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Energie & Management > Österreich - Wien-Energie-Chefs mussten Milliarden-Rechnung unterzeichnen
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Wien-Energie-Chefs mussten Milliarden-Rechnung unterzeichnen

Österreichs größter kommunaler Energieversorger hat seinen Gewinn 2022 um 176 Prozent gesteigert. Er will nun die Endkunden entlasten und verstärkt in „Klimaschutzprojekte“ investieren.
5,9 Milliarden Euro hat die Wien Energie im Jahr 2022 erlöst - um 95 Prozent mehr als 2021. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) erhöhte sich um 78 Prozent auf 563 Millionen Euro, das operative Ergebnis (Ebit) um 154 Prozent auf 403 Millionen Euro. Unterm Strich verzeichnete der Versorger einen Gewinn von 386 Millionen Euro - 176 Prozent mehr als 2021.

Geschuldet war dies insbesondere dem Großhandel mit Strom und Erdgas bei massiv gestiegenen Preisen, berichteten die Geschäftsführer des mit Abstand größten kommunalen Energieversorgers Österreichs, Michael Strebl und Karl Gruber, bei der Bilanzpressekonferenz am 19. April.

Einen Verlust von etwa 143 Millionen Euro hatte hingegen die Tochter Wien Energie Vertrieb, die Strom, Gas und Fernwärme an Endkunden verkauft. Dies war unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die sie hohe Gas-Beschaffungskosten der Mutter nur teilweise in Form höherer Endkunden-Preise weiterverrechnete. Laut Michael Strebl, dem Sprecher der Geschäftsführung, stieg der Materialaufwand der Wien Energie, der großteils die Kosten für die Gasbeschaffung umfasst, um 111 Prozent auf 4,78 Milliarden Euro.

Strebl bezeichnete 2022 als bislang „herausforderndstes Jahr“ in der Unternehmensgeschichte. Er selbst sei seit 1992 in der Energiebranche tätig und habe „solche Entwicklungen wie 2022 nie zuvor erlebt.“ Strebl ergänzte, das Unternehmen sei solide aufgestellt. Er verwies vor allem auf die Eigenkapitalquote, die sich um 4 Punkte auf 35,5 Prozent erhöhte.

"Nie Spekulationsgeschäfte"

Ausführlich ging Strebl auf die Debatten um die Absicherung der Börsengeschäfte seines Unternehmens ein. Wie mehrfach berichtet, hatte das Bundesland Wien Ende August 2022 diesbezüglich eine Kreditlinie der Bundesfinanzierungsagentur über 2 Milliarden Euro erhalten, nachdem am Black Friday, dem 26. August 2022, der Strompreis auch in Österreich kurzfristig auf mehr als 1.000 Euro/MWh gestiegen war. Laut Strebl mussten er und Gruber am 27. August eine Rechnung über Margin Calls (Nachschusspflichten im Terminhandel) von 1,77 Milliarden Euro unterzeichnen. Zwar reichten die Eigenmittel sowie Kredite der Stadt Wien zu deren Deckung aus. Doch war die weitere Entwicklung nicht absehbar. Daher sei die Absicherung durch den Bund erforderlich gewesen.

Strebl versicherte erneut, nie Spekulationsgeschäfte getätigt zu haben. Die Kredite der Stadt Wien seien „vollständig und mit Zinsen“ zurückgezahlt, die Kreditlinie des Bundes sei nicht in Anspruch genommen worden. Diese wird bekanntlich per 1. Mai durch einen Kreditrahmenvertrag der Stadt Wien mit einem Volumen von ebenfalls 2 Milliarden Euro abgelöst, den „Wiener Schutzschirm“.

140 Millionen Euro, um Endkunden zu entlasten

Strebl ergänzte, die Wien Energie wende heuer 140 Millionen Euro für die Entlastung der Endkunden auf. Etwa 80 Millionen Euro flössen in ein vom Sommer an geltendes Energiehilfe-Paket in Form von „Freienergietagen“ sowie Rabatten. Die Details würden noch festgelegt. Weitere 50 Millionen Euro wende das Unternehmen für einen rückwirkend seit August 2022 geltenden Fernwärme-Rabatt auf. Hinzu kämen etwa 10 Millionen Euro als Spende an Sozialhilfe-Organisationen.

