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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Paragraf 14a EnWG: Schalten und walten im Verteilnetz
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Paragraf 14a EnWG: Schalten und walten im Verteilnetz

Die Bundesnetzagentur hat Eckpunkte zur Ausgestaltung des § 14a EnWG vorgelegt. Diese haben Lob und Kritik, aber auch rechtliche Bedenken hervorgerufen.
Mit den Änderungen am Energiewirtschaftsgesetz vom Juli vergangenen Jahres hat der Gesetzgeber der Bundesnetzagentur die Festlegungskompetenz für die genaue Ausgestaltung der Steuerfunktion von Verbrauchsanlagen übertragen. Vor diesem Hintergrund hat die Behörde im November 2022 Eckpunkte für die Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen ins Stromnetz auf der Niederspannungsebene vorgelegt. Bis zum 27. Januar dauerte die Konsultationsphase für das neunseitige Papier. Dort heißt es: „Die Beschlusskammern 6 und 8 eröffnen mit dem vorliegenden gemeinsamen Eckpunktepapier zwei Festlegungsverfahren zur Ausgestaltung der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.“

Gerade der Hinweis, dass sich die Überlegungen der Bundesnetzagentur nicht nur auf die Steuerung einzelner Anlagen richten, sondern auch auf den Netzanschluss, fällt in der öffentlichen Diskussion häufig unter den Tisch. Dabei soll der Letztverbraucher − vor Inbetriebnahme einer Anlage − die Wahl haben, wo der Steuerbefehl des Verteilnetzbetreibers ansetzt, ob an der Anlage oder am Netzanschluss. Bei Letzterem muss der Kunde dann beispielsweise mithilfe eines Energiemanagementsystems dafür Sorge tragen, dass eine vom Netzbetreiber vorgegebene Leistungsgrenze insgesamt nicht überschritten wird. Hier setzt bereits eine Reihe von Pilotprojekten an, die beispielsweise ein dynamisches Lademanagement im Zusammenspiel mit Photovoltaikanlage und Heimspeicher zur Optimierung des Netzanschlusses testen, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden und letztlich auch den Bedarf an Netzausbaumaßnahmen zu minimieren.
 
Übergangsregelung bis Ende 2028
 
Die Regelungen zur Steuerung auf Grundlage des § 14a sollen sich dem Eckpunktepapier zufolge auf alle Betreiber von nichtöffentlich zugänglichen Ladepunkten für E-Fahrzeuge, von Wärmepumpen, von Anlagen zur Erzeugung von Kälte sowie von Stromspeichern erstrecken, sofern der maximale Leistungsbezug über 3,7 kW liegt, die Anlage an das Niederspannungsnetz angeschlossen ist und die Inbetriebnahme am 1. Januar 2024 oder danach erfolgt.

Für alle Anlagen, die vor diesem Datum in Betrieb gegangen sind und für die bereits eine Vereinbarung zur Steuerung besteht, soll diese weiter gelten − allerdings befristet bis zum 31. Dezember 2028. Bis dahin würde dem Netzbetreiber die Befugnis zum statischen Steuern zugestanden. Das heißt, Steuervorgänge dürfen auch auf Basis rechnerisch ermittelter Ergebnisse nach Zeitschema, Anzahl und Dauer präventiv festgelegt werden. Soweit die Regelungen des Übergangsmodells. Ab dem 1. Januar 2029 wäre dann nur noch ein dynamisches Steuern entsprechend dem Zielmodell zulässig, das durch die konkrete Auslastung eines Leitungsstrangs oder eines Trafos ausgelöst wird und nur für die Dauer der Gefahrenabwehr anhalten darf.

Wie die Bundesregierung auf Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende Januar betonte, ist die Leistungsreduzierung im Zielmodell wirklich nur als Ultima Ratio anzusehen. „Sie setzt eine konkrete und akute Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des lokalen Netzes voraus, welche der Bundesnetzagentur auf Verlangen nachzuweisen ist“, heißt es im Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), das die Antwort verfasst hat. Allerdings räumen die Beamten des BMWK auch ein, dass zwar einer Datenerhebung der Bundesnetzagentur zufolge 51 von 57 Verteilnetzbetreibern in der Lage sind, Betriebsmittel in der Hochspannung zentral zu schalten. In der Niederspannung sei derzeit jedoch keiner der abgefragten Verteilnetzbetreiber in der Lage, Netze dynamisch im Sinne des Eckpunktepapiers der Bundesnetzagentur zu steuern.
 
