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Energie & Management > Recht - OVG Münster lässt Windturbine trotz 1.000-m-Abstandsregel zu
Quelle: Fotolia / Stefan Welz
Recht

OVG Münster lässt Windturbine trotz 1.000-m-Abstandsregel zu

Am Niederrhein darf eine Windturbine entstehen, obwohl sie den gesetzlich in NRW verlangten Mindestabstand von 1.000 Metern unterschreitet. Das Urteil des OVG Münster lässt aufhorchen.
Es war von Dammbruch die Rede, von Rechtsunsicherheit durch nun geöffnete Türen – und damit war es das ganz große Besteck, mit dem der Rechtsvertreter des Kreises Heinsberg im Rheinischen eine einzelne Windkraftanlage zu verhindern versuchte. Allein, es nutzte nichts: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster kann unweit der Autobahn 46 zwischen Erkelenz und Hückelhoven keine belastbaren Argumente gegen die Turbine erkennen.

„Unweit“ ist auch das Stichwort für die Brisanz des Falles und des Urteils. Denn die Anlage will der Projektierer MLK Consulting aus Jacobsdorf (Brandenburg) rund 600 Meter entfernt vom nächstgelegenen Wohnhaus in Erkelenz-Hetzerath errichten. Bis zum ersten Gebäude von Erkelenz-Houverath sind es etwa 800 Meter. Das passt so gar nicht zu der Pinkwart-Erfindung, zwischen Windkraftanlagen und den ersten Behausungen mindestens einen Kilometer Platz zu lassen. Der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte diese Regel als Juniorpartner der CDU durchgesetzt, zum Gesetz wurde sie im Juli 2021. Die schwarz-grüne Nachfolgeregierung hat sie zwar etwas ausgehöhlt, aufgrund der unwilligen CDU bis heute aber nicht komplett abgeschafft.

Immer scheint "überragendes öffentliches Interesse" an Erneuerbaren durch

Für den Vorsitzenden Richter des 7. Senats, Jens Saurenhaus, stach auch diese letzte Trumpfkarte des Kreises Heinsberg nicht. Er sah „keine verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen seine Auffassung, dass weder öffentliche Belange noch die Abstandsvorschrift des Baugesetzbuches NRW dem Windkraftwerk im Wege stehen. Vielmehr lasse die nachvollziehbare Abwägung aller Faktoren nur den Schluss zu, dass der Kreis keine ausreichenden Gründe gegen die Windkraftanlage vorgebracht habe. Die Ablehnung ist damit einkassiert, das Genehmigungsverfahren unter Berücksichtigung des OVG-Urteils vom 16. Mai neu aufzunehmen.

Tatsächlich wäre es übers Ziel hinaus geschossen, den zunächst in mündlicher Verhandlung ergangenen Richterspruch als Erfolg von Bundes- über Landesrecht zu werten. Allerdings schimmerte bei Jens Saurenhaus’ Begründung immer auch Paragraf 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch, worin die Ampelkoalition in Berlin den Erneuerbaren das „überragende öffentliche Interesse“ bescheinigt. Im Abwägungsfall kann es damit höher stehen als andere Belange, etwa des Arten- oder Landschaftsschutzes.

Diesen Paragrafen wollte der Richter gleichwohl nicht als „Hebel“ sehen, mit dem jegliche öffentliche Belange oder Landesgesetz außer Kraft gesetzt werden könne. Dies hatte der Rechtsvertreter des Kreises prophezeit. Im Fall der Windturbine auf Hückelhovener Gebiet, das von der Kommune sogar gewollt ist, handele es sich laut Gericht um einen Einzelfall.

Und bestimmend sei damit, wo die Anlage entstehen soll. Direkte Nachbarinnen sind zwei weitere Windturbinen selber Bauart – V136 des Herstellers Vestas mit einer Kapazität von 4,2 MW und einer Gesamthöhe von gut 210 Metern – und eine Nordex N117. Im Umfeld befindet sich zudem eine 110-kV-Hochspannungsleitung und nicht zuletzt die A 46. Durch die Vorbelastung dieses Areals, das sonst ausschließlich aus landwirtschaftlicher Fläche besteht, konnte das Gericht durch die Erweiterung des Windparks keine beeinträchtigende Wirkung ausmachen.

