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Energie & Management > Klimaschutz - Ungleiche Energiewende in Europa
Quelle: Pixabay / Silvia
Klimaschutz

Ungleiche Energiewende in Europa

Die europäische Energiewende soll mit Subventionen in Milliardenhöhe beschleunigt werden – nicht alle EU-Staaten können das bezahlen.
In Brüssel macht man sich zunehmend Sorgen, dass finanzstarke Länder wie Deutschland ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen und damit den europäischen Binnenmarkt beschädigen. Dort sollen alle Unternehmen die gleichen Chancen haben. Hinzu kommt, dass die USA ein umfangreiches Subventionsprogramm zur Förderung klimafreundlicher Technologien (Inflation Reduction Act − IRA) aufgelegt haben. Europäische Unternehmen drohen gegenüber ihren amerikanischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt in Hintertreffen zu geraten.

Die Union stehe vor einer dreifachen Herausforderung, heißt es in einem Brief, den Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Mitte Januar an die EU-Mitgliedsstaaten verschickt hat: "Wir müssen die Energiewende beschleunigen. Wir müssen Wettbewerbshindernisse im Binnenmarkt beseitigen. Und wir müssen die Mitgliedsstaaten in die Lage versetzen, ihre Unternehmen schnell und gezielt zu unterstützen." Ein "Subventionswettlauf" innerhalb der EU oder mit den USA müsse dabei tunlichst vermieden werden, heißt es darin.

In den vergangenen drei Jahren hat es insgesamt nicht an dieser Unterstützung gefehlt. Zur Bewältigung der Corona-Krise hatte die Kommission ihre Beihilfen-Regeln gelockert und den Mitgliedsstaaten gestattet, viele Milliarden Subventionen an ihre Unternehmen auszuschütten. Ein großer Teil der Gelder wird inzwischen für emissionsarme Technologien, die Elektromobilität oder die Digitalisierung bereitgestellt. Allerdings nicht gleichmäßig. Von den 672 Milliarden Euro Beihilfen, die Brüssel in den letzten drei Jahren genehmigt hat (hinzu kommen kleinere Beträge, die die Mitgliedsstaaten ohne Genehmigung vergeben dürfen), entfallen mehr als die Hälfte alleine auf Deutschland und fast ein Viertel auf Frankreich. Die anderen 25 EU-Staaten teilen sich weniger als ein Viertel des europäischen Subventionskuchens.

Vorläufiger Krisen- und Transitions-Rahmen geplant

Um die in Gang gekommene Subventionsorgie in geordnete Bahnen zu lenken, will die Wettbewerbskommissarin in den kommenden Wochen einen "vorläufigen Krisen- und Transitions-Rahmen" für Beihilfen vorlegen. Die Mitgliedsstaaten sollen ihr mitteilen, wie ein solcher Rechtsrahmen aussehen soll. Damit davon alle Gebrauch machen könnten, müsse das Programm "REPowerEU" erweitert und verlängert werden, heißt es in dem Schreiben.

Die Finanzierung könnte durch einen neuen "kollektiven europäischen Fonds" erfolgen − mit anderen Worten: durch neue Schulden der EU. Als erster hat der französische Finanzminister Bruno Le Maire das Angebot der Kommission aufgegriffen. Frankreich setze sich für eine starke, europäische Industriepolitik ein, sagte Le Maire am Rande der Eurogruppe in Brüssel. Gebraucht werde eine durchgreifende Vereinfachung sowohl der Regeln für nationale Beihilfen als auch für die Genehmigung von Projekten im europäischen Interesse (sogenannte IPCEI, die auch aus dem EU-Haushalt gefördert werden). Sie müssten schneller bewilligt und auch für kleinere Unternehmen zugänglich sein.

Schlüsselsektoren wie die Herstellung von Wasserstoff oder Batterien, Solarzellen oder Halbleiter müssten "massiv" unterstützt werden – durch direkte Zuschüssen und Steuervergünstigungen. Es gebe ein gemeinsames europäisches Interesse, die grüne Industrie "zu schützen und voranzubringen". Bereits im Dezember waren Le Maire und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übereingekommen, sich dafür einzusetzen, dass europäische Unternehmen so stark gefördert werden können wie ihre amerikanischen Konkurrenten.

Zum Vorstoß der Wettbewerbskommissarin hüllt man sich in Berlin allerdings bislang in Schweigen. Finanzminister Christian Lindner ließ sich in der Eurogruppe und im Rat der Finanzminister von seinem Staatssekretär vertreten. Anderen Ländern in der EU geht es weniger um die Konkurrenz mit Amerika als in der EU. Die italienische Regierung, die wenig finanziellen Spielraum hat, spricht sich deswegen gegen eine Lockerung der Beihilfe-Regeln aus.

Auch in Madrid gibt es Zweifel: "Wir müssen den Binnenmarkt erhalten und vermeiden, dass die reicheren Länder die Energiewende vorantreiben können", sagte die spanische Finanzministerin, Nadia Calvino, in Brüssel. Es reiche nicht, dass Deutschland seine Industrie transformieren könne. Alle Länder der EU müssten in der Lage sein, den Übergang zu einer grünen Industrieproduktion zu finanzieren. In Madrid setzt man dabei auf eine andere Strategie: Besser als teure Entlastungspakete sei es, für niedrige Energiepreise zu sorgen. Angesichts der aktuellen, geopolitischen Lage müssten die EU und die USA zusammenarbeiten und sich nicht in einen Subventionswettlauf ziehen lassen.