Abregelung auf „0“ nur m Ausnahmefall
 
Eine komplette Abregelung soll es dem Eckpunktepapier zufolge nicht geben. Auch im Falle der maximalen Herunterregelung werde dem Netzanschluss ein Leistungsbezug in Höhe von 5 kW zugestanden. Bei Zugriff auf eine einzelne Anlage soll dieser mindestens ein Wirkleistungsbezug von 3,7 kW ermöglicht werden. Sofern eine Reduzierung auf diesen Wert technisch nicht möglich ist, könne aber auch die Abregelung auf „0“ erfolgen. Eine Befreiung von der Teilnahmepflicht ist jedenfalls nicht vorgesehen.

Aber inwieweit könnte der Teilnahmezwang steuerbarer Verbraucher im Rahmen des § 14a EnWG überhaupt zulässig beziehungsweise inwieweit könnte er rechtswidrig sein? Dieser Frage geht Sebastian Schnurre, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Assmann Peiffer, in einem „Kurzvermerk“ nach. Am Ende kommt er zu dem Ergebnis, eine Ausgestaltung des § 14a EnWG, die einen pauschalen Teilnahmezwang von nichtöffentlichen Ladepunkten, Wärmepumpen, Kälteerzeugungsanlagen und Stromspeichern vorsieht, „dürfte gegen geltendes Recht verstoßen“.

„Erst wenn der Festlegungsvorschlag auf dem Tisch liegt, kann man die rechtliche Grundlage für die Steuerung von Verbrauchern und Netzanschlüssen wirklich beurteilen“, sagt Schnurre im Gespräch mit E&M. Doch der Rechtsanwalt lässt durchblicken, dass bestimmte Ausführungen im Eckpunktepapier ein juristisches „Störgefühl“ auslösen.

Für juristisch problematisch hält er insbesondere die Fokussierung der Zwangsteilnahme auf bestimmte Verbrauchsgruppen. Diese stehe im Widerspruch zu dem sich sowohl aus nationalem als auch europäischem Recht ergebenden Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Kunde mit einer Wallbox Einschränkungen seiner Netznutzung hinnehmen muss, während ein Kunde, der zu einem späteren Zeitpunkt Netzzugang begehrt und zum Beispiel eine Sauna einbaut, im gleichen Zeitraum das Netz ohne jede Restriktion frei nutzen darf“, heißt es in dem achtseitigen Papier des Juristen. Eine solche Eingriffstiefe müsse sehr sorgsam austariert werden, betont Schnurre.

Außerdem weist er darauf hin, dass an zahlreichen Stellen der Strombinnenmarktverordnung der Grundsatz „Markt vor Zwang“ abzulesen ist. Die von der Bundesnetzagentur vorgeschlagene Ausgestaltung des § 14a EnWG mit den vorgesehenen Zwangsmaßnahmen sei offensichtlich kein marktlicher, sondern ein ausschließlich ordnungspolitischer Ansatz. Doch selbst bei Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage sei nicht ausgeschlossen, dass ein Ermessensfehler der Behörde vorliegt. Und fraglich sei ebenfalls, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
 
Grundsatz „Markt vor Zwang“
 
„Ein legitimer Zweck dürfte vorliegen“, heißt es im Gutachten. Es seien allerdings Zweifel angebracht, ob eine Zwangsteilnahme der vorgesehenen Verbrauchseinrichtungen wirklich erforderlich ist oder ob nicht gleich wirksame Mittel verfügbar sind, die die Verbraucher weniger belasten. In Betracht kommen hier Flexibilitätsdienstleistungen, auf die in § 14c Abs. 1 Satz 1 EnWG Bezug genommen wird. Dabei geht es um die marktgestützte Beschaffung von Flexibilitäten und damit um Maßnahmen auf freiwilliger Basis.

