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Energie & Management > Klimaschutz - Klimapolitik ohne jährliche Sektorziele
Klimaschutz

Klimapolitik ohne jährliche Sektorziele

Die Ampel gibt die jährlichen Sektorziele in einer Einigung über Klimaschutzgesetz und Solarpaket I Teil 2 auf. Derweil bestätigt der Klimarat die gesunkenen nationalen CO2-Emissionen.
Nach der Kontroverse in der Bundesregierung um mögliche Fahrverbote, mit denen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gedroht hatte, falls die Klimaschutz-Vorgaben im Verkehrssektor nicht gelockert würden, haben sich Koalitionäre jetzt offenbar verständigt, die Sektorziele zu relativieren. Die Reform sieht laut tagesschau.de vor, dass die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert wird, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.

Dies ist Teil einer Einigung der Ampelfraktionen im Bundestag über das Klimaschutzgesetz und das Solarpaket I Teil 2, bei denen sich bisher Grüne und FDP gegenseitig blockiert hatten. Teil 1 des Solarpakets war im Januar verabschiedet und der umstrittenere Teil abgetrennt worden.

„Durch die Abschaffung der jährlichen Sektorziele (...) ist sichergestellt, dass es keine Fahrverbote geben wird. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße, denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden“, erklärt FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „2028 wird außerdem überprüft, ob auch die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz abgeschafft werden können.“

Köhlers Grünen-Kollegin Julia Verlinden sieht in der Einigung ein „starkes Update“ für den Klimaschutz, „das fit macht für die nächsten 20 Jahre“. Ihr SPD-Kollege Matthias Miersch erklärt: „Endlich der Durchbruch: Wir integrieren europäische Regelungen in das Klimaschutzgesetz und stellen damit mehr Verbindlichkeit her. Selbstverständlich gelten die CO2-Minderungsziele des gültigen Gesetzes gleichzeitig weiter.“

Stärkster CO2-Rückgang innerhalb eines Jahres

Gleichzeitig mit der Einigung am 14. April beschrieb der Expertenrat für Klimafragen die Verringerung des nationalen Treibhausgas-Ausstoßes 2023 so: Das „implizite Ziel“ für die Gesamtemissionen sei mit minus 10 Prozent auf 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erreicht worden. Die sei der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990, heißt es in dem neuen Prüfbericht. Am stärksten - um 20 Prozent - nahm der Ausstoß gegenüber 2022 in der Energiewirtschaft ab.

Die Emissionen bei der Stromerzeugung sanken auf 177 Millionen Tonnen CO2. Die Verstromung fossiler Brennstoffe verringerte sich um 50 Milliarden kWh, die Stromerzeugung aus Steinkohle ging um 31 Prozent zurück, die aus Braunkohle um 26 Prozent. Der Stromverbrauch war im vergangenen Jahr um 20 Milliarden geringer. Ausschlaggebend vor allem die schwächere Nachfrage der stromintensiven Industrie.

Die Industrie stieß laut Prüfbericht 155 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus, das waren 7,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Wissenschaftler sehen den „drittstärksten prozentualen Rückgang seit dem Jahr 2000 nach den beiden Krisenjahren 2009 (-12,7 Prozent) und 2022 (-10,4 Prozent)“.

„Erhebliche Erfüllungslücke im Verkehrssektor“

Im Gebäudesektor ergab sich in ein Rückgang von knapp 111 auf 102 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Die Experten führen dies in erster Linie auf sparsames Heizverhalten und das milde Wetter zurück. „Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen“, erklärt der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning.

Deutlich verfehlt hat das Jahresziel laut Expertenrat der Verkehr: Er emittierte 146 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 1,2 Prozent weniger als 2022. Die Zielverfehlung beziffern die Wissenschaftler auf 13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Im Straßen-Güterverkehr gingen die Emissionen zurück, der Ausstoß durch Pkw stieg.

Das implizit erreichte Jahresziel sollte nach Auffassung der Wissenschaftler nicht den Blick auf die Defizite verstellen. Zumal sich diese schon länger abzeichnen: „Die erneute Betrachtung hat noch einmal bekräftigt, was wir bereits im letzten Sommer gesagt haben: Die im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen für Gebäude und Verkehr reichen nicht aus, um die sektoralen Ziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor verbleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030”, schreibt der Expertenrat. Diese Bewertung dürfte mit der Einigung in den Ampelfraktionen, die Sektorenziele abzuschaffen, wirkungslos geworden sein.

Das Gremium weist auf die Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) hin, die den Spielraum einengen würden. „Da fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur sind, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt”, warnt die Vize des Gremiums, Brigitte Knopf.

Neue Ampel-Schalte im Klimaschutz

Weiter anstrengen will man sich nach dem Prüfbericht im Bundeswirtschaftsministerium. Bei den anstehenden Verhandlungen zum Etat 2025 komme es darauf, weitere Kürzungen bei den zentralen klimaschutzpolitisch bedeutsamen Maßnahmen zu vermeiden, heißt es aus dem Ressort Robert Habeck (Grüne). In allen Sektoren müssten die Emissionen weiter deutlich sinken, „vor allem auch im Verkehrssektor“, erklärte er, ohne seinen FDP-Kollegen Wissing ausdrücklich zu erwähnen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte von allen Ressorts Kürzungsvorschläge verlangt und die Frist zur Einreichung bis Anfang Mai verlängert.