Ferner investiert die Wien Energie laut Strebl heuer etwa 417 Millionen Euro in sogenannte „Klimaschutzprojekte“. Davon seien, wie seit Jahren geplant, etwa 272 Millionen Euro für die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien vorgesehen. Weitere 95 Millionen Euro gibt es für Vorhaben zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff, ferner 50 Millionen Euro für den rascheren Ausbau der Fernwärme.

Strebl räumte auf Anfrage der Redaktion ein, für diese Aufwendungen werde eine „gewisse“ Erhöhung des Schuldenstands nötig sein. Details wollte er auf Nachfrage nicht nennen. Laut ihrem Jahresbericht 2022 ist die Wien Energie mit rund 4,21 Milliarden Euro verschuldet. Davon entfallen 1,91 Milliarden Euro auf langfristige und 2,29 Milliarden Euro auf kurzfristige Schulden.

"Verbraucherschutz geht gegen günstigeren Tarif vor"

Von den vermehrten Klagen von Konsumentenschutz-Organisationen gegen Energieversorger wegen Preisanpassungen ist laut Strebl auch die Wien Energie betroffen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) habe rechtliche Schritte angedroht, weil die Wien Energie im Herbst 2022 Kunden, die dem nicht widersprachen, nach entsprechender schriftlicher Information auf einen neuen Tarif umstellten.

Das Kuriosum: Der neue Tarif ist Strebl zufolge günstiger als der vorige. Daher sei das Vorgehen des VKI „ein bisschen schwer nachvollziehbar“. In Gesprächen mit dem Verein versuche die Wien Energie nun, eine Lösung zu finden: „Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt.“

Mittwoch, 19.04.2023, 16:15 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Wien-Energie-Chefs mussten Milliarden-Rechnung unterzeichnen
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Wien-Energie-Chefs mussten Milliarden-Rechnung unterzeichnen
Österreichs größter kommunaler Energieversorger hat seinen Gewinn 2022 um 176 Prozent gesteigert. Er will nun die Endkunden entlasten und verstärkt in „Klimaschutzprojekte“ investieren.
5,9 Milliarden Euro hat die Wien Energie im Jahr 2022 erlöst - um 95 Prozent mehr als 2021. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) erhöhte sich um 78 Prozent auf 563 Millionen Euro, das operative Ergebnis (Ebit) um 154 Prozent auf 403 Millionen Euro. Unterm Strich verzeichnete der Versorger einen Gewinn von 386 Millionen Euro - 176 Prozent mehr als 2021.

Geschuldet war dies insbesondere dem Großhandel mit Strom und Erdgas bei massiv gestiegenen Preisen, berichteten die Geschäftsführer des mit Abstand größten kommunalen Energieversorgers Österreichs, Michael Strebl und Karl Gruber, bei der Bilanzpressekonferenz am 19. April.

Einen Verlust von etwa 143 Millionen Euro hatte hingegen die Tochter Wien Energie Vertrieb, die Strom, Gas und Fernwärme an Endkunden verkauft. Dies war unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die sie hohe Gas-Beschaffungskosten der Mutter nur teilweise in Form höherer Endkunden-Preise weiterverrechnete. Laut Michael Strebl, dem Sprecher der Geschäftsführung, stieg der Materialaufwand der Wien Energie, der großteils die Kosten für die Gasbeschaffung umfasst, um 111 Prozent auf 4,78 Milliarden Euro.

Strebl bezeichnete 2022 als bislang „herausforderndstes Jahr“ in der Unternehmensgeschichte. Er selbst sei seit 1992 in der Energiebranche tätig und habe „solche Entwicklungen wie 2022 nie zuvor erlebt.“ Strebl ergänzte, das Unternehmen sei solide aufgestellt. Er verwies vor allem auf die Eigenkapitalquote, die sich um 4 Punkte auf 35,5 Prozent erhöhte.

