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Energie & Management > Österreich - Wien Energie in
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Wien Energie in "finanzieller Notlage"

Unerwartet angestiegene Sicherstellungen für Börsengeschäfte verursachten einen Liquiditätsengpass von angeblich 1,7 bis 1,8 Mrd. Euro. Das Unternehmen betont seine Bonität.
Die Wien Energie, mit 2 Mio. Kunden und 3,04 Mrd. Euro Jahresumsatz einer der größten österreichischen Energieversorger, ist in einer "finanziellen Notlage" und braucht möglicherweise die Hilfe des Bundes. Den Grund teilte das Unternehmen am 28. August auf Twitter mit: Um an Strombörsen Handel treiben zu können, muss die Wien Energie wie alle anderen Unternehmen Sicherheitsleistungen hinterlegen. Weil am 26. August die Strompreise an den Börsen förmlich "explodierten", erhöhten sich die Sicherheitsleistungen für langfristige Stromkontrakte (Futures) "unvorhergesehen". In der Folge trat ein Liquiditätsengpass auf, der sich laut Medienberichten auf rund 1,7 bis 1,8 Mrd. Euro belaufen soll. Deshalb ersuchte die Wien Energie die Bundesregierung um Hilfe, die von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) umgehend zugesichert wurde. Brunner betonte, die Versorgungssicherheit sei "natürlich gegeben. Aber es geht um die Liquidität in den nächsten Tagen und Wochen." Die Details müssen dem Minister zufolge noch geklärt werden. Laut dem Energieministerium (BMK) unter Leonore Gewessler (Grüne) finden dazu am 29. August Gespräche statt.

Verwundert zeigte sich Brunner, dass die sozialdemokratische Wiener Stadtführung nicht selbst an den Bund herantrat, sondern das Kommunizieren der Causa der Wien Energie und ihrer Muttergesellschaft, den stadteigenen Wiener Stadtwerken, überließ. Von anderen Energieunternehmen seien ihm keine Liquiditätsengpässe aufgrund des Preisanstiegs vom 26. August bekannt, ergänzte Brunner. Auch der Branchenverband Oesterreichs Energie habe keine Kenntnis von derartigen Problemen: "Passieren kann natürlich immer etwas." Die wichtigsten Energieversorger bestätigten dem staatlichen Österreichischen Rundfunk am 29. August, sie hätten keine Liquiditätsprobleme. Überwiegend beschafften sie Strom im bilateralen Handel mit anderen Elektrizitätsunternehmen (OTC), Börsengeschäfte machten dagegen nur einen kleinen Teil ihrer Handelstätigkeit aus.

Nicht verspekuliert

Der für Energiewirtschaft zuständige Vorstand der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt, konstatierte im Rundfunk, die Strompreise seien Ende der Kalenderwoche 34 binnen eines Tages um mehr als 100 % gestiegen. Gegenüber derartigen Entwicklungen sei das Management der Wien Energie ebenso wie das jedes anderen Energieunternehmens "machtlos". Ein Managementversagen habe es nicht gegeben.

Aus der Luft gegriffen sei auch die Behauptung, die Wien Energie habe im Vertrauen auf sinkende Strompreise mehr Strom verkauft, als sie selbst erzeugen könne, sei nun gezwungen, die fehlenden Mengen teuer zuzukaufen und habe damit rund 8 Mrd. Euro verspekuliert: "Das kann ich definitiv ausschließen." Die Versorgung der Kunden mit Strom, Gas und Fernwärme sei gesichert. Auch für die Arbeitsplätze der Beschäftigten der Wien Energie bestehe keinerlei Gefahr.
 
 
Gefordert ist laut Weinelt die Politik. Sie müsse einen "Schutzschirm" für die Energieversorger etablieren, wie dieser in Deutschland und der Schweiz bereits bestehe. Denkbar sei ferner, den Handel an den Strombörsen zeitweilig für mehrere Tage auszusetzen. Auch die Energiemarkt-Regulierungsbehörden sowie die Börsenaufsicht sieht Weinelt in der Pflicht: "Sie müssen sich den Börsenhandel anschauen." Unter anderem gehe es um Leerverkäufe, die die Preise treiben.

Kunden: Versorgung sicher

Ähnlich wie Weinelt argumentierte der Präsident des Elektrizitätswirtschaftsverbands Oesterreichs Energie und Generaldirektor des Energiekonzerns Verbund, Michael Strugl, in einer Aussendung: "Auch wenn aktuell keine Liquiditätsengpässe bei weiteren Unternehmen bekannt sind, wäre es vorteilhaft, Vorsorge für weitere Preisausschläge auf den Märkten zu treffen. Deutschland hat bereits ein entsprechendes Modell implementiert." Dass Österreichs Bundesregierung auf EU-Ebene einen zeitlich befristeten Eingriff in das Strommarktmodell fordert, ist laut Strugl zu begrüßen: "Es darf nicht sein, dass ein Marktmodell wirtschaftlich grundsolide Unternehmen in Schwierigkeiten bringt. Damit bringt es die Wirtschaft in Schwierigkeiten und die Menschen in diesem Land."

Für die Versorgung der Kundinnen und Kunden in Österreich gibt es keine Probleme. Sollte ein Energieunternehmen pleitegehen, werden seine Kunden von der Energiemarkt-Regulierungsbehörde E-Control anderen Lieferanten zugeteilt und müssen bis auf Weiteres zu ihren bisherigen Konditionen beliefert werden.