Montag, 15.04.2024, 17:03 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Klimaschutz - Klimapolitik ohne jährliche Sektorziele
Klimaschutz
Klimapolitik ohne jährliche Sektorziele
Die Ampel gibt die jährlichen Sektorziele in einer Einigung über Klimaschutzgesetz und Solarpaket I Teil 2 auf. Derweil bestätigt der Klimarat die gesunkenen nationalen CO2-Emissionen.
Nach der Kontroverse in der Bundesregierung um mögliche Fahrverbote, mit denen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gedroht hatte, falls die Klimaschutz-Vorgaben im Verkehrssektor nicht gelockert würden, haben sich Koalitionäre jetzt offenbar verständigt, die Sektorziele zu relativieren. Die Reform sieht laut tagesschau.de vor, dass die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert wird, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.

Dies ist Teil einer Einigung der Ampelfraktionen im Bundestag über das Klimaschutzgesetz und das Solarpaket I Teil 2, bei denen sich bisher Grüne und FDP gegenseitig blockiert hatten. Teil 1 des Solarpakets war im Januar verabschiedet und der umstrittenere Teil abgetrennt worden.

„Durch die Abschaffung der jährlichen Sektorziele (...) ist sichergestellt, dass es keine Fahrverbote geben wird. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße, denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden“, erklärt FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „2028 wird außerdem überprüft, ob auch die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz abgeschafft werden können.“

Köhlers Grünen-Kollegin Julia Verlinden sieht in der Einigung ein „starkes Update“ für den Klimaschutz, „das fit macht für die nächsten 20 Jahre“. Ihr SPD-Kollege Matthias Miersch erklärt: „Endlich der Durchbruch: Wir integrieren europäische Regelungen in das Klimaschutzgesetz und stellen damit mehr Verbindlichkeit her. Selbstverständlich gelten die CO2-Minderungsziele des gültigen Gesetzes gleichzeitig weiter.“

Stärkster CO2-Rückgang innerhalb eines Jahres

Gleichzeitig mit der Einigung am 14. April beschrieb der Expertenrat für Klimafragen die Verringerung des nationalen Treibhausgas-Ausstoßes 2023 so: Das „implizite Ziel“ für die Gesamtemissionen sei mit minus 10 Prozent auf 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erreicht worden. Die sei der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990, heißt es in dem neuen Prüfbericht. Am stärksten - um 20 Prozent - nahm der Ausstoß gegenüber 2022 in der Energiewirtschaft ab.

Die Emissionen bei der Stromerzeugung sanken auf 177 Millionen Tonnen CO2. Die Verstromung fossiler Brennstoffe verringerte sich um 50 Milliarden kWh, die Stromerzeugung aus Steinkohle ging um 31 Prozent zurück, die aus Braunkohle um 26 Prozent. Der Stromverbrauch war im vergangenen Jahr um 20 Milliarden geringer. Ausschlaggebend vor allem die schwächere Nachfrage der stromintensiven Industrie.

Die Industrie stieß laut Prüfbericht 155 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus, das waren 7,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Wissenschaftler sehen den „drittstärksten prozentualen Rückgang seit dem Jahr 2000 nach den beiden Krisenjahren 2009 (-12,7 Prozent) und 2022 (-10,4 Prozent)“.

„Erhebliche Erfüllungslücke im Verkehrssektor“

Im Gebäudesektor ergab sich in ein Rückgang von knapp 111 auf 102 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Die Experten führen dies in erster Linie auf sparsames Heizverhalten und das milde Wetter zurück. „Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen“, erklärt der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning.

Deutlich verfehlt hat das Jahresziel laut Expertenrat der Verkehr: Er emittierte 146 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 1,2 Prozent weniger als 2022. Die Zielverfehlung beziffern die Wissenschaftler auf 13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Im Straßen-Güterverkehr gingen die Emissionen zurück, der Ausstoß durch Pkw stieg.

Das implizit erreichte Jahresziel sollte nach Auffassung der Wissenschaftler nicht den Blick auf die Defizite verstellen. Zumal sich diese schon länger abzeichnen: „Die erneute Betrachtung hat noch einmal bekräftigt, was wir bereits im letzten Sommer gesagt haben: Die im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen für Gebäude und Verkehr reichen nicht aus, um die sektoralen Ziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor verbleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030”, schreibt der Expertenrat. Diese Bewertung dürfte mit der Einigung in den Ampelfraktionen, die Sektorenziele abzuschaffen, wirkungslos geworden sein.

Das Gremium weist auf die Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) hin, die den Spielraum einengen würden. „Da fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur sind, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt”, warnt die Vize des Gremiums, Brigitte Knopf.

Neue Ampel-Schalte im Klimaschutz

Weiter anstrengen will man sich nach dem Prüfbericht im Bundeswirtschaftsministerium. Bei den anstehenden Verhandlungen zum Etat 2025 komme es darauf, weitere Kürzungen bei den zentralen klimaschutzpolitisch bedeutsamen Maßnahmen zu vermeiden, heißt es aus dem Ressort Robert Habeck (Grüne). In allen Sektoren müssten die Emissionen weiter deutlich sinken, „vor allem auch im Verkehrssektor“, erklärte er, ohne seinen FDP-Kollegen Wissing ausdrücklich zu erwähnen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte von allen Ressorts Kürzungsvorschläge verlangt und die Frist zur Einreichung bis Anfang Mai verlängert.

Montag, 15.04.2024, 17:03 Uhr
Manfred Fischer

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