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Energie & Management > Windkraft Onshore - Vogelschutz per Kamera
Bild: Jonas Rosenberger
Windkraft Onshore

Vogelschutz per Kamera

Um die Konflikte der Windenergie mit dem Artenschutz zu entspannen, entwickelt eine Reihe von Anbietern Vogeldetektionssysteme. Ein erster Überblick.
Herbstzeit ist Windvogel-Zeit. Auch auf der Paderborner Hochebene. Das Exemplar, das Johannes Lackmann von der Westfalen Wind GmbH auf Wunsch steigen lässt, hebt sich allerdings von herkömmlichen Plastikmodellen ab. Es ist eine Version aus Metall vom lautmalerischen Hersteller Robird − nicht vom Wind getrieben, sondern ferngesteuert.

Mit halb eleganten Flügelschlägen geht die Drohne, in Größe und Aussehen einem Wanderfalken nachempfunden, auf Kollisionskurs mit einer der Enercon-Turbinen im Windpark Hassel im ostwestfälischen Lichtenau. Noch sind es etwa 300 Meter. Alle Augen richten sich auf die Rotoren. Werden sie zur Gefahr für das künstliche Tier? Oder erkennen die am Turm montierten Kameras Vögel dieser Größenordnung verlässlich und bremsen die Windkraftwerke rechtzeitig ab?

Von der Antwort auf diese Fragen − im Drohnentest stoppte die Windturbine übrigens − hängen indirekt viele Windenergieprojekte ab. Und zwar jene, die auf Flächen in Betrieb sind beziehungsweise geplant oder erneuert werden, wo gleichzeitig besonders schützenswerte Vogelarten heimisch sind. „Das ist bundesweit zunehmend die Regel“, sagt Elke Bruns vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE), „konfliktarme Standorte sind weitgehend ausgeschöpft.“ Allein der Rotmilan, schätzt der langjährige Windkraftmanager Lackmann, stehe derzeit Windparks mit einer Leistung von „vielen Hundert Megawatt“ im Wege.

Um zu einem möglichen Miteinander von Windparks und Rotmilanen, Seeadlern oder Schwarzstörchen zu kommen, ist es nach Einschätzung von KNE-Fachfrau Bruns unverzichtbar, „auch technische Potenziale zum Schutz der Vögel auszuloten“. Das KNE prüft derzeit verschiedene sogenannte Detektionssysteme. „Wenn alles klappt, können wir den Genehmigungsbehörden Ende des Jahres eine erste Empfehlung aussprechen“, so Bruns.

Diese Systeme heißen unter anderen „DTBird“, „IdentiFlight“, „BirdVision“ oder „SafeWind“. Mit ihnen lässt sich die Umgebung von Windparks durch unterschiedlich leistungsfähige (und teure) Kameras beobachten. Die aufgenommenen Bilder werden zu Daten, die mithilfe künstlicher Rechnerintelligenz mit digitalen Vögelbibliotheken abgeglichen werden. Ein Abschaltautomatismus lässt die Windturbinen idealerweise binnen 30 Sekunden austrudeln, sobald ein gefährdeter Vogel erkannt worden ist.

Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie an Land sieht darin einen guten Weg, „um die Vereinbarkeit von Windenergieausbau und Artenschutz zu verbessern“. Die Vogelschutzeinrichtungen seien allerdings „kein Allheilmittel“, sondern im Genehmigungsverfahren ein letztes denkbares Instrument. Sudhaus hält wenig davon, sie zum Standardbauteil einer jeden Windturbine zu machen. Die Standorte seien einfach zu verschieden.

Digitale Bildbibliotheken für den Vogelschutz

Mittlerweile erprobt eine Reihe von Anbietern eigene Detektionssysteme. Im internationalen Eurostars-Projekt „Witurbisa“ (Wind Turbine Bird Strike Avoidance System) vereinen sich großer technischer Aufwand und etliche EU-Fördergelder. Es ist einer der wenigen Ansätze, Radartechnik und Kameralösungen zu kombinieren. Radarmessungen haben den Vorteil, Flugbewegungen in einem Bereich jenseits der Kilometermarke und dazu auch bei Nebel und nachts erfassen zu können.