Für die Umsetzung des § 14c, der auf der Strombinnenmarktrichtlinie von 2019 basiert, ist allerdings eine Spezifikation der Bundesnetzagentur notwendig. Solange die Bundesnetzagentur diese jedoch noch nicht erarbeitet hat − unabhängig, wie dies aus EU-rechtlicher Sicht zu bewerten ist −, greift eine Übergangsregelung, die die Pflicht der Verteilnetzbetreiber zur marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen zunächst einmal aussetzt. Dennoch könnte eine Zwangsverpflichtung rechtswidrig sein, weil § 14a gegenüber § 14c nur dann Vorrang hat, „soweit die dort besonders geregelten Maßnahmen oder Dienstleistungen nach den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/944 unter den Begriff der Flexibilitätsdienstleistungen zu fassen wären“, wie es in der Begründung er EnWG-Novelle heißt. Offenkundig seien im Eckpunktepapier jedoch Zwangsmaßnahmen auf Grundlage des § 14a beschrieben, so Schnurre.

Ob die marktliche Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen nach der Spezifikation der Bundesnetzagentur wirklich effizient zum Ziel führen würde, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation. Schließlich könnte doch eine Zwangsverpflichtung steuerbarer Verbraucher mangels funktionierender Alternativen notwendig sein. „Aber diese Frage lässt sich erst evaluieren, wenn die Bundesnetzagentur ein solches marktgestütztes Verfahren tatsächlich umgesetzt hat“, sagt der Jurist.

Schließlich zieht Schnurre die Verhältnismäßigkeit der Teilnahmepflicht in Zweifel. So komme ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsfreiheit der Letztverbraucher in Betracht. Aus Sicht der Anbieter von Wallboxen, Wärmepumpen und Speichern sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit und das Recht am eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb zu prüfen. Denn durch eine zwangsweise eingeschränkte Nutzung der Geräte und Anlagen wirke die Bundesnetzagentur hoheitlich auf die Marktstellung der betroffenen Unternehmen ein.

Zweifelsfrei bestehe ein „überragendes öffentliches Interesse“ an der Versorgungssicherheit. Mit den Übergangsregelungen bis Ende 2028 mit statischer Steuerung in festen Zeitfenstern werde jedoch „kein nennenswerter Beitrag“ zur Verbesserung der Sicherheit der Stromnetze geleistet. Und bis zur Umsetzung des Zielmodells 2029 mit einer dynamischen Steuerung wäre es für die Bundesnetzagentur „ohne Weiteres möglich“, die Flexibilitätsbeschaffung nach § 14c EnWG zu erproben und dann rechtzeitig zu entscheiden, ob dadurch Zwangsmaßnahmen verzichtbar sind.

„Da Netzbetreiber und Bundesnetzagentur zur Ausgestaltung des Flexibilitätsmechanismus verpflichtet sind, drängt sich diese Vorgehensweise geradezu auf“, heißt es weiter. Vieles spreche dafür, dass ein zwangsweiser 14a-Mechanismus grundsätzlich unangemessen sein dürfte, solange noch keine Umsetzung von § 14c erfolgt sei. Deshalb sei zu empfehlen, den 14a-Mechanismus auf freiwilliger Basis auszugestalten, so die Schlussfolgerung des Juristen.
Ob es in absehbarer Zeit eine Spezifikation für die Umsetzung des § 14c geben wird, ist fraglich, denn die Bundesnetzagentur sieht aktuell hierfür keine Notwendigkeit. In den Stellungnahmen, die im Rahmen der ersten Konsultationsphase eingegangen sind, spielt allerdings der § 14c EnWG eine wesentliche Rolle.

