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Energie & Management > Studien - Investieren trotz Schuldenbremse vorgeschlagen
Quelle: Pixabay / Gerd Altmann
Studien

Investieren trotz Schuldenbremse vorgeschlagen

Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) empfiehlt in seinem Gutachten zur nachhaltigen Finanzpolitik mehr öffentliche Investitionen.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat am 5. Dezember ein Gutachten zur nachhaltigen Finanzierung von Staatsaufgaben veröffentlicht. Die Fachleute kritisieren darin, dass hohen sozialen Ausgaben wie Rentenzahlungen zu wenige Investitionen zum Beispiel in Infrastruktur gegenüberstehen. Dieser Missstand, der beispielsweise zum maroden Schienensystem beitrug, bestehe schon seit Jahrzehnten. Darum schlägt der Rat Instrumente vor, wie trotz gesetzlich verbindlicher Ausgaben mehr investiert werden kann.

Die Finanzpolitik in Deutschland stehe nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung von Corona-Krisenkrediten in Höhe von 60 Milliarden Euro untersagte, vor großen strukturellen Herausforderungen. Dies stellte das Mitglied des Beirats, Professor Klaus M. Schmidt von der Ludwig-Maximilians-Universität München, fest. „Die Bevölkerung altert, die digitale und ökologische Transformation muss vorangebracht werden, die Verteidigungs- und Außenpolitik ist neu auszurichten und die öffentliche Infrastruktur muss wieder leistungsfähig werden“, forderte er.

Investitionen unabhängig bewerten und zusätzlich finanzieren

In dem Gutachten macht der Beirat Vorschläge, wie eine Reform der deutschen und europäischen Fiskalregeln aussehen kann, die gleichzeitig die Anreize für öffentliche Investitionen verstärkt. Der Beiratsvorsitzende Professor Eckhard Janeba von der Universität Mannheim erläuterte, dass eine Schuldenbremse grundsätzlich sinnvoll und notwendig sei, um der Kurzfristorientierung der Politik entgegenzuwirken. „Die Tendenz, die Kosten heutiger Staatsausgaben auf zukünftige Generationen zu verlagern, muss gezügelt werden“, sagte er.
 
Vergleich der öffentlichen Investitionen in Deutschland und dem EU-Durchschnitt in den Jahren 2000 bis 2020
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Quelle: Rösel / Wolffson Wirtschaftsdienst

Der Beirat macht zwei Reformvorschläge, die sich nicht wechselseitig ausschließen. Erstens: Die Schuldenbremse sollte zu einer „Goldenen Regel Plus“ weiterentwickelt werden. Danach würden öffentliche Nettoinvestitionen, die schuldenfinanziert sind, nicht auf die maximale Nettokreditaufnahme der Schuldenbremse angerechnet, wenn deren investiver Charakter durch eine unabhängige Institution bestätigt wird. Da solche Investitionen zu höherer Produktivität und damit mehr Steuereinnahmen führten, senkten sie langfristig die Staatsverschuldung, argumentierte der Beirat.

Zweitens schlägt der Beirat die Einrichtung von Investitionsfördergesellschaften vor, die bindende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche auf gleichbleibende Mittelzuweisungen über einen mehrjährigen Zeitraum haben, um damit eine Verstetigung der Investitionen in öffentlichen Haushalten zu garantieren. In der EU werden Vorschläge der EU-Kommission zur Neuordnung der europäischen Fiskalregeln diskutiert. Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, darauf zu dringen, dass sich die europäischen und deutschen Haushaltsregeln nicht zu weit auseinanderentwickeln.
 
 
Deutsche und EU-Instrumente harmonisieren

Die Vorschläge der Europäischen Kommission sehen eine neue operative Größe zur Haushaltsüberwachung in Form der korrigierten Primärausgaben vor. Dieses Konzept weicht von dem in Deutschland verwendeten Konzept des strukturellen Haushaltsdefizits ab. Das Entstehen zweier unterschiedlicher Zielgrößen würde die Einhaltung von Fiskalregeln und die Steuerung von Haushalten erheblich erschweren, warnt der Beirat.

Die Experten befürworten die verstärkte Mitwirkung nationaler unabhängiger Fiskalinstitutionen wie auch des European Fiscal Board, um die Durchsetzung der europäischen Haushaltsregeln zu verbessern. Unabhängige Institutionen sollten verstärkt zur Überwachung der Staatsausgaben eingesetzt werden.

Rentenreform angemahnt

Dem zu erwartenden starken Anstieg der Staatsausgaben im Bereich der Sozialversicherungen aufgrund des demografischen Wandels müsse entgegengewirkt werden, erinner der Beirat zugleich. Er empfiehlt, die ältere, aber noch im Arbeitsleben stehende Generation stärker an den Kosten der sozialen Sicherung zu beteiligen. Der Beirat verweist dazu auf seine Gutachten aus den Jahren 2021 und 2022 zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung.

Die Bundesregierung sollte eine zeitlich über die mittelfristige Finanzplanung hinausgehende Planung entwickeln, die den Zeitraum der zwei folgenden Legislaturperioden umfasst. Dies sei notwendig, um eine nachhaltige Finanzierung von staatlichen Daueraufgaben zu gewährleisten, so die Wissenschaftler. Regelmäßig wiederkehrende Aufgaben des Staates seien durch Steuern zu finanzieren. „Dazu muss die Politik entscheiden, welche Aufgaben Daueraufgaben sind und welche nicht, so beispielsweise im Zusammenhang mit Ausgaben für die Landesverteidigung“, sagte Schmidt.

Das Gutachten des Sachverständigenrates steht als PDF auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums zum Download bereit.

