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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Regulierungs-Neuland
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Regulierungs-Neuland

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes verleiht der Bundesnetzagentur mehr Kompetenzen. Droht eine unkontrollierte Superbehörde?
 
Am 10. November hat der Bundestag das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) novelliert. Darin sind einige Vorgaben der Europäischen Union umgesetzt, derentwegen sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergangen war. Dieser hatte mehr Unabhängigkeit für die Bundesnetzagentur gefordert. Das war allerdings schon 2021 und wurde von der damals regierenden großen Koalition aus CDU/CSU und SPD nicht mehr umgesetzt.

Der EuGH hatte geurteilt, dass die deutschen Strom- und Gasnetzzugangsverordnungen und die Netzentgeltverordnungen die Agentur in beiden Regulierungsfeldern in europarechtswidriger Weise einengen. Mit der jetzigen Gesetzesänderung entfallen bei Netzentgelt und Netzzugang in Zukunft verordnungsrechtliche Vorgaben. Die Bundesnetzagentur muss den Regulierungsrahmen hierfür künftig selbst festlegen.
 
Die Bundesnetzagentur mit Hauptsitz in Bonn bekommt mehr Befugnisse
Quelle: Bundesnetzagentur

Wer aber kontrolliert nun den Rahmen der Behörde? Man habe mit Blick auf die Bundesnetzagentur politische Leitlinien festgelegt, zu denen unter anderen das Ziel der Klimaneutralität gehöre, die Verteilung der Kosten, die Digitalisierung und ausgeweitete Berichtspflichten, also mehr Transparenz, erläuterte die Ampelkoalition.

Die Sprecherin der AG Klimaschutz und Energie der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, sieht die politischen Vorgaben für die Regulierung jetzt eindeutig auf europäischer Ebene verankert. „Dabei gehe ich davon aus, dass die Leitung der Bundesnetzagentur sich auch künftig für den Willen des Gesetzgebers interessieren wird“, so Nestle gegenüber E&M.

Kontrolle finde über den Beirat der Behörde statt, dessen stellvertretende Vorsitzende sie ist. Je 16 Bundes- und Landespolitikerinnen und -politiker stünden in diesem Gremium in einem „sehr konstruktiver Austausch“, beschrieb Nestle.

Überdies seien sämtliche Festlegungen wie bisher mit umfangreichen Konsultationsprozessen verbunden, sodass „auch die breitere Fachöffentlichkeit einen guten Einblick in die Arbeit der Agentur erhalte und fachliche Expertise einspeisen“ könne. Berichtspflichtig bleibe die Behörde ohnehin gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium und den Bundestagsausschüssen.

Darüber hinausgehende Kontrollmechanismen halte sie nicht für notwendig, auch weil sie zwangsläufig mit einem unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand einhergehen würden. „Eine Regulierungsbehörde, die nicht mehr kurzfristig auf Änderungen im Stromsystem oder am Strommarkt reagieren kann, wäre wenig hilfreich“, sagte Nestle.

Entscheidungen sollen abgewogen und gerichtlich überprüfbar sein

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist damit nicht ganz zufrieden. Ausgehend von den steigenden Kompetenzen bei der Regulierungsbehörde als Teil der Exekutive hält der Verband „zwingend auch eine Neuordnung der ‚Checks and Balances‘ in der regulatorischen Gesamtordnung“ für notwendig. Zudem hätten ihre Entscheidungen über den Netzzugang auch Grundrechtsrelevanz. Darum müsse das Verwaltungshandeln der Behörde mit rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen flankiert werden, fordert der BDEW.

„Aufgrund der erheblich steigenden Verantwortung der Regulierungsbehörde und den konkreten Folgen für die Netzbetreiber sind Regelungen zu treffen, die sicherstellen, dass die Entscheidungen abgewogen getroffen und gerichtlich voll überprüfbar sind“, fordert der Verband. Das könnten robuste Begründungspflichten, Berichtspflichten und Überprüfungsmöglichkeiten für das Zustandekommen von Behördenentscheidungen sein.