Dies verfolgt die Geosat GmbH mit Sitz in Mülheim an der Ruhr als Witurbisa-Partner mit Firmen aus Dänemark und Schweden. Kameras mit Rundumblick erfassen Vögel, senden die Aufnahmen an einen Zentralrechner, Algorithmen gleichen die zu 3D-Bildern zusammengesetzten Daten wie in einem neuronalen Netzwerk auf Übereinstimmung mit sensiblen Vogelarten ab und bremsen im gegebenen Fall eine Windturbine. Das ist kostspielig, geht in die Hunderttausende und bietet sich eher in großen Maßstäben an, auch bei Offshore-Windparks. Für sensible Vogelschutzgebiete in der Fläche sieht Geosat-Geschäftsführer Olaf Ludwig dagegen „die Herausforderung, mit einfacheren und wenigen Hundert Euro teuren Kamerasensoren hochqualitative Ergebnisse zu erzeugen“.

Genau das wollen die Entwickler von „BirdVision“ und „DTBird“ schaffen. Das spanische Produkt DT Bird ist bereits im niederländischen Bürgerwindpark Krammer (Zeeland) an sieben von 34 Enercon-Anlagen mit jeweils acht Kameras im Einsatz. Windparkbetreiber Gijs van Hout betont, es habe unter den zu schützenden Seeadlern seit dem Parkstart im Mai 2019 keine Schlagopfer gegeben. Die Verluste durch das zeitweise Abschalten hätten sich auf 7.500 Euro im Monat halbiert. Das lasse sich weiter reduzieren, so van Hout, wenn die Erkennungsrate noch besser werde.

„Unser Baby ist inzwischen zu einem Jugendlichen herangewachsen, erwachsen wird es im Jahr 2022“, sagt Markus Pubantz über Bird Vision, deren Marktreife er also im übernächsten Jahr erwartet. Pubantz ist Mitgeschäftsführer des 21 Anlagen umfassenden Bürgerwindparks Hohenlohe im Nordosten Baden-Württembergs. Der Ursprung des Detektionssystems reicht ins Jahr 2016 zurück, als der Windpark startete. Zum Schutz von Rotmilanen hatten die Behörden erhebliche Betriebsbeschränkungen angeordnet, die zwei Turbinen für fünf und sieben Monate außer Betrieb setzte. „Damals hätte ich gern ein Kamerasystem gekauft, um das Flugverhalten der Vögel genauer einschätzen zu können“, erzählt Pubantz. Es gab keins. „Aus Schmerz über die vielen Betriebsstopps haben wir uns zu einer Eigenentwicklung entschlossen.“

 Bird Vision basiert auf Stereokameras. Ihr räumliches Sehen ermöglicht Aussagen über die Entfernung eines Flugobjekts und − mithilfe künstlicher Intelligenz in Sekundenschnelle − über die nahende Vogelart. „Es ist technisch eine Herausforderung, Insekten und Flugzeuge herauszufiltern“, erklärt Pubantz. Wenn das System Käfer mit Rotmilanen gleichsetzt, kommt es viel zu häufig zu unnötigen Abschaltungen. „Für eine bessere Erkennung testen wir höher auflösende Kameras und optimieren das neuronale Netzwerk“, so Pubantz über den Entwicklungsstand von Bird Vision.

Dass Vogelerkennungssysteme Sinn ergeben, ist für Lackmann von Westfalenwind keine Frage. Er verweist auf „gigantische Einschränkungen“ für die Windturbinen, die etwa wegen brütender Rotmilane von März bis Oktober tagsüber komplett abgeschaltet werden müssen. „Wenn es für ganze Projekte um die Existenzfrage geht oder sie gar nicht erst beantragt werden, können sich im Zweifel sogar 500.000 Euro teure Systeme noch rechnen“, sagt Lackmann.

Ab wann rechnet sich die Investition in ein Kamerasystem?

Sein Unternehmen setzt allerdings auf eine Variante des etablierten französischen Systems „SafeWind“, das bei vier Kameras je Turm nur etwa 30.000 Euro kostet. Es soll helfen, das pauschale Abschalten von Windturbinen zu verhindern, etwa während Landwirte Wiesen mähen. Für Rotmilane sind diese Tage ein Freudenfest, weil sie dann auf den Feldern leichter an ihre Beute kommen. Statt die Anlage drei Tage lang auf null zu setzen, würde das System die Rotoren nur bei Bedarf drosseln. „Spätestens nach drei Jahren hat sich die Investition rentiert“, sagt Lackmann optimistisch. Welche Ertragsausfälle bei welcher Flugaktivität in etwa zu erwarten sind, lässt das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende aktuell in einer Studie prüfen.

