässigt. Zwar eröffnete die Staatsanwaltschaft letztlich keine Ermittlungen gegen das Gremium, Leisegang musste dennoch seinen Hut nehmen. Ein Bürgerentscheid kickte ihn aus dem Amt.

Nach dem Interims-Verwaltungschef Roland Ernicke ist inzwischen der neu gewählte Robert Pulz (parteilos) im Amt. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt dieser, die Stadtwerke hätten mit Ende des Insolvenzverfahren „wieder die Möglichkeit, die Entwicklung in der Region proaktiv voranzutreiben und ihre Geschäftsfelder der Daseinsvorsorge zu entwickeln“. Dazu zählt der Unheilsbringer nicht mehr: Den Stromvertrieb hatten die Stadtwerke bereits mit Ablauf des Skandaljahres 2021 eingestellt, in die Bresche für etwa 1.000 Kunden waren die Stadtwerke Potsdam (EWP) oder die jeweiligen Grundversorger gesprungen.

Millionenstrafe – aber gibt es beim Ex-Chef etwas zu holen?

Mit Jahresbeginn sind einige Hindernisse aus dem Weg geräumt. So verweist der Bürgermeister darauf, dass Lieferanten nicht mehr per Vorkasse zu bezahlen seien und Investitionen sich wieder leichter finanzieren ließen. „Die vollständige Handlungsfähigkeit wird wieder hergestellt“, so Robert Pulz. Die Stadtwerke würden so ihre wichtige Rolle bei der Versorgung mit Gas, Wasser und Wärme, im Abwasser-Bereich sowie bei der Förderung von Innovationen, Nachhaltigkeit und Lebensqualität aufs Neue erfüllen.

Personell gehen die Stadtwerke Bad Belzig unverändert ins neue Jahr. Es bleibe dauerhaft bei der Doppelspitze, so Robert Pulz. Sie besteht aus Thomas Tanneberg, den die Kommune bestellt hat, und aus dem von Eurawasser entsendeten Jan Dworacek. Durch den neuen Partner hatten die Stadtwerke im Gashandel schnell wieder Fuß fassen können. Weil Remondis Anteile am Hagener Versorger Enervie hält, ließ sich darüber inzwischen wieder günstigeres Gas einkaufen. Nach Darstellung von Bürgermeister Robert Pulz hätten die Stadtwerke schon ab Juni 2023 die Gastarife um bis zu 44 Prozent senken können.

Einen letzten Gruß hält die Vergangenheit indes noch bereit. Der im Zivilprozess verurteilte Ex-Geschäftsführer der Stadtwerke will die Strafe von 3,5 Millionen Euro nicht hinnehmen. Gegen das entsprechende Urteil des Landgerichts Potsdam hat er Berufung eingelegt (wir berichteten). Das Brandenburgische Oberlandesgericht wird 2024 dazu Recht sprechen. Sofern es beim Verurteilten etwas zu holen gibt, werde das Geld unter den Gläubigern der Stadtwerke aufgeteilt, so Sachwalter Jürgen Spliedt.

Mittwoch, 27.12.2023, 15:30 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Stadtwerke - Neues Jahr, Neuanfang: Belzigs Versorger nach der Pleite
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke
Neues Jahr, Neuanfang: Belzigs Versorger nach der Pleite
In Bad Belzig könnte ein Vorsatz für 2024 lauten, die Stadtwerke schadlos durch das Jahr zu bringen. Die Chancen dafür stehen besser denn je im neuen Jahr.
Nach dem Neujahrsfeuerwerk verbinden sich diesmal in Bad Belzig mit dem Lichtspektakel auch besondere Hoffnungen. Der brandenburgische Erholungsort möchte ein Jahr möglichst ohne Negativschlagzeilen für die örtlichen Stadtwerke erleben.

Die Voraussetzungen dafür stehen gut. Nach Beschluss des Amtsgerichts Potsdam endete das in Eigenverwaltung laufende Insolvenzverfahren des Versorgungsunternehmens offiziell am 31. Dezember 2023. Es ist der formale Schlussstrich unter ein Finanzdesaster, das Mitte 2021 offenkundig wurde.

Hoch riskante Warentermingeschäfte des damaligen Geschäftsführers im Stromhandel hatten zu einem Schaden oberhalb von 30 Millionen Euro geführt. Stromlieferungen zum Beispiel an Vattenfall hatte er zu Konditionen vereinbart, die bei Vertragsschluss noch Gewinne versprachen. Zum späteren Liefertermin lag der Kurs für die selbst zu beschaffenden Mengen aber weit über dem Verkaufspreis: Ein Horror-Deal, der die Stadtwerke in die Knie zwang und den Geschäftsführer den Job kostete.