Neben grundsätzlichem Lob, die Eckpunkte seien eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den unangekündigten Markteingriffen, die das Bundeswirtschaftsministerium vor gut zwei Jahren vorgeschlagen hatte, kommt vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) auch Kritik. Dessen Geschäftsführer Robert Busch bemängelt, die Steuerung greife erst ein, wenn ein Problem bereits vorhanden ist. Ein marktlicher Ansatz könne hier Abhilfe schaffen. „Das BNetzA-Konzept lässt grundsätzlich Raum für marktliche Flexibilitätsangebote, zeigt aber keine Möglichkeit zur Umsetzung solcher Angebote nach § 14c EnWG auf und fordert sie auch nicht ein“, heißt es in der Stellungnahme. Dementsprechend fordert Busch: „Kein Paragraf 14a ohne 14c.“
 
Festlegungsentwürfe sollen Mitte des Jahres vorliegen
 
Der BDEW weist ebenfalls auf die Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur im Rahmen des § 14c hin. Und auch beim Smart-Grid-Dienstleister Grid X, dessen Lastmanagementsystem bei allen Eon-Ladestationen zum Einsatz kommt, hält man es für viel wichtiger, die Flexibilitätspotenziale von Anlagen zu heben, statt direkt steuernd einzugreifen. Willi Appler, der bei der Eon-Tochtergesellschaft für die Bereiche Business Development und Regulatory Affairs verantwortlich ist, begrüßt die Regelung, dass Kunden künftig einen Anspruch auf sofortigen Netzanschluss einer steuerbaren Verbrauchsanlage geltend machen können. Es sei auch folgerichtig, dass die Netzbetreiber im Gegenzug die Anlagen im Notfall steuern dürfen. Dass eine tatsächliche Steuerung dann auch umgehend stattfindet, hält Appler aber für eher unwahrscheinlich. Die dafür nötigen technischen Grundlagen seien derzeit noch nicht einmal konzeptionell durchdacht.

„Jetzt ist es an der Regulierungsbehörde, den viel wichtigeren Schritt zu gehen und auch Eckpunkte zum Paragraf 14c des EnWG vorzulegen, damit die Flexibilität dieser Anlagen wirklich durch Netzbetreiber genutzt werden kann“, mahnt Appler.
Insgesamt sind im Rahmen der ersten Konsultation 29 Stellungnahmen bei der Bundesnetzagentur eingegangen. Auf dieser Grundlage werde die Behörde nun Festlegungsentwürfe erstellen und Mitte 2023 konsultieren, wie ein Sprecher auf Anfrage von E&M mitteilte. Bis Jahresende sollen dann die Verfahren abgeschlossen sein, so der Zeitplan der Bundesnetzagentur.
 

Engpassmanagement mit oder ohne § 14c

In absehbarer Zeit wird es wohl keine Spezifikation der Bundesnetzagentur zu § 14c geben. Vonseiten der Behörde heißt es dazu auf Anfrage von E&M: „Für die Erarbeitung und Genehmigung von Spezifikation nach § 14c Energiewirtschaftsgesetz gibt es keine zeitliche Frist. Eine Festlegung nach § 14c Energiewirtschaftsgesetz ist derzeit nicht in Planung. Der Bundesnetzagentur liegen keine Hinweise auf konkrete Flexibilitätsdienstleistungen im Anwendungsbereich des § 14c Energiewirtschaftsgesetz vor, für deren Beschaffung die verbindliche Vorgabe von einheitlichen Spezifikationen geeignet und effizient sein könnte. Flexibilitätsdienstleistungen im Bereich des Engpassmanagements kommen dafür nicht in Betracht, da der § 14c Energiewirtschaftsgesetz die Beschaffung und den Einsatz von Maßnahmen im Bereich Engpassmanagement nicht umfasst.“

Nach Auffassung von Sebastian Schnurre, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Assmann Peiffer, ist vor allem diese letzte Aussage jedoch rechtlich nicht zutreffend. Denn § 14c EnWG enthalte folgende Gesetzesbegründung: „Die Vorschrift setzt Artikel 32 Absatz 1 und 2 der Richlinie (EU) 2019/944 um“ (BT-Drs.19/27453, S. 100). Und der Wortlaut von Artikel 32 Absatz 1 RL EU 2019/944 schließe ausdrücklich das Engpassmanagement mit ein: „Die Mitgliedstaaten schaffen den erforderlichen Regelungsrahmen, durch den die Verteilernetzbetreiber in die Lage versetzt werden und Anreize erhalten, Flexibilitätsleistungen einschließlich Engpassmanagement in ihrem Bereich zu beschaffen, um die Effizienz bei Betrieb und Ausbau des Verteilernetzes zu verbessern.“
 