Dienstag, 5.12.2023, 14:02 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Studien - Investieren trotz Schuldenbremse vorgeschlagen
Quelle: Pixabay / Gerd Altmann
Studien
Investieren trotz Schuldenbremse vorgeschlagen
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) empfiehlt in seinem Gutachten zur nachhaltigen Finanzpolitik mehr öffentliche Investitionen.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat am 5. Dezember ein Gutachten zur nachhaltigen Finanzierung von Staatsaufgaben veröffentlicht. Die Fachleute kritisieren darin, dass hohen sozialen Ausgaben wie Rentenzahlungen zu wenige Investitionen zum Beispiel in Infrastruktur gegenüberstehen. Dieser Missstand, der beispielsweise zum maroden Schienensystem beitrug, bestehe schon seit Jahrzehnten. Darum schlägt der Rat Instrumente vor, wie trotz gesetzlich verbindlicher Ausgaben mehr investiert werden kann.

Die Finanzpolitik in Deutschland stehe nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung von Corona-Krisenkrediten in Höhe von 60 Milliarden Euro untersagte, vor großen strukturellen Herausforderungen. Dies stellte das Mitglied des Beirats, Professor Klaus M. Schmidt von der Ludwig-Maximilians-Universität München, fest. „Die Bevölkerung altert, die digitale und ökologische Transformation muss vorangebracht werden, die Verteidigungs- und Außenpolitik ist neu auszurichten und die öffentliche Infrastruktur muss wieder leistungsfähig werden“, forderte er.

Investitionen unabhängig bewerten und zusätzlich finanzieren

In dem Gutachten macht der Beirat Vorschläge, wie eine Reform der deutschen und europäischen Fiskalregeln aussehen kann, die gleichzeitig die Anreize für öffentliche Investitionen verstärkt. Der Beiratsvorsitzende Professor Eckhard Janeba von der Universität Mannheim erläuterte, dass eine Schuldenbremse grundsätzlich sinnvoll und notwendig sei, um der Kurzfristorientierung der Politik entgegenzuwirken. „Die Tendenz, die Kosten heutiger Staatsausgaben auf zukünftige Generationen zu verlagern, muss gezügelt werden“, sagte er.
 
Vergleich der öffentlichen Investitionen in Deutschland und dem EU-Durchschnitt in den Jahren 2000 bis 2020
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Quelle: Rösel / Wolffson Wirtschaftsdienst

Der Beirat macht zwei Reformvorschläge, die sich nicht wechselseitig ausschließen. Erstens: Die Schuldenbremse sollte zu einer „Goldenen Regel Plus“ weiterentwickelt werden. Danach würden öffentliche Nettoinvestitionen, die schuldenfinanziert sind, nicht auf die maximale Nettokreditaufnahme der Schuldenbremse angerechnet, wenn deren investiver Charakter durch eine unabhängige Institution bestätigt wird. Da solche Investitionen zu höherer Produktivität und damit mehr Steuereinnahmen führten, senkten sie langfristig die Staatsverschuldung, argumentierte der Beirat.

Zweitens schlägt der Beirat die Einrichtung von Investitionsfördergesellschaften vor, die bindende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche auf gleichbleibende Mittelzuweisungen über einen mehrjährigen Zeitraum haben, um damit eine Verstetigung der Investitionen in öffentlichen Haushalten zu garantieren. In der EU werden Vorschläge der EU-Kommission zur Neuordnung der europäischen Fiskalregeln diskutiert. Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, darauf zu dringen, dass sich die europäischen und deutschen Haushaltsregeln nicht zu weit auseinanderentwickeln.
 
 
Deutsche und EU-Instrumente harmonisieren

Die Vorschläge der Europäischen Kommission sehen eine neue operative Größe zur Haushaltsüberwachung in Form der korrigierten Primärausgaben vor. Dieses Konzept weicht von dem in Deutschland verwendeten Konzept des strukturellen Haushaltsdefizits ab. Das Entstehen zweier unterschiedlicher Zielgrößen würde die Einhaltung von Fiskalregeln und die Steuerung von Haushalten erheblich erschweren, warnt der Beirat.

Die Experten befürworten die verstärkte Mitwirkung nationaler unabhängiger Fiskalinstitutionen wie auch des European Fiscal Board, um die Durchsetzung der europäischen Haushaltsregeln zu verbessern. Unabhängige Institutionen sollten verstärkt zur Überwachung der Staatsausgaben eingesetzt werden.

Rentenreform angemahnt

Dem zu erwartenden starken Anstieg der Staatsausgaben im Bereich der Sozialversicherungen aufgrund des demografischen Wandels müsse entgegengewirkt werden, erinner der Beirat zugleich. Er empfiehlt, die ältere, aber noch im Arbeitsleben stehende Generation stärker an den Kosten der sozialen Sicherung zu beteiligen. Der Beirat verweist dazu auf seine Gutachten aus den Jahren 2021 und 2022 zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung.

Die Bundesregierung sollte eine zeitlich über die mittelfristige Finanzplanung hinausgehende Planung entwickeln, die den Zeitraum der zwei folgenden Legislaturperioden umfasst. Dies sei notwendig, um eine nachhaltige Finanzierung von staatlichen Daueraufgaben zu gewährleisten, so die Wissenschaftler. Regelmäßig wiederkehrende Aufgaben des Staates seien durch Steuern zu finanzieren. „Dazu muss die Politik entscheiden, welche Aufgaben Daueraufgaben sind und welche nicht, so beispielsweise im Zusammenhang mit Ausgaben für die Landesverteidigung“, sagte Schmidt.

Das Gutachten des Sachverständigenrates steht als PDF auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums zum Download bereit.

Dienstag, 5.12.2023, 14:02 Uhr
Susanne Harmsen

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