Die von Gutachtern begleiteten Tests haben Westfalenwind dazu bewogen, die Ergebnisse mit Fachbehörden zu teilen, etwa mit dem NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), dem Kreis Paderborn und auch dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der artenschutzrechtliche Bedenken gegen Windenergieanlagen auch in Klagen vor Gericht vorbringt. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, betont Lackmann, „und bereits Unterlagen für die Zulassung von Safe Wind bei den Behörden eingereicht.“

Die spannende Frage dabei wird sein, welche Anforderungen die Fachbehörden an die Detektionssysteme stellen. Das KNE empfiehlt, dass Systeme einen Wirkungsgrad von etwa 80 % erreichen − über eine Kamerareichweite von mindestens 500 Metern und eine hohe Erkennungsrate. Allein das in den USA entwickelte und auf Rotmilane und Seeadler trainierte „IdentiFlight“-System kommt dem aktuell nahe. Für sechs Standorte in Deutschland bereitet die Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH (Arsu), die vom deutschen Identi-Flight-Partner Erneuerbare Energien Europa e3 GmbH beauftragt ist, aktuell die Abschlussgutachten vor.

Es sei derzeit das erste System, so Arsu-Geschäftsführer Marc Reichenbach, das Rotmilane bereits in 750 und Seeadler in 1.000 Metern Entfernung bei über 90 % Detektionsrate erkennt. Dafür sorgt ein Set von sechs Weitwinkelkameras und einer beweglichen Stereokamera in Kombination mit leistungsstarker Software. „Wer einen Windpark ansonsten gar nicht genehmigt bekommt oder lange pauschale Abschaltzeiten in Kauf nehmen muss, hat mit Identi Flight Chancen auf einen wirtschaftlichen Betrieb“, sagt Reichenbach. Bei einer Windturbine auf der Schwäbischen Alb habe sich die Wirksamkeit besonders deutlich gezeigt: Die Kameradaten zeigten eine große Übereinstimmung mit Daten, die der Sender eines telemetrierten Rotmilans über dessen Flugverhalten funkte.

Ganz gleich, ob einfache Systeme für 30.000 Euro oder ob bis zu 200.000 Euro teure zum Einsatz kommen, besteht bei allen Entwicklern Hoffnung auf die ersten Genehmigungen für Vogelerkennungssysteme in Windparks. Reichenbach: „Das wäre ein echter Gewinn für den Vogelschutz und die Windkraftbranche.“

Dienstag, 15.12.2020, 09:30 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Windkraft Onshore - Vogelschutz per Kamera
Bild: Jonas Rosenberger
Windkraft Onshore
Vogelschutz per Kamera
Um die Konflikte der Windenergie mit dem Artenschutz zu entspannen, entwickelt eine Reihe von Anbietern Vogeldetektionssysteme. Ein erster Überblick.
Herbstzeit ist Windvogel-Zeit. Auch auf der Paderborner Hochebene. Das Exemplar, das Johannes Lackmann von der Westfalen Wind GmbH auf Wunsch steigen lässt, hebt sich allerdings von herkömmlichen Plastikmodellen ab. Es ist eine Version aus Metall vom lautmalerischen Hersteller Robird − nicht vom Wind getrieben, sondern ferngesteuert.

Mit halb eleganten Flügelschlägen geht die Drohne, in Größe und Aussehen einem Wanderfalken nachempfunden, auf Kollisionskurs mit einer der Enercon-Turbinen im Windpark Hassel im ostwestfälischen Lichtenau. Noch sind es etwa 300 Meter. Alle Augen richten sich auf die Rotoren. Werden sie zur Gefahr für das künstliche Tier? Oder erkennen die am Turm montierten Kameras Vögel dieser Größenordnung verlässlich und bremsen die Windkraftwerke rechtzeitig ab?

Von der Antwort auf diese Fragen − im Drohnentest stoppte die Windturbine übrigens − hängen indirekt viele Windenergieprojekte ab. Und zwar jene, die auf Flächen in Betrieb sind beziehungsweise geplant oder erneuert werden, wo gleichzeitig besonders schützenswerte Vogelarten heimisch sind. „Das ist bundesweit zunehmend die Regel“, sagt Elke Bruns vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE), „konfliktarme Standorte sind weitgehend ausgeschöpft.“ Allein der Rotmilan, schätzt der langjährige Windkraftmanager Lackmann, stehe derzeit Windparks mit einer Leistung von „vielen Hundert Megawatt“ im Wege.

Um zu einem möglichen Miteinander von Windparks und Rotmilanen, Seeadlern oder Schwarzstörchen zu kommen, ist es nach Einschätzung von KNE-Fachfrau Bruns unverzichtbar, „auch technische Potenziale zum Schutz der Vögel auszuloten“. Das KNE prüft derzeit verschiedene sogenannte Detektionssysteme. „Wenn alles klappt, können wir den Genehmigungsbehörden Ende des Jahres eine erste Empfehlung aussprechen“, so Bruns.