Damit entfielen die vom Kreis Heinsberg und der Stadt Erkelenz vorgebrachten Einwände, etwa der Schutz des Landschaftsbildes, des Naherholungsraumes, des Bodens oder eines nahe gelegenen Denkmals (Wasserturm). Auch die vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung schließe Windkraft nicht aus. Mögliche Artenschutzauflagen ließen sich zudem durch Nebenbestimmungen regeln, ebenso wie die nächtliche Drosselung der Leistung für weniger Lärm.
Dennoch bedankte Richter Jens Saurenhaus sich abschließend noch beim Rechtsvertreter Andre Unland für die „spannende und interessante“ Diskussion.

Kein öffentlicher Widerstand gegen die ersten drei Windkraftwerke

Denn Unland hatte vehement davor gewarnt, die von Bund und Land gewollten politischen Steuerungsmittel außer Kraft zu setzen. Beide Gesetze – Abstandsregel und Paragraf 2 EEG – wollten Windkraft innerhalb gewisser Rahmenbedingungen ermöglichen. Anders herum: Außerhalb von Vorrangzonen sollten Turbinen eben nicht mehr privilegierte Bauvorhaben sein. Unlands Argumentation: Wenn nun eine Windkraftanlage zusätzlich an einen bestehenden Windpark gebaut werden dürfe, weil das Areal bereits vorbelastet sei, verlören festgelegte Zonen ihre gewollte Wirkung.

In Hückelhoven gibt es allerdings aktuell keinen gültigen Flächennutzungsplan, der Vorrangzonen für Windkraft vorschreibt und im Urteil zu berücksichtigen wäre. Insofern betraf der Vortrag des Rechtsanwalts eine übergeordnete, politische Ebene. Dies betonte auch Richter Jens Saurenhaus. Die blockierte Windkraftanlage sei ein Einzelfall. Die 1.000-m-Regel habe keinen Status von öffentlichen Belangen, die es zu berücksichtigen gelte, sondern sei politisch zur Steigerung der Akzeptanz von Windkraft gedacht. Gegen den Windpark mit bislang drei Turbinen gebe es aber keinen Widerstand, davon sei auch bei Anlage vier nicht auszugehen.

Jens Saurenhaus sei aber dennoch gespannt, ob das Gericht in seiner Meinung „korrigiert werde“. Dafür lässt es aber eigentlich keinen Raum: Die Möglichkeit der Revision verweigerte das OVG. Um doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anrufen zu können, müsste der Kreis Heinsberg zunächst eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Das ließ dessen Rechtsanwalt offen.

Dienstag, 16.05.2023, 18:56 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Recht - OVG Münster lässt Windturbine trotz 1.000-m-Abstandsregel zu
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OVG Münster lässt Windturbine trotz 1.000-m-Abstandsregel zu
Am Niederrhein darf eine Windturbine entstehen, obwohl sie den gesetzlich in NRW verlangten Mindestabstand von 1.000 Metern unterschreitet. Das Urteil des OVG Münster lässt aufhorchen.
Es war von Dammbruch die Rede, von Rechtsunsicherheit durch nun geöffnete Türen – und damit war es das ganz große Besteck, mit dem der Rechtsvertreter des Kreises Heinsberg im Rheinischen eine einzelne Windkraftanlage zu verhindern versuchte. Allein, es nutzte nichts: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster kann unweit der Autobahn 46 zwischen Erkelenz und Hückelhoven keine belastbaren Argumente gegen die Turbine erkennen.

„Unweit“ ist auch das Stichwort für die Brisanz des Falles und des Urteils. Denn die Anlage will der Projektierer MLK Consulting aus Jacobsdorf (Brandenburg) rund 600 Meter entfernt vom nächstgelegenen Wohnhaus in Erkelenz-Hetzerath errichten. Bis zum ersten Gebäude von Erkelenz-Houverath sind es etwa 800 Meter. Das passt so gar nicht zu der Pinkwart-Erfindung, zwischen Windkraftanlagen und den ersten Behausungen mindestens einen Kilometer Platz zu lassen. Der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte diese Regel als Juniorpartner der CDU durchgesetzt, zum Gesetz wurde sie im Juli 2021. Die schwarz-grüne Nachfolgeregierung hat sie zwar etwas ausgehöhlt, aufgrund der unwilligen CDU bis heute aber nicht komplett abgeschafft.

Immer scheint "überragendes öffentliches Interesse" an Erneuerbaren durch

Für den Vorsitzenden Richter des 7. Senats, Jens Saurenhaus, stach auch diese letzte Trumpfkarte des Kreises Heinsberg nicht. Er sah „keine verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen seine Auffassung, dass weder öffentliche Belange noch die Abstandsvorschrift des Baugesetzbuches NRW dem Windkraftwerk im Wege stehen. Vielmehr lasse die nachvollziehbare Abwägung aller Faktoren nur den Schluss zu, dass der Kreis keine ausreichenden Gründe gegen die Windkraftanlage vorgebracht habe. Die Ablehnung ist damit einkassiert, das Genehmigungsverfahren unter Berücksichtigung des OVG-Urteils vom 16. Mai neu aufzunehmen.