Donnerstag, 2.03.2023, 09:30 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Paragraf 14a EnWG: Schalten und walten im Verteilnetz
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Paragraf 14a EnWG: Schalten und walten im Verteilnetz
Die Bundesnetzagentur hat Eckpunkte zur Ausgestaltung des § 14a EnWG vorgelegt. Diese haben Lob und Kritik, aber auch rechtliche Bedenken hervorgerufen.
Mit den Änderungen am Energiewirtschaftsgesetz vom Juli vergangenen Jahres hat der Gesetzgeber der Bundesnetzagentur die Festlegungskompetenz für die genaue Ausgestaltung der Steuerfunktion von Verbrauchsanlagen übertragen. Vor diesem Hintergrund hat die Behörde im November 2022 Eckpunkte für die Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen ins Stromnetz auf der Niederspannungsebene vorgelegt. Bis zum 27. Januar dauerte die Konsultationsphase für das neunseitige Papier. Dort heißt es: „Die Beschlusskammern 6 und 8 eröffnen mit dem vorliegenden gemeinsamen Eckpunktepapier zwei Festlegungsverfahren zur Ausgestaltung der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.“

Gerade der Hinweis, dass sich die Überlegungen der Bundesnetzagentur nicht nur auf die Steuerung einzelner Anlagen richten, sondern auch auf den Netzanschluss, fällt in der öffentlichen Diskussion häufig unter den Tisch. Dabei soll der Letztverbraucher − vor Inbetriebnahme einer Anlage − die Wahl haben, wo der Steuerbefehl des Verteilnetzbetreibers ansetzt, ob an der Anlage oder am Netzanschluss. Bei Letzterem muss der Kunde dann beispielsweise mithilfe eines Energiemanagementsystems dafür Sorge tragen, dass eine vom Netzbetreiber vorgegebene Leistungsgrenze insgesamt nicht überschritten wird. Hier setzt bereits eine Reihe von Pilotprojekten an, die beispielsweise ein dynamisches Lademanagement im Zusammenspiel mit Photovoltaikanlage und Heimspeicher zur Optimierung des Netzanschlusses testen, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden und letztlich auch den Bedarf an Netzausbaumaßnahmen zu minimieren.
 
Übergangsregelung bis Ende 2028
 
Die Regelungen zur Steuerung auf Grundlage des § 14a sollen sich dem Eckpunktepapier zufolge auf alle Betreiber von nichtöffentlich zugänglichen Ladepunkten für E-Fahrzeuge, von Wärmepumpen, von Anlagen zur Erzeugung von Kälte sowie von Stromspeichern erstrecken, sofern der maximale Leistungsbezug über 3,7 kW liegt, die Anlage an das Niederspannungsnetz angeschlossen ist und die Inbetriebnahme am 1. Januar 2024 oder danach erfolgt.

Für alle Anlagen, die vor diesem Datum in Betrieb gegangen sind und für die bereits eine Vereinbarung zur Steuerung besteht, soll diese weiter gelten − allerdings befristet bis zum 31. Dezember 2028. Bis dahin würde dem Netzbetreiber die Befugnis zum statischen Steuern zugestanden. Das heißt, Steuervorgänge dürfen auch auf Basis rechnerisch ermittelter Ergebnisse nach Zeitschema, Anzahl und Dauer präventiv festgelegt werden. Soweit die Regelungen des Übergangsmodells. Ab dem 1. Januar 2029 wäre dann nur noch ein dynamisches Steuern entsprechend dem Zielmodell zulässig, das durch die konkrete Auslastung eines Leitungsstrangs oder eines Trafos ausgelöst wird und nur für die Dauer der Gefahrenabwehr anhalten darf.

Wie die Bundesregierung auf Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende Januar betonte, ist die Leistungsreduzierung im Zielmodell wirklich nur als Ultima Ratio anzusehen. „Sie setzt eine konkrete und akute Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des lokalen Netzes voraus, welche der Bundesnetzagentur auf Verlangen nachzuweisen ist“, heißt es im Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), das die Antwort verfasst hat. Allerdings räumen die Beamten des BMWK auch ein, dass zwar einer Datenerhebung der Bundesnetzagentur zufolge 51 von 57 Verteilnetzbetreibern in der Lage sind, Betriebsmittel in der Hochspannung zentral zu schalten. In der Niederspannung sei derzeit jedoch keiner der abgefragten Verteilnetzbetreiber in der Lage, Netze dynamisch im Sinne des Eckpunktepapiers der Bundesnetzagentur zu steuern.
 