Montag, 29.08.2022, 14:04 Uhr
Klaus Fischer
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Österreich
Wien Energie in "finanzieller Notlage"
Unerwartet angestiegene Sicherstellungen für Börsengeschäfte verursachten einen Liquiditätsengpass von angeblich 1,7 bis 1,8 Mrd. Euro. Das Unternehmen betont seine Bonität.
Die Wien Energie, mit 2 Mio. Kunden und 3,04 Mrd. Euro Jahresumsatz einer der größten österreichischen Energieversorger, ist in einer "finanziellen Notlage" und braucht möglicherweise die Hilfe des Bundes. Den Grund teilte das Unternehmen am 28. August auf Twitter mit: Um an Strombörsen Handel treiben zu können, muss die Wien Energie wie alle anderen Unternehmen Sicherheitsleistungen hinterlegen. Weil am 26. August die Strompreise an den Börsen förmlich "explodierten", erhöhten sich die Sicherheitsleistungen für langfristige Stromkontrakte (Futures) "unvorhergesehen". In der Folge trat ein Liquiditätsengpass auf, der sich laut Medienberichten auf rund 1,7 bis 1,8 Mrd. Euro belaufen soll. Deshalb ersuchte die Wien Energie die Bundesregierung um Hilfe, die von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) umgehend zugesichert wurde. Brunner betonte, die Versorgungssicherheit sei "natürlich gegeben. Aber es geht um die Liquidität in den nächsten Tagen und Wochen." Die Details müssen dem Minister zufolge noch geklärt werden. Laut dem Energieministerium (BMK) unter Leonore Gewessler (Grüne) finden dazu am 29. August Gespräche statt.

Verwundert zeigte sich Brunner, dass die sozialdemokratische Wiener Stadtführung nicht selbst an den Bund herantrat, sondern das Kommunizieren der Causa der Wien Energie und ihrer Muttergesellschaft, den stadteigenen Wiener Stadtwerken, überließ. Von anderen Energieunternehmen seien ihm keine Liquiditätsengpässe aufgrund des Preisanstiegs vom 26. August bekannt, ergänzte Brunner. Auch der Branchenverband Oesterreichs Energie habe keine Kenntnis von derartigen Problemen: "Passieren kann natürlich immer etwas." Die wichtigsten Energieversorger bestätigten dem staatlichen Österreichischen Rundfunk am 29. August, sie hätten keine Liquiditätsprobleme. Überwiegend beschafften sie Strom im bilateralen Handel mit anderen Elektrizitätsunternehmen (OTC), Börsengeschäfte machten dagegen nur einen kleinen Teil ihrer Handelstätigkeit aus.

Nicht verspekuliert

Der für Energiewirtschaft zuständige Vorstand der Wiener Stadtwerke, Peter Weinelt, konstatierte im Rundfunk, die Strompreise seien Ende der Kalenderwoche 34 binnen eines Tages um mehr als 100 % gestiegen. Gegenüber derartigen Entwicklungen sei das Management der Wien Energie ebenso wie das jedes anderen Energieunternehmens "machtlos". Ein Managementversagen habe es nicht gegeben.

Aus der Luft gegriffen sei auch die Behauptung, die Wien Energie habe im Vertrauen auf sinkende Strompreise mehr Strom verkauft, als sie selbst erzeugen könne, sei nun gezwungen, die fehlenden Mengen teuer zuzukaufen und habe damit rund 8 Mrd. Euro verspekuliert: "Das kann ich definitiv ausschließen." Die Versorgung der Kunden mit Strom, Gas und Fernwärme sei gesichert. Auch für die Arbeitsplätze der Beschäftigten der Wien Energie bestehe keinerlei Gefahr.
 
 
Gefordert ist laut Weinelt die Politik. Sie müsse einen "Schutzschirm" für die Energieversorger etablieren, wie dieser in Deutschland und der Schweiz bereits bestehe. Denkbar sei ferner, den Handel an den Strombörsen zeitweilig für mehrere Tage auszusetzen. Auch die Energiemarkt-Regulierungsbehörden sowie die Börsenaufsicht sieht Weinelt in der Pflicht: "Sie müssen sich den Börsenhandel anschauen." Unter anderem gehe es um Leerverkäufe, die die Preise treiben.

Kunden: Versorgung sicher

Ähnlich wie Weinelt argumentierte der Präsident des Elektrizitätswirtschaftsverbands Oesterreichs Energie und Generaldirektor des Energiekonzerns Verbund, Michael Strugl, in einer Aussendung: "Auch wenn aktuell keine Liquiditätsengpässe bei weiteren Unternehmen bekannt sind, wäre es vorteilhaft, Vorsorge für weitere Preisausschläge auf den Märkten zu treffen. Deutschland hat bereits ein entsprechendes Modell implementiert." Dass Österreichs Bundesregierung auf EU-Ebene einen zeitlich befristeten Eingriff in das Strommarktmodell fordert, ist laut Strugl zu begrüßen: "Es darf nicht sein, dass ein Marktmodell wirtschaftlich grundsolide Unternehmen in Schwierigkeiten bringt. Damit bringt es die Wirtschaft in Schwierigkeiten und die Menschen in diesem Land."

Für die Versorgung der Kundinnen und Kunden in Österreich gibt es keine Probleme. Sollte ein Energieunternehmen pleitegehen, werden seine Kunden von der Energiemarkt-Regulierungsbehörde E-Control anderen Lieferanten zugeteilt und müssen bis auf Weiteres zu ihren bisherigen Konditionen beliefert werden.

Montag, 29.08.2022, 14:04 Uhr
Klaus Fischer

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