„Die Entscheidungen der BNetzA müssen transparent nachvollziehbar sein und der demokratischen Kontrolle unterliegen“, fordert der Energieverband. Die Agentur solle bei der Methodenwahl und -anwendung an den „Stand der Wissenschaft“ gebunden sein und Entscheidungen begründen müssen. Zugleich wünscht sich der BDEW eine Stärkung des Beirats der Behörde oder sogar die Gründung eines Beirats speziell für Energiefragen. Im Sinne des gemeinsamen Ziels, für die Energiewende die Netze aus- und umzubauen, bräuchten die Betreiber eine verlässliche investitions- und rechtssichere Ausgestaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen.

In diesem Jahr habe die Zusammenarbeit bereits gut funktioniert, lobt der Verband zugleich. So sei die Konsultation zur netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach Paragraf 14a EnWG sehr gut gelaufen. Ausführliche Diskussionen der Beschlusskammern mit den Praktikern und die Einbeziehung der verschiedenen Sichtweisen und Bedarfe sollten eine gut umsetzbare gesetzliche Regelung schaffen.

„Die Branche macht sich bereits Sorgen“

Das sieht der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) nicht ganz so optimistisch. Die Agentur setze künftig als Aufsichtsbehörde ihre eigenen Regeln durch und sei zugleich Adressatin für die gerichtliche Anfechtung dieser Regeln. Daher müssten Unternehmen womöglich taktisch abwägen, ob sie Entscheidungen anfechten, auf die Gefahr hin, sich eventuell in anderen Angelegenheiten gute Gesprächskanäle in die Behörde zu verbauen.

„Die Branche macht sich bereits Sorgen, dass das Festlegungsverfahren bei der BNetzA ein behördliches und kein demokratisches Verfahren ist“, so ein BEE-Sprecher. Betroffene Bürger oder Unternehmen könnten erst nachträglich die Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen, was langwierig und teuer sei. „Der Wegfall der parlamentarischen Kontrolle verträgt sich nicht mit gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren behördlichen Entscheidungsbefugnissen“, so der BEE.

Hier müsse dringend nachgebessert werden. „Es ist sonst zu viel Macht in zu wenigen Händen“, befürchtet der BEE-Sprecher. Der Beirat könne sich zwar berichten lassen, habe aber keine Mitwirkungskompetenz an Regeln der Bundesnetzagentur.

Vor diesem Hintergrund schlägt der Verband vor, den Wirkungsbereich der Clearingstelle EEG/KWKG (Erneuerbare-Energien-Gesetz und Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) zu erweitern. Diese sei als erfahrene, branchenweit anerkannte Institution zu vergrößern und könnte zu einer „Clearingstelle Netze“ werden, so der BEE. Sie könnte bei themenbezogenen Detailfragen, die sich aus den Verordnungen und Regelwerken der Behörde ergeben, als neutrale Anlaufstelle für alle Marktakteure agieren.

Der Präsident der Bundesnetzagentur hat unterdessen schon eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel erneuerbarer Energie angekündigt. Gerade Verbraucher in Regionen mit viel Strom aus Wind und Sonne zahlen derzeit tendenziell höhere Netzentgelte als in Regionen mit vorwiegend fossilen Kraftwerken.

„Noch in diesem Jahr“ kündigte Klaus Müller einen Vorschlag zur Reform der Netzentgelte an. Damit sollen Netzbetreiber entlastet werden, die ihre Netze verstärkt für erneuerbare Anlagen ausbauen. Eine deutschlandweite Vereinheitlichung strebe er nicht an. Die Neuregelung könne nach Einschätzung seiner Behörde frühestens am 1. Januar 2025 in Kraft treten, so Müller.