Abregelung auf „0“ nur m Ausnahmefall
 
Eine komplette Abregelung soll es dem Eckpunktepapier zufolge nicht geben. Auch im Falle der maximalen Herunterregelung werde dem Netzanschluss ein Leistungsbezug in Höhe von 5 kW zugestanden. Bei Zugriff auf eine einzelne Anlage soll dieser mindestens ein Wirkleistungsbezug von 3,7 kW ermöglicht werden. Sofern eine Reduzierung auf diesen Wert technisch nicht möglich ist, könne aber auch die Abregelung auf „0“ erfolgen. Eine Befreiung von der Teilnahmepflicht ist jedenfalls nicht vorgesehen.

Aber inwieweit könnte der Teilnahmezwang steuerbarer Verbraucher im Rahmen des § 14a EnWG überhaupt zulässig beziehungsweise inwieweit könnte er rechtswidrig sein? Dieser Frage geht Sebastian Schnurre, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Assmann Peiffer, in einem „Kurzvermerk“ nach. Am Ende kommt er zu dem Ergebnis, eine Ausgestaltung des § 14a EnWG, die einen pauschalen Teilnahmezwang von nichtöffentlichen Ladepunkten, Wärmepumpen, Kälteerzeugungsanlagen und Stromspeichern vorsieht, „dürfte gegen geltendes Recht verstoßen“.

„Erst wenn der Festlegungsvorschlag auf dem Tisch liegt, kann man die rechtliche Grundlage für die Steuerung von Verbrauchern und Netzanschlüssen wirklich beurteilen“, sagt Schnurre im Gespräch mit E&M. Doch der Rechtsanwalt lässt durchblicken, dass bestimmte Ausführungen im Eckpunktepapier ein juristisches „Störgefühl“ auslösen.

Für juristisch problematisch hält er insbesondere die Fokussierung der Zwangsteilnahme auf bestimmte Verbrauchsgruppen. Diese stehe im Widerspruch zu dem sich sowohl aus nationalem als auch europäischem Recht ergebenden Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Kunde mit einer Wallbox Einschränkungen seiner Netznutzung hinnehmen muss, während ein Kunde, der zu einem späteren Zeitpunkt Netzzugang begehrt und zum Beispiel eine Sauna einbaut, im gleichen Zeitraum das Netz ohne jede Restriktion frei nutzen darf“, heißt es in dem achtseitigen Papier des Juristen. Eine solche Eingriffstiefe müsse sehr sorgsam austariert werden, betont Schnurre.

Außerdem weist er darauf hin, dass an zahlreichen Stellen der Strombinnenmarktverordnung der Grundsatz „Markt vor Zwang“ abzulesen ist. Die von der Bundesnetzagentur vorgeschlagene Ausgestaltung des § 14a EnWG mit den vorgesehenen Zwangsmaßnahmen sei offensichtlich kein marktlicher, sondern ein ausschließlich ordnungspolitischer Ansatz. Doch selbst bei Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage sei nicht ausgeschlossen, dass ein Ermessensfehler der Behörde vorliegt. Und fraglich sei ebenfalls, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
 
Grundsatz „Markt vor Zwang“
 
„Ein legitimer Zweck dürfte vorliegen“, heißt es im Gutachten. Es seien allerdings Zweifel angebracht, ob eine Zwangsteilnahme der vorgesehenen Verbrauchseinrichtungen wirklich erforderlich ist oder ob nicht gleich wirksame Mittel verfügbar sind, die die Verbraucher weniger belasten. In Betracht kommen hier Flexibilitätsdienstleistungen, auf die in § 14c Abs. 1 Satz 1 EnWG Bezug genommen wird. Dabei geht es um die marktgestützte Beschaffung von Flexibilitäten und damit um Maßnahmen auf freiwilliger Basis.