Diese Systeme heißen unter anderen „DTBird“, „IdentiFlight“, „BirdVision“ oder „SafeWind“. Mit ihnen lässt sich die Umgebung von Windparks durch unterschiedlich leistungsfähige (und teure) Kameras beobachten. Die aufgenommenen Bilder werden zu Daten, die mithilfe künstlicher Rechnerintelligenz mit digitalen Vögelbibliotheken abgeglichen werden. Ein Abschaltautomatismus lässt die Windturbinen idealerweise binnen 30 Sekunden austrudeln, sobald ein gefährdeter Vogel erkannt worden ist.

Dirk Sudhaus von der Fachagentur Windenergie an Land sieht darin einen guten Weg, „um die Vereinbarkeit von Windenergieausbau und Artenschutz zu verbessern“. Die Vogelschutzeinrichtungen seien allerdings „kein Allheilmittel“, sondern im Genehmigungsverfahren ein letztes denkbares Instrument. Sudhaus hält wenig davon, sie zum Standardbauteil einer jeden Windturbine zu machen. Die Standorte seien einfach zu verschieden.

Digitale Bildbibliotheken für den Vogelschutz

Mittlerweile erprobt eine Reihe von Anbietern eigene Detektionssysteme. Im internationalen Eurostars-Projekt „Witurbisa“ (Wind Turbine Bird Strike Avoidance System) vereinen sich großer technischer Aufwand und etliche EU-Fördergelder. Es ist einer der wenigen Ansätze, Radartechnik und Kameralösungen zu kombinieren. Radarmessungen haben den Vorteil, Flugbewegungen in einem Bereich jenseits der Kilometermarke und dazu auch bei Nebel und nachts erfassen zu können.

Dies verfolgt die Geosat GmbH mit Sitz in Mülheim an der Ruhr als Witurbisa-Partner mit Firmen aus Dänemark und Schweden. Kameras mit Rundumblick erfassen Vögel, senden die Aufnahmen an einen Zentralrechner, Algorithmen gleichen die zu 3D-Bildern zusammengesetzten Daten wie in einem neuronalen Netzwerk auf Übereinstimmung mit sensiblen Vogelarten ab und bremsen im gegebenen Fall eine Windturbine. Das ist kostspielig, geht in die Hunderttausende und bietet sich eher in großen Maßstäben an, auch bei Offshore-Windparks. Für sensible Vogelschutzgebiete in der Fläche sieht Geosat-Geschäftsführer Olaf Ludwig dagegen „die Herausforderung, mit einfacheren und wenigen Hundert Euro teuren Kamerasensoren hochqualitative Ergebnisse zu erzeugen“.

Genau das wollen die Entwickler von „BirdVision“ und „DTBird“ schaffen. Das spanische Produkt DT Bird ist bereits im niederländischen Bürgerwindpark Krammer (Zeeland) an sieben von 34 Enercon-Anlagen mit jeweils acht Kameras im Einsatz. Windparkbetreiber Gijs van Hout betont, es habe unter den zu schützenden Seeadlern seit dem Parkstart im Mai 2019 keine Schlagopfer gegeben. Die Verluste durch das zeitweise Abschalten hätten sich auf 7.500 Euro im Monat halbiert. Das lasse sich weiter reduzieren, so van Hout, wenn die Erkennungsrate noch besser werde.

„Unser Baby ist inzwischen zu einem Jugendlichen herangewachsen, erwachsen wird es im Jahr 2022“, sagt Markus Pubantz über Bird Vision, deren Marktreife er also im übernächsten Jahr erwartet. Pubantz ist Mitgeschäftsführer des 21 Anlagen umfassenden Bürgerwindparks Hohenlohe im Nordosten Baden-Württembergs. Der Ursprung des Detektionssystems reicht ins Jahr 2016 zurück, als der Windpark startete. Zum Schutz von Rotmilanen hatten die Behörden erhebliche Betriebsbeschränkungen angeordnet, die zwei Turbinen für fünf und sieben Monate außer Betrieb setzte. „Damals hätte ich gern ein Kamerasystem gekauft, um das Flugverhalten der Vögel genauer einschätzen zu können“, erzählt Pubantz. Es gab keins. „Aus Schmerz über die vielen Betriebsstopps haben wir uns zu einer Eigenentwicklung entschlossen.“

 Bird Vision basiert auf Stereokameras. Ihr räumliches Sehen ermöglicht Aussagen über die Entfernung eines Flugobjekts und − mithilfe künstlicher Intelligenz in Sekundenschnelle − über die nahende Vogelart. „Es ist technisch eine Herausforderung, Insekten und Flugzeuge herauszufiltern“, erklärt Pubantz. Wenn das System Käfer mit Rotmilanen gleichsetzt, kommt es viel zu häufig zu unnötigen Abschaltungen. „Für eine bessere Erkennung testen wir höher auflösende Kameras und optimieren das neuronale Netzwerk“, so Pubantz über den Entwicklungsstand von Bird Vision.

