Quelle: E&M
Fast zeitgleich mit dem Amtsantritt der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde die Autorin dieser Zeilen 2005 E&M-Korrespondentin. Sie erinnert sich an das politische Berlin.
Vor allem zwei Bundesministerien waren 2005 für Energie zuständig: das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium, dem die Atomenergie und damals noch die erneuerbaren Energien zugeordnet waren. Nur noch kurze Zeit war der Grüne Jürgen Trittin 2005 Ressortchef, auf ihn folgte Ende November Sigmar Gabriel (SPD).
Nachdem gut 15 Jahre lang, 1982 bis 1998, das Wirtschaftsministerium fest in den Händen der Liberalen war, gab es seitdem in den Jahren bis zur Ampelkoalition zahlreiche Wechsel an der Spitze des Hauses. Werner Müller war parteilos. Die übrigen Ressortchefs kamen aus der Union, der SPD und der FDP.
Mit den Wechseln an der Spitze der Häuser und der politischen Couleur, aber auch der Persönlichkeiten, änderte sich natürlich regelmäßig der Politikstil: Inhaltliche Ausrichtung, der Grad an Transparenz, aber auch der Umgang mit Journalisten waren zum Teil sehr unterschiedlich. War es noch bei seinen unmittelbaren Vorgängern manchmal schwierig, tagesaktuell Auskünfte vom Wirtschaftsministerium zu bekommen, so brachte Sozialdemokrat Sigmar Gabriel Ende 2013 endlich „Zug“ in die Pressestelle.
Minister als Klassikfan und Koch
Als aus der Privatwirtschaft kommender Minister (Ende Oktober 1998 bis 2002) fiel Werner Müller aus dem Rahmen. Energiepolitisches Thema war damals vor allem angesichts der noch bestehenden Oligopole in der Energieversorgung (RWE, Ruhrgas & Co.), mehr Wettbewerb zu schaffen, etwa durch die Öffnung der Transportnetze für andere Unternehmen. Müller setzte dabei statt auf Zwang auf Freiwilligkeit, sogenannte Verbändevereinbarungen. Bekanntermaßen wurde daraus nichts, der Markt musste staatlich reguliert werden, zuständig dafür ist seit Sommer 2005 die Bundesnetzagentur.
Müller war ein angenehmer Gesprächspartner, der in seinem riesigen Büro bei der Arbeit häufig klassische Musik hörte. Besonders beeindruckt hat mich sein offener Umgang mit Kindern, die ihm bei einem Besuch in seinem Büro recht persönliche Fragen stellten − zum Beispiel die, ob er gelegentlich im Ministerium übernachte (was er bejahte) und wo er dann dusche. Ja, er habe dort ein kleines Badezimmer, sagte Müller.
Solche mehr private Dinge waren von den Ministern eher selten zu erfahren, schon eher bekamen Journalisten einige Vorlieben der Amtsträger mit. Bekannt war, dass Peter Altmaier (CDU) als Saarländer der französischen Küche nahestand und gerne kochte, zuweilen auch einen erlesenen Kreis von Journalisten in seine Wohnung einlud. Dass ihm das leibliche Wohl am Herzen lag, zeigte sich auch bei diversen Pressefahrten. So erschien er, da noch Umweltminister, zu einer Besichtigungsfahrt im Kleinbus mit Tüten voller belegter Brötchen, Kaffee gab es auch.
Das änderte aber nichts an der kritischen Berichterstattung zu seiner Tätigkeit, auch später als Wirtschaftsminister (März 2018 bis Ende 2021). Gab es doch jede Menge Ankündigungen, die Energiewende nach dem Beschluss zum Atomausstieg und mit Blick auf den Klimaschutz zu beschleunigen, denen aber kaum Taten folgten. Im Gegenteil machte Altmaier eher negative Furore mit seiner Aussage, die Energiewende könne bis 2040 „eine Billion Euro“ kosten. Ebenso mit seiner „Strompreisbremse“ durch Kürzungen der Förderung im Jahr 2012, nachdem durch den Erneuerbaren-Ausbau die EEG-Umlage und damit einhergehend der Strompreis stark gestiegen waren.