Für die Umsetzung des § 14c, der auf der Strombinnenmarktrichtlinie von 2019 basiert, ist allerdings eine Spezifikation der Bundesnetzagentur notwendig. Solange die Bundesnetzagentur diese jedoch noch nicht erarbeitet hat − unabhängig, wie dies aus EU-rechtlicher Sicht zu bewerten ist −, greift eine Übergangsregelung, die die Pflicht der Verteilnetzbetreiber zur marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen zunächst einmal aussetzt. Dennoch könnte eine Zwangsverpflichtung rechtswidrig sein, weil § 14a gegenüber § 14c nur dann Vorrang hat, „soweit die dort besonders geregelten Maßnahmen oder Dienstleistungen nach den Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/944 unter den Begriff der Flexibilitätsdienstleistungen zu fassen wären“, wie es in der Begründung er EnWG-Novelle heißt. Offenkundig seien im Eckpunktepapier jedoch Zwangsmaßnahmen auf Grundlage des § 14a beschrieben, so Schnurre.

Ob die marktliche Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen nach der Spezifikation der Bundesnetzagentur wirklich effizient zum Ziel führen würde, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation. Schließlich könnte doch eine Zwangsverpflichtung steuerbarer Verbraucher mangels funktionierender Alternativen notwendig sein. „Aber diese Frage lässt sich erst evaluieren, wenn die Bundesnetzagentur ein solches marktgestütztes Verfahren tatsächlich umgesetzt hat“, sagt der Jurist.

Schließlich zieht Schnurre die Verhältnismäßigkeit der Teilnahmepflicht in Zweifel. So komme ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsfreiheit der Letztverbraucher in Betracht. Aus Sicht der Anbieter von Wallboxen, Wärmepumpen und Speichern sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit und das Recht am eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb zu prüfen. Denn durch eine zwangsweise eingeschränkte Nutzung der Geräte und Anlagen wirke die Bundesnetzagentur hoheitlich auf die Marktstellung der betroffenen Unternehmen ein.

Zweifelsfrei bestehe ein „überragendes öffentliches Interesse“ an der Versorgungssicherheit. Mit den Übergangsregelungen bis Ende 2028 mit statischer Steuerung in festen Zeitfenstern werde jedoch „kein nennenswerter Beitrag“ zur Verbesserung der Sicherheit der Stromnetze geleistet. Und bis zur Umsetzung des Zielmodells 2029 mit einer dynamischen Steuerung wäre es für die Bundesnetzagentur „ohne Weiteres möglich“, die Flexibilitätsbeschaffung nach § 14c EnWG zu erproben und dann rechtzeitig zu entscheiden, ob dadurch Zwangsmaßnahmen verzichtbar sind.

„Da Netzbetreiber und Bundesnetzagentur zur Ausgestaltung des Flexibilitätsmechanismus verpflichtet sind, drängt sich diese Vorgehensweise geradezu auf“, heißt es weiter. Vieles spreche dafür, dass ein zwangsweiser 14a-Mechanismus grundsätzlich unangemessen sein dürfte, solange noch keine Umsetzung von § 14c erfolgt sei. Deshalb sei zu empfehlen, den 14a-Mechanismus auf freiwilliger Basis auszugestalten, so die Schlussfolgerung des Juristen.
Ob es in absehbarer Zeit eine Spezifikation für die Umsetzung des § 14c geben wird, ist fraglich, denn die Bundesnetzagentur sieht aktuell hierfür keine Notwendigkeit. In den Stellungnahmen, die im Rahmen der ersten Konsultationsphase eingegangen sind, spielt allerdings der § 14c EnWG eine wesentliche Rolle.

Neben grundsätzlichem Lob, die Eckpunkte seien eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den unangekündigten Markteingriffen, die das Bundeswirtschaftsministerium vor gut zwei Jahren vorgeschlagen hatte, kommt vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) auch Kritik. Dessen Geschäftsführer Robert Busch bemängelt, die Steuerung greife erst ein, wenn ein Problem bereits vorhanden ist. Ein marktlicher Ansatz könne hier Abhilfe schaffen. „Das BNetzA-Konzept lässt grundsätzlich Raum für marktliche Flexibilitätsangebote, zeigt aber keine Möglichkeit zur Umsetzung solcher Angebote nach § 14c EnWG auf und fordert sie auch nicht ein“, heißt es in der Stellungnahme. Dementsprechend fordert Busch: „Kein Paragraf 14a ohne 14c.“
 
