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Energie & Management > E-World - Wärmewende und Netzausbau als Herausforderung
Quelle: Pixabay / Marion Wellmann
E-World

Wärmewende und Netzausbau als Herausforderung

Nicht weniger als eine „Heldentat“ wäre es laut Rheinenergie-Chef Andreas Feicht, wenn Deutschland die Klimaziele bis 2030 mit funktionierender Reserveversorgung erreichen würde.
Die Frage der sicheren Energieversorgung treibt die Spitzen von Versorgern, Verbänden und Politik um. Mitten in der Transformation des Systems von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern senden die Handelnden dabei unterschiedliche Signale.

Unterschiedliche Signale zu den Erfolgsaussichten, Erneuerbare und Netze massiv auszubauen, gleichzeitig die Wärmewende voranzubringen und regelbare Reservekraftwerke zu bauen. Dies alles vor dem Hintergrund, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen und zeitgleich die Stromversorgung zu 80 Prozent über Erneuerbare zu regeln. „Wir schaffen das“, heißt es von Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller – „Haus und Hof würde ich nicht darauf verwetten“, vom Rheinenergie-Vorstandsvorsitzenden Andreas Feicht.

Sie waren zwei der Teilnehmer der Diskussion „Sichere Energie für den Standort Deutschland – woher soll sie künftig kommen?“, die beim „Führungstreffen Energie“ der SZ einen Tag vor dem Start der Leitmesse „E-world energy & water“ 2023 stattfand. Alle Anwesenden auf dem Podium waren sich einig, dass die Aufgaben enorm sind und die Dekarbonisierung von Industrie und Gesellschaft nur im Idealfall im vorgegebenen Zeitplan erfolgen könne.
 
Diskutierten die Energiesicherheit: (von links) Michael Bauchmüller (SZ), Klaus Müller (Bundesnetzagentur), Rolf Buch (Vonovia), Jörg Bergmann (Open Grid Europe), Holger Lösch (Bundesverband der Industrie) und Andreas Feicht (Rheinenergie).
Quelle: Volker Stephan

Rheinenergie-Chef Andreas Feicht sieht das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 als „sehr ambitioniert“ an. Im Jahr 2026 oder 2027 sei eine erste Zwischenbilanz möglich, ob die von der Bundesregierung für das Jahr 2030 vorgegebenen CO2-Einsparziele (minus 55 Prozent) eingehalten werden können. Gerade die Wärmewende mit Verbrauchsspitzen im Winter werde zur Nagelprobe. „Ich würde nicht Haus und Hof darauf verwetten, dass wir 2030 die Ziele erreichen“, so Andreas Feicht.

"Keine Alternative" zur Elektrifizierung der Wärme

Vonovia-Vorstandsvorsitzender Rolf Buch schloss kategorisch aus, den Gebäudesektor in absehbarer Zeit CO2-frei stellen zu können. Die Branche müsse einerseits Bestandsgebäude sanieren (Dämmung) und andererseits die Wärmewende (Heizen) schaffen. Zur Elektrifizierung der Wärme sieht er perspektivisch „keine Alternative“, Wärmepumpen und Fernwärme seien die Zukunft. „Ob wir irgendwann Wasserstoff zum Heizen verbrennen, weiß ich nicht.“ An die Energieversorger richtete er entsprechend die Forderung, massiv Ökostrom zur Verfügung zu stellen. „Wir brauchen sauberen Strom, um selber sauber zu werden.“

Vonovia verwaltet etwa 60.000 Gebäude, nicht selten Mehrfamilien- und Hochhäuser. Ein Wärme-Projekt in Dortmund ist hinter dem Zeitplan zurückgeblieben. 60 Wärmepumpen hatte Vonovia im Sommer 2022 für eine größere Siedlung beschafft, um sie noch für den Winter in Betrieb zu nehmen. Allein: „Zwei Drittel der Wärmepumpen sind noch immer nicht angeschlossen.“ Grund: Das untere Strom-Verteilnetz fehle weiterhin.

Aus diesem Problem schließt der Vonovia-Chef aufs Ganze: Die Planung der Wärmewende laufe nicht optimal. Dies zeige sich auch daran, dass es häufig an kommunaler Wärmeplanung mangele. Dann werde in bestimmten Wohngebieten auf Wärmepumpen gesetzt, obwohl eine Fernwärmeverbindung möglich sei. „Meine Kritik ist: Wir zäumen das Pferd von hinten auf.“ Energie- und Wärmeplanung müssten zuerst erfolgen, so Rolf Buchs Forderung. „Vorher loszulegen“, wie Vonovia es beim Bau lokaler Wärmenetze nun tue, „sei eigentlich Unsinn, wir machen es aber trotzdem.“ Dies sei wie ein Hausbau, ohne das Fundament gegossen zu haben. Der Zeitdruck, klimaneutral zu werden, sei allerdings zu groß, um abzuwarten.