"Nie Spekulationsgeschäfte"

Ausführlich ging Strebl auf die Debatten um die Absicherung der Börsengeschäfte seines Unternehmens ein. Wie mehrfach berichtet, hatte das Bundesland Wien Ende August 2022 diesbezüglich eine Kreditlinie der Bundesfinanzierungsagentur über 2 Milliarden Euro erhalten, nachdem am Black Friday, dem 26. August 2022, der Strompreis auch in Österreich kurzfristig auf mehr als 1.000 Euro/MWh gestiegen war. Laut Strebl mussten er und Gruber am 27. August eine Rechnung über Margin Calls (Nachschusspflichten im Terminhandel) von 1,77 Milliarden Euro unterzeichnen. Zwar reichten die Eigenmittel sowie Kredite der Stadt Wien zu deren Deckung aus. Doch war die weitere Entwicklung nicht absehbar. Daher sei die Absicherung durch den Bund erforderlich gewesen.

Strebl versicherte erneut, nie Spekulationsgeschäfte getätigt zu haben. Die Kredite der Stadt Wien seien „vollständig und mit Zinsen“ zurückgezahlt, die Kreditlinie des Bundes sei nicht in Anspruch genommen worden. Diese wird bekanntlich per 1. Mai durch einen Kreditrahmenvertrag der Stadt Wien mit einem Volumen von ebenfalls 2 Milliarden Euro abgelöst, den „Wiener Schutzschirm“.

140 Millionen Euro, um Endkunden zu entlasten

Strebl ergänzte, die Wien Energie wende heuer 140 Millionen Euro für die Entlastung der Endkunden auf. Etwa 80 Millionen Euro flössen in ein vom Sommer an geltendes Energiehilfe-Paket in Form von „Freienergietagen“ sowie Rabatten. Die Details würden noch festgelegt. Weitere 50 Millionen Euro wende das Unternehmen für einen rückwirkend seit August 2022 geltenden Fernwärme-Rabatt auf. Hinzu kämen etwa 10 Millionen Euro als Spende an Sozialhilfe-Organisationen.

Ferner investiert die Wien Energie laut Strebl heuer etwa 417 Millionen Euro in sogenannte „Klimaschutzprojekte“. Davon seien, wie seit Jahren geplant, etwa 272 Millionen Euro für die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien vorgesehen. Weitere 95 Millionen Euro gibt es für Vorhaben zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff, ferner 50 Millionen Euro für den rascheren Ausbau der Fernwärme.

Strebl räumte auf Anfrage der Redaktion ein, für diese Aufwendungen werde eine „gewisse“ Erhöhung des Schuldenstands nötig sein. Details wollte er auf Nachfrage nicht nennen. Laut ihrem Jahresbericht 2022 ist die Wien Energie mit rund 4,21 Milliarden Euro verschuldet. Davon entfallen 1,91 Milliarden Euro auf langfristige und 2,29 Milliarden Euro auf kurzfristige Schulden.

"Verbraucherschutz geht gegen günstigeren Tarif vor"

Von den vermehrten Klagen von Konsumentenschutz-Organisationen gegen Energieversorger wegen Preisanpassungen ist laut Strebl auch die Wien Energie betroffen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) habe rechtliche Schritte angedroht, weil die Wien Energie im Herbst 2022 Kunden, die dem nicht widersprachen, nach entsprechender schriftlicher Information auf einen neuen Tarif umstellten.

Das Kuriosum: Der neue Tarif ist Strebl zufolge günstiger als der vorige. Daher sei das Vorgehen des VKI „ein bisschen schwer nachvollziehbar“. In Gesprächen mit dem Verein versuche die Wien Energie nun, eine Lösung zu finden: „Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt.“

Mittwoch, 19.04.2023, 16:15 Uhr
Klaus Fischer

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