Tatsächlich wäre es übers Ziel hinaus geschossen, den zunächst in mündlicher Verhandlung ergangenen Richterspruch als Erfolg von Bundes- über Landesrecht zu werten. Allerdings schimmerte bei Jens Saurenhaus’ Begründung immer auch Paragraf 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch, worin die Ampelkoalition in Berlin den Erneuerbaren das „überragende öffentliche Interesse“ bescheinigt. Im Abwägungsfall kann es damit höher stehen als andere Belange, etwa des Arten- oder Landschaftsschutzes.

Diesen Paragrafen wollte der Richter gleichwohl nicht als „Hebel“ sehen, mit dem jegliche öffentliche Belange oder Landesgesetz außer Kraft gesetzt werden könne. Dies hatte der Rechtsvertreter des Kreises prophezeit. Im Fall der Windturbine auf Hückelhovener Gebiet, das von der Kommune sogar gewollt ist, handele es sich laut Gericht um einen Einzelfall.

Und bestimmend sei damit, wo die Anlage entstehen soll. Direkte Nachbarinnen sind zwei weitere Windturbinen selber Bauart – V136 des Herstellers Vestas mit einer Kapazität von 4,2 MW und einer Gesamthöhe von gut 210 Metern – und eine Nordex N117. Im Umfeld befindet sich zudem eine 110-kV-Hochspannungsleitung und nicht zuletzt die A 46. Durch die Vorbelastung dieses Areals, das sonst ausschließlich aus landwirtschaftlicher Fläche besteht, konnte das Gericht durch die Erweiterung des Windparks keine beeinträchtigende Wirkung ausmachen.

Damit entfielen die vom Kreis Heinsberg und der Stadt Erkelenz vorgebrachten Einwände, etwa der Schutz des Landschaftsbildes, des Naherholungsraumes, des Bodens oder eines nahe gelegenen Denkmals (Wasserturm). Auch die vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung schließe Windkraft nicht aus. Mögliche Artenschutzauflagen ließen sich zudem durch Nebenbestimmungen regeln, ebenso wie die nächtliche Drosselung der Leistung für weniger Lärm.
Dennoch bedankte Richter Jens Saurenhaus sich abschließend noch beim Rechtsvertreter Andre Unland für die „spannende und interessante“ Diskussion.

Kein öffentlicher Widerstand gegen die ersten drei Windkraftwerke

Denn Unland hatte vehement davor gewarnt, die von Bund und Land gewollten politischen Steuerungsmittel außer Kraft zu setzen. Beide Gesetze – Abstandsregel und Paragraf 2 EEG – wollten Windkraft innerhalb gewisser Rahmenbedingungen ermöglichen. Anders herum: Außerhalb von Vorrangzonen sollten Turbinen eben nicht mehr privilegierte Bauvorhaben sein. Unlands Argumentation: Wenn nun eine Windkraftanlage zusätzlich an einen bestehenden Windpark gebaut werden dürfe, weil das Areal bereits vorbelastet sei, verlören festgelegte Zonen ihre gewollte Wirkung.

In Hückelhoven gibt es allerdings aktuell keinen gültigen Flächennutzungsplan, der Vorrangzonen für Windkraft vorschreibt und im Urteil zu berücksichtigen wäre. Insofern betraf der Vortrag des Rechtsanwalts eine übergeordnete, politische Ebene. Dies betonte auch Richter Jens Saurenhaus. Die blockierte Windkraftanlage sei ein Einzelfall. Die 1.000-m-Regel habe keinen Status von öffentlichen Belangen, die es zu berücksichtigen gelte, sondern sei politisch zur Steigerung der Akzeptanz von Windkraft gedacht. Gegen den Windpark mit bislang drei Turbinen gebe es aber keinen Widerstand, davon sei auch bei Anlage vier nicht auszugehen.

Jens Saurenhaus sei aber dennoch gespannt, ob das Gericht in seiner Meinung „korrigiert werde“. Dafür lässt es aber eigentlich keinen Raum: Die Möglichkeit der Revision verweigerte das OVG. Um doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anrufen zu können, müsste der Kreis Heinsberg zunächst eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Das ließ dessen Rechtsanwalt offen.

Dienstag, 16.05.2023, 18:56 Uhr
Volker Stephan

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