Die Industrie steht die Energieversorgung laut Holger Lösch, Vize-Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, alles andere als entspannt. Die Chemie-Unternehmen hätten wegen der Gaseinsparungen 30 Prozent weniger produziert, die Industrie 15 Prozent weniger. „Es ist fraglich, ob einige Branchen einen weiteren Zerstörungsgrad in der Produktion ohne Folgen aushalten können“, so Holger Lösch. Eine Lösung sieht Jörg Bergmann, Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe, im schnellen Bau eines Wasserstoff-Netzes. „Wir brauchen es dringend“, sagte er, „ohne Pipelinesystem zwischen Produktion und Import auf der einen und den Abnehmern auf der anderen Seite wird im Wasserstoff-Sektor nichts passieren.“ Es gebe genügend Anfragen von Wasserstoff-Importeuren, sobald die Infrastruktur gegeben sei.

Für die Bundesregierung sagte Alexander Lücke, Leiter Unterabteilung Energiesicherheit im Wirtschaftsministerium, „unter Hochdruck“ am Aufbau eines H2-Kernnetzes zu arbeiten, das „nicht zu groß und nicht zu klein ist“. Dieses solle in enger Abstimmung mit den Nachbarländern im Westen entstehen, die Wasserstoff-Leitungen bis an die deutschen Grenzen verlegen wollen.

Bis 2030 allerdings sind zunächst andere Grundlagen zu schaffen. Den Kohleausstieg mit dem Erneuerbaren-Ausbau zu synchronisieren und dabei gut 20.000 MW regelbarer Kraftwerke (Gas) als Reserve für die volatile Sonnen- und Windenergie vorzuhalten, dies sei „eine Heldentat, wenn Klaus Müller dies bis 2030 hinbekommen würde“, so Rheinenergie-Vorstand Andreas Feicht.

Montag, 22.05.2023, 18:41 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > E-World - Wärmewende und Netzausbau als Herausforderung
Quelle: Pixabay / Marion Wellmann
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Wärmewende und Netzausbau als Herausforderung
Nicht weniger als eine „Heldentat“ wäre es laut Rheinenergie-Chef Andreas Feicht, wenn Deutschland die Klimaziele bis 2030 mit funktionierender Reserveversorgung erreichen würde.
Die Frage der sicheren Energieversorgung treibt die Spitzen von Versorgern, Verbänden und Politik um. Mitten in der Transformation des Systems von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern senden die Handelnden dabei unterschiedliche Signale.

Unterschiedliche Signale zu den Erfolgsaussichten, Erneuerbare und Netze massiv auszubauen, gleichzeitig die Wärmewende voranzubringen und regelbare Reservekraftwerke zu bauen. Dies alles vor dem Hintergrund, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen und zeitgleich die Stromversorgung zu 80 Prozent über Erneuerbare zu regeln. „Wir schaffen das“, heißt es von Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller – „Haus und Hof würde ich nicht darauf verwetten“, vom Rheinenergie-Vorstandsvorsitzenden Andreas Feicht.

Sie waren zwei der Teilnehmer der Diskussion „Sichere Energie für den Standort Deutschland – woher soll sie künftig kommen?“, die beim „Führungstreffen Energie“ der SZ einen Tag vor dem Start der Leitmesse „E-world energy & water“ 2023 stattfand. Alle Anwesenden auf dem Podium waren sich einig, dass die Aufgaben enorm sind und die Dekarbonisierung von Industrie und Gesellschaft nur im Idealfall im vorgegebenen Zeitplan erfolgen könne.
 
Diskutierten die Energiesicherheit: (von links) Michael Bauchmüller (SZ), Klaus Müller (Bundesnetzagentur), Rolf Buch (Vonovia), Jörg Bergmann (Open Grid Europe), Holger Lösch (Bundesverband der Industrie) und Andreas Feicht (Rheinenergie).
Quelle: Volker Stephan

Rheinenergie-Chef Andreas Feicht sieht das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 als „sehr ambitioniert“ an. Im Jahr 2026 oder 2027 sei eine erste Zwischenbilanz möglich, ob die von der Bundesregierung für das Jahr 2030 vorgegebenen CO2-Einsparziele (minus 55 Prozent) eingehalten werden können. Gerade die Wärmewende mit Verbrauchsspitzen im Winter werde zur Nagelprobe. „Ich würde nicht Haus und Hof darauf verwetten, dass wir 2030 die Ziele erreichen“, so Andreas Feicht.