Dass Vogelerkennungssysteme Sinn ergeben, ist für Lackmann von Westfalenwind keine Frage. Er verweist auf „gigantische Einschränkungen“ für die Windturbinen, die etwa wegen brütender Rotmilane von März bis Oktober tagsüber komplett abgeschaltet werden müssen. „Wenn es für ganze Projekte um die Existenzfrage geht oder sie gar nicht erst beantragt werden, können sich im Zweifel sogar 500.000 Euro teure Systeme noch rechnen“, sagt Lackmann.

Ab wann rechnet sich die Investition in ein Kamerasystem?

Sein Unternehmen setzt allerdings auf eine Variante des etablierten französischen Systems „SafeWind“, das bei vier Kameras je Turm nur etwa 30.000 Euro kostet. Es soll helfen, das pauschale Abschalten von Windturbinen zu verhindern, etwa während Landwirte Wiesen mähen. Für Rotmilane sind diese Tage ein Freudenfest, weil sie dann auf den Feldern leichter an ihre Beute kommen. Statt die Anlage drei Tage lang auf null zu setzen, würde das System die Rotoren nur bei Bedarf drosseln. „Spätestens nach drei Jahren hat sich die Investition rentiert“, sagt Lackmann optimistisch. Welche Ertragsausfälle bei welcher Flugaktivität in etwa zu erwarten sind, lässt das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende aktuell in einer Studie prüfen.

Die von Gutachtern begleiteten Tests haben Westfalenwind dazu bewogen, die Ergebnisse mit Fachbehörden zu teilen, etwa mit dem NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), dem Kreis Paderborn und auch dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der artenschutzrechtliche Bedenken gegen Windenergieanlagen auch in Klagen vor Gericht vorbringt. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, betont Lackmann, „und bereits Unterlagen für die Zulassung von Safe Wind bei den Behörden eingereicht.“

Die spannende Frage dabei wird sein, welche Anforderungen die Fachbehörden an die Detektionssysteme stellen. Das KNE empfiehlt, dass Systeme einen Wirkungsgrad von etwa 80 % erreichen − über eine Kamerareichweite von mindestens 500 Metern und eine hohe Erkennungsrate. Allein das in den USA entwickelte und auf Rotmilane und Seeadler trainierte „IdentiFlight“-System kommt dem aktuell nahe. Für sechs Standorte in Deutschland bereitet die Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH (Arsu), die vom deutschen Identi-Flight-Partner Erneuerbare Energien Europa e3 GmbH beauftragt ist, aktuell die Abschlussgutachten vor.

Es sei derzeit das erste System, so Arsu-Geschäftsführer Marc Reichenbach, das Rotmilane bereits in 750 und Seeadler in 1.000 Metern Entfernung bei über 90 % Detektionsrate erkennt. Dafür sorgt ein Set von sechs Weitwinkelkameras und einer beweglichen Stereokamera in Kombination mit leistungsstarker Software. „Wer einen Windpark ansonsten gar nicht genehmigt bekommt oder lange pauschale Abschaltzeiten in Kauf nehmen muss, hat mit Identi Flight Chancen auf einen wirtschaftlichen Betrieb“, sagt Reichenbach. Bei einer Windturbine auf der Schwäbischen Alb habe sich die Wirksamkeit besonders deutlich gezeigt: Die Kameradaten zeigten eine große Übereinstimmung mit Daten, die der Sender eines telemetrierten Rotmilans über dessen Flugverhalten funkte.

Ganz gleich, ob einfache Systeme für 30.000 Euro oder ob bis zu 200.000 Euro teure zum Einsatz kommen, besteht bei allen Entwicklern Hoffnung auf die ersten Genehmigungen für Vogelerkennungssysteme in Windparks. Reichenbach: „Das wäre ein echter Gewinn für den Vogelschutz und die Windkraftbranche.“

Dienstag, 15.12.2020, 09:30 Uhr
Volker Stephan

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