Beschwerden gegen den Insolvenzplan sorgten für Verzögerung

Die Erwartungen an das am 30. März 2022 eröffnete Insolvenzverfahren haben sich insofern erfüllt, als dass der Versorger eine Zukunft hat und nicht abgewickelt werden musste. Das Sagen im Unternehmen haben inzwischen die Kommune (51 Prozent) und die Remondis-Tochter Eurawasser (49 Prozent), die in der Bad Belziger Beteiligungsgesellschaft (BBB) den Sanierungsfall in Angriff nahmen. Als „Erfolgsgeschichte“ wertet der externe Sachwalter, der Berliner Anwalt Jürgen Spliedt, im Gespräch mit unserer Redaktion rückblickend das 21 Monate dauernde Insolvenzverfahren.

Mit dem Silvester-Tag endete offiziell auch die Tätigkeit von Jürgen Spliedt. Er hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst rund ein Jahr Arbeit investieren müssen, um eine substanzielle Lösung für das Pleite-Unternehmen zu entwickeln. Dann erst einigten die Gläubiger sich auf den vorgelegten Insolvenzplan mit der BBB in der Hauptrolle, der am 6. Februar 2023 rechtskräftig wurde. Mit einer Zahlung von 6 Millionen Euro deckten die neuen Partner lediglich rund fünf Prozent der aufgelaufenen Gläubiger-Forderungen.

Dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens weitere zehn Monate in Anspruch nehmen würde, erklärt Jürgen Spliedt mit Verzögerungen, die nichts mit dem wieder funktionierenden Tagesgeschäft der Stadtwerke zu tun gehabt hätten. Vielmehr habe es noch Beschwerden am Insolvenzplan von Beteiligten gegeben, die das Amtsgericht weiter beschäftigten. Jürgen Spliedt macht keinen Hehl daraus, dass er auf diese Störungen gerne verzichtet hätte.

Das Fiasko beim Versorger blieb nicht ohne personelle Konsequenzen in der Kommunalpolitik. Auf den seinerzeit amtierenden Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) regneten Vorwürfe herab, er habe als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke seine Kontrollpflichten schwer vernachlässigt. Zwar eröffnete die Staatsanwaltschaft letztlich keine Ermittlungen gegen das Gremium, Leisegang musste dennoch seinen Hut nehmen. Ein Bürgerentscheid kickte ihn aus dem Amt.

Nach dem Interims-Verwaltungschef Roland Ernicke ist inzwischen der neu gewählte Robert Pulz (parteilos) im Amt. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt dieser, die Stadtwerke hätten mit Ende des Insolvenzverfahren „wieder die Möglichkeit, die Entwicklung in der Region proaktiv voranzutreiben und ihre Geschäftsfelder der Daseinsvorsorge zu entwickeln“. Dazu zählt der Unheilsbringer nicht mehr: Den Stromvertrieb hatten die Stadtwerke bereits mit Ablauf des Skandaljahres 2021 eingestellt, in die Bresche für etwa 1.000 Kunden waren die Stadtwerke Potsdam (EWP) oder die jeweiligen Grundversorger gesprungen.

Millionenstrafe – aber gibt es beim Ex-Chef etwas zu holen?

Mit Jahresbeginn sind einige Hindernisse aus dem Weg geräumt. So verweist der Bürgermeister darauf, dass Lieferanten nicht mehr per Vorkasse zu bezahlen seien und Investitionen sich wieder leichter finanzieren ließen. „Die vollständige Handlungsfähigkeit wird wieder hergestellt“, so Robert Pulz. Die Stadtwerke würden so ihre wichtige Rolle bei der Versorgung mit Gas, Wasser und Wärme, im Abwasser-Bereich sowie bei der Förderung von Innovationen, Nachhaltigkeit und Lebensqualität aufs Neue erfüllen.

Personell gehen die Stadtwerke Bad Belzig unverändert ins neue Jahr. Es bleibe dauerhaft bei der Doppelspitze, so Robert Pulz. Sie besteht aus Thomas Tanneberg, den die Kommune bestellt hat, und aus dem von Eurawasser entsendeten Jan Dworacek. Durch den neuen Partner hatten die Stadtwerke im Gashandel schnell wieder Fuß fassen können. Weil Remondis Anteile am Hagener Versorger Enervie hält, ließ sich darüber inzwischen wieder günstigeres Gas einkaufen. Nach Darstellung von Bürgermeister Robert Pulz hätten die Stadtwerke schon ab Juni 2023 die Gastarife um bis zu 44 Prozent senken können.

Einen letzten Gruß hält die Vergangenheit indes noch bereit. Der im Zivilprozess verurteilte Ex-Geschäftsführer der Stadtwerke will die Strafe von 3,5 Millionen Euro nicht hinnehmen. Gegen das entsprechende Urteil des Landgerichts Potsdam hat er Berufung eingelegt (wir berichteten). Das Brandenburgische Oberlandesgericht wird 2024 dazu Recht sprechen. Sofern es beim Verurteilten etwas zu holen gibt, werde das Geld unter den Gläubigern der Stadtwerke aufgeteilt, so Sachwalter Jürgen Spliedt.

Mittwoch, 27.12.2023, 15:30 Uhr
Volker Stephan

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