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Die Energiewirtschaft setzt große Hoffnungen in das Submetering. Noch stehen allerdings nicht alle Rahmenbedingungen dafür fest.
Der 1. Januar 2021 markiert ein wichtiges Datum für die Energiewirtschaft. Laut § 6 Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) kann seitdem der Anschlussnehmer, also der Immobilieneigentümer und nicht wie bisher ausschließlich der Anschlussnutzer, einen Messstellenbetreiber (MSB) auswählen. Voraussetzung ist, dass der MSB „verbindlich anbietet“, alle Zählpunkte der Liegenschaft für Strom mit intelligenten Messsystemen auszustatten und daneben mindestens eine zusätzliche Sparte, entweder Gas, Fernwärme oder Heizwärme, über das Smart Meter Gateway zu bündeln − ohne Mehrkosten im Vergleich zum bisherigen Messstellenbetrieb für den Anschlussnutzer.
Marcus Hörhammer geht davon aus, dass die Messstellenbetreiber auf dieser Grundlage verstärkt Bündelangebote platzieren werden. „Die Mehrspartenauslesung spielt unserer Meinung nach eine Schlüsselrolle im intelligenten Messwesen“, sagt der Bereichsleiter Produktentwicklung und Vertrieb beim Metering-Dienstleister Voltaris. Das Unternehmen testet derzeit in Pilotprojekten die Übertragung von Daten aus Submeter-Systemen über den CLS-Kanal des Gateways an nachgelagerte Systeme. Der Ansatz sei ganzheitlich und vereine Mehrspartenauslesung, Submetering und Mehrwertdienste, so Hörhammer.
„Es geht zunächst einmal um die klassische Heizkostenabrechnung“ Markus Klüh Zu denen, die zuversichtlich sind, als wettbewerblicher Messstellenbetreiber vom Submetering zu profitieren, gehört Discovergy. „Grundsätzlich begrüßen wir den nun auch faktischen Start des Liegenschaftsmodells sehr“, sagt dessen Geschäftsführer Nikolaus Starzacher. Denn damit werde Smart Metering beziehungsweise der Rollout intelligenter Messsysteme wieder ein Stück attraktiver. Liegenschaften könnten nun leichter und kosteneffizienter durch Bündelangebote erschlossen werden. Mit einem eigenen multispartenfähigen Gateway hat Discovergy laut Starzacher im vergangenen Jahr schon eine Reihe von Submetering-Projekten mit Strom- und Gaszählern in Wohnungen durchgeführt, die nicht vom Pflichteinbau intelligenter Messsysteme betroffen sind. Mit der BSI-Zertifizierung des Gateways, mit der ebenfalls Pflichteinbaufälle umgesetzt werden können, rechnet Starzacher noch im ersten Halbjahr 2021.
Nach Hörhammers Überzeugung wird das Submetering auch für Stadtwerke zu einem essenziellen neuen Geschäftsfeld, etwa durch die Fernauslesung und Abrechnung von Heizkosten in größeren Immobilien. „Als Dienstleistung für die Wohnungswirtschaft ist dies hochinteressant“, so der Bereichsleiter bei Voltaris, die eine Anwendergemeinschaft zum intelligenten Messwesen initiiert hat, die mittlerweile rund 60 Unternehmen umfasst.
Die „smartSTADTwerke“ entwickeln gerade gemeinsam mit der mittelhessischen Ovag und den Stadtwerken Gießen einen Ansatz, wie man das Geschäftsfeld Submetering bei einem kommunalen Versorger ausprägen kann. „Es geht zunächst einmal um die klassische Heizkostenabrechnung“, sagt Markus Klüh. „Wenn das Modell dafür steht, können die anderen Partner im Netzwerk der hessischen Stadtwerkekooperation von den gewonnenen Erkenntnissen profitieren und es ebenfalls ihren Kunden anbieten“, so der Geschäftsführer der Smartstadtwerke. Auf jeden Fall sei es ein Zukunftsthema − vor allem für Stadtwerke in urbanen Gegenden. „Aber auch Energieversorger in ländlichen Bereichen beschäftigen sich mit Submetering und sehen Potenzial“, sagt Klüh.
Wer die Diskussionen der letzten Monate über das Smart Metering verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, für die Energiewirtschaft brechen mit Jahresbeginn goldene Zeiten an. Man muss es aber wohl doch etwas nüchterner betrachten. „Sowohl bei den Energieversorgern als auch in der Wohnungswirtschaft gibt es eine gewisse Erwartungshaltung“, beschreibt Maximilian Joßbächer die Situation. Der Markt eröffne nun auf beiden Seiten neue Chancen, so der Projektleiter der „Plattform Wohnungswirtschaft“ bei „smartOPTIMO“. Das von den Stadtwerken Osnabrück und Münster gegründete Unternehmen bietet einem Netzwerk von mittlerweile mehr als 70 kommunalen Energieversorgern Dienstleistungen wie Zählerfernauslesung oder Smart-Meter-Gateway-Administration an und unterstützt sie unter anderem beim Einstieg ins Geschäftsfeld Submetering.
