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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Zeit, in die Gänge zu kommen
Quelle: Jonas Rosenberger
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Zeit, in die Gänge zu kommen

Die E-Mobilität könnte ein profitables Geschäftsfeld für Stadtwerke werden. Dazu müssen die Unternehmen aber noch eine Reihe von Hausaufgaben machen.
Die Energiewende nur als Stromwende zu begreifen, ist zu kurz gesprungen. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit unter Wissenschaftlern, Politikern und Unternehmenslenkern. Neben der Wärmewende ist die Verkehrswende ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor auf dem Weg zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele. Und so, wie die Stromwende vor allem im Verteilnetz stattfindet, vollzieht sich die Verkehrswende vor allem in den Städten und Ballungsräumen. Daher ist den Stadtwerken die Rolle des Protagonisten der Verkehrswende förmlich auf den Leib geschrieben: als Stromlieferant, als Infrastrukturdienstleister und -betreiber, als Daseinsvorsorger, als Mobilitätsdienstleister, mitunter als Innovationstreiber und als Unternehmen mit unmittelbarem und nachhaltigem Zugang zu den Bürgerinnen und Bürgern im Privatkundengeschäft.

Als kommunales Unternehmen ist ein Stadtwerk ein naheliegender Partner bei der Umsetzung einer kommunalen oder regionalen Klimaschutzstrategie. Für Vertreter der Gebietskörperschaften, die in der Regel im Aufsichtsrat des örtlichen Versorgers sitzen, sind deren Geschäftsführer und Vorstände ohnehin meist der erste Anlaufpunkt, wenn es um Infrastruktur- oder Versorgungsfragen geht.
Zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors können viele Maßnahmen beitragen, doch die Umstellung vom Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen auf Elektrofahrzeuge ist die von den politischen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene sowie auf Landes- und Bundesebene präferierte Option.
 
Neue Konkurrenz: die Automobilkonzerne
 
Eine Onlinebefragung des Aachener Beratungsunternehmens BET, an der knapp 80 Energieversorger aller Größen im Sommer teilgenommen haben, unterstreicht die Bedeutung der E-Mobilität als Geschäftsfeld für die Unternehmen. Fast drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass ihre Gesellschafter − bei den Stadtwerken also die Kommunen − bereits klare Zielvorgaben zum Thema E-Mobilität gemacht haben oder gerade dabei sind, sich zu positionieren.

Allerdings beginnen die Versorger erst einmal mit der Elektrifizierung des eigenen Fuhrparks. Mehr als 80 % haben laut BET dafür einen Plan. Von einer umfassenden Strategie sind die meisten Unternehmen jedoch noch weit entfernt. Lediglich 40 % verfügen überhaupt über Prognosen über den Hochlauf der Elektromobilität in ihrem Geschäftsgebiet und gerade einmal ein Viertel hat bisher die Auswirkungen des derzeitigen und künftigen Ladeverhaltens von E-Mobilisten auf ihre eigene Beschaffungsstrategie analysiert.

Lediglich 52 %, bei 66 abgegebenen Antworten, haben einen systematischen Überblick über ihre Konkurrenten. Dabei ist es aus vertrieblicher Sicht unerlässlich, sich über die Wettbewerbssituation ein genaues Bild zu machen, zumal bei der E-Mobilität ganz neue Konkurrenten in den Markt drängen: die Automobilkonzerne. Mittlerweile sind die Fahrzeughersteller in den Stromvertrieb eingestiegen, widmen sich dem Aufbau der Ladeinfrastruktur und schließen Kooperationen mit den Großen der Energiewirtschaft. Für Stadtwerke ein herausforderndes, aber trotzdem vielversprechendes Terrain, wie von BET zu hören ist.

Vielversprechend ist aus Sicht der Berater auch der Handel mit Treibhausgasminderungsquoten. Das Potenzial bleibe aber weitgehend ungenutzt, sagt Sarah Roes. Nur etwa ein Viertel der Energieversorger nutze dieses Instrument, um die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsmodelle rund um die Elektromobilität zu steigern, so die Partnerin für Handel und Vertrieb bei BET. 
 

Der Handel mit Treibhausgasminderungsquoten

Unternehmen, die fossile Kraftstoffe in den Verkehr bringen, müssen einen Teil der dadurch entstehenden Treibhausgasemissionen ausgleichen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist die dieser Pflicht zugrunde liegende Rechtsnorm. Ab 2007 hatten die Mineralölkonzerne deshalb eine Biokraftstoffquote zu erfüllen. Seit 2015 gibt es eine Treibhausgasminderungsquote. Sie betrug zunächst 3 % und stieg 2019 auf 4 %. Derzeit beträgt sie 6 % und soll bis zum Jahr 2030 auf 25 % ansteigen.