Dienstag, 17.01.2023, 16:50 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Ungleiche Energiewende in Europa
Quelle: Pixabay / Silvia
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Ungleiche Energiewende in Europa
Die europäische Energiewende soll mit Subventionen in Milliardenhöhe beschleunigt werden – nicht alle EU-Staaten können das bezahlen.
In Brüssel macht man sich zunehmend Sorgen, dass finanzstarke Länder wie Deutschland ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen und damit den europäischen Binnenmarkt beschädigen. Dort sollen alle Unternehmen die gleichen Chancen haben. Hinzu kommt, dass die USA ein umfangreiches Subventionsprogramm zur Förderung klimafreundlicher Technologien (Inflation Reduction Act − IRA) aufgelegt haben. Europäische Unternehmen drohen gegenüber ihren amerikanischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt in Hintertreffen zu geraten.

Die Union stehe vor einer dreifachen Herausforderung, heißt es in einem Brief, den Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Mitte Januar an die EU-Mitgliedsstaaten verschickt hat: "Wir müssen die Energiewende beschleunigen. Wir müssen Wettbewerbshindernisse im Binnenmarkt beseitigen. Und wir müssen die Mitgliedsstaaten in die Lage versetzen, ihre Unternehmen schnell und gezielt zu unterstützen." Ein "Subventionswettlauf" innerhalb der EU oder mit den USA müsse dabei tunlichst vermieden werden, heißt es darin.

In den vergangenen drei Jahren hat es insgesamt nicht an dieser Unterstützung gefehlt. Zur Bewältigung der Corona-Krise hatte die Kommission ihre Beihilfen-Regeln gelockert und den Mitgliedsstaaten gestattet, viele Milliarden Subventionen an ihre Unternehmen auszuschütten. Ein großer Teil der Gelder wird inzwischen für emissionsarme Technologien, die Elektromobilität oder die Digitalisierung bereitgestellt. Allerdings nicht gleichmäßig. Von den 672 Milliarden Euro Beihilfen, die Brüssel in den letzten drei Jahren genehmigt hat (hinzu kommen kleinere Beträge, die die Mitgliedsstaaten ohne Genehmigung vergeben dürfen), entfallen mehr als die Hälfte alleine auf Deutschland und fast ein Viertel auf Frankreich. Die anderen 25 EU-Staaten teilen sich weniger als ein Viertel des europäischen Subventionskuchens.

Vorläufiger Krisen- und Transitions-Rahmen geplant

Um die in Gang gekommene Subventionsorgie in geordnete Bahnen zu lenken, will die Wettbewerbskommissarin in den kommenden Wochen einen "vorläufigen Krisen- und Transitions-Rahmen" für Beihilfen vorlegen. Die Mitgliedsstaaten sollen ihr mitteilen, wie ein solcher Rechtsrahmen aussehen soll. Damit davon alle Gebrauch machen könnten, müsse das Programm "REPowerEU" erweitert und verlängert werden, heißt es in dem Schreiben.

Die Finanzierung könnte durch einen neuen "kollektiven europäischen Fonds" erfolgen − mit anderen Worten: durch neue Schulden der EU. Als erster hat der französische Finanzminister Bruno Le Maire das Angebot der Kommission aufgegriffen. Frankreich setze sich für eine starke, europäische Industriepolitik ein, sagte Le Maire am Rande der Eurogruppe in Brüssel. Gebraucht werde eine durchgreifende Vereinfachung sowohl der Regeln für nationale Beihilfen als auch für die Genehmigung von Projekten im europäischen Interesse (sogenannte IPCEI, die auch aus dem EU-Haushalt gefördert werden). Sie müssten schneller bewilligt und auch für kleinere Unternehmen zugänglich sein.

Schlüsselsektoren wie die Herstellung von Wasserstoff oder Batterien, Solarzellen oder Halbleiter müssten "massiv" unterstützt werden – durch direkte Zuschüssen und Steuervergünstigungen. Es gebe ein gemeinsames europäisches Interesse, die grüne Industrie "zu schützen und voranzubringen". Bereits im Dezember waren Le Maire und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übereingekommen, sich dafür einzusetzen, dass europäische Unternehmen so stark gefördert werden können wie ihre amerikanischen Konkurrenten.

Zum Vorstoß der Wettbewerbskommissarin hüllt man sich in Berlin allerdings bislang in Schweigen. Finanzminister Christian Lindner ließ sich in der Eurogruppe und im Rat der Finanzminister von seinem Staatssekretär vertreten. Anderen Ländern in der EU geht es weniger um die Konkurrenz mit Amerika als in der EU. Die italienische Regierung, die wenig finanziellen Spielraum hat, spricht sich deswegen gegen eine Lockerung der Beihilfe-Regeln aus.

Auch in Madrid gibt es Zweifel: "Wir müssen den Binnenmarkt erhalten und vermeiden, dass die reicheren Länder die Energiewende vorantreiben können", sagte die spanische Finanzministerin, Nadia Calvino, in Brüssel. Es reiche nicht, dass Deutschland seine Industrie transformieren könne. Alle Länder der EU müssten in der Lage sein, den Übergang zu einer grünen Industrieproduktion zu finanzieren. In Madrid setzt man dabei auf eine andere Strategie: Besser als teure Entlastungspakete sei es, für niedrige Energiepreise zu sorgen. Angesichts der aktuellen, geopolitischen Lage müssten die EU und die USA zusammenarbeiten und sich nicht in einen Subventionswettlauf ziehen lassen.

Dienstag, 17.01.2023, 16:50 Uhr
Tom Weingärtner

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