Novellierung der Heizkostenverordnung steht noch aus Dass nun mit dem 1. Januar ein regelrechter Ruck durch den Markt gegangen sei, kann Joßbächer nicht bestätigen. Vielmehr setze sich ein bereits begonnener Prozess fort, der sich noch über Monate entwickeln werde. Es geht zunächst darum, alle Sparten inklusive des Submeterings über das Smart Meter Gateway auszulesen. Im nächsten Schritt werden weitere Anwendungen folgen.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass sowohl die technischen als auch die rechtlichen Grundlagen für das Submetering noch nicht ganz stabil sind. Während die Sparte Gas seit jeher eine energiewirtschaftliche Königsdisziplin ist, sind die Rahmenbedingungen für den Wärmesektor noch nicht festgezurrt.
Zum einen steht noch eine Novellierung der Heizkostenverordnung aus, um endlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Sie soll dabei gleichzeitig – so erwarten es die Energieversorger – klarstellen, ob, wann und wie künftig vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierte Smart Meter Gateways bei der Wärmedatenauslesung zum Einsatz kommen müssen. Denn das Messstellenbetriebsgesetz bezieht sich derzeit nur auf die Sparten Strom und Gas. Vor etwa einem Jahr war aus der Behörde zu hören, dass voraussichtlich im November 2020 die Regelungen vorliegen werden. Die Branche wartet immer noch.
Interoperabilität im intelligenten Messwesen noch keineswegs Realität Zum anderen sind die energiewirtschaftlichen ERP-Systeme, die heutzutage bei Stadtwerken zum Einsatz kommen, in der Regel noch nicht in der Lage, eine Heizkostenabrechnung abzubilden. „Denn es geht dabei ja nicht um eine direkte Zuordnung von Messwerten mit Preisen zu Kunden, sondern um eine Verteilrechnung“, erklärt Joßbächer. Deshalb seien zusätzliche IT-Lösungen notwendig. Smartoptimo hat daher die Softwareanbieter KUGU Home und Varys mit ins Boot geholt. Die im Dezember 2020 angekündigte Kooperation hat zum Ziel, sowohl eine modulare Wertschöpfungskette im Submetering inklusive Effizienzdienstleistungen als auch ein vollständiges White-Label-Produkt zur Heizkostenabrechnung anbieten zu können. „Es ist unser Ziel, die Einstiegshürden in das für Stadtwerke neue Geschäftsfeld so gering wie möglich zu halten und die laufenden Kosten durch Skaleneffekte deutlich zu senken“, sagt Joßbächer.
Und eine weitere IT-Hürde gilt es zu überwinden. „Wenn man heute Heizkostenverteiler eines bestimmten Herstellers über ein Smart Meter Gateway ausliest, braucht man noch ein System desselben Herstellers, um die Daten auch aufnehmen und weiterleiten zu können“, sagt Joßbächer. Die viel beschworene Interoperabilität im intelligenten Messwesen sei an dieser Stelle noch keineswegs uneingeschränkte Realität. Außerdem seien längst nicht alle installierten Heizkostenverteiler elektronisch auslesbar, auch wenn sich das jetzt nach und nach ändere.
Start ins Submetering bisher noch ohne Smart Meter Gateway möglich Grundsätzlich ist der Start ins Submetering, wenn man sich nicht auf § 6 MsbG berufen möchte, allerdings auch ohne BSI-zertifizierte Hardware bisher möglich. „Man kann die Heizkostenabrechnung erst einmal ohne Smart Meter Gateways angehen“, betont Markus Klüh. Und selbst wenn intelligente Messsysteme verbaut seien, könne man die Daten von Heizkostenverteilern, Wärmezählern oder Wohnungswasserzählern zum Beispiel über ein Lorawan-System einsammeln und zur Weiterverarbeitung verwenden. Eine ganze Reihe von Stadtwerken habe eine entsprechende Infrastruktur schon aufgebaut und könne sie nun nutzen. Letztlich werde der Messstellenbetreiber sehen, welche Option für ihn am günstigsten sei.
Ende des dritten Quartals wollen die Smartstadtwerke gemeinsam mit den Stadtwerken Gießen und der Ovag in Testliegenschaften die Heizkostenabrechnung starten.
E&M
Starke Konkurrenz
Beim Submetering stehen die Energieversorger im Wettbewerb zu den traditionellen Dienstleistern der Wohnungswirtschaft. So hat beispielsweise Techem im November 2020 bekannt gegeben, ins Messstellengeschäft einzusteigen und mit Bündelangeboten, die Submetering, Strom und Gas umfassen, an den Markt zu gehen. Von „zusätzlichen smarten und ganzheitlichen Komplettlösungen für die Immobilienbranche“ ist in einer Mitteilung des Dienstleisters die Rede. Die spartenübergreifende Verbrauchserfassung sei ein zentraler Baustein der Energiewende, um den CO2-Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren, sagte CEO Matthias Hartmann. Dafür nutze das Unternehmen die Kombination aus eigener digitaler Messinfrastruktur für Submetering und intelligenten Messsystemen mit Smart Meter Gateways. Als Verantwortlichen für das neue Geschäftsfeld präsentierte Hartmann den früheren Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking.
Die Zenner-Gruppe ist schon länger im Submetering aktiv. Der Spezialist für Verbrauchserfassung und das Internet der Dinge hat Projekte unter anderem mit der Stromnetz Hamburg GmbH umgesetzt.
Montag, 15.02.2021, 10:07 Uhr
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