Diese Zielgröße wurde aktuell mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Damit setzt die Bundesregierung die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien in nationales Recht um. Das Gesetz definiert auch den Referenzwert, aus dem sich die erforderliche Treibhausgasminderung ergibt.

Die Anbieter fossiler Kraftstoffe können der Pflicht zur Senkung ihrer Emissionen durch den Verkauf von Biokraftstoffen nachkommen. Sie können aber auch THG-Quotenmengen von Anbietern emissionsarmer oder -freier Kraftstoffe erwerben, die ihre eigene Quote übererfüllt haben oder selbst nicht verpflichtet sind.

Seit 2019 sind die Emissionsminderungen, die durch Elektrofahrzeuge verursacht werden, ebenfalls nutzbar. Bis Ende dieses Jahres ist noch der Energieversorger, der regenerativ erzeugten Strom für Ladepunkte bereitstellt, Eigentümer der Quotenmenge. Ab 2022 verfügt dann der Betreiber des Ladepunkts, gleichgültig ob gewerblich oder privat, anstelle des Stromlieferanten über die handelbaren Minderungen. Diese werden der neuen gesetzlichen Grundlage zufolge dreifach auf die Quotenverpflichtung angerechnet. Damit steigen auch die Erlöse des Verkäufers erheblich.

Verschiedene Unternehmen sind mittlerweile am Markt und bieten sich für die Abwicklung des Handels an. Sie stellen Ladesäulenbetreibern durch die Bündelung von Mengen und die effiziente Erfüllung aller regulatorischer Anforderungen – die Quotenerfüllung wird vom zuständigen Hauptzollamt kontrolliert – Erlöse bis zu 40 Cent pro kWh in Aussicht.

Eine Börse wie für EU-Emissionsrechte gibt es für Treibhausgasquoten nicht. Der Handel findet bilateral direkt zwischen Unternehmen oder über Broker und Aggregatoren statt. Entsprechend gibt es auch keine börslichen Preissignale. Marktteilnehmer sprechen von THG-Quotenpreisen bisher zwischen 100 und 400 Euro pro Tonne CO2.
 

Freitag, 1.10.2021, 08:45 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Zeit, in die Gänge zu kommen
Quelle: Jonas Rosenberger
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Zeit, in die Gänge zu kommen
Die E-Mobilität könnte ein profitables Geschäftsfeld für Stadtwerke werden. Dazu müssen die Unternehmen aber noch eine Reihe von Hausaufgaben machen.
Die Energiewende nur als Stromwende zu begreifen, ist zu kurz gesprungen. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit unter Wissenschaftlern, Politikern und Unternehmenslenkern. Neben der Wärmewende ist die Verkehrswende ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor auf dem Weg zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele. Und so, wie die Stromwende vor allem im Verteilnetz stattfindet, vollzieht sich die Verkehrswende vor allem in den Städten und Ballungsräumen. Daher ist den Stadtwerken die Rolle des Protagonisten der Verkehrswende förmlich auf den Leib geschrieben: als Stromlieferant, als Infrastrukturdienstleister und -betreiber, als Daseinsvorsorger, als Mobilitätsdienstleister, mitunter als Innovationstreiber und als Unternehmen mit unmittelbarem und nachhaltigem Zugang zu den Bürgerinnen und Bürgern im Privatkundengeschäft.

Als kommunales Unternehmen ist ein Stadtwerk ein naheliegender Partner bei der Umsetzung einer kommunalen oder regionalen Klimaschutzstrategie. Für Vertreter der Gebietskörperschaften, die in der Regel im Aufsichtsrat des örtlichen Versorgers sitzen, sind deren Geschäftsführer und Vorstände ohnehin meist der erste Anlaufpunkt, wenn es um Infrastruktur- oder Versorgungsfragen geht.
Zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors können viele Maßnahmen beitragen, doch die Umstellung vom Verbrenner mit fossilen Kraftstoffen auf Elektrofahrzeuge ist die von den politischen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene sowie auf Landes- und Bundesebene präferierte Option.
 
Neue Konkurrenz: die Automobilkonzerne
 
Eine Onlinebefragung des Aachener Beratungsunternehmens BET, an der knapp 80 Energieversorger aller Größen im Sommer teilgenommen haben, unterstreicht die Bedeutung der E-Mobilität als Geschäftsfeld für die Unternehmen. Fast drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass ihre Gesellschafter − bei den Stadtwerken also die Kommunen − bereits klare Zielvorgaben zum Thema E-Mobilität gemacht haben oder gerade dabei sind, sich zu positionieren.