Montag, 4.12.2023, 08:48 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Regulierungs-Neuland
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Regulierungs-Neuland
Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes verleiht der Bundesnetzagentur mehr Kompetenzen. Droht eine unkontrollierte Superbehörde?
 
Am 10. November hat der Bundestag das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) novelliert. Darin sind einige Vorgaben der Europäischen Union umgesetzt, derentwegen sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergangen war. Dieser hatte mehr Unabhängigkeit für die Bundesnetzagentur gefordert. Das war allerdings schon 2021 und wurde von der damals regierenden großen Koalition aus CDU/CSU und SPD nicht mehr umgesetzt.

Der EuGH hatte geurteilt, dass die deutschen Strom- und Gasnetzzugangsverordnungen und die Netzentgeltverordnungen die Agentur in beiden Regulierungsfeldern in europarechtswidriger Weise einengen. Mit der jetzigen Gesetzesänderung entfallen bei Netzentgelt und Netzzugang in Zukunft verordnungsrechtliche Vorgaben. Die Bundesnetzagentur muss den Regulierungsrahmen hierfür künftig selbst festlegen.
 
Die Bundesnetzagentur mit Hauptsitz in Bonn bekommt mehr Befugnisse
Quelle: Bundesnetzagentur

Wer aber kontrolliert nun den Rahmen der Behörde? Man habe mit Blick auf die Bundesnetzagentur politische Leitlinien festgelegt, zu denen unter anderen das Ziel der Klimaneutralität gehöre, die Verteilung der Kosten, die Digitalisierung und ausgeweitete Berichtspflichten, also mehr Transparenz, erläuterte die Ampelkoalition.

Die Sprecherin der AG Klimaschutz und Energie der Grünen im Bundestag, Ingrid Nestle, sieht die politischen Vorgaben für die Regulierung jetzt eindeutig auf europäischer Ebene verankert. „Dabei gehe ich davon aus, dass die Leitung der Bundesnetzagentur sich auch künftig für den Willen des Gesetzgebers interessieren wird“, so Nestle gegenüber E&M.

Kontrolle finde über den Beirat der Behörde statt, dessen stellvertretende Vorsitzende sie ist. Je 16 Bundes- und Landespolitikerinnen und -politiker stünden in diesem Gremium in einem „sehr konstruktiver Austausch“, beschrieb Nestle.

Überdies seien sämtliche Festlegungen wie bisher mit umfangreichen Konsultationsprozessen verbunden, sodass „auch die breitere Fachöffentlichkeit einen guten Einblick in die Arbeit der Agentur erhalte und fachliche Expertise einspeisen“ könne. Berichtspflichtig bleibe die Behörde ohnehin gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium und den Bundestagsausschüssen.

Darüber hinausgehende Kontrollmechanismen halte sie nicht für notwendig, auch weil sie zwangsläufig mit einem unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand einhergehen würden. „Eine Regulierungsbehörde, die nicht mehr kurzfristig auf Änderungen im Stromsystem oder am Strommarkt reagieren kann, wäre wenig hilfreich“, sagte Nestle.

Entscheidungen sollen abgewogen und gerichtlich überprüfbar sein

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist damit nicht ganz zufrieden. Ausgehend von den steigenden Kompetenzen bei der Regulierungsbehörde als Teil der Exekutive hält der Verband „zwingend auch eine Neuordnung der ‚Checks and Balances‘ in der regulatorischen Gesamtordnung“ für notwendig. Zudem hätten ihre Entscheidungen über den Netzzugang auch Grundrechtsrelevanz. Darum müsse das Verwaltungshandeln der Behörde mit rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen flankiert werden, fordert der BDEW.

„Aufgrund der erheblich steigenden Verantwortung der Regulierungsbehörde und den konkreten Folgen für die Netzbetreiber sind Regelungen zu treffen, die sicherstellen, dass die Entscheidungen abgewogen getroffen und gerichtlich voll überprüfbar sind“, fordert der Verband. Das könnten robuste Begründungspflichten, Berichtspflichten und Überprüfungsmöglichkeiten für das Zustandekommen von Behördenentscheidungen sein.