Markante Themen der energiepolitischen Diskussion waren natürlich der Atom- und der Kohleausstieg. Den 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder mit der Energiewirtschaft vereinbarten „Atomkonsens“ zum Ausstieg aus der Kernenergie hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Herbst 2010 durch die Laufzeitverlängerung für die Meiler um durchschnittlich zwölf Jahre ausgehebelt.
Infolge der Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011 beschloss der Bundestag auf Initiative der Merkel-Regierung Ende Juni dann aber den vollständigen Atomausstieg bis spätestens Ende 2022.
Die zunehmende Erderwärmung machte zudem den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger, vor allem der Kohle, unumgänglich. Hierzulande heiß diskutiert, weil dies für die Stromversorgung im Kohleland Deutschland einen Strukturwandel in großem Ausmaß bedeutet. 2020 wurde der Ausstieg bis 2038 beschlossen.
Lobbyverbände fusionieren
Früher waren die Energie- und die Wasserbranche in unterschiedlichen Verbänden organisiert. Um mehr Schlagkraft zu entwickeln und mehr Gehör bei der Politik zu finden, schlossen sich im Juni 2007 vier maßgebliche Organisationen zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zusammen: der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), der Verband der Netzbetreiber (VDN) und der Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE).
Ein Jahr später, im Juli 2008, wurde mit Hildegard Müller eine Frau Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und war acht Jahre lang als prägende Figur des Verbands Ansprechpartnerin für die Journalisten. Auch in jüngerer Zeit ist der Verband weiblich geführt: Im Juni 2018 wurde Marie-Luise Wolff Präsidentin, die erst kürzlich ihr Amt aufgab. Im November 2019, also mit dem Regierungswechsel, wurde die Grüne Kerstin Andreae an die Spitze der Geschäftsführung berufen.
Energiekonferenzen − eine Versammlung der grauen Herren
Alle Jahre wieder trafen sich die Energiemanager auf den traditionellen Branchenkonferenzen. Insbesondere die vom Handelsblatt veranstaltete war ein Muss − kamen doch Vertreter der Politprominenz sowie hochrangige Unternehmens- und Verbandsvertreter dorthin. Wichtige Treffen waren und sind auch der BDEW-Kongress und der Stadtwerkekongress des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).
Frauen suchte man sowohl im Publikum als auch auf den Podien früher eher vergeblich und fast konnte man den Eindruck haben, dass sie auch gar nicht so erwünscht waren. Die Phalanx der grauen Anzüge war beeindruckend − und oft auch etwas langweilig.
Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Schaut man sich die Events, Diskutanten und Zuhörer heute an, könnte man fast von einer „Zeitenwende“ sprechen: Weiblicher, jünger, bunter, lockerer und mit größerer Themenvielfalt und Zukunftsorientierung geht es dort zu. Das spiegelt sich auch in den Locations und den Veranstaltungsformaten. Das Handelsblatt nennt seine Konferenz nun „Energiegipfel“. Im Berliner Kongresszentrum nahe dem Alexanderplatz gibt es dabei Themenrunden außerhalb des Plenums, um den unterschiedlichen Interessen des Publikums Rechnung zu tragen.
Der BDEW hat sich vor einigen Jahren die „Station Berlin“ am Gleisdreieck als Konferenzort erkoren. Die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Postbahnhof sind weitläufig und bieten gute Möglichkeiten für separate Diskussionsrunden und zum Flanieren in der Ausstellung, was sehr auf Zuspruch stößt. Beide Veranstalter bieten auch „Feier-Abende“ für das gesellige Beisammensein nach viel inhaltlichem Input an.
Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang auch das Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), das seit einigen Jahren in einer Halle und auf einem Boot am Spreeufer stattfindet. Und auch dort wird nach kurzen Reden des Ministers und der Verbandspräsidentin Simone Peter beim Sonnenuntergang hinter der schönen Oberbaumbrücke gefeiert.
Dienstag, 23.07.2024, 09:57 Uhr
Angelika Nikionok-Ehrlich
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