Festlegungsentwürfe sollen Mitte des Jahres vorliegen
 
Der BDEW weist ebenfalls auf die Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur im Rahmen des § 14c hin. Und auch beim Smart-Grid-Dienstleister Grid X, dessen Lastmanagementsystem bei allen Eon-Ladestationen zum Einsatz kommt, hält man es für viel wichtiger, die Flexibilitätspotenziale von Anlagen zu heben, statt direkt steuernd einzugreifen. Willi Appler, der bei der Eon-Tochtergesellschaft für die Bereiche Business Development und Regulatory Affairs verantwortlich ist, begrüßt die Regelung, dass Kunden künftig einen Anspruch auf sofortigen Netzanschluss einer steuerbaren Verbrauchsanlage geltend machen können. Es sei auch folgerichtig, dass die Netzbetreiber im Gegenzug die Anlagen im Notfall steuern dürfen. Dass eine tatsächliche Steuerung dann auch umgehend stattfindet, hält Appler aber für eher unwahrscheinlich. Die dafür nötigen technischen Grundlagen seien derzeit noch nicht einmal konzeptionell durchdacht.

„Jetzt ist es an der Regulierungsbehörde, den viel wichtigeren Schritt zu gehen und auch Eckpunkte zum Paragraf 14c des EnWG vorzulegen, damit die Flexibilität dieser Anlagen wirklich durch Netzbetreiber genutzt werden kann“, mahnt Appler.
Insgesamt sind im Rahmen der ersten Konsultation 29 Stellungnahmen bei der Bundesnetzagentur eingegangen. Auf dieser Grundlage werde die Behörde nun Festlegungsentwürfe erstellen und Mitte 2023 konsultieren, wie ein Sprecher auf Anfrage von E&M mitteilte. Bis Jahresende sollen dann die Verfahren abgeschlossen sein, so der Zeitplan der Bundesnetzagentur.
 

Engpassmanagement mit oder ohne § 14c

In absehbarer Zeit wird es wohl keine Spezifikation der Bundesnetzagentur zu § 14c geben. Vonseiten der Behörde heißt es dazu auf Anfrage von E&M: „Für die Erarbeitung und Genehmigung von Spezifikation nach § 14c Energiewirtschaftsgesetz gibt es keine zeitliche Frist. Eine Festlegung nach § 14c Energiewirtschaftsgesetz ist derzeit nicht in Planung. Der Bundesnetzagentur liegen keine Hinweise auf konkrete Flexibilitätsdienstleistungen im Anwendungsbereich des § 14c Energiewirtschaftsgesetz vor, für deren Beschaffung die verbindliche Vorgabe von einheitlichen Spezifikationen geeignet und effizient sein könnte. Flexibilitätsdienstleistungen im Bereich des Engpassmanagements kommen dafür nicht in Betracht, da der § 14c Energiewirtschaftsgesetz die Beschaffung und den Einsatz von Maßnahmen im Bereich Engpassmanagement nicht umfasst.“

Nach Auffassung von Sebastian Schnurre, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Assmann Peiffer, ist vor allem diese letzte Aussage jedoch rechtlich nicht zutreffend. Denn § 14c EnWG enthalte folgende Gesetzesbegründung: „Die Vorschrift setzt Artikel 32 Absatz 1 und 2 der Richlinie (EU) 2019/944 um“ (BT-Drs.19/27453, S. 100). Und der Wortlaut von Artikel 32 Absatz 1 RL EU 2019/944 schließe ausdrücklich das Engpassmanagement mit ein: „Die Mitgliedstaaten schaffen den erforderlichen Regelungsrahmen, durch den die Verteilernetzbetreiber in die Lage versetzt werden und Anreize erhalten, Flexibilitätsleistungen einschließlich Engpassmanagement in ihrem Bereich zu beschaffen, um die Effizienz bei Betrieb und Ausbau des Verteilernetzes zu verbessern.“
 

Donnerstag, 2.03.2023, 09:30 Uhr
Fritz Wilhelm

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