Allerdings beginnen die Versorger erst einmal mit der Elektrifizierung des eigenen Fuhrparks. Mehr als 80 % haben laut BET dafür einen Plan. Von einer umfassenden Strategie sind die meisten Unternehmen jedoch noch weit entfernt. Lediglich 40 % verfügen überhaupt über Prognosen über den Hochlauf der Elektromobilität in ihrem Geschäftsgebiet und gerade einmal ein Viertel hat bisher die Auswirkungen des derzeitigen und künftigen Ladeverhaltens von E-Mobilisten auf ihre eigene Beschaffungsstrategie analysiert.

Lediglich 52 %, bei 66 abgegebenen Antworten, haben einen systematischen Überblick über ihre Konkurrenten. Dabei ist es aus vertrieblicher Sicht unerlässlich, sich über die Wettbewerbssituation ein genaues Bild zu machen, zumal bei der E-Mobilität ganz neue Konkurrenten in den Markt drängen: die Automobilkonzerne. Mittlerweile sind die Fahrzeughersteller in den Stromvertrieb eingestiegen, widmen sich dem Aufbau der Ladeinfrastruktur und schließen Kooperationen mit den Großen der Energiewirtschaft. Für Stadtwerke ein herausforderndes, aber trotzdem vielversprechendes Terrain, wie von BET zu hören ist.

Vielversprechend ist aus Sicht der Berater auch der Handel mit Treibhausgasminderungsquoten. Das Potenzial bleibe aber weitgehend ungenutzt, sagt Sarah Roes. Nur etwa ein Viertel der Energieversorger nutze dieses Instrument, um die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsmodelle rund um die Elektromobilität zu steigern, so die Partnerin für Handel und Vertrieb bei BET. 
 

Der Handel mit Treibhausgasminderungsquoten

Unternehmen, die fossile Kraftstoffe in den Verkehr bringen, müssen einen Teil der dadurch entstehenden Treibhausgasemissionen ausgleichen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist die dieser Pflicht zugrunde liegende Rechtsnorm. Ab 2007 hatten die Mineralölkonzerne deshalb eine Biokraftstoffquote zu erfüllen. Seit 2015 gibt es eine Treibhausgasminderungsquote. Sie betrug zunächst 3 % und stieg 2019 auf 4 %. Derzeit beträgt sie 6 % und soll bis zum Jahr 2030 auf 25 % ansteigen.

Diese Zielgröße wurde aktuell mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Damit setzt die Bundesregierung die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien in nationales Recht um. Das Gesetz definiert auch den Referenzwert, aus dem sich die erforderliche Treibhausgasminderung ergibt.

Die Anbieter fossiler Kraftstoffe können der Pflicht zur Senkung ihrer Emissionen durch den Verkauf von Biokraftstoffen nachkommen. Sie können aber auch THG-Quotenmengen von Anbietern emissionsarmer oder -freier Kraftstoffe erwerben, die ihre eigene Quote übererfüllt haben oder selbst nicht verpflichtet sind.

Seit 2019 sind die Emissionsminderungen, die durch Elektrofahrzeuge verursacht werden, ebenfalls nutzbar. Bis Ende dieses Jahres ist noch der Energieversorger, der regenerativ erzeugten Strom für Ladepunkte bereitstellt, Eigentümer der Quotenmenge. Ab 2022 verfügt dann der Betreiber des Ladepunkts, gleichgültig ob gewerblich oder privat, anstelle des Stromlieferanten über die handelbaren Minderungen. Diese werden der neuen gesetzlichen Grundlage zufolge dreifach auf die Quotenverpflichtung angerechnet. Damit steigen auch die Erlöse des Verkäufers erheblich.

Verschiedene Unternehmen sind mittlerweile am Markt und bieten sich für die Abwicklung des Handels an. Sie stellen Ladesäulenbetreibern durch die Bündelung von Mengen und die effiziente Erfüllung aller regulatorischer Anforderungen – die Quotenerfüllung wird vom zuständigen Hauptzollamt kontrolliert – Erlöse bis zu 40 Cent pro kWh in Aussicht.

Eine Börse wie für EU-Emissionsrechte gibt es für Treibhausgasquoten nicht. Der Handel findet bilateral direkt zwischen Unternehmen oder über Broker und Aggregatoren statt. Entsprechend gibt es auch keine börslichen Preissignale. Marktteilnehmer sprechen von THG-Quotenpreisen bisher zwischen 100 und 400 Euro pro Tonne CO2.
 

Freitag, 1.10.2021, 08:45 Uhr
Fritz Wilhelm

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