"Keine Alternative" zur Elektrifizierung der Wärme

Vonovia-Vorstandsvorsitzender Rolf Buch schloss kategorisch aus, den Gebäudesektor in absehbarer Zeit CO2-frei stellen zu können. Die Branche müsse einerseits Bestandsgebäude sanieren (Dämmung) und andererseits die Wärmewende (Heizen) schaffen. Zur Elektrifizierung der Wärme sieht er perspektivisch „keine Alternative“, Wärmepumpen und Fernwärme seien die Zukunft. „Ob wir irgendwann Wasserstoff zum Heizen verbrennen, weiß ich nicht.“ An die Energieversorger richtete er entsprechend die Forderung, massiv Ökostrom zur Verfügung zu stellen. „Wir brauchen sauberen Strom, um selber sauber zu werden.“

Vonovia verwaltet etwa 60.000 Gebäude, nicht selten Mehrfamilien- und Hochhäuser. Ein Wärme-Projekt in Dortmund ist hinter dem Zeitplan zurückgeblieben. 60 Wärmepumpen hatte Vonovia im Sommer 2022 für eine größere Siedlung beschafft, um sie noch für den Winter in Betrieb zu nehmen. Allein: „Zwei Drittel der Wärmepumpen sind noch immer nicht angeschlossen.“ Grund: Das untere Strom-Verteilnetz fehle weiterhin.

Aus diesem Problem schließt der Vonovia-Chef aufs Ganze: Die Planung der Wärmewende laufe nicht optimal. Dies zeige sich auch daran, dass es häufig an kommunaler Wärmeplanung mangele. Dann werde in bestimmten Wohngebieten auf Wärmepumpen gesetzt, obwohl eine Fernwärmeverbindung möglich sei. „Meine Kritik ist: Wir zäumen das Pferd von hinten auf.“ Energie- und Wärmeplanung müssten zuerst erfolgen, so Rolf Buchs Forderung. „Vorher loszulegen“, wie Vonovia es beim Bau lokaler Wärmenetze nun tue, „sei eigentlich Unsinn, wir machen es aber trotzdem.“ Dies sei wie ein Hausbau, ohne das Fundament gegossen zu haben. Der Zeitdruck, klimaneutral zu werden, sei allerdings zu groß, um abzuwarten.

Die Industrie steht die Energieversorgung laut Holger Lösch, Vize-Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, alles andere als entspannt. Die Chemie-Unternehmen hätten wegen der Gaseinsparungen 30 Prozent weniger produziert, die Industrie 15 Prozent weniger. „Es ist fraglich, ob einige Branchen einen weiteren Zerstörungsgrad in der Produktion ohne Folgen aushalten können“, so Holger Lösch. Eine Lösung sieht Jörg Bergmann, Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe, im schnellen Bau eines Wasserstoff-Netzes. „Wir brauchen es dringend“, sagte er, „ohne Pipelinesystem zwischen Produktion und Import auf der einen und den Abnehmern auf der anderen Seite wird im Wasserstoff-Sektor nichts passieren.“ Es gebe genügend Anfragen von Wasserstoff-Importeuren, sobald die Infrastruktur gegeben sei.

Für die Bundesregierung sagte Alexander Lücke, Leiter Unterabteilung Energiesicherheit im Wirtschaftsministerium, „unter Hochdruck“ am Aufbau eines H2-Kernnetzes zu arbeiten, das „nicht zu groß und nicht zu klein ist“. Dieses solle in enger Abstimmung mit den Nachbarländern im Westen entstehen, die Wasserstoff-Leitungen bis an die deutschen Grenzen verlegen wollen.

Bis 2030 allerdings sind zunächst andere Grundlagen zu schaffen. Den Kohleausstieg mit dem Erneuerbaren-Ausbau zu synchronisieren und dabei gut 20.000 MW regelbarer Kraftwerke (Gas) als Reserve für die volatile Sonnen- und Windenergie vorzuhalten, dies sei „eine Heldentat, wenn Klaus Müller dies bis 2030 hinbekommen würde“, so Rheinenergie-Vorstand Andreas Feicht.

Montag, 22.05.2023, 18:41 Uhr
Volker Stephan

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