„Die Entscheidungen der BNetzA müssen transparent nachvollziehbar sein und der demokratischen Kontrolle unterliegen“, fordert der Energieverband. Die Agentur solle bei der Methodenwahl und -anwendung an den „Stand der Wissenschaft“ gebunden sein und Entscheidungen begründen müssen. Zugleich wünscht sich der BDEW eine Stärkung des Beirats der Behörde oder sogar die Gründung eines Beirats speziell für Energiefragen. Im Sinne des gemeinsamen Ziels, für die Energiewende die Netze aus- und umzubauen, bräuchten die Betreiber eine verlässliche investitions- und rechtssichere Ausgestaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen.

In diesem Jahr habe die Zusammenarbeit bereits gut funktioniert, lobt der Verband zugleich. So sei die Konsultation zur netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach Paragraf 14a EnWG sehr gut gelaufen. Ausführliche Diskussionen der Beschlusskammern mit den Praktikern und die Einbeziehung der verschiedenen Sichtweisen und Bedarfe sollten eine gut umsetzbare gesetzliche Regelung schaffen.

„Die Branche macht sich bereits Sorgen“

Das sieht der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) nicht ganz so optimistisch. Die Agentur setze künftig als Aufsichtsbehörde ihre eigenen Regeln durch und sei zugleich Adressatin für die gerichtliche Anfechtung dieser Regeln. Daher müssten Unternehmen womöglich taktisch abwägen, ob sie Entscheidungen anfechten, auf die Gefahr hin, sich eventuell in anderen Angelegenheiten gute Gesprächskanäle in die Behörde zu verbauen.

„Die Branche macht sich bereits Sorgen, dass das Festlegungsverfahren bei der BNetzA ein behördliches und kein demokratisches Verfahren ist“, so ein BEE-Sprecher. Betroffene Bürger oder Unternehmen könnten erst nachträglich die Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen, was langwierig und teuer sei. „Der Wegfall der parlamentarischen Kontrolle verträgt sich nicht mit gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren behördlichen Entscheidungsbefugnissen“, so der BEE.

Hier müsse dringend nachgebessert werden. „Es ist sonst zu viel Macht in zu wenigen Händen“, befürchtet der BEE-Sprecher. Der Beirat könne sich zwar berichten lassen, habe aber keine Mitwirkungskompetenz an Regeln der Bundesnetzagentur.

Vor diesem Hintergrund schlägt der Verband vor, den Wirkungsbereich der Clearingstelle EEG/KWKG (Erneuerbare-Energien-Gesetz und Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) zu erweitern. Diese sei als erfahrene, branchenweit anerkannte Institution zu vergrößern und könnte zu einer „Clearingstelle Netze“ werden, so der BEE. Sie könnte bei themenbezogenen Detailfragen, die sich aus den Verordnungen und Regelwerken der Behörde ergeben, als neutrale Anlaufstelle für alle Marktakteure agieren.

Der Präsident der Bundesnetzagentur hat unterdessen schon eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel erneuerbarer Energie angekündigt. Gerade Verbraucher in Regionen mit viel Strom aus Wind und Sonne zahlen derzeit tendenziell höhere Netzentgelte als in Regionen mit vorwiegend fossilen Kraftwerken.

„Noch in diesem Jahr“ kündigte Klaus Müller einen Vorschlag zur Reform der Netzentgelte an. Damit sollen Netzbetreiber entlastet werden, die ihre Netze verstärkt für erneuerbare Anlagen ausbauen. Eine deutschlandweite Vereinheitlichung strebe er nicht an. Die Neuregelung könne nach Einschätzung seiner Behörde frühestens am 1. Januar 2025 in Kraft treten, so Müller.

Montag, 4.12.2023, 08:48 Uhr
